Turbokill
"Wir wollen mit “Champion” einen Lichtblick schaffen, Kraft geben und dazu aufrufen, auf seine innere Stimme zu hören und seinen eigenen Weg zu gehen."

Interview

Auch fast fünf Jahre nach erstmaligem Ausbruch der Corona-Pandemie spüren vor allem kleinere und mittelgroße Bands noch immer die Folgen. Die Hoffnungsträger TURBOKILL um ex-ALPHA-TIGER-Sänger Stephan Dietrich, die 2019 mit “Vice World” positive Kritiken einfahren konnten, sind da nach eigenem Bekunden keine Ausnahme. Warum es dennoch vorwärts geht und gerade in diesen Zeiten positive Botschaften wichtig sind, verriet uns Stephan im Interview zum aktuellen Album “Champion”.

Foto: Eulenherz Artwork

“Champion” ist ja nun schon eine Weile draußen. Seid ihr zufrieden mit den Reaktionen auf die Scheibe?

Hallo und vielen Dank für die Einladung zum Interview. Ein ganz klares JA! Wir sind sehr zufrieden mit den Reaktionen. Das Album hat in der nationalen sowie internationalen Medienlandschaft ziemliche Wellen geschlagen, was uns sehr freut und auch etwas überrascht hat. Wir hätten aber nicht damit gerechnet, dass unsere neue Platte mitunter so stark polarisiert. Von Top bis Flop war bis jetzt alles dabei. Aber das ist uns allemal lieber, als in ein langweiliges Mittelmaß zu passen. Der Tenor ist im Grunde sehr positiv und darauf sind wir stolz.

Das Album dürfte nicht zuletzt deswegen etwas Besonderes für euch sein, weil mit fast fünf Jahren seit eurem Debüt “Vice World” eine verhältnismäßig lange Zeit vergangen ist. Allerdings sind die ersten Singles zu “Champion” bereits im Sommer ‘23 erschienen, weshalb ich vermute, dass sich das Album schon länger in der Mache befindet. Was hat die Zeit in Anspruch genommen?

Nach dem Release von „Vice World“ kam wenige Monate später die Corona-Pandemie. Es ist ja bekannt, dass die gesamte Musikbranche zu dieser Zeit vor riesigen Herausforderungen stand und unzählige Existenzen bedroht waren. Für eine Band, die kurz zuvor ihr Debütalbum bei einem namhaften Label veröffentlicht hatte, war das natürlich der absolute Killer. Keiner wusste so richtig wie es weitergeht. Diese Zeit hat uns alle ziemlich hart getroffen und es lag wirklich alles für lange Zeit auf Eis. Irgendwie musste es aber weitergehen und mit den ersten Lockerungen im Folgejahr, ein paar wenigen Gigs und einem Besetzungswechsel am Schlagzeug entstanden dann auch die ersten Ideen für das zweite Album.

TURBOKILL: “Dieses Mal wollten wir mehr!”

Doch dieses Mal wollten wir mehr. Uns stellte sich die Frage, wie wir es schaffen, uns mit den zweiten Album so gut aufzustellen, dass wir als Band die nächste Stufe im Showbusiness schaffen können, wenn uns das schon mit dem Debüt verwehrt geblieben ist. Meine alten Kontakte aus ALPHA-TIGER-Zeiten waren da natürlich sehr nützlich. Ich trat dann vor zwei Jahren an meinen ehemaligen Manager heran, der auch gewillt war, erneut mit mir und somit uns zu arbeiten. Und ab diesem Zeitpunkt lief das Songwriting auf Hochtouren. Wir entschlossen uns, die Zeit bis zum nächsten Album mit mehreren Singlereleases zu überbrücken um zu zeigen, dass wir nach wir vor am Ball sind und die Power haben, nachzulegen. Ich finde, dass wir an der Entstehung unseres neuen Albums als Musiker gewachsen sind. Der ganze Prozess hat uns als Band noch enger zusammengeschweißt und unsere Musik auf ein neues Level gehoben.

Fast könnte man meinen, ihr habt in der Zwischenzeit ein weiteres Album geschrieben, aber nicht veröffentlicht. Der Sprung von eurem ohnehin sehr guten Debüt zu “Champion” ist trotzdem krass: Das Album klingt in allen Belangen runder, souveräner und reifer – und im positiven Sinne nicht unbedingt wie das zweite Album einer Band. Hattet ihr selbst Zielsetzungen oder eine Vision vom fertigen Album?

Tatsächlich nahm vieles erst während der Entstehung des Albums klare Formen an, wohin die Reise geht. Ich denke das ist ganz normal in so einem Entstehungsprozess. Man wächst als Band daran und sammelt Erfahrungen, was man beim nächsten Album vielleicht anders macht. Für uns war von vornherein klar, dass wir nach unserem Debüt noch eine ganze Schippe drauflegen wollten. Ich habe mir unbedingt einen musikalischen Frame gewünscht, in welchem das Intro-Motiv nochmal im letzten Song das Album abschließt. Des weiteren haben wir noch intensiver an unserem Sound und dem Produktionsprozess gefeilt, weil wir nach wie vor vieles in Eigenregie machen und uns damit wohlfühlen. Und nach so einer langen Wartezeit musste das Album einfach Bombe werden. Auch wenn der ganze Albumprozess wirklich nervenaufreibend war, hat sich die viele Arbeit doch gelohnt und wir sind stolz auf das Ergebnis.

Wenn ich sie richtig deute, verstehe ich auch einen Großteil der Texte als Ausdruck eines frischen Selbstbewusstseins. Zusammen mit der Musik empfinde ich “Champion” als sehr aufbauendes, empowerndes Album. Ist das etwas, das euch eure eigene Musik in gewisser Weise bieten muss oder, das ihr während der Entstehungszeit des Albums innerlich brauchtet?

In erster Linie ist es unser Ziel den Leuten mit diesem Album etwas mitzugeben. Die Idee entstand in der Coronazeit, die für alle ziemlich hart war. Seitdem hatten wir das Gefühl, dass die negativen Schlagzeilen die uns im Alltag begegnen stetig zugenommen haben. Wir wollen mit “Champion” einen Lichtblick schaffen, Kraft geben und dazu aufrufen, auf seine innere Stimme zu hören und seinen eigenen Weg zu gehen.

Ich will gar nicht zu sehr mit Vergleichen nerven, aber bei zwei Songs habe ich mich gefragt, inwiefern ein gewisses Tribut zollen möglicherweise Absicht gewesen sein könnte: Und zwar bei “Tear It Down” in Richtung Kai Hansen und bei “Sons Of The Storm” in Richtung Rock’n’Rolf.

Keiner der Songs auf “Champion” wurde mit der Intention geschrieben, einer Band oder einem Musiker Tribut zu zollen. Die Tracks entstehen manchmal in einem langen kreativen Prozess, und andere Male aus einer spontanen Eingebung. Natürlich gehören sowohl HELLOWEEN als auch RUNNING WILD mit zu unseren großen Helden.

“Wir wollen mit ‘Champion’ einen Lichtblick schaffen.”

Ich glaube, deutsche Bands, welche diese Stilrichtung zelebrieren, haben einfach eine gewisse Art des Songwritings, die eben genau diesen Wiedererkennungswert besitzt. Die Vergleiche mit Kai Hansens Meisterwerken und Rock’n’Rolfs unsterblichen Heavy-Metal-Hymnen ehren uns natürlich außerordentlich. Aber es ist immer unser Ziel, dass wir nach TURBOKILL klingen und eine eigene Marschroute verfolgen.

Das Album bietet eine interessante Vielfalt. Es gibt eine ganze Menge Stücke, die den Fokus stark auf den hymnischen Refrain setzen wie “Wings Of The Thunder Hawk” oder “Go Your Way”. Andererseits gibt es in weiteren Songs sämtliche passenden Elemente, von Stadionrock, kernigem Riff-Metal, leichten Prog-Anleihen bis hin zu einer emotionalen Ballade. Kann man bei euch in der Band klar unterscheiden, wer welche Einflüsse mitbringt?

Von Anfang an haben wir immer sehr viel wert auf abwechslungsreiche Kompositionen gelegt. Es ist ziemlich schwierig die Einflüsse von allen zu unterscheiden. Wenn ich aber für die gesamte Band sprechen kann, hat uns der JUDAS-PRIEST-Sound der aktuelleren Scheiben stark inspiriert. Diese Energie wollten wir unbedingt aufgreifen aber eben auf unsere Weise. Wenn wir über Einflüsse sprechen, kommt man bei Daniel an Richie Blackmore und Glenn Tipton nicht vorbei. Und bei mir würde ich unter anderem Geoff Tate und Roy Khan nennen. Natürlich wird man immer an anderen Größen gemessen, aber uns ist vorallem wichtig, dass jeder seinen eigenen Style entwickelt und sich in der Musik ausleben kann.

Stephan, du hast aus deiner Zeit bei ALPHA TIGER den Kontakt zu Management von Karl-Ulrich Walterbach, dem ehemaligen Inhaber von Noise Records, und zu SPV/Steamhammer “mitgenommen”. Daraus kann man schließen, dass du dich bzw. Ihr euch in dieser Konstellation gut aufgehoben fühlt.

Die Kontakte die man hat, nutzt man natürlich. Ich denke, so etwas steht außer Frage. Ich wollte mit einer neuen Band von Anfang an wieder in sämtlichen Bereichen gut aufgestellt sein. Deshalb ist auch unser Debüt bereits bei SPV/Steamhammer erschienen. Nach der Coronazeit, mit einer stark veränderten Veranstaltungslandschaft, war jedoch für uns klar, dass wir noch einen weiteren Push nach vorne brauchten und so bin ich mit der Band wieder zu Karl Walterbach gekommen. Mit dem neuen Album im Gepäck und diesem Netzwerk wollen wir nun unseren weiteren Weg gemeinsam beschreiten und in eine erfolgreiche Zukunft blicken.

Welchen Stellenwert hat die Band in eurem Leben? Ihr seid alle erwachsene Männer mit einer vermutlich realistischen Sichtweise auf das Leben – andererseits wurden und werden eure Alben und auch die anderen Sachen, auf denen du gesungen hast, ja in der Presse meist so sehr abgefeiert, dass es mich wundert, dass ihr nicht den selben Status wie bspw. ENFORCER habt.

Wir alle geben sehr viel dafür, dass die Band weiter voran kommt. Was wir machen ist unsere absolute Leidenschaft und Selbstverwirklichung in hohem Maße! Natürlich gehen alle ihren alltäglichen Verpflichtungen nach, doch hat die Band für uns alle einen hohen Stellenwert. Auch wenn man immer auf dem Boden der Tatsachen bleiben muss, finde ich es wichtig groß zu denken und seine Träume zu verfolgen so gut es möglich ist. An seine Ziele zu glauben und dem Leben, das man sich wünscht, immer ein Stück näher zu kommen, ist doch das größte Glück, für welches es sich lohnt zu kämpfen. Ich bin sehr gespannt, wo unsere Reise noch hingehen wird. Leider hat uns die Coronazeit stärker zurückgeworfen, als man vielleicht vermutet. Kaum jemand hatte uns mehr wirklich auf dem Schirm. Deswegen ist es mit dem neuen Album nun wichtiger denn je, alles zu geben um voranzukommen.

Du zelebrierst nun schon seit vielen Jahren einen sehr sportlichen Gesangsstil. Ich glaube, ich habe dich 2009 das erste Mal live erlebt und so ziemlich alles verfolgt, was du veröffentlicht hast – deine Stimme hat sich nach außen hin kein bisschen verändert. Merkst du mit zunehmendem Alter, dass sich deine Stimme verändert, wovon andere Sänger ja durchaus berichten? Was tust du, um dich fit zu halten und deine Stimme zu pflegen?

Nach all den Jahren auf diesem Niveau, bemerke ich schon dass meine Stimme irgendwie reifer geworden ist. Ich bin über die Jahre erfahrener geworden, in dem was ich tue und singe heute Phrasierungen, die mir früher nicht gelingen wollten. Es ist wichtig am Ball zu bleiben und regelmäßig zu üben. Wer rastet, der rostet, denn im Grunde ist es wie beim Sport – ohne Training keine Leistung.

Nicht dass ihr es nötig hättet, das auch live umzusetzen, aber: Gibt es einen Song aus der ALPHA-TIGER-Zeit, den du manchmal vermisst, zu singen?

Nein ich vermisse eigentlich nichts. Für mich ist das ein abgeschlossenes Kapitel, auch wenn ich gern an diese Zeit zurückdenke. Wenn du mich aber so direkt fragst, würde ich „Along The Rising Sun“ oder auch „Long Way Of Redemption“ nennen.

“Champion” ist als Titel eine ziemliche Ansage. Drückt er genau das aus, was ihr mit der Band noch erreichen wollt? Und wie sieht es mit den Vorhaben für die nähere Zeit aus?

Mit uns hat der Titel eher wenig zu tun. Es ist die Botschaft die dahinter steckt, dass man jeden Tag die Chance hat, der Champion seines eigenen Lebens zu werden. Es ist wichtig, dass man sich irgendwann die Frage stellt, wer man eigentlich ist, seine Potenziale entdeckt und sie nutzt, um darin aufgehen zu können und ein erfülltes Leben zu führen. Für mich ist dieses Thema ein besonderes Anliegen. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass viele Menschen sich nicht auf die Suche nach sich selbst machen oder ihre Lebensträume vergessen haben. Sie leben in ihrer Komfortzone und hinterfragen nicht das Hamsterrad ihres alltäglichen Lebens in welchem sie gefangen sind. Da ich selbst viele schwere Zeiten in meinem Leben durchgemacht habe, weiß ich, wie wichtig es ist, nach dem Sinn des eigenen Lebens zu suchen und Erfüllung zu finden. Das wünsche ich einfach jedem und deswegen denke ich, dass sich viele in diesen Themen wiederfinden werden und die Botschaft als Impuls für ihr eigenes Leben nutzen können.

Danke für das Interview! Die letzten Worte gehören euch.

Wir danken allen von ganzem Herzen, die uns auf unserem bisherigen Weg und vor allem für unser Zweitwerk „Champion“ unterstützt haben. Wir sind unfassbar dankbar für unsere Fans, ohne die so Vieles nicht möglich wäre und wünschen uns mit diesem Album noch viel mehr Leute zu erreichen. Vielen Dank an alle Leser von metal.de. Euer Support bedeutet uns alles! Hört in die neue Scheibe rein, kommt zu unseren Shows und wenn ihr wollt, dann folgt uns auf Social Media, damit ihr keine Infos und Sidestories aus unserem Bandgeschehen verpasst. Wir sehen uns!

Quelle: Stephan Dietrich (Turbokill) | Bilder: Eulenherz Artwork
03.11.2024

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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