Tsjuder
Interview mit Sänger und Bassist Nag
Interview
Mitte Oktober veröffentlichten die norwegischen Black-Metal-Urgesteine TSJUDER nach einigen Jahren Abstinenz ihr Comeback-Album „Legion Helvete“, welches zwar klingt, wie ein Album von TSJUDER klingen sollte, aber auch einige Feinheiten wie die gesteigerte Eingängigkeit des Materials oder das erstaunlich komplexe Drumming als Neuerungen verzeichnen konnte. Lest nun mit ein bisschen Verspätung, was Sänger, Bassist und Bandchef Nag zu „Legion Helvete“ zu sagen hat!
Hallo zusammen!
Ich konnte nirgendwo Infos darüber finden, warum ihr euch damals, 2006, aufgelöst habt, deshalb würde ich gerne damit anfangen, wenn’s euch nichts ausmacht: Was waren also die Gründe für den TSJUDER-Split?
Wir haben seit 1993/94 zusammen gespielt, es war also an der Zeit, sich eine kleine Auszeit zu nehmen. Es gab keinen wirklichen Grund dafür, außer dass wir glaubten, mehr Inspiration und Motivation als wir zu der Zeit hatten zu brauchen, um neue Musik zu machen.
Und woher kam die Idee, die Band wieder zu vereinen?
Ich glaube, wir alle wussten irgendwie, dass wir irgendwann wieder zusammenkommen würden, auch wenn die Band für einen nicht definierten Zeitraum auf Eis lag. Nach ein paar Jahren fühlten wir alle wieder ein Verlangen, mit TSJUDER zu spielen, denke ich, und irgendwann 2009 entschieden wir uns, das Biest TSJUDER wiederzuerwecken.
„Legion Helvete“ ist ja das erste TSJUDER-Album seit sieben Jahren. Hat sich eure Art, ein Album zu schreiben und aufzunehmen, in dieser Zeit verändert?
Ja und nein. Sie hat sich insofern geändert, dass wir mehr auf die Art Musik geschrieben haben, wie es vor „Desert Northern Hell“ (2004 – Anmk. d. Red.) geschah. Die ganze Musik wurde von Draugluin und mir erschaffen. Wir beide hatten Riffs, die wir individuell geschrieben hatten, und eine Menge Riffs, die wir zusammen geschaffen haben. Das ist mehr als wir jemals zuvor zusammen geschrieben haben.
Ich denke, dass „Legion Helvete“ schlicht und einfach genau wie TSJUDER klingt – wie war es nach vier Jahren Abstinenz, Material zu schreiben, dass wieder in das Konzept von TSJUDER passt? Kam das von selbst zurück?
Ja, alles kam sehr natürlich. Nach mehr als vier Jahren hatten wir eine große Portion neuer Inspiration und Motivation angesammelt, der Prozess lief also sehr gut. Bevor wir anfingen, wieder zusammen zu spielen, entschieden wir uns, ein neues Album anzustreben, wir hatten also ein Ziel vor Augen. Außerdem wusste keiner, dass wir wieder zusammen spielten, es gab also keine Konzerte oder irgendwas anderes, was den Fortschritt des Albums aufhielt. Alles in allem war das Gefühl und die Atmosphäre als wir das Album schufen großartig.
Obwohl das neue Material in meinen Ohren ziemlich nach TSJUDER klingt, finde ich, dass es auch das variabelste Album ist, dass ihr bisher aufgenommen habt – es gibt sowohl Songs, die sich mehr auf eine kalte Atmosphäre konzentrieren, als auch Songs, die ich eher als wütend und erbost beschreiben würde. Inwiefern war diese Variabilität geplant?
Wir haben noch nie geplant, wie unsere Musik am Ende klingen soll. Das kommt alles von selbst. Aber du hast recht, es gibt eine solche Variation zwischen den einzelnen Songs und wir glauben, dass es wichtig ist, ein gewisses Level von Variation und Variabilität aufrecht zu halten, damit die Musik interessant bleibt.
Außerdem finde ich, dass „Legion Helvete“ euer eingängigstes Album ist – wobei die Eingängigkeit nicht von Rock- oder Post-Rock-Einflüssen herrührt, wie bei vielen jüngeren Bands, sondern aus dem Songwriting selbst. War es eine bewusste Entscheidung, das neue Material eingängiger werden zu lassen, oder wie kam das?
Nochmal, wir haben noch nie versucht, irgendwelche Musik zu „machen“. Ich verstehe aber was du meinst und ich glaube, dass das daher kommt, dass Anti-Christian mehr in die Kreation der Songstrukturen involviert war. Sein Drumming ist extrem gut und die Drums können einen Song sehr gut ausformen. Außerdem denke ich, dass wir jegliches älteres Material catchier machen könnten, wenn wir es neu aufnehmen würden. Das ist nur eine Frage der Art, in der du die Riffs strukturierst und spielst.
Ich muss zugeben, dass ich nichts von KRYPT kenne, der Band, die du mit eurem Ex-Drummer Desecrator gegründet hast, nachdem TSJUDER sich auflösten. Inwiefern kann denn die Musik von KRYPT mit der TSJUDERs verglichen werden?
KRYPT und TSJUDER sind zwei verschiedene Bands. Es ist zwar natürlich, dass die Musik von KRYPT der von TSJUDER ähnelt, da ich für beide Bands Musik geschrieben habe, auf der anderen Seite hat Desecrator (Drummer von KRYPT – Anmk. d. Red.) über 50 Prozent der Musik von KRYPT geschrieben und seine Riffs sind absolut nicht typisch für TSJUDER. Alles in allem sind KRYPT und TSJUDER also zwei verschiedene Bands.
Und inwiefern haben deine Erfahrungen mit KRYPT das neue TSJUDER-Material beeinflusst? (Und andersrum?)
Hat es nicht. Allerdings wurde ich durch die Arbeit mit Desecrator inspiriert, dadurch, dass wir ziemlich auf die Weise gearbeitet haben, wie Draugluin und ich vor „Desert Northern Hell“. Und es war auch gut, mit anderen Leuten als denen von TSJUDER zu arbeiten. KRYPT ist die eine Sache, aber mit BEASTCRAFT zu spielen hat mich sehr an die frühen Neunziger und das Feeling von damals erinnert. Insofern habe ich also meine Inspiration und Motivation, neues TSJUDER-Material zu schaffen, dadurch erhöht, dass ich mit anderen Leuten zusammengearbeitet habe.
Ein anderes Thema: In zwei Jahren wirst du 20 Jahre lang bei TSJUDER und anderen Black-Metal-Bands/-Projekten mitgespielt haben. In der Zeit hat sich Black Metal sehr von einem obskuren, eher regionalen Phänomen zu einem ernsthaften, weltweiten Musikgenre entwickelt. Wie siehst du diesen Wandel als jemand, der nicht nur seit Anfang an dabei ist, sondern auch noch eine ziemliche Old-School-Variante von Black Metal spielt?
In den Neunzigern hatten die Leute Angst vor Black Metal – mit gutem Grund. Die ganze Atmosphäre um Black Metal war eine ganz andere. Heute interessiere ich mich dafür nicht mehr wirklich. Ich denke aber, dass Black Metal einen Schritt zurück zum „echten“ Black Metal macht, was eine gute Sache ist. Damit meine ich, dass es eine deutliche Linie gibt, was Black Metal ist und was nicht. Und es scheint ein neuer Untergrund von Raw und Brutal Black Metal zu wachsen, mit neuen, jungen Bands, die back to the roots gehen.
Und inwiefern hat sich deine eigene Einstellung zum Black Metal verändert?
Meine Einstellung ist die selbe! Black Metal soll rau und brutal sein und ist nicht für jeden gemacht.
Seit eurer Reunion habt ihr ja bereits wieder live gespielt. Hat das Publikum auf euch anders reagiert als vor dem Split? Hat sich die Einstellung euch gegenüber in dieser Zeit verändert?
Nein, ich glaube nicht, dass sich das verändert hat, zumindest habe ich das so nicht mitbekommen. Als wir diesen Sommer live gespielt haben, sind wir auf einigen sehr großen Festivals aufgetreten, mit einer Menge Leuten, insofern war es dann natürlich schon etwas anderes für uns, wenn man auf einmal vor mehreren tausend Menschen spielt.
Und wie fühlt es sich für euch an, wieder mit TSJUDER auf der Bühne zu stehen?
Sehr gut. Das war ein Gefühl, das ich wirklich vermisst habe.
Last but not least: Ihr seid ja bereits für das Kings Of Black Metal Festival 2012 in Deutschland bestätigt. Kannst du darüber sprechen, ob es noch andere Gigs oder vielleicht sogar eine Tour durch Deutschland geben wird?
Ja, da sind ein paar Konzerte geplant. Am besten kann man unsere Social-Network-Seiten checken, wenn man mehr Infos will. Das erste Konzert, was wir jetzt spielen werden, wird Anfang November in Italien sein. Außerdem werden wir in Portugal, den USA (Maryland Deathfest), Deutschland, der Schweiz und anderen Ländern spielen. Wir bekommen momentan auch eine Menge Angebote, ich bin mir also sicher, dass da noch mehr kommen wird.
Vielen Dank für das Interview. Irgendwelche letzten Worte oder Kommentare? Cheers!
„Legion Helvete“ ist jetzt bereits draußen, also testet es an. Aber Vorsicht – das ist keine schöne Musik für die Massen!