Treponem Pal
Interview mit Marco Neves

Interview

Treponem Pal

Irgendwann gegen Ende 2006 gab es das erste Lebenszeichen von TREPONEM PAL seit Jahren, und bald schon wurde aus Gerüchten Gewißheit: Das französische Industrialurgestein würde mit einem neuen Album zurückkommen. 2007 wurde mit „Furytales“ eine opulente Box veröffentlicht, die alle bisherigen Alben sowie unveröffentliche Liveaufnahmen enthielt, und jetzt, im Jahre 2008, steht mit „Weird Machine“ nach zehn Jahren Pause und mehr als zwanzig Jahren Bandgeschichte ein neues TREPONEM PAL Album in den Läden. Genug Stoff also, um ein bißchen mit Sänger und Bandkopf Marco Neves zu plaudern.

Hallo Marco, und einen schönen Gruß an den Rest der Band! Schön, dass es nach fast zehn Jahren Stille wieder etwas Neues von TREPONEM PAL gibt. Ich denke mal, die meisten Fans werden das nicht für möglich gehalten haben, obwohl es sich jeder gewünscht hat. Kannst Du uns erzählen, was Euch schlußendlich dazu bewogen hat, TREPONEM PAL, zweifelsohne DIE französischen Industrial-Pioniere, neu zu beleben?

Eigentlich hat TREPONEM PAL nie wirklich aufgehört zu existieren. Wir haben eine sehr lange Pause eingelegt, weil wir in einige andere Projekte eingebunden waren, z.B. ein Dub Soundsystem und ein Nebenprojekt namens ELEPHANT SYSTEM. Das war eine Art punkiges Reggae-Album, produziert von Adrian Sherwood (Produzent von NINE INCH NAILS), auf dem viele Reggae-Musiker zusammengekommen sind.
Nun sind wir mit „Weird Machine“ zurück, ganz einfach weil Didier B und ich einfach der Energie, die in uns steckte, freien Lauf lassen wollten. Die Spannungen und die Umgebung, die wir jeden Tag aufs Neue erleben, zwingen uns einfach dazu, und es bewahrt uns auch davor, darüberhinaus den Kopf zu verlieren…

„Radioactivity“ war damals der erste Song, den ich von euch gehört habe (war auf einem dt. Industrial-Sampler drauf), und die letzten Songs kamen bekanntlich auf dem Album „Higher“, welches leider (zumindest bis jetzt) keinen Nachfolger hatte.
Ihr habt diese Geschichte sicherlich schon 1000mal erzählt, aber wie würdest Du das ‚Ende‘ von TREPONEM PAL damals zusammenfassen?

Nun, die Antwort habe ich bereits zum Teil gegeben. Hinzuzufügen wäre, dass wir stets nach Gefühl gearbeitet haben, und es immer noch tun. Wir sind jetzt schon solange mit TREPONEM PAL beschäftigt, aber es ist durchaus möglich, dass wir irgendwann ein zweites ELEPHANT SYSTEM Album aufnehmen.
Wir sind keine Karrieristen, sondern folgen einfach unseren Gefühlen. Die beste Möglichkeit, um frei zu bleiben, oder nicht?

Das erste, neue Lebenszeichen kam 2007 in Form der opulenten „Furytales“-Box, die von Metal Mind Productions veröffentlicht wurde. Was kannst Du uns darüber erzählen? Wer hatte die Idee für diese Box, und wie habt ihr das ganze Material zusammengetragen?

Die Idee kam von Metal Mind Productions aus Polen. Sie haben einen Vertrag mit Roadrunner Records, aber sie waren uns gegenüber absolut ehrlich, und wir haben das Projekt gemeinsam vollendet. Wir hatten völlige Handlungsfreiheit und konnten die Box nach unseren Wünschen gestalten, und sind deshalb sehr glücklich mit dem Resultat! Es ist eine sehr schöne Box geworden, mit der man die Band wieder- oder neu entdecken kann.

„Furytales“ kam meines Wissens nach etwa zum gleichen Zeitpunkt raus, als ihr mit den intensiven Arbeiten an „Weird Machine“ begonnen habt. Wie verliefen die Aufnahmen und die Produktion? Wo und mit wem habt ihr für „Weird Machine“ gearbeitet?

Wir beide, Didier und ich, haben schon Ende 2006 damit begonnen, „Weird Machine“ auszuarbeiten. Wir trafen auf unseren zukünftigen Gitarristen Polak, und er verstand sofort, worum es uns ging und was wir von ihm erwarteten: Den Geist TREPONEM PALs zu erhalten, die starken und kraftvollen Gitarrenriffs und zusätzlich der Band einen neuen Anstrich zu geben. Er ist nun ein Teil von uns!
Wir haben uns dazu entschieden, mit David Weber als Co-Produzenten in Genf zu arbeiten, weil wir ihn bereits sehr gut kennen. (Er hat an „Excess & Overdrive“ mitgewirkt).

Ihr habt dort auch mit Paul Raven musiziert, dessen unerwarteter Tod ein großer Einschnitt war, nicht nur auf euer Album bezogen, sondern generell für die gesamte Musikwelt. Ich hoffe, ich werde nicht zu persönlich, aber was denkst Du über ihn?

Es war eine verdammt schwere Zeit für mich und eine Menge Leute um ihn herum, als er starb. Wir waren uns sehr nah. Er hat die Zeit gefunden, um an drei Songs mit zu arbeiten, und ist dann plötzlich verstorben. Er war wie ein Bruder für mich, kam einfach, um für nichts etwas aufzunehmen, und es war einfach eine tolle Zeit mit ihm. Sorry, sehr viel kann ich dazu leider nicht sagen… nur dass unser Album ihm, und nur ihm gewidmet ist!

Zehn Jahre nach „Higher“ wusste ich ehrlich gesagt nicht, was mich mit dem neuen Album erwarten würde. Ob es eher „back to the roots“ ging, sich an den früheren Alben orientieren würde, oder ob es dem sehr aufgeschlossenem Weg von „Higher“ folgen würde.
Als ich „Weird Machine“ dann zum ersten Mal gehört habe, war ich sehr überrascht. Es vereinbart irgendwie Elemente aus eurer gesamten Laufbahn: kalten Industrial, Tribal-Elemente, aber auch eine gehörige Portion Rock! Das illustriert auch das Albumcover sehr gut, welches sehr nach Rock’n’Roll aussieht, aber auch den berühmten Totenschädel enthält.

Wann habt ihr damit begonnen, Songs zu schreiben, wie haben sie sich entwickelt, was war eure Einstellung zu den neuen Kompositionen?

Du hast es bereits erfasst: Wir wollten etwas Einfaches und Kräftiges auf die Beine stellen, was das Fundament unserer Musik ausmacht! Ich kann dazu eine Zeile aus dem Song „Dirty Dance“ zitieren: „Let’s make it stronger just cause we are born to be wild!“
Die Texte folgen im Allgemeinen der Grundstimmung der Songs, aber meistens handelt es von Dingen, die ich durchlebt, gefühlt oder gesehen habe, und die ich mit wirkungsvollen Bildern ausdrücken möchte.

In meinen Augen ist „Weird Machine“ zum Einen TREPONEM PAL, wie wir sie kennen (was auch an Deinem individuellen Gesangsstil liegt), aber zum Anderen ist es ein Industrial-Album mit moderner Note.
Ich will hier gar nicht wild spekulieren, deshalb frage ich Dich direkt: Wofür stehen TREPONEM PAL anno 2008? Seht ihr euch eigentlich noch als Teil der Industrial-Szene, oder ist es mehr?

Danke für das Kompliment wegen der modernen Note! Damit bist Du nicht alleine. Ja, wir denken, dass wir immer noch unseren Platz in diesem Stil haben, mit einer Mixtur aus unterschiedlichen Einflüssen und Gefühlen.
Für die Zukunft erhoffen wir uns ausgiebige Touren, um, wie bisher immer, noch mehr Leute kennenzulernen, und einfach unterwegs zu sein!

Es ist wohl eine Tatsache, dass ihr Ende der 80er/Anfang 90er eine der wegweisenden Bands in Europa wart, als Industrial allmählich salonfähig wurde. Viele einflussreiche Bands zu dieser Zeit waren enge Freunde von euch, und ihr selbst hattet Einfluss auf viele junge, aufstrebende Bands.
Was denkst Du über die Industrial-Szene von heute? Einige der ‚Dinosaurier‘ haben das Feld den Jüngeren überlassen (z.B. GODFLESH, und MINISTRY sind drauf und dran, ihren Hut zu nehmen, wenn es Al Jourgensen diesmal ernst meint), während andere, wie z.B. EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, YOUNG GODS, KILLING JOKE oder KMFDM so lebendig wie eh und jeh sind.
Siehst Du unter all den neuen Bands ein paar mit Potential und Talent? Gibt es persönliche „Helden“ für dich, also Bands, die dir besonders am Herzen liegen?

Selbst nach all den Jahren ist es immer wieder interessant zu hören, welchen Einfluss wir auf andere Bands geübt haben. Wir haben immer noch Kontakt zu den Urvätern und Veteranen, die du bereits erwähnt hast! Wir sind sehr glücklich darüber, dass eine neue Szene heranwächst, die immer etwas Neues zu bieten hat. Das ist gut für den Industrial Rock, Experimentieren ist angesagt! Und scheiß auf die Helden…

Ihr habt es ja von Anfang an sehr ernst genommen mit „Weird Machine“, jedenfalls ist das mein Eindruck. Ihr wolltet wieder zurück ins Geschäft, auch wenn für einige Zeit unklar war, bei welchem Label das geschehen sollte. Seit wann seid ihr denn bei Listenable? Hattet ihr auch von anderen Labels Angebote?

Ja, da gab es einige, aber wir haben uns für Listenable entschieden, weil wir wussten, welch hervorragenden Ruf sie haben. Außerdem haben sie einen exzellenten, weltweiten Vertrieb für ihre Bands.

Was wird es denn auf der limitierten Version des Albums geben?

Drei zusätzliche Songs, die es wirklich in sich haben! Wir wollten sie zunächst für später aufheben, haben sie dann aber doch für unsere Fans draufgepackt.

Das Album kommt ja in den nächsten Tagen raus. Gibt es schon Pläne für eine Tour, um „Weird Machine“ gebührend zu promoten? Werdet ihr auf irgendwelchen Festivals auftreten?

JA! Am vierten April spielen wir einen Gig im Ballroom in Hamburg, und im May sind wir dann in London, anschließend wird es eine ausgedehnte Europa-Tour geben. Dabei spielen wir u.a. auch auf dem With Full Force in Deutschland. Wir haben sehr gute Leute, die sich darum kümmern!

Ok, das war’s dann auch schon. Hab ich noch irgendwas vergessen?

Nein, hast du nicht – vielen Dank für das Interview! Vielleicht sieht man sich ja bald, also danke nochmal und alles Gute!

01.04.2008
Exit mobile version