Turisas
Interview mit Olli Vänskä zu "Stand Up And Fight"
Interview
Mit „Stand Up And Fight“ steht nun endlich das dritte Album der Battle-Metal-Recken TURISAS in den Startlöchern – anders als der Vorgänger „The Varangian Way“: Weniger hart, vielleicht sogar weniger Battle Metal, aber dramatischer, vielschichtiger, epischer. Und natürlich ziemlich over the top: Kein Wunder, dass sich die Aufnahmen ziemlich lange hinzogen. Wir sprachen mit Geiger Olli Vänskä über das Album, aber auch über die anstehenden Touren, für die sich die Band gerade vorbereitet.
Ich komme gerade von einer Probe, um uns auf die kommenden Live-Dates vorzubereiten. Bevor wir in den USA auf Tour gehen, werden wir drei Gigs in Finnland zusammen mit DANIEL LIONEYE bestreiten. Dort werden wir das erste Mal mehr als einen neuen Song spielen, wahrscheinlich vier oder fünf. Danach werden wir mit DANIEL LIONEYE in Richtung Mexiko aufbrechen, USA, Kanada, um dann eine Reihe Headlinershows in Europa zu spielen. Anschließend sind wie als Support für DIE APOKALYPTISCHEN REITER unterwegs. Es wird ziemlich lang werden, aber wir sind bereit. Schließlich hat unsere Konzertpause in 2010 lang genug gedauert.
Vom neuen Song „The March Of The Varangian Guard“ gibt es auf YouTube ein Live-Video. Wie werdet Ihr denn den Sound des neuen Albums – darauf werden wir noch zu sprechen kommen – live umsetzen?
Das Video von „The March Of The Varangian Guard“ war eine Aufnahme von einem Gig in Tampere. Dort hatten wir drei zusätzliche Musiker an Saiteninstrumenten auf der Bühne. Die werden wir auf der kommenden Tour natürlich nicht mitnehmen können, auch wenn wir versuchen, dem Publikum etwas Spezielles zu bieten. Dafür haben wir die Songs für Geige und Akkordeon ein bisschen umarrangiert. Netta (Skog, Akkordeon) hat diesmal ein elektronisches Akkordeon, und darauf kann sie einen Teil der Orchestrierung übernehmen. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir Backtracks verwenden. Aber bei uns passiert eigentlich genug auf der Bühne, so dass es definitiv keine reine Rockshow mit Gitarre-Bass-Schlagzeug werden wird.
Das kann ich mir vorstellen. Jedenfalls habe ich Euch von Eurer Tour mit NORTHER und von Eurem Gig im Century-Media-Hauptquartier noch in bester Erinnerung.
Vielen Dank! Die Tour mit NORTHER war wirklich super. Es ist immer toll, in Europa zu headlinen, dann kannst Du die Show so groß gestalten, wie du willst. Wir versuchen immer, etwas zu machen, woran man sich erinnern wird.
Aber das bedeutet, dass Ihr auf der US-Tour mit CRADLE OF FILTH Eure Show etwas zurückfahren müsst?
Das stimmt natürlich. Andererseits sind wir schon 2009 mit ihnen getourt, und sie haben uns wirklich toll behandelt. Es wird auf jeden Fall spaßig werden.
Okay, dann lass uns mal auf das neue Album, „Stand Up And Fight“ zu sprechen kommen. Die Aufnahmen im Sound Supreme Studio in Hämeenlinna habt Ihr zwischen Mai und September 2010 fertiggestellt. Wie habt Ihr die Aufnahmesessions gestaltet, und warum hat es letztlich so lange gedauert?
Die Aufnahmen haben zwar von Mai bis September gedauert, aber wir waren natürlich nicht jeden Tag im Studio. Wir haben im Frühling eine Aufnahmesession gehabt, dann im Sommer eine und schließlich im August und September. Zuerst haben wir die Basistracks aufgenommen und sind dann quasi einen Schritt zurückgegangen und haben uns überlegt, wie wir die Arrangements gestalten. Wir haben beispielsweise ein bis zwei Monate damit verbracht, all die Orchestrierungen mit den zusätzlichen Musikern aufzunehmen. Damit kann man erst anfangen, wenn man schon die grundlegenden Tracks aufgenommen hat.
Die Aufnahmen haben uns ziemlich Nerven gekostet. Aber es hat sich gelohnt, denn das Ergebnis ist richtig gut geworden und wir haben dabei jede Menge gelernt. Mit einem echten Chor zu arbeiten, ist schon etwas Besonderes. Dabei waren wir allerdings auf die Hilfe eines professionellen Arrangeurs angewiesen.
Aber ich denke, gerade die Orchestrierung klingt richtig gut, und der Einfluss der richtigen Musiker ist nicht zu unterschätzen. Wir hatten zunächst mit Samples gearbeitet, was in Ordnung war, aber durch die Liveeinspielungen bekommt alles noch einmal einen menschlichen Touch. Die Maschinen sind manchmal einfach zu perfekt.
Einen Klavierpart übernimmt zum Beispiel Iiro Rantala.
Genau, er ist ein sehr bekannter Jazzpianist in Finnland. Im Sommer hatten wir ja einen Auftritt in seiner Fernsehshow. Er wollte eine gute Metalband in seiner Show haben, und dort hat er uns ziemlich viele Sachen gezeigt. Es war auf jeden Fall ziemlich spaßig. Und dann hat er im Konzerthaus in Hämeenlinna seinen Part im Song „End Of An Empire“ eingespielt.
Dann gibt es da noch ein Gitarrensolo von Matias Kupiainen (STRATOVARIUS) im Titeltrack.
Ja, ich kenne Matias schon seit einigen Jahren. Eigentlich bin ich ja der Meinung: Fuck guitar solos!, aber wir haben dann entschieden, bei dem Track eine Art Duell zwischen ihm an der Gitarre und mir an der Geige einzubauen. Matias ist wirklich super professionell und hat sich für den Part etwas besonderes einfallen lassen: Er hat den Teil mit einer Gretsch eingespielt, einer reinen Rockgitarre.
War es so, dass der Song ein Gitarrensolo benötigte oder wolltet Ihr Matias unbedingt auf dem Album haben?
Normalerweise ist es ja so, dass Nygård die Songs schreibt, und er meinte, dass an dieser Stelle ein richtig schnelles Solo kommen sollte. Er hatte aber niemand spezielles im Blick. Erst haben wir den Part mit der Geige ausprobiert, aber dann merkten wir, dass ein klarer Gitarrensound besser klingen würde. Und wie der Zufall so spielt, war Matias zufällig im Studio, um uns bei den Aufnahmen über die Schulter zu gucken. Wir fragten ihn also: Sollen wir das Solo mit der Geige spielen, oder willst Du es übernehmen? Und er hat nicht lange überlegt… Man kann schon sagen, dass die Kreise in Finnland manchmal sehr klein sind, hehe!
Eine Frage zum Sound auf „Stand Up And Fight“: Im ersten Videoblog aus dem Studio, ich glaube im März war das, hatte Mathias Nygård davon berichtet, dass die Produktion diesmal rauher ausfallen würde und nicht so glatt poliert… Im Endeffekt ist es aber eher umgekehrt?!
Ja, ich denke, das bezog sich auf die Gitarrenparts. Eigentlich sollten sie diesmal wirklich ein wenig rauher werden und wurden ziemlich flott eingespielt, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Aber du kannst es nicht ändern – Mathias geht IMMER ins Detail. Vielleicht sind sie deshalb doch nicht so roh ausgefallen, hehe!
Mathias Nygård schreibt bei TURISAS ja den Hauptteil der Songs. Als er mit seinen ersten Ideen ankam, welche Bilder sind Dir da in den Sinn gekommen?
Nun, die ersten Ideen stammen ungefähr aus dem Jahr 2006, und für das Album nach „The Varangian Way“ hatten wir im Sinn, dass es mit dieser Geschichte verknüpft sein sollte. Ein paar dieser Ideen stammen aus der gleichen Zeit. Aber dann haben wir uns ein wenig von dieser Idee gelöst… Komplex, würde ich sagen, nicht ganz so geradeaus. Es war schon abzusehen, dass das neue Material ziemlich ambitioniert sein würde. Aber ich habe mir angewöhnt, Mathias‘ Entscheidungen zu vertrauen, und auch diesmal bin ich nicht enttäuscht worden. Er schafft es, neue Ideen zum Laufen zu bringen, sozusagen.
Okay, Mathias schreibt einen Großteil der Songs, aber welchen Einfluss habt Ihr auf die Musik?
Na ja, es ist so, dass jeder seine Ideen einbringen kann. Mathias hat ja diesmal das Album auch produziert, weswegen er natürlich das letzte Wort hatte. Aber von Jussi kamen einige Sachen, und er hatte ja auch früher schon einiges zu den Songs beigetragen. Im Endeffekt hat Mathias aber alle Songs geschrieben, bis auf „Fear The Fear“, das von mir stammt.
Letztlich kommt es aber darauf an, was für die Band und das Album wirklich förderlich ist. Und auch wenn jeder seine Ideen beitragen kann, ist Mathias natürlich der Chef der Band. Ich denke auch nicht, dass es in dieser Hinsicht bei TURISAS demokratisch zugehen muss. Das Konzept folgt ganz seiner Vision, und was er macht, macht er sehr gut.
Aber Ihr habt Einfluss darauf, wie Ihr die Sachen spielen wollt?
Ja, würde ich sagen. Jeder ist Herr seines Instruments. Was ich auf der Geige spiele, ist mehr oder weniger meine eigene Entscheidung. Mathias‘ Rolle ist eher die eines künstlerischen Leiters. Er hat den Überblick über die grundlegenden Strukturen. Ich finde, in einer Band ist es gut, einer Vision zu folgen, es können halt nicht alle alles machen. Dann besteht die Gefahr, dass alles zu einer Abfallhalde von Ideen wird, dass jeder eine andere Richtung nehmen möchte. Und ich denke auch, dass es in den meisten Bands immer einen oder zwei Vordenker gibt, die die Richtung vorgeben.
Im Infosheet von Century Media wird „Stand Up And Fight“ als das ultimative Heavy-Metal-Musical angepriesen… okay, das Anpreisen ist der Job Eurer Plattenfirma. Aber kannst Du mit dem Vergleich etwas anfangen?
Es mag ein paar Einflüsse geben, ja, aber ich sehe die Wirkung eher filmisch, es hat eine Filmatmosphäre. Manchmal kann man sich einzelne Charaktere vor dem geistigen Auge vorstellen. Aber das Album ist natürlich nicht so angelegt, wir hatten definitiv nicht vor, ein Musical zu schreiben.
Dazu passt, dass die Texte diesmal keine zusammenhängende Geschichte erzählen.
Genau, die Texte sind zwar lose mit „The Varangian Way“ verbunden und knüpfen dort an, wo es aufhörte, aber nicht im Sinne einer Fortsetzung. Die Songs sind diesmal universeller gehalten. Es sind Themen, die in unsere moderne Zeit passen wie ins Byzantinische Reich im elften Jahrhundert.
Okay, leider ist die Zeit auch schon um. Danke für das Interview. Und viel Glück auf der kommenden Tour!
Danke, das können wir gebrauchen, hehe! Ich hoffe, dass den Lesern unser Album gefällt und dass wir uns im März und April auf Tour sehen!
(Fotos: Jarmo Katila)
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Stile | Folk Metal, Pagan Metal |
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