U.D.O.
"Mit unserer Musik haben wir einen Touchdown erreicht."
Interview
Wir trafen uns mit Udo Dirkschneider am 03. August in Hamburg, einen Tag nach seinem Auftritt bei der DORO-Show in Wacken. Seine Eindrücke bezüglich Wacken 2023 hat uns U.D.O. ebenfalls geschildert, welche hier nachzulesen sind. Im zweiten Teil des ausführlichen Interviews erläutert Udo uns einige Dinge zur neuen Scheibe „Touchdown“ und wie Peter Baltes zu U.D.O. gekommen ist.
Du bist bisher der „Vater“ von U.D.O., jetzt hat die junge Generation noch einen „Onkel“ dazubekommen. Was hat Peter Baltes zu „Touchdown“ beigetragen und wie hat sich die Stimmung in der Band verändert?
Ja, jetzt habe ich wieder jemanden an meiner Seite, welcher in meiner Generation ist. Peter musste nur den Bass einspielen, die Kompositionen waren bereits komplett fertig. Peter hat eine bestimmte Art Bass zu spielen. Wir haben ihm komplett freie Hand gelassen, sodass Peter in seinem Style wie zu früheren Zeiten agieren konnte. Das hat sich positiv auf „Touchdown“ ausgewirkt. Für mich selbst ist die Sachlage noch etwas spezieller. Wenn wir auf der Bühne stehen und ich nach rechts schaue, dann steht da Peter.
Die Atmosphäre in der Band ist hervorragend, wo Peter entscheidend mit zu beigetragen hat. Kurz gesagt hatte er sich bei ACCEPT nicht mehr so richtig wohlgefühlt. Aber das wird Peter selbst erläutern, was er bereits zum Teil in Interviews auch getan hat. Ich halte mich aus dem Thema ACCEPT und Peter raus. Er ist bei uns regelrecht aufgeblüht, da bei U.D.O. andere Abläufe herrschen. Wir sind in vielen Dingen „open minded“, nicht nur musikalisch. Es war eigentlich überhaupt nicht geplant das Peter bei uns einsteigt. Tilen (Tilen Hudrap, früherer Bassist bei U.D.O.) hatte einen Kollaps erlitten, wo er auch dran hätte sterben können. Er ist gegen den Rat vom Arzt und der Familie mit auf die „Game Over“-Tour gegangen und ist nach der zweiten Show zusammengebrochen. Gerade nach Corona wollten wir keine Tour absagen. Ich hatte mit Peter vorher bereits gemeinsam ein Projekt realisiert, sodass ich die Idee hatte, dass uns Peter am schnellsten helfen könnte. Ich habe ihn dann angerufen und die Situation geschildert. Er hat innerhalb von einer Stunde einige Dinge geklärt und uns dann zugesagt.
Eigentlich war geplant, dass Peter uns solange aushilft, bis der Tilen wieder richtig fit ist. Auf der Hälfte der Tour bekamen wir eine E-Mail vom Tilen, wo er uns seinen Bandausstieg mitteilte. Warum wissen wir bis heute im Detail nicht. Die Gründe, welche er nannte, waren für uns kaum nachvollziehbar. Wir waren in Brasilien unterwegs und saßen gemeinsam beim Abendessen. Wir überlegten, wer als möglicher Nachfolger für Tilen in Frage kommen könnte. Daraufhin sagte Peter, dass er sich gut vorstellen könne bei U.D.O. einzusteigen. Er klärte noch einige Dinge und zwei Tage später sagte er uns fest zu. So schnell hatte U.D..O. einen neuen Bassisten gefunden.
Im Hintergrund ist Peter Kaufmann bei U.D.O. ebenfalls aktiv. Du, Peter und Stefan: Beim Blick auf die ACCEPT-Besetzung, welche Klassiker wie „Restless And Wild“ oder „Metal Heart“ veröffentlicht hat, ist U.D.O mehr ACCEPT als ACCEPT, oder?
Ja, also rein zahlenmäßig ist das so. Stefan nimmt nach wie vor meinen Gesang auf und das Schlagzeug von Sven. Im Prinzip ist bei uns noch ein ehemaliger ACCEPT-Musiker im Hintergrund aktiv. Wir könnten sagen, dass wir bei der „Touchdown“ 2,5 ehemalige ACCEPT-Musiker in der Band haben. Es ist schon verrückt, die Fans kommen auf uns zu und sagen, dass U.D.O. mittlerweile mehr ACCEPT ist als ACCEPT selbst wäre. Allen voran, wenn wir als DIRKSCHNEIDER auftreten. Wir haben an den alten ACCEPT-Klassikern das ein oder andere verändert, was Peter als sehr positiv empfindet und auch als Idee für ACCEPT sehen würde.
Dann lass und zu „Touchdown“ springen. Der Begriff hat von der einfachen Übersetzung verschiedene Interpretationen. Eine Landung kann als „Touchdown“ übersetzt werden, genauso wie der Begriff aus dem Sport wie es das Cover-Artwork und das Video zur Single aussagt. Welche Bedeutung hat der Albumtitel für Dich?
Wir sind gelandet mit dem Album „Touchdown“. Wir hatten ursprünglich keine Ahnung wie wir das Album nennen sollten. Wir waren in Brasilien am Flughafen und haben in einer Sportsbar gesessen. Da lief nebenbei Football und er kam immer wieder der Begriff „Touchdown“. Ich selbst bin kein riesengroßer Fan, aber ab und wann schaue ich zu Hause ein Football-Spiel. Ich habe dann zu den anderen Bandmitgliedern gesagt „schaut mal auf das TV, der Begriff „Touchdown“ passt wie der Arsch auf Eimer für die Scheibe“.
Mit unserer Musik haben wir ebenfalls einen „Touchdown“ erreicht. Wir haben die Musik über die Ziellinie gebracht. Es gab sofort Ideen, wie wir uns für Promotionsbilder geben wollen, unter anderem in einem kompletten Footballspieler-Outfit. Wir haben dann gesagt, dass wir nicht die typische Heavy-Metal-Abteilung bedienen wollen, sondern uns primär auf den Titel konzentrieren. So sind wir zum Cover mit dem Ball gekommen inklusive Nieten und Patronengürtel, welcher beim „Touchdown“ Wasser aufspritzen lässt. Es hat nicht die tiefsinnigste Bedeutung, aber der Titel passt gut zur Musik und Football ist vor allem eine Mannschaftsleistung mit viel Power.
Der Opener nennt sich „Isolation Man“ mit dem Refrain „We Rock The Venom“. Kannst Du uns zu dem Opener einige Worte erzählen? Der Song kommt passend zum Text sehr giftig rüber.
Der Song ist ein Rückblick auf die Corona-Zeit. Wir hatten keine Kontakte mehr, konnten nirgendwo hin. Du hast zu Hause gesessen und warst allein und hast dich isoliert gefühlt. Wir haben einige Themen auf der Scheibe, die die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit wiederspiegeln.
Das Album ist insgesamt aggressiver geworden, es geht mehr nach vorne. Wir hatten Corona. Als Corona noch nicht ganz durch war, hatten wir unser Studio bei uns im Haus fertig, was von der Flut weggespült wurde. Das spiegelt sich in „The Flood“ wieder, welchen Sven mit beeinflusst hat.
Es folgte der Ukraine-Krieg, wo unser Gitarrist Andrey (Andrey Smirnov, Anmerkung der Redaktion), mittlerweile acht Jahre in der Ukraine lebend, verheiratet mit zwei Kindern, reingeraten ist. Das hat unseren Produktionsprozess erstmal unterbrochen. Wir haben uns gedacht, wir müssen Andrey dort herausholen. Wir haben einige Sachen probiert, dann sagte Andrey von sich aus, dass er aus der Region Charkiw wegmuss. Das ist genau der Korridor, wo der Angriff von Russland erfolgte. Wir haben Bilder bekommen, die waren furchtbar. Andrey sagte, entweder er stirbt dort oder packt seine Familie ins Auto. Er versuchte sich bis zur polnischen Grenze durchzuschlagen. Wir waren immer im Kontakt, Andrey ist diverse Schleich- und Umwege gefahren, da die Hauptstraßen ein zu großes Risiko darstellten. Sven (Sohn von Udo Dirkschneider und Drummer bei U.D.O., Anmerkung der Redaktion) und unser Produzent haben Andrey und seine Familie an der polnischen Grenze abgeholt. Andrey benötige einige Zeit, bis er sich von der Kriegssituation erholt hatte und wieder über Musik nachdenken konnte. Dadurch hat sich das Album verzögert, welches wir eigentlich im Frühjahr veröffentlichen wollten. Wir haben auf die neue Situation reagiert, egal ob Band, Label oder Produzent. Es war erstmal wichtiger Andrey aus dem Kriegsgeschehen herauszuholen. Diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, dass „Touchdown“ aggressiver geworden ist.
Viele Songs haben einen unglaublichen Drive und immer irgendwo einen „Old-School-Vibe“, „Fight For The Right“ mit dem Gitarrensolo sticht dabei hervor. Wer hat das „Metal Heart“-Gedächtnis-Solo eingebaut?
Das ist Andreys Song, welche den Ukraine-Krieg wiederspiegelt. Andrey hat unter anderem „Der Türkische Marsch“ von Mozart einfließen lassen. Andrey hat in vielen Solos russische Klassik-Elemente eingebaut, welche die Hörerschaft gar nicht im Detail wahrnimmt.
Auf die Lyrics von „Forever Free“ muss ich eingehen, wo es um einen möglichen Gebrauch von nuklearen Waffen geht. Du hast oft in beiden Ländern getourt, wie kommst Du mit dem Krieg in Europa klar?
Für uns bricht mit Russland ein großer Markt weg. Wir haben dort viele Fans und der Markt dort war sehr wichtig, genauso wie die Ukraine. Ich bin persönlich Fan von Russland, aber ganz bestimmt nicht von der Politik. Die Mentalität der Menschen, welche ich in meiner Zeit in Sankt Petersburg kennenlernen durfte, ist angenehm. Mir tut es in der Seele weh, dass wir dort nicht mehr spielen können. Die Menschen vor Ort können nichts dafür. Wir haben E-Mails bekommen, dass wir wieder dort spielen sollen, was aus bekannten Gründen nicht möglich ist. Wir konzentrieren uns auf andere Märkte wie Südamerika und Nordamerika. Dort werden wir primär unser Augenmerk draufhaben, da kein Mensch weiß wann sich die Situation Russland und Ukraine normalisiert. Ich habe mich mit den SCORPIONS über die Thematik unterhalten, niemand weiß ob wir jemals dort wieder auftreten können.
„Heroes Of Freedom“ mit dem Refrain „Leading The Way, Remember The Day“ ist ein echter Ohrwurm. Kannst Du uns ein paar Worte zu der Entstehung erzählen?
Eigentlich geht es um den zweiten Weltkrieg, passt aber unterschwellig zu der heutigen Situation. Die Alliierten haben im zweiten Weltkrieg die tatsächliche Situation in Nazi-Deutschland lange verdrängt. Ich weiß nicht mehr genau wie wir auf die Idee kamen. Im Prinzip geht es um den D-Day und die Befreiung von Europa.
Die Versöhnung zum Schluss und noch ein Ohrwurm. Es soll der sportliche Touchdown mit entsprechenden Punkten gelegt werden, welcher gemeinsam erreicht werden kann. Welchen – im übertragenen Sinne – „Touchdown“ wollen U.D.O. erreichen?
Wir als U.D.O. wollen Menschen zusammenbringen, welche auf unseren Konzerten eine gute Zeit haben. Die Menschen sollen nach dem Konzert mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause gehen. Wir unterhalten Leute, genauso wie Künstler im Schlager oder der Volksmusik. Wir versuchen für unsere Konzerte die Tracks herauszusuchen, welche live gut funktionieren. Wir können auch mal danebenliegen. Wenn wir merken, dass ein Song live nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben, dann haben wir immer zwei oder drei Nummern in der Hinterhand, welche wir tauschen können. Der Titeltrack „Touchdown“ wird live funktionieren, da bin ich mir ziemlich sicher.
Ein kurzer Ausblick auf den Release Day beim Baltic Open Air. Wird es etwas Besonderes von U.D.O. zu erleben geben?
Wir wissen noch nicht genau was wir dort spielen werden. Eine „Touchdown“-Show werden wir nicht spielen, wir haben nicht die Zeit für die entsprechende Vorbereitung. Wir sind mit Festivals ausgebucht, welche bis Ende Oktober laufen. Nach der letzten Festivalshow in Salzburg sitzen wir vier Tage später im Flieger nach New York, wo unsere Nordamerika-Tour startet. Das wird unsere erste „Touchdown“-Show. Irgendwann zwischendrin werden wir Proben müssen, sodass wir die letzten beiden Festivalshows nutzen können, wie das neue Material live ankommt. Aus den Erfahrungen der beiden Shows werden wir unser Set für die US- und Kanada-Tour endgültig zusammenstellen.
Wir kommen zum Schluss und kommen zurück zu DORO. Beim Keep It True Rising spielen Peter und Udo ACCEPT Only, während DORO ein WARLOCK-Set mit der kompletten „Triumph & Agony“ angekündigt hat. Das sind die beiden Headliner in Würzburg. Beim KIT gibt es immer besondere Shows, wie von DORO angekündigt. Was machen Udo und Peter und eventuell Stefan Kaufmann? 40 Jahre „Balls To The Wall“?
Nein, im Augenblick ist Würzburg die finale DIRKSCHNEIDER-Show, gefolgt von vielen U.D.O.-Konzerten. DIRKSCHNEIDER spielen wir nur noch auf Festivals. Eventuell singt Peter eine Ballade oder Peter und ich gemeinsam einen Song. Interessanter wird das Thema nach meiner Einschätzung, wenn wir mit Peter anfangen für das nächste Album zu komponieren.
Die „Balls To The Wall“ wird im Dezember zwar 40 Jahre, wovon wir einige Songs als DIRKSCHNEIDER spielen und die immer noch funktionieren. Es gibt Menschen vor der Bühne, die waren zu dem Release-Datum noch gar nicht auf der Welt. Die feiern die Songs komplett ab. Es sieht so aus, als wenn wir eine Scheibe erschaffen haben, welche länger überlebt, was für uns großartig zu sehen ist. Wir wollen die alten Scheiben so lassen wie sie sind. Wenn wir als Beispiel die „Breaker“ neu einspielen würden, dann glaube ich nicht, dass die Neuinterpretation die Wirkung hätte wie das Original. Live bauen wir die ein oder andere kleine Veränderung ein, aber ansonsten sollen die Scheiben aus den 80ern genauso bleiben wie die sind.
Mich haben mal Leute bezüglich der „Eat The Heat“ gefragt, ob wir die Scheibe nochmal neu aufnehmen könnten. Ja, da sind ein paar schöne Songs drauf, aber lassen wir doch die Sachen so wie sie sind. Ich kann mir nur schwer vorstellen unter U.D.O. das „Eat The Heat“-Album neu aufzulegen.
Ein kurzer Blick auf ein Festival des Jahres 2024. DIRKSCHNEIDER sind beim Rock in Rautheim, einem Inklusionsfestival, wo behinderte Menschen integriert werden. Wie wichtig ist Dir der nicht kommerzielle Zweck ?
Festivals sind schön, aber anstrengend. Das Anreisen ist langwieriger, oft mit Flieger und Auto. Auf Tour ist es für mich einfacher, da lege ich mich in den Nightliner und wache an einem anderen Ort am nächsten Morgen auf.
Wir haben mit dem Bundeswehrorchester in Elspe gespielt, wo die Einnahmen an ein Hospiz gegangen sind. Wir haben das Hospiz auch besucht und ich finde, dass solche Sachen auf jeden Fall unterstützenswert sind. Ich selbst mache gerade ein Projekt in Argentinien für verarmte Kinder, damit die etwas zu essen und andere notwendige Dinge bekommen. Solche Dinge finde ich wichtig und wir können als Band solche Dinge gerne und gut unterstützen. Wenn ich Rollis mit Begleitung sehe, dann merke ich, dass die sich oft nicht trauen nach einem gemeinsamen Foto zu fragen. Dann gehen wir auf die Menschen zu und machen mit dem behinderten Menschen ein paar Bilder. Das ist nichts weiter als Menschlichkeit und das Normalste der Welt.
Lieber Udo, vielen Dank für Deine Zeit, die letzten Worte gehören Dir.
Ich freue mich auf die „Touchdown“-Tour, in Europa starten wir im Januar 2024. Ich hoffe, euch gefällt unser neues Album und ihr kommt im kommenden Jahr zu unseren Konzerten.