Uli Jon Roth
Uli Jon Roth
Interview
Uli Jon Roth ist in der Musikgeschichte natürlich kein unbeschriebenes Blatt. Einst Mitglied der SCORPIONS gewesen, machte der Mann mit seiner Sky-Gitarre auch danach große Karriere. Mit seinem neuen Album "Under A Dark Sky" schafft er eine gekonnte Verbindung vieler Musikstile. Wir fühlten Herrn Roth ein wenig auf den Zahn.
Uli, schön mal wieder von dir und einem Album mit deinem Namen zu hören. „Under A Dark Sky“ wird angepriesen als das erstes richtiges Rock-Album von dir seit 1983. Stimmst du dieser Aussage voll und ganz zu?
Das ist schon irgendwie eine komische Aussage – vor allem in Verbindung mit meiner Person. Was ist ein „richtiges“ Rock Album? Gibt es auch Falsche? Das was ich hier mache ist schon irgendwie auch Rock, aber es sprengt eigentlich alle Grenzen der möglichen Klassifizierung – und das ganz bewusst. Vor allen Dingen mache ich Musik – wie man das dann nennt, ist eigentlich egal. Mein Publikum ist schon irgendwie daran gewöhnt, daß man für jedes meiner Alben einen neuen Kompaß braucht.
„Under A Dark Sky“ verbindet Operngesänge, klassische Orchesterparts und natürlich eine voluminöse Gitarre. Ist die Platte ein reines Konzeptalbum? Und wie kam dir die Idee zu der Verbindung all dieser Stile?
Man kann schon sagen, daß sie ein Konzeptalbum ist. Die Verbindung der Klangelemente ergab sich daraus, daß dies die Sounds sind, die ich auf dieser CD hören wollte.
Außerdem fällt auf, dass dein neues Werk schon fast die Voraussetzung für den Soundtrack eines bombastischen Films hat. Spielte dieser Gedanke vielleicht in irgendeiner Weise auch eine Rolle für das Album? Bzw. hattest du irgendeinen Streifen oder eine interessante Geschichte im Hinterkopf?
Die meisten meiner Stücke in der Vergangenheit sind so angelegt, daß sie sehr stark visuelle
Eindrücke hervorrufen. Das liegt daran, daß ich sehr in Bildern denke und auch Musik bevorzuge, die Ähnliches bei mir bewirkt.
Du bist ja dafür bekannt ein Multitalent zu sein. Du Schreibst deine Musik immer selbst, malst Ölbilder, begibst dich in poetische Gefilde und und und. Wenn du ein Album aufnimmst, lässt du dir dabei von irgend jemanden reinreden? Oder werden hier ausschließlich deine eigenen visionären Ideen eingebracht?
Es redet niemand rein! Wenn ich mal einen Rat brauche, weiß ich wo ich anzuklopfen hab. Ich habe mir immer Plattenfirmen gesucht, welche mir 100 Prozent freie Hand lassen. Das ist mir bei weitem wichtiger, als größere Verkaufszahlen. Künstlerische Freiheit über alles!!!
Auf „Under A Dark Sky“ vereinigst du eine Vielzahl von Sängerinnen und Sängern. Mark Boals (u.a. schon für MALMSTEEN tätig gewesen), Liz Vandall (ex. SAHARA) um nur einige zu nennen. Aber wie bringt man solch eine Vielzahl von Musikern unter einen Hut und vor allem wie schafft man es, für jedes Stück die richtige Stimme auszuwählen?
Ich gehe das sozusagen modular an; es gab Stücke und Passagen, die ich von mehreren Sängern habe singen lassen. Es zeigt sich dann sehr schnell, wem was liegt oder nicht. Manchmal ist es ein Kampf, aber oft geht es auch sehr leicht.
Auffallend finde ich, dass „Under A Dark Sky“ vom Feeling her auch in die 80er gepasst hätte. Will sagen, dass das Werk nicht unbedingt auf modern getrimmt ist. Wo liegen deine musikalischen Orientierungen im Moment? Eher in vergangenen Zeiten oder doch eher in die Zukunft ausgerichtet?
Ich würde nicht sagen, daß es in die 80er passt. Du hast Recht, wenn Du sagst, daß ich nicht versuche, dem Markt auf den Mund zu schreiben. Ich versuche, auf meine Art „zeitlos“ zu produzieren. Trends interessieren mich nicht – die kommen und gehen. Ich möchte, daß meine Sachen den Sound haben, der sie am besten im künstlerischen Sinne transportiert. Die Hauptlimitierung ist das Stereo Format. Damit bin ich noch nie klar gekommen. Viel zu eng. Interessant wird es erst ab 5.1 Surround – besser aber: 9.1 Surround – ich schaue dieserhalb sehnsüchtig in die Zukunft. Stereo ist meine Nemesis – ein unerträgliches Klanggefängnis und ein miserabler, sehr schmerzhafter Kompromiß. Es gibt Musik, die in Stereo ganz gut klingt – aber das ist selten die, welche ich hören möchte. Es gibt auch viele Tricks, wie man die Kompromisse erträglicher macht, aber die meisten CDs gefallen mir vom Klang her nicht. Zu eindimensional, zu wenig Mysterium. Die Musik, wie ich sie hören möchte, kann man in Stereo nicht reproduzieren. Meistens gehe ich sowieso nicht mit dem sogenannten Industriestandard konform – das was „modern“ ist hat selten echte Substanz. Und der derzeitige Standard ist mir zu klein, zu formatiert, zu temporär – auf jeden Fall irgendwie auf unangenehme Weise limitierend. Ich mag es nicht, wenn alles gleich klingt. Das ist wie Sommer-Winter Mode, wo alle so ziemlich das Gleiche anziehen. Diese Denkweise ist mir fremd. Das ist was für Herdentiere. Es gibt allerdings auch immer wieder erfrischende Ausnahmen von dieser Regel.
Mal Hand aufs Herz: Wie lange hast du gebraucht, um „Under A Dark Sky“ auf dem Papier oder in Gedanken zu vollenden?
Der künstlerische Prozeß war relativ einfach, es floss geradezu nur so heraus und dauerte nicht besonders lange, von kleinen Unebenheiten abgesehen. Das Produzieren war jedoch verdammt schwer und aufwendig.
Bei „Letter Of The Law“ und “Light And Shadows” schwingst du dich selbst hinters Mikro. Wolltest du demnach hier deine eigenen Akzente beim Gesang einbringen oder hat keiner der Vokalisten deine Vorstellungen bei den Tracks wie gewünscht umgesetzt?
Es war „Stay In The Light“, nicht „Letter of the Law”. Ich hatte eigentlich nicht vor selber zu singen, habe aber einige singen lassen. Jedoch wurde irgendwie nicht der richtige Ton getroffen. Am Ende habe ich meinen Demo-Gesang genommen.
Um mal ein wenig auf deine musikalische Vergangenheit zu kommen, was unsere Leser sicherlich auch sehr interessieren wird: Was waren deine persönlichen Höhepunkte in all dem Jahren im Geschäft? Die Jahre bei den SCORPIONS oder doch eher die Jahre auf Solopfaden?
Es war alles voll von Höhepunkten, und das ist zum Glück anhaltend. Alles in allem bin ich jetzt aber viel zufriedener und ausgefüllter mit dem was ich mache als früher.
Verfolgst du die Veröffentlichungen deiner ehemaligen Mitstreiter eigentlich? Wenn ja, wie findest du die jüngsten Werke der SCORPIONS?
Ich habe nicht alles verfolgt, aber die letzte CD gefällt mir sehr gut.
Bekommst du das Geschehen der aktuellen Hard Rock und Metalszene eigentlich mit? Gibt es eine Band, die es dir besonders angetan hat?
Eigentlich bekomme ich sehr wenig mit, muß auch gestehen, daß es mich nie besonders interessiert hat. Tut mir Leid, ich möchte ja niemanden vor den Kopf stoßen, aber im Grunde meines Herzens bin ich noch nie ein Rock-Fan gewesen und Metal-Fan schon gar nicht. Ist mir zu brutal. Außerdem mag ich diese Formatierungen nicht. Mich interessieren immer vor allem Künstler, die über ein Format hinauswachsen und nicht die, welche darin gefangen sind.
Bei AVANTASIA hattest du bekanntlich auch einen Auftritt als Gastmusiker. Wie war die Arbeit zusammen mit Tobias Sammet?
Mit Tobias komme ich prima klar, ich mag ihn als Menschen. Unsere Zusammenarbeit beschränkte sich allerdings nur auf die eine Show in Wacken, welche ohne Probe stattfand, also kann ich wenig sagen.
Wie kam es eigentlich zu deinem Auftritt zusammen mit den SMASHING PUMPINKS? Ist die Band ein Fan von dir oder hast du auf einem Album der Truppe mitgewirkt?
Billy und ich hatten ein Dinner in Los Angeles. So kam es zu den Shows und der Fernsehsendung in Hamburg. Rudolf Schenker hatte die Connection hergestellt, da die beiden in den USA dasselbe Management haben. Seitdem sind Billy und ich Freunde.
Hast du eigentlich einen gewissen Background in Sachen Gitarrenbau? Oder wie kam dir die Idee zu deiner legendären 6-Oktaven-Gitarre?
Einen Background habe ich nicht. Ich kann nicht selber bauen, aber ich kann Formen und Ideen entwerfen. Die Sky Gitarre war etwas, was passieren musste!
Die obligatorische Frage: Wird es eine Live-Umsetzung von „Under A Dark Sky“ geben? Stehen schon irgendwelche Dates an, um dich mal wieder auf der Bühne zu erleben?
Wir sind gerade auf Amerika Tournee und spielen einen Großteil des Albums bereits live. Das Publikum liebt es! Hätte auch anders sein können – wir haben Glück, daß es überall so gut ankommt, denn das Zeug ist live höchst intensiv.
Uli, vielen Dank für das Interview. Gibt es noch irgendetwas, was du gerne loswerden möchtest?
Eigentlich nicht, es freut mich, daß Ihr mich gefragt habt! Ich wünsche Euch alles Gute! Euer Uli Jon Roth
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