Trivium
Interview mit Matt Heafy zu "The Crusade"
Interview
2005, die Metalcore-Hysterie ist in vollem Gange. Überall sprießen Bands wie nichts Gutes aus dem Boden, Labels signen wie verrückt alles und jeden, was nicht bei drei auf den Bäumen ist (und finden doch mal das sprichwörtliche Korn), das Kürzel NWOAHM (längst abgelöst durch das anfangs genannte Quasi-Schimpfwort) hat nie seinen Weg in den schwermetallischen Sprachgebrauch gefunden und KILLSWITSCH ENGAGE kennt jetzt nun wirklich jeder…
Dass Trendwellen jedoch auch maßgeblich durch Medien und ihre Kommunikationsorgane mal mehr mal weniger stark unterstützt (oder auch gerne gemacht) werden, ließ sich dieser Tage eben in jenem unserem Hartwurst-Sektor sehr gut an den Senkrechtstartern TRIVIUM ablesen. Auf Teufel komm raus verbreiteten etliche Journos in etlichen Interviews ihre felsenfeste Sichtweise, TRIVIUM seien unwiederbringlich Metalcore und müssten aufgrund ihrer hochqualitativen Releases verdammt noch mal umgehend zu den Messiassen dieses Genres erklärt werden. Was den vier Floridianern überhaupt nicht passte. Nicht, dass es zuviel des Lobes war, der zuhauf über ihnen ausgeschüttet wurde: das dürfte Fronter Matt und Konsorten zweifellos in die Karten gespielt haben, da jene mindestens genauso oft steif und fest in den der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Zwiegesprächen behaupten, ihr erklärter Plan wäre es, nichts Anderes als die beste Metalband des Planeten zu werden – und damit ihre großen Vorbilder METALLICA und IRON MAIDEN zu übertrumpfen. Vielmehr konnte und wollte man sich nie mit dem Label Metalcore identifizieren – vielleicht wurde „Ascendancy“ ja auch nur zum falschen Zeitpunkt veröffentlicht.
Was schafft also Abhilfe? Klar, man beschrie in schöner Regelmäßigkeit, wie anders das neue Album doch werden würde. Ging bekanntlich schon oft genug schief. Doch wo diverse Bands diese Floskel aus marketingtechnischem Kalkül zur geschönten Ausrede zwecks Erhöhung zukünftiger Albumverkäufe stilisieren, halten TRIVIUM ihr Wort. „The Crusade“ ist eine beinahe geradlinige Abkehr von „Ascendancy“, bietet keine Angriffsfläche für etwaige Metalcore-Vergleiche und ist einfach (fast) nur Thrash, Thrash, Thrash – obwohl Matt die neue Ausrichtung sogleich wieder etwas relativiert. „Ich denke nicht, dass wirklich alle Songs nur purer Thrash sind. „Anthem (We Are The Fire), „And Sadness Will Sear“ oder auch „The Rising“ zum Beispiel sind zwar sehr rau aber kein lupenreiner Thrash. Daneben finden sich sogar auch sehr progressive Stücke wie etwa das abschließende Instrumental „The Crusade“. Es ist sehr mannigfaltig und definitiv anders geartet als „Ascendancy“. Was ja auch logisch ist, denn wenn wir „Ascendancy“ Teil zwei aufgenommen hätten, wären das nicht wir selbst gewesen. Wir werden nur besser, und das gilt meiner Meinung nach für jede Band, wenn man Neues ausprobiert.“
Und Neues gibt es en Masse. Auf dem Kreuzzug ins Glück wandeln TRIVIUM nicht nur ausgiebig auf den Pfaden der 80er, sondern verknüpfen diese geschickt mit der Gegenwart, wie im bereits angesprochenen achtminütigen Outro-Instrumental, das gleichzeitig der Titeltrack ist und von reißerischen Riffs und Soli nur so strotzt. Und auch auf gesanglicher Ebene hat sich einiges getan – mehr Gesang, weniger Geschrei. „Na ja, der einzige Grund, warum ich damals angefangen habe zu schreien, ist, weil ich nicht singen konnte! Ich war 14 oder 15, als ich in einer Band anfing und ich wollte unbedingt der Singende, der Fronter sein. Nur war ich ein so schlechter Sänger, dass ich das Schreien zunächst sozusagen als Brücke oder auch Notlösung nehmen musste. Aber durch all die Jahre, die wir nun auf Tour waren, habe ich meine Stimme verbessert. Zudem habe ich mit einem Gesangstrainer gearbeitet, den auch schon Axl Rose und Chris Cornell in Anspruch genommen haben.“
Erwartet denn die gereifte Band nun mit der deutlich anderen musikalischen Herangehensweise, sich auch neue Fangruppen zu erschließen? „Das kann ich nicht wirklich genau sagen. Es kommen jeden Tag neue Fans dazu, die von uns bis dato noch nie etwas gehört haben. Teile unserer Fans wurden erst mit „Ascendancy“ auf uns aufmerksam und ich denke, auch mit „The Crusade“ werden wir einige neue hinzugewinnen können.“ Dazu wird es in Zukunft auch ausreichend Möglichkeiten geben. „Die nächsten eineinhalb Jahre sind fürs Touren bereits komplett verplant. Aus diesem Grund haben wir auch die beiden Videos zu „Entrance Of The Conflagration“ und „Anthem (We Are The Fire)“ am Stück gedreht und mit dem zweiten nicht wie üblich auf die entsprechende Single-Auskopplung gewartet.“
Der Erfolg schreitet bei TRIVIUM also schnell voran, bläht sich aber nicht künstlich auf. „Major Labels haben bei uns bisher noch nicht angeklopft. Aber auch wenn dies der Fall wäre, würde ich bei einem solchen nicht unterzeichnen wollen. Der einzige Vorteil eines Majors ist, dass sie in der Lage sind, innerhalb eines Monats von einer Platte Abermillionen Kopien abzusetzen. Und deswegen sollten sie beim Pop und Rap bleiben und ihren Einflussbereich nicht auch noch auf den Metal ausdehnen. Mit Roadrunner haben wir im Laufe der Zeit für uns etwas wirklich Monumentales erreicht, warum sollten wir also wechseln?“
Ja, warum eigentlich? Bis dato legten TRIVIUM nichts Anderes als eine Bilderbuchkarriere hin und nach dieser Liebeserklärung an Roadrunner wird es wohl Zeit, Taten folgen zu lassen, um eine weitere Stufe zum Metal-Olymp zu nehmen.