Tribe After Tribe
Interview mit Robbi Robb zu "M.O.A.B."
Interview
TRIBE AFTER TRIBE und an deren Spitze Mastermind Robbi Robb stehen für fabelhafte Rock-Musik mit afrikanischer Basis und politischem Tiefgang. Von Tribal-Rhythmen über verschiedenartige (afrikanische und orientalische) Percussions bis hin zu harten E-Gitarren setzen TRIBE AFTER TRIBE ein großes Spektrum an Instrumenten gekonnt ein. Darüber hinaus gilt Robbi Robb als ein höchst interessanter Musiker, der nicht nur aufgrund seiner südafrikanischen Herkunft viel zu sagen hat, sondern auch durch seine unkonventionelle, sprituelle Lebensweise Aufsehen erregt. Es war für mich eine kleine Ehre, diesen von mir überaus geschätzten Musiker für metal.de befragen zu dürfen.
Hallo Robbi, schön, dass endlich, endlich, endlich das neue Album raus ist und sich TRIBE AFTER TRIBE somit zurück auf der Bildfläche melden. Aber warum zum Henker hat das so lange gedauert? Verdammte sechs Jahre ist es her, dass „Enchanted Entrance“ veröffentlicht wurde…
Oh Mann, es ist so viel passiert! Zunächst muss ich sagen, dass TRIBE AFTER TRIBE als Band ziemlich viel Pech erlebt haben, aber nicht soviele Unglücke, wie die Welt seit dem 11. September. Wir hatten einen Tsunami in Indien und dann den Hurrikan Katrina in New Orleans. Wir haben mit der Amma Charity Organisation zusammengearbeitet, weil wir ihr am meisten vertrauen, und haben uns mit ihr an vielen Spendenaktionen beteiligt, um Material für neue Häuser in Indien zu kaufen. Mit einer kleinen Gruppe von Leuten haben wir 144.000 Dollar zusammengetragen. Auf der Amma-Website kann man genau nachverfolgen was mit dem Geld geschieht und wieviele Häuser davon bereits gebaut wurden. Es ist einfach fantastisch.
Solche Spendenaktionen haben wir auch für das Gebiet um Baton Rouge gemacht. Dieser kleine Ort wurde nämlich von der FEMA [Katastrophenhilfe-Organisation der USA] fast komplett ignoriert. Das alles war eine sehr dankbare Aufgabe für mich und hat viel Zeit in Anspruch genommen. Und die Zeit rast viel zu schnell davon.
Darüber hinaus bin ich mit meiner Frau in die Wüste gezogen. Ich habe angefangen, ein Buch über Quantenphysik und Biologie in Bezug auf Körperheilung zu schreiben. Gesunde Menschen bilden eine gesunde Gesellschaft. Ich war also ziemlich frei und auch glücklich, aus dem Musikgeschäft heraus zu sein und hatte auch keine Absicht zurückzukehren. Doch dann rief mich Thorsten von Rodeostar an und machte mir ein Angebot, was ich nicht ablehnen konnte: künstlerische Freiheit im Musikgeschäft. Thorsten wußte auch, wie wichtig mir karitative Einrichtungen sind, und sein Angebot beinhaltete deshalb auch Projekte, mit denen wir Gelder für ein Waisenhaus in Afrika sammeln und eine Stiftung mit meinem Namen gründen konnten. Das motivierte mich sehr zurückzukommen und so fing ich mit den Arbeiten an „M.O.A.B.“ an.
Mal abgesehen davon, dass du mit „M.O.A.B.“ ein neues Eisen am Start hast, was bedeutet dir das letzte Album oder die davor noch? Ganz klar Vergangenheit oder immer noch ein Stück Herz? Magst du „Enchanted Entrance“ auch heute noch?
„Enchanted Entrance“ ist sogar mein Lieblingsalbum, aber je länger ich mich von jedem Album zeitlich entferne, umso mehr überrascht es mich.
Der Untertitel des neuen Albums lautet „Stories From Deuteronomy“. Erkläre unseren Lesern bitte, was du uns im Zusammenhang mit „M.O.A.B.“ damit sagen möchtest. Was bedeutet „M.O.A.B.“?
Moab ist die Wüste, durch die Moses ging, um ins gelobte Land zu gelangen. Desweiteren bedeutet MOAB „mother of all battles“. Saddam Hussein hat dies Bush entgegnet. Wenn er den Irak attackieren würde, dann würde er die Mutter aller Schlachten lostreten.
Bush hat den Irak angegriffen und dabei die „mother of all bombs“ bzw. die „massive ordinance airburst bomb“ eingesetzt!
Diese ganzen Geschichten fließen in die Musik und den lyrischen Inhalt des Albums ein.
Die Songs des Albums haben wieder diesen bestimmten, klagenden Unterton, der einfach nur zu 100% nach TRIBE AFTER TRIBE klingt. Dass weltpolitische Themen eine große Rolle spielen, dürfte ebenfalls außer Frage stehen. Ohne nun zu tief ins Detail zu gehen, denn der Hörer soll gefälligst die Feinheiten des Albums selbst erkunden, worum geht es insgesamt auf dem Album? Gibt es einen roten Faden?
Nun, ein Freund machte mich auf einen Vers im Deuteronomium, dem 5. Buch Mose, aufmerksam, der mich schockierte. Da gibt es eine Geschichte, mit der wir alle aufwachsen, die wir alle glauben… und an der Oberfläche geht es um Völkermord, der durch ein sogenanntes höheres Wesen gebilligt wird! Sofort sah ich ein Bewusstseinsmuster, das wir nicht länger ignorieren können. Es wächst von Tag zu Tag und verdeutlicht sich durch uns als Menschen, wie ein mentaler Virus. Das Album folgt Moses auf seiner Reise durch die Wüsten nach Moab, von wo er sich zum gelobten Land Israel aufmachen soll. Jeder Song weist auf die Ähnlichkeiten zur heutigen Zeit hin, ist aber eine Referenz an jeden Meilenstein dieser Reise, in der die tatsächliche Geschichte in ihren Originaltexten erzählt wird.
Moab ist der Versuch einer Verbindung, der Bruderschaft aller Wesen und lebenden Dinge. Durch das Verstehen der Grundsätze unserer Unterschiede können wir Brücken bauen und uns in unseren Herzen näher kommen. Ich bin ein Brückenbauer. Die Einheit der Nationen ruht auf dem Verständnis, dass die Geschichten, an die wir glauben auch die sind, nach denen wir handeln. Wir sollten nicht alles glauben, was wir lesen, sondern sollten unsere eigenen Vorurteile hinterfragen, und wir sollten zweifeln, zweifeln, zweifeln an jeder Doktrin, an jeder Geschichte und jeder politischen Agenda, die uns in den Krieg ziehen will!
Eine perfekte Überleitung, um auf deine Herkunft einzugehen. Der afrikanische Kontinent steckt nach wie vor tief verwurzelt in der Musik TRIBE AFTER TRIBEs und es ist vermutlich genau das, was diese Band so besonders macht. Du lebst nun schon viele Jahre in Amerika, hast aber nie deine Wurzeln verleugnet, geschweige denn vernachlässigt oder sogar vergessen. Fühlst du dich nach so vielen Jahren des „Exils“ dennoch als Südafrikaner oder fühlst du eine Veränderung in dir?
Ich gehöre zu einem Südafrika, welches nicht existiert. Das jetzige Südafrika hat nichts mit mir zu tun. Ich war Teil der Revolution, die dieses Südafrika hervorgebracht hat, aber ich habe nicht in dieser neuen Welt von HIV, Autodiebstahl, Vergewaltigung und Verbrechen gelebt, die das Land im Griff zu haben scheinen. Ich lebte in einem Land voller Leidenschaft für Veränderung, für Musik und es war eine gefährliche Zeit, aber auf andere Weise. Ich fühle mich immer noch von diesen Leidenschaften beeinflusst, aber bin ein Weltbürger, der dadurch angetrieben wird.
Bist du inzwischen eigentlich mal wieder in deiner Heimat gewesen? Ist das überhaupt möglich für dich?
Nein und Ja.
Ich verfolge regelmäßig die Nachrichten hier in Deutschland, aber aus Afrika hört man im Grunde seit Monaten immer nur dasselbe. Tote in Kenia, tote in Namibia, tote in xxx… Afrika ist immer noch ein stark zerrüttelter Kontinent, der von Bürgerkrieg und Rassenhass gebeutelt ist und nur wenige Länder sind wirklich sicher. In wiefern ist Apartheid auch heute noch ein wichtiges Thema für die Weltpolitik und denkst du, dass die westlichen Regierungen mehr für die Völker Afrikas tun müssten?
Apartheid ist nicht auf Südafrika oder Afrika beschränkt – Apartheid ist gegenwärtig in der Welt. Westliche Regierungen hatten die Möglichkeit, gute Beispiele für zivilisierte Nationen zu sein, aber ich habe das Gefühl, dass zuviele damit gescheitert sind und dazu geführt haben, dass barbarische Politik zur akzeptierten Norm geworden ist. Vieles davon wird durch die unterschwellige religiöse Psychologie der Nationen genährt.
Ist Afrika vom Westen gewollt eine Dritte-Welt-Region?
Wenn der Mensch weiterhin an seinem Pfad der Selbstsucht festhält, wird sich die ganze Welt zur Dritten Welt entwickeln.
Ein großes Thema, zudem wir sicher noch mehrere Stunden und über 100 weitere Fragen sprechen könnten, aber ich will es nicht überspannen. Ich möchte hier lediglich klarstellen, dass die Welt nicht an den Grenzen des eigenen Landes vorbei ist. Wir alle sollten mehr auf die Missstände in der Welt schauen. Denkst du, der Westen ist zu gleichgültig geworden?
Er ist angenehm betäubt – man muss sich mal genau anschauen, wer hinter der Industrie steckt, wem die Medien gehören, und kann dann die Motive und Intentionen erkennen. Dann wird man sehen, welche Art der Meinungskontrolle und Informationsverzerrung durch die Medien generiert wird, und warum!
Wenn der durchschnittliche Amerikaner das College verlässt, ist er verschuldet, und muss direkt vom College ins Berufsleben, um seine Schulden abzuarbeiten. Da bleibt keine Zeit mehr, um die Welt und sich selbst in Bezug auf andere Kulturen kennenzulernen. Und das führt dazu, dass großes menschliches Potential einfach heruntergewirtschaftet und gedämpft wird. Manchmal sind die Schulden so groß, dass die Kids ihr ganzes Leben lang nicht mehr herauskommen. In den 60ern war das anders, und da konnte man auch die Revolutionen sehen, die da im Gange waren.
Zurück zum Album. Du hast für „M.O.A.B. wieder viele neue Leute um dich herum gescharrt. Außer Joey Vera ist mir persönlich allerdings niemand bekannt, der dir geholfen hat. Dieses Mal gibt es keine PEARL-JAM- oder KING’S-X-Namen auf der Gästeliste. Hat TRIBE AFTER TRIBE mittlerweile eine feste Besetzung oder möchtest du diesen gewissen Allstar-Projektcharakter beibehalten, den die Band in den letzten zehn Jahren hatte?
Nur Freunde und Magier. Wir kommen zusammen und haben einfach Spaß bei der Sache, keine Regeln, keine „Allstar“-Attitüde, und so weiter. Es macht einfach riesigen Spaß.
Diese Vermischung von ethnischen Strukturen und westlicher Rock-Musik wirkt nach wie vor absolut faszinierend auf mich. Ich lernte TRIBE AFTER TRIBE mit dem ’91er Album kennen und lieben und „Love Under Will“ ist nach wie vor mein persönlicher Fave, und es ist mittlerweile viel Zeit ins Land gezogen aber man hört „M.O.A.B.“ dennoch ganz klar an um welche Band es sich handelt. Du bist mit der Band trotzdem nie auf der Stelle getreten oder hast dich wiederholt. Glaubst du, dass es zukünftig noch viel zu sagen gibt mit TRIBE AFTER TRIBE?
Ah mein Freund… du wirst warten müssen… siehe einfach das Jetzt!
Wie lange hast du gebraucht um die einzelnen Songs fertig zu stellen? Stellenweise sind so unglaublich viele Elemente in einem einzigen Lied zu entdecken, dass man förmlich hört, was für eine wahnsinnige Arbeit es gewesen sein muss, das alles zu arrangieren, geschweige denn eben aufzunehmen…
Es ging sogar ziemlich schnell! Meine Frau Amritakripa und ich haben das Album in drei Wochen komponiert, die Aufnahmen dauerten zehn Tage und der Mix nochmals zehn Tage.
Meine Herren, nicht übel. Wie um Himmels Willen ist sowas live reproduzierbar? Du kannst doch schlecht diese ganzen einzelnen Percussion-Leute und Background-Sänger mitschleppen… Werden manche Sachen vom Band abgespielt, wenn ihr auf der Bühne spielt?
Kein Band, bloß nicht! Wir haben als Power-Trio live gespielt, und es war großartig! Ich versuche nicht, beim Live-Konzert die Studioplatte zu imitieren. Live ist einfach eine andere Stimmung, und nur darum geht es mir, wenn ich auf der Bühne stehe. Wir jammen und probieren neue Sachen aus, ganz anders als im Studio.
Steht eine Tour an? Am 04.04. gab es bereits einen Gig in Hamburg. Leider war ich verhindert, sonst wäre ich auch gekommen. Wird es eine ausgedehnte Tour geben? Bereist du Deutschland?
Wir Kommen und gehen, kommen und gehen, und dann ergibt sich das.
Na, hoffe ich doch. Wie sind die Reaktionen auf TRIBE-AFTER-TRIBE-Konzerten, das Publikum? Ist es eine eingeschworene Fan-Gemeinde, die zu den Auftritten kommt, alte Hasen, oder denkst du, dass du mit deiner Musik auch viele jüngere Hörer ansprichst? Wie setzt sich das Publikum deiner Band zusammen?
Auf jeden Fall, es kommen alle möglichen Leute, viele Überraschungen, neue Gesichter, neue Orte.
Oder mal anders und etwas platt gefragt: Machen TRIBE AFTER TRIBE Musik für Erwachsene?
Es ist zu wild, um nur für Erwachsene zu sein, aber wir hoffen, dass wir weiser und besser werden. Vielleicht gibt es Elemente auf dem Album, die die Älteren unter uns besser genießen können, aber gleichzeitig hat es jugendlichen Esprit, und das hält uns hoffentlich jung.
Ein kleiner aber schneller Themenwechsel zum Abschluss: Wird es nochmal ein Album von THREE FISH geben oder ist das Projekt tot? Hast du noch Kontakt zu den anderen beiden, bzw. explizit Jeff Ament von PEARL JAM?
Nun, der THREE-FISH-Schlagzeuger spielt nun beim Tribe Trio und Jeff geht seinen eigenen Projekten nach. Vielleicht ändert sich da noch was, aber ich glaube nicht, dass dies in naher Zukunft geschehen wird.
Welches musikalische Lebenszeichen dürfen wir als nächstes von dir erwarten?
Die Aufnahmen haben bereits begonnen, aber ich möchte momentan noch nicht allzu viel darüber erzählen, um mir keine mentalen Grenzen zu setzen. Aber meiner Meinung nach wird es das Beste werden.
Ich danke dir vielmals, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten und möchte mich hiermit sinnbildlich vor deinem musikalischen Schaffen verneigen. Weiter so!
Vielen Dank für die Unterstützung! Shine on!
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