Übergas
Dropbox hilft

Interview

Mit „Heiss“ ist das mittlerweile vierte Album von ÜBERGAS erschienen. Die Band hat ihren Sound hier merklich entschlackt und die Experimente des Vorgängers sein lassen. Stattdessen bekommen Hörer ein fett rockendes Deutschrock-Album serviert, das seinem Namen alle Ehre macht. Wir haben uns Sänger und Bassist Krispin Kirchhoff geschnappt und mit ihm über die Hintergründe der Platte geredet, aber auch über das schwierige Thema „Deutschrock“.

Übergas

Übergas – Heiss

Krispin Kirchhoff von ÜBERGAS sprach mit uns…

… über die neue Labelheimat

SPV sind natürlich schon recht groß und ich habe auch einiges an Platten von denen. Wir sind ja bei Laute Helden, einem Sublabel davon, gelandet und sind sehr zufrieden. Das neue Album haben wir allerdings schon vor dem Deal fertig gestellt, da wir ohnehin gern alles selbst in die Hand nehmen. Niels von Oktober Promotion hat sich das Teil angehört und war ziemlich angetan, sodass er schließlich das Label kontaktierte.

… über die Stilwechsel der Band

Man könnte uns im weiteren Sinne durchaus als musikalisches Chamäleon bezeichnen. Vor allem unserer zweite Platte „Wir sind ready to fight“ war sehr metallisch, sehr laut und kam mit viel Gitarrenlärm daher. Das war die Zeit, wo wir mehr das Riff als solches abgefeiert haben. Danach folgten einige Experimente mit Synthesizern auf „Im Kreise der Familie“. Allerdings würde ich uns nicht unbedingt als Hardcore-Band bezeichnen, auch wenn wir mal mit BIOHAZARD und PRO-PAIN auf Tour gewesen sind. Und obwohl die Tour mit denen richtig Spaß gemacht hat, haben wir da irgendwie nicht wirklich reingepasst. Das kam alles über die entsprechende Booking-Agentur damals.

Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass wir uns schon viel gewandelt haben seit unseren Anfängen. Wir haben vermutlich mehr querbeet gespielt als manch andere Band. Aber die Attitüde ist immer noch die gleiche. Das hat sich alles einfach so entwickelt. Die neue Platte klingt, auch dank Georg Lenhardt an den Drums [u. a. auch DIE APOKALYPTISCHEN REITER, Anm. d. Red.], eher fokussiert. Wir haben einige Dinge aus unserem Sound heraus gefiltert und wollten mit den neuen Songs auf den Punkt kommen.

… über die „Entschlackung“ von „Heiss“

Das Ziel war es, alles Unnötige zu entfernen und die Essenz unseres Sounds für unser Album zu nehmen. Wäre „Heiss“ vor fünf bis sechs Jahren erschienen, hätten wir da noch viel mit Synthesizern herum experimentiert. Aber das haben wir jetzt sein lassen. Das hat sicher auch mit unserem Alter zu tun. Wir alle sind reifer geworden, was das Dasein als Mittdreißiger halt so mit sich bringt. Ich bin froh, dass es so ist. Bands im zarten Durchschnittsalter von 19-20 bekommen ja meist von einem Produzenten einen Sound verpasst, der dann zwar funktioniert, aber irgendwie wenig für die Band selbst darstellt. ÜBERGAS dagegen sind einfach ÜBERGAS. Wir wachen, worauf wir Bock haben, und dann Arschlecken! Wir verbiegen uns nicht. Natürlich denken wir über unseren Sound nach und darüber, wie wir ihn am besten Verpacken, ob und wie zugänglich wir ihn gestalten wollen. Unser zweites Album war das reinste Riffgewitter und wir sind auch mächtig stolz darauf. Das war natürlich nichts für die großen Verkäufe. Aber diese Erfahrung mussten und wollten wir einfach machen.

… über die Entstehung des neuen Sounds

Mittlerweile haben wir zahlreiche Wechsel im Lineup hinter uns. Dennoch hatten wir dieses Mal eine gemeinsame Vision. Tatsächlich ist „Heiss“ das erste Album, das wir als Band gemeinsam geschrieben haben, anstatt nur ich selbst. Dabei hatten wir das Problem, dass wir ein bisschen in Deutschland verstreut leben und uns dadurch nicht jede Woche sehen konnten. Die Lösung: Dropbox. Mike und ich kamen öfter zusammen und wir arbeiteten dann den Großteil der Tracks aus, die wir dann in unsere Dropbox gesteckt haben. Die hat Georg sich dann geholt und ihnen meist noch den letzten Schliff verpasst oder neue Impulse gesetzt.

… über die Campino-Impression auf „Weil es so ist“

Ich versuche einfach immer mit Vollgas zu singen. Ich nehme in der Regel mehrere Spuren auf und dopple meinen Gesang bis zu vier Mal. Und um da gerade in diesem Refrain die richtige Power hinein zu bekommen, musste ich richtig aus mir raus gehen. Oder um die Produzentenlegende Michael Wagener mal zu paraphrasieren, als er mit Ozzy Osbourne zusammen arbeitete: Ich musste mir selbst in den Arsch treten.

… über den Nostalgiefaktor von „Dickes Wasser und dünnes Blut“

Genau das war das Ziel des Songs. Solche Songs sollen einen berühren. Es ist ein Track aus meiner Zeit als Teenager, als wir in der Waschküche geprobt haben und die Jungs dann mit der Boombox angekommen sind.

… über das schwierige Thema „Deutschrock“

Wenn über Deutschrock diskutiert wird, kommen immer Begriffe wie „Grauzone“ und „Niveau“ ins Spiel. Das geht natürlich auch immer mit entsprechenden Anschuldigungen betreffs politischer Gesinnung einher. Ich finde es richtig kacke, wie damit umgegangen wird, wie teilweise gegen Bands gewettert wird, nur weil sie Deutschrock spielen. Da wird uns teilweise mit einer an Ironie grenzenden Vehemenz Faschismus und Schlimmeres vorgeworfen. Neulich habe ich einen Kommentar gelesen von wegen: „ÜBERGAS? Für den Namen alleine gehört ihr ins Brausebad“. Geht’s eigentlich noch? Da habe ich mich richtig drüber geärgert. Aber es wäre blödsinnig, darauf einzugehen. Vielen geht es ja nur darum, die „richtige“ Meinung zu haben.

Und all das nur, weil sich die Leute nicht mit den Hintergründen der Bands auseinandersetzen. Oder, sind wir mal ehrlich, mit der Bedeutung ihrer eigenen Anschuldigungen, die ja fast nur noch wie Schimpfwörter gebraucht werden. Aber das ist zugegeben ein schwieriges Thema und eines, über das man wohl stundenlang diskutieren könnte. Und auch sollte.

24.06.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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