U.D.O.
U.D.O.
Interview
Wenn auch unbeabsichtigt, hatte die neue Scheibe von U.D.O., beziehungsweise die Band selbst, mehr Promotion als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Im Rahmen der viel diskutierten ACCEPT-Reunion ohne Udo Dirkschneider und Stefan Kaufmann, also zwei von vier Originalmitgliedern, schmettern U.D.O. mit "Dominator"; ein neues Album heraus, dass eindrucksvoll beweist, wer da die Nase vorne hat. Während des "Bang-Your-Head!!!"-Festivals wurde metal.de zur Listening-Session und anschließendem Interview mit Bandkopf Udo Dirkschneider und Bassist Fitty Wienhold eingeladen. Während der Unterredung sprachen die beiden über das neue Album und natürlich die ACCEPT-Reunion.
Ja, kost‘ auch 50 Euro. Wir müssen ja auch ein bisschen Schwarzgeld verdienen. Haha…
Oh, aber ich hab selber gar kein Geld dabei. Das hat alles meine Frau. Nehmt Ihr auch Wertmarken? Aber die braucht Ihr hier ja offensichtlich nicht, haha. (Herr Dirkschneider lässt sich stattdessen gratis trockenen Riesling kredenzen. Anm. d. Verf.) Ok, kommen wir zum Thema: Wir waren gerade bei der Listening-Session zu Eurem neuen Album „Dominator“. Ihr habt sie ja wahrscheinlich auch verfolgt. Wie empfandet Ihr das?
Nee, wir waren währenddessen essen. Denn wir kannten das Album nämlich schon, haha.
Stimmt, das habe ich mir fast gedacht. Haha.
Nach dem ersten Höreindruck fand ich es sehr fett produziert. Wie seid Ihr damit zufrieden?
Wir sind sehr zufrieden. Ich glaube, wir haben auf dem Album – wie sagt man das jetzt am besten? – eine ziemlich große Bandbreite geboten. Der Vorgänger „Mastercutor“ war eher kompakter und was wir dort nur ausprobiert haben, haben wir jetzt bei „Dominator“ ausgelebt.
Ich finde auch, dass das Album sehr abwechslungsreich ist. Sofort aufgefallen ist mir, dass es ein paar Songs gibt, die herausstechen. „Infected“ wird sicher ein Live-Knaller werden, schätze ich mal. Das sehr Ihr wahrscheinlich genauso.
Ja, kann sein, sehen wir im Moment noch so…haha.
Wieso nur im Moment? Bekommt Ihr den nach der Studiophase jetzt live nicht mehr hin, oder was? Haha.
Haha…nein, ich meine, wenn du ein neues Album draußen hast, gibt es sehr viele neue Nummern, die du unbedingt mal spielen willst. Andererseits kannst du aber auch nicht das ganze Album spielen. Würden wir zwar auch gerne, aber dann bräuchten wir ja immer drei Stunden Spielzeit.
Der nächste prägnante Song ist „The Devil’s Rendezvous“, bei die ganze Zeit über an „Cut me out“ von Eurer Platte „Holy“.
Ja, die Ähnlichkeit ist da aufgrund des Beats, wobei „The Devil’s Rendezvous“ ja mehr eine Swing-Nummer und „Cut Me Out“ stärker von der Gypsy-Music beeinflusst ist. Aber die beiden sind, sagen wir mal so, schon „artverwandt“. Und wir werden wohl auch nicht drum herum kommen, den oft live zu spielen. Aber da müssen wir wahrscheinlich vorher trinken, haha.
Könnt Ihr gerne machen. Ist auf jeden Fall ein super Song! Wie lange wart Ihr für „Dominator“ im Studio?
Ja, hmm, das ist eine ganz schwierige Frage. Wir hatten eigentlich überhaupt keinen konkreten Zeitraum, so dass man jetzt sagen könnte: ‚Wir haben vier Monate an dem Album gearbeitet‘, oder so.
Wir haben nach der DVD angefangen, die ganzen Textideen mal zu bearbeiten. Dann kamen so die ersten Gesangsmelodien dazu und wir haben alle unser ganzes Sammelsurium an Ideen durchgehört, um zu sehen was so alles da ist an einzelnen Musiken. Das haben wir dann wiederum erstmal sacken lassen, wieder ein wenig rumprobiert, auch Urlaub gemacht, sind nach Russland gefahren, etc. – also wir haben uns Zeit gelassen! Damit wir jetzt nichts Falsches sagen, müssten wir von einem Jahr als Zeitraum für das Album sprechen. De facto haben wir aber nicht so lange gebraucht. Wenn man das jetzt zusammen schrumpft, haben wir in etwas sechs bis sieben Monate an er Platte gearbeitet. Das war schon sehr lang für uns, aber es hat auch wirklich Spaß gemacht und man hat sich auch mal wirklich auf Sachen ausreiten können. Zum Beispiel konnte man Sachen einfach mal liegen lassen, dafür andere nochmal hören und das Ganze so nach und nach reifen lassen.
Damit habt Ihr ja generell gegenüber jungen Bands einen Vorteil, die innerhalb von ein paar Monaten eine neue Platte präsentieren müssen, da man Songs ganz anders bewertet, wenn man Sie nach der Aufnahme einige Wochen liegen lassen kann.
Ja, das ist natürlich ein Problem heutzutage, da die Plattenfirmen nicht mehr eben mal 500 000 Euro in ein Album investieren, da sie auch nicht mehr so viel Geld haben wie früher als die Plattenverkäufe noch wesentlich besser liefen. Die Zeiten sind vorbei, das war einmal. Aber es leidet allerdings auch die Qualität sehr darunter. Es hat sich ein sehr komischer Kreislauf ergeben. Ich glaube, dass der Musiker wieder selber mehr Geld zur Verfügung haben muss, die Plattenfirmen verschwinden und es einfach nur noch Downloads geben wird. Da hat der Musiker wieder eine Chance, sich selbst Geld zu verdienen, weil die Plattenfirma, etc. wegfällt. Dafür muss er natürlich auch Promotion machen, aber so gesehen, wenn man die heutigen modernen Medien nutzt, kannst du ja heute alles übers Internet abwickeln – da werden sich auch noch ganz viele Magazine in die Scheiße reiten, auf deutsch gesagt. Da wird der Trend hingehen und wenn man hier mitzieht, kann man eigentlich überleben.
Wenn du als Musiker oder Band online weltweit 10 000 Alben für, sagen wir mal, 10 Euro verkaufst, kriegst du 100 000 Euro rein. Damit finanzierst du das Ganze. Die Arbeiten im Studio laufen ja auch nicht mehr wie früher ab. Man komponiert da nicht mehr vor Ort und macht und tut, sondern man nutzt vielmehr den Computer – tun wir ja auch – und man arbeitet dadurch wesentlich schneller. Das Arrangieren wurde zu einer Sache von einem Knopfdruck und von daher sagt man dann zum Beispiel ‚Nimm doch mal die Hälfte vom Chorus weg‘ oder ‚Änder‘ doch mal eben den Übergang in Bumbumbum…‘, wofür man früher nochmal einen vollen Tag investieren musste.
Aber ich, der ich selbst Musik mache, frage mich dann immer, ob das nicht eigentlich eher zu seelenlos wird, wenn man ganze Passagen einfach per Mausklick kopieren kann. Ich meine, dann brauchst du ja kein Riff mehr komplett einspielen.
Nee, ich find dat toll! Denn da kannst du dich hinsetzen und sagen ‚Nee, das wirkt hier irgendwie zu lang. Schneid‘ da mal was weg‘ oder ‚Nimm mal den Teil und setz den mal da hin‘. Oder wenn der Schlagzeuger ein Fill ändern will, geht das Zack-Bumbumbum-fertig. Das ist einfach toll und so schnell. Dafür hätte man früher ne Woche gebraucht. Man darf das ganze ja auch nicht verwechseln. Das eine ist das Komponieren und das Andre das Arrangieren, und das machen wir eben mit einer ganz bestimmten Technik.
Wenn wir danach dann sagen, die Nummer ist das jetzt, fertig, da wird nichts mehr geändert, dann spielen wir das selbstverständlich nochmal ein. Da wird dann nix geschnippelt. Wir benutzen einerseits die moderne Technik, andererseits aber auch unsere manuelle „Manpower“ – wie früher – um dann einzuspielen. Denn, da geb‘ ich dir auch Recht, davon lebt schließlich ein Album, da bleiben wir auch den alten Dingen treu. Damit bist du dann aber auch schneller, da die Struktur der Stücke einfach steht. Diese ganze Vorarbeit hat früher auch immense Kohle gekostet, die heute einfach wegfällt.
Viele Bands aus dem Black- oder Thrash-Metal-Bereich hingegen bestehen teilweise auch auf die eher klassische Herangehensweise an ein Album und verteufeln Pro-Tools wie Cubase oder dergleichen. Für mich persönlich zählt auch die Argumentation, dass man ja auch einfach Spaß hat mit seiner Musik zu arbeiten.
Jaja. Es is‘ ja ganz einfach, guck mal, wir sind halt nun mal alte Böcke und sind mit der ganzen Technik mitgewachsen. Wir haben angefangen, da hatten die ersten Computer noch Lochkarten und heute kriegen wir Begriffe um die Ohren geschmissen, bei denen wir sagen ‚Was ist das denn?‘. Aber wir verlieren nicht unsere Basis. Das heißt, wir nehmen live auf, nutzen aber auch die neue Technik. Wir wären ja blöd, wenn wir das nicht machen würden. Und es ist auch so, dass man überall viele neue Sounds hört, die man ohne diese neue Technik so überhaupt nicht umsetzen könnte. Es macht keinen Sinn zu stur sagen, wir machen das alles so wie früher. Mal abgesehen davon, dass dafür heute kein Mensch mehr was zahlt.
Für diese Arbeitsweise spricht meiner Meinung nach auch, dass sich Eure Platte trotzdem überhaupt nicht klinisch anhört. Gitarren und Schlagzeug kommen richtig fett rüber und hat fast schon einen Live-Charakter.
Das einzige Geheimnis liegt in der Vorarbeit, das haben wir schon erklärt. Und wenn dann alles steht, dann treffen wir uns alle, es wird das Kabel in die Buchse gesteckt und dann heißt es ‚Ein, zwei, drei, vier – Abfahrn!‘. Weil jeder genau weiß, was er zu machen hat. Dann ist das quasi nur noch eine ‚Politur‘.
Wie geht ihr üblicherweise an die einzelnen Songs ran?
Grundsätzlich kann man sagen, früher gab es erst die Musik, dann Text und Melodie. Heute ist das genau anders herum. Seit „Holy“ arbeiten wir so und kommen mit der Variante wesentlich besser zurecht als mit dem Stil nach dem wir früher gearbeitet haben. Denn wenn wir jetzt einen Text haben, der etwas…äh, schwerer, hahaha, ist – das kann ich jetzt nicht besser erklären – dann ist klar, dass du statt ‚trallala‘ ein heavy Riff drunter legen musst. Als Beispiel können wir „Black And White“ von der neuen Platte nehmen. Da ist der Rhythmus einfach so und nicht anders. Da weiß man vom Text her wie die Nummer aussehen muss. Und das ist einfach eine Sache, die wir über lange Zeit hinweg festgestellt haben und die schlichtweg besser funktioniert.
Einen Text über, was weiß ich, Umwelt kannst du halt nun mal nicht im BLACK SABBATH-Stil machen. Da weißt du von vornherein, was für eine Art von Playback da drin sein muss. Wir haben zum Beispiel einen Song namens „Pleasure In The Darkroom“, der nur als Bonustrack auf einer Limited Edition zu hören sein wird, da geht es um einen Typen, der sich auf St. Pauli im Darkroom vergnügt – da weißte bescheid was passiert und danach wird die Musik geschrieben. Das ist das schöne an dieser Arbeitsweise, erst die ganzen Textideen und Hooklines zu haben und die sich die Nummer im Grunde schon vorstellen zu können. Manche Musiker können damit nicht gut umgehen, bei uns hingegen funktioniert das hervorragend.
Wie wichtig sind euch die Texte generell?
Sagen wir mal so, man muss nicht immer alles dem Text gemäß arrangieren, aber wir versuchen schon das zu beschreiben, was in unseren Songs passiert. Da gibt es politische Themen, oder Texte über Umwelt, oder es geht um Leute, die über alles und jeden bestimmen wollen, weil sie glauben die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und so weiter. In unserem neuen Song „The Bogeyman“ beispielsweise geht es darum, dass wenn Kinder nicht schlafen können sie der Schwarze Mann heimsucht. Wir schreiben also eher über die alltäglichen Dinge und Emotionen, denn wir werden nie zu denen gehören, die sich Geschichten über Drachen und Hexen und all sowas ausdenken. Davon gibt es eh schon genug.
Das würde außerdem auch gar nicht deiner Stimme passen.
Stimmt, ‚Ich rette die Fee! Ich rette die Fee!‘ zu singen passt nicht wirklich zu U.D.O., haha.
Würdet Ihr denn sagen, dass bei U.D.O. die Texte ungefähr den gleichen Stellenwert haben wie die musikalische Untermalung?
Ja klar. Das läuft parallel, das Eine funktioniert ohne das Andere nicht. Es kommen dabei aber durchaus auch Hänschen-Klein-Texte zustande. Da kommt einem eine Melodie in den Kopf, zu der man dann einfach Wörter zusammenreimt, die gerade passen. Da geht es dann einfach nur darum, das ganze festzuhalten und von da aus weiter zu entwickeln. Der Sinn des Textes ist in dem Moment völlig egal.
Zum Schluss noch eine Frage, um die Ihr nicht herum kommt: Was haltet Ihr von der ACCEPT-Reunion ohne Udo und Stefan?
Ja, dat war mir klar, dass die kommt, haha. Ich persönlich sehe das nicht als Reunion, sondern da machen zwei Menschen unter dem Namen ACCEPT weiter. Als Reunion würde das nur gelten, wenn Stefan und ich wieder einsteigen würden. Ich finde gut, dass Wolf und Peter wieder Musik machen. Ob das so sein muss, wie sie es tun, weiß ich nicht.
Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Interview und wünsche Euch viel Glück für Eure Show heute Abend!
Vielen Dank auch Dir und viel Spaß beim Konzert!