Trivax
"Dasselbe kann auch anderen Menschen passieren, wenn sie nicht für Demokratie und die Freiheit der Worte einstehen."

Interview

Mit „Eloah Burns Out“ hat die Band um den 28-jährigen Bandleader Shayan S. nicht nur ein starkes zweites Album herausgebracht, das sich deutlich professioneller als der Erstling anfühlt, sondern mit neuer Bandlokation in Birmingham, England, können TRIVAX endlich frei sprechen. Aus Teheran stammend, spricht Shayan über den musikalischen Kanal, sich politisch auszudrücken, totalitäre Verhältnisse im Iran und was das Ganze mit seiner Band zu tun hat.

Hallo und beste Grüße nach Birmingham! Ich gehe mal davon aus, dass Du dich auf den Release von „Eloah Burns Out“ freust.

Absolut. „Eloah Burns Out“ ist das Ergebnis von einem sehr harten und langen Prozess einer persönlichen und professionellen Transformation von TRIVAX. Es ist großartig, sich auf der anderen Seite der Geschichte wiederzufinden, mit all diesen Anstrengungen, die wir letztlich auf diese Platte gebannt haben und die nun endlich das Licht der Welt erblicken wird. Wir könnten nicht stolzer sein.

Ohne Zweifel, das ist unser Opus Magnum bisher.

Im Vergleich mit eurem ersten Album „SIN“ aus dem Jahr 2016 klingt „Eloah Burns Out“ deutlich kompakter, was es mit 49 Minuten Spielzeit auch faktisch ist. Wolltet ihr euch dieses Mal mehr aufs Wesentliche konzentrieren?

Wenn ich zurückschaue, dann habe ich den Eindruck, dass „SIN“ durchaus ein kraftvolles Werk war, aber irgendwo auch fast fehlerhaft, weil wir uns nicht richtig ausdrücken konnten. „Eloah Burns Out“ fühlt sich demnach beinahe wie unser erstes Album an, weil wir zum ersten Mal die Möglichkeit hatten, unsere Vision von TRIVAX entsprechend zu verpacken. Ich denke das hört man auch und spricht für sich selber.

Musikalisch gesprochen ist das Album deutlich mehr on point und redet viel weniger um den heißen Brei herum. Anstatt sich zu obsessiv auf Atmosphäre und Gefühle zu versteifen, springt einem dieses Album direkt an die Kehle – und doch gelingt es, gleichzeitig eine passende Atmosphäre zu schaffen und eine Geschichte zu erzählen.

„Dieses Album springt dir direkt an die Kehle“

Hört man „Eloah Burns Out“ denkt man aufgrund der mittelöstlichen Einflüsse relativ schnell an MELECHESH, wobei ihr höllischer und blasphemischer klingt – einfach mehr evil.

Vielleicht. An keinem Punkt in diesem Album oder jemals in meiner Karriere mit TRIVAX wollte ich wie eine andere Band klingen. Verstehe mich nicht falsch, es gibt durchaus partielle Einflüsse und auch Referenzen zu anderen Bands wie CELTIC FROST, DISSECTION oder auch DESTRÖYER 666 – aber ich denke, diese mittelöstlich klingenden Passagen entstehen eher ganz natürlich, da sie in meinem Blut liegen. Hinsichtlich dessen, dass die Musik höllisch, evil und blasphemisch klingt – da würde ich sagen, dass Deine Beobachtungen richtig sind.

Natürlich respektiere ich MELECHESH und finde, dass sie einen besonderen, sehr einzigartigen Stil haben – allerdings musst du im Kopf behalten, dass ich schon mein ganzes Leben traditionelle persische Musik gehört habe, noch lange bevor ich wusste, dass Metal überhaupt existiert.

Im Jahr 2009 bist du nach England ausgewandert, doch es scheint, dass du anfangs noch versucht hast, das ursprüngliche Line-Up mit Sina und Saleh bis 2011 aufrechtzuerhalten. Danach ging es dann mit in England lebenden Musikern weiter. War das ein logistisch motivierter Schritt?

Das ist eine lange Geschichte, da wir ursprünglich vorhatten, als komplette Band den Iran zu verlassen, allerdings war TRIVAX dort letztendlich bereits aufgelöst, bevor sich mein Vorhaben zur Auswanderung dann verhärtet hat. Die Band hatte also zu diesem Zeitpunkt ihren offiziellen Bestand verloren, doch ich war mir sicher, dass ich diese Vision fortführen würde, sobald ich Leute gefunden hatte, die besser in das Format passen.

Als für mich dann endgültig klar war, dass ich nach England auswandern würde, war es ein natürlicher Prozess, dass ich mich dort nach potentiellen Mitgliedern für meine Band umsehen würde. In den ersten Monaten habe ich sehr intensiv gesucht und einige misslungene Versuche hinter mich gebracht, bevor ich TRIVAX mit neuem Line-Up im Dezember 2011 wieder an den Start bringen konnte. Unser Drummer M.Croton ist seit dieser Zeit dabei.

Hast du immer noch Kontakt zu den ehemaligen Bandmitgliedern, die seinerzeit in Teheran geblieben sind? Sind die Altmitglieder noch musikalisch aktiv?

Wir stehen nach wie vor in Kontakt. Einer der Jungs hat sich dem Musikbusiness komplett abgewandt und ist nun in der Filmindustrie tätig und ein anderer macht zwar noch Musik, allerdings keinen Metal mehr aus den wohl offensichtlichen Gründen. Aus nachvollziehbaren Positionen halten beide ihre Verbindung zu TRIVAX aus ihrem öffentlichen Leben heraus.

Ich bin sehr froh, dass beide inzwischen ihre künstlerische Bestimmung gefunden haben. Auch wenn es teilweise eine fordernde Zeit mit vielen Differenzen war, so schätze ich doch die lange Zeit, in der wir zusammengearbeitet haben. Die Zeit, als TRIVAX als Band noch im Iran aktiv war hat entscheidend dazu beigetragen, wie ich mich als Person bis zum heutigen Tag entwickelt habe.

Auf „Eloah Burns Out“ ist ein Song in deiner Muttersprache gehalten, dazu nutzt Du subtile mittelöstliche Instrumentaleinflüsse wie Percussions und Saaz. Ist es für dich wichtig, deine Wurzeln auch musikalisch nicht zu vergessen?

Das ist auf jeden Fall sehr wichtig aber auch grundsätzlich eine Sache, die sich recht natürlich und organisch entwickelt. Ich habe nie den Anspruch gehabt, wie eine mittelöstliche Band klingen zu müssen. Auf der anderen Seite sind das aber zusätzliche Werkzeuge, mit denen mir die Möglichkeit gegeben, mich musikalisch eloquenter auszudrücken.

Dazu gibt es noch eine unterschiedliche Verbindung, wenn es darum geht, wie Musik und Lyrics verstanden werden. Dies wird bei der iranischen Hörerschaft in der Gesamtheit anders sein als sagen wir von einer US-Crowd.

Songs wie „Against All Opposition“ machen eure Stimme gegen die repressive Regierung im Iran mehr als deutlich. Siehst du dich gezwungen, auch deine musikalische Stimme für wichtige politische Statements und Aufklärung zu nutzen?

Um ehrlich zu sein denke ich, dass die iranische Underground-Musikszene bis etwa vor einem Jahr, als alles richtig losging, versucht hat, politische Dinge in ihrer Musik zu umschiffen – das kann zwar zeitweise recht enttäuschend sein, ist aber auch irgendwo verständlich. Die Islamische Republik ist berüchtigt dafür, Häuser von Dissidenten zu plündern und Völkermord an all jenen zu begehen, die nicht mit deren Narrativ übereinstimmen. Dieser Abschaum hat das gleiche mit der 16-jährigen Nika Shakarami getan und sie brutal umgebracht.

Für uns und vielleicht auch für andere iranische Künstler im Ausland hat sich das wie eine Pflicht angefühlt, eine Stimme für all jene zu sein, die derzeit dort leiden. Für TRIVAX sind die wesentlichen Themen Tod, Transformation und Befreiung – demnach ist es im Prinzip unvermeidlich für uns, dass wir unsere eigene Sicht auf die Dinge haben und diese eben auch nach außen tragen.

„Zensur ist ein wahres Krebsgeschwür“

Wie wichtig ist es, dass solche Ereignisse in der ganzen Welt publik werden und insbesondere auch in den westlichen Medien eine größere Rolle einnehmen?

Wo soll ich anfangen? Was ich in jedem Fall sagen kann ist, dass es sehr wichtig ist, dass sich die Menschen all diesen Vorgängen bewusst sind. All diese Dinge geschehen schon seit langen Jahren der islamischen Revolution im Jahr 1979. Nun scheint aber die große, weite Welt immer mehr von den Tragödien um den Totalitarismus in meinem Staat Wind zu bekommen.

Es ist nicht nur alleine wichtig, dass die Menschen darüber Bescheid wissen, was genau im Iran passiert, sondern es ist wichtig, die Erkenntnis zu erhalten, was denn wirklicher, kompromissloser Totalitarismus ist. Dasselbe kann auch anderen Menschen passieren, wenn sie nicht für die Demokratie und die Freiheit der Worte einstehen.

Zensur ist ein wahres Krebsgeschwür und kann in der Folge dazu führen, was wir derzeit im Iran zu sehen bekommen. Das willst du nicht.

Um wieder zurück zu „Eloah Burns Out“ zu kommen: Du hast einige Gäste auf dem Album von Bands wie DARVAZA, FUNERAL THRONE oder WINTERFYLLETH. Wie kam der Kontakt zustande?

Das sind alles Freunde von uns, die in irgendeiner Form ihren Beitrag zu diesem Album leisten wollten. Einige Kollaborationen haben sich ganz normal und natürlich entwickelt, wobei jeder einzelne Beitrag seine ganz eigenen Einflüsse zu einem großen Ganzen zusammengebracht hat – insbesondere auf „The Serpent’s Gaze“.

Zum Ende hin kann ich Dir nur noch einmal für dieses großartige zweite Album gratulieren und auf ein paar Live-Auftritte in Deutschland hoffen. Habt ihr diesbezüglich etwas in Planung?

Wir kommen im ersten Halbjahr 2024 zurück nach Deutschland, doch viel mehr kann ich aktuell noch nicht sagen.

Seid versichert, „Eastern Death Magick“ wird kommen!

Quelle: Trivax
23.09.2023
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