Treibhaus
Interview mit Frontmann Curt Doernberg zu "Alarmstufe Rot"
Interview
TREIBHAUS klingen auf ihrem nunmehr dritten Album „Alarmstufe Rot“, das bereits Anfang November veröffentlicht wurde, homogener und druckvoller denn je. Grund genug, Frontmann Curt Doernberg auf den Zahn zu fühlen. Dabei wird natürlich nicht nur über den aktuellen Longplayer gesprochen, sondern auch über Curts Lebensphilosophie und die Szene an sich. Los geht’s.
Hey Curt, mit „Alarmstufe Rot“ veröffentlicht TREIBHAUS das mittlerweile dritte Album, das von den Rezensionen her, die ich bereits gelesen habe, ganz offensichtlich besser abschneidet, als „Feindbild“. Hast du auch diesen Eindruck?
Stimmt, alle Rezensionen beschreiben eine positive Entwicklung, was mich natürlich sehr freut. Ohne die ersten beiden Alben deklassieren zu wollen, da jede Entwicklung einen Ausgangspunkt braucht, teile ich die Meinung der Verfasser. Das neue Album hat sowohl soundtechnisch als auch kompositorisch einen großen Schritt nach vorne gemacht. Meine Vocals sind wesentlich abwechslungsreicher und eingängiger geworden, was den Songs sehr gut tut. Micha hat das erste Mal die Drums live eingespielt und ich habe mich noch intensiver mit dem Sound der einzelnen Instrumente beschäftigt. Die extremeren Elektrosounds und die teilweise sehr harten Gitarrenriffs verschmelzen in der Summe so perfekt, dass sie dadurch gar nicht mehr als extrem und hart aufgefasst werden. Das gibt dem Ganzen eine besondere Note, auf die ich sehr stolz bin. Wir bewegen uns ja schon immer zwischen den Stühlen der Metal- und Elektrofans, was nicht immer ganz einfach ist. Mit „Alarmstufe Rot“ haben wir ein Album erschaffen, das diese Grenzen verschmelzen lässt und das ist für mich schon etwas ganz Besonderes.
Auf welche Rezensionen legst du persönlich eigentlich am meisten wert? Auf die, die online zugänglich sind, oder betrachtest du Reviews in einem Print-Magazin als hochwertiger?
Weder noch. Beides sind absolut wichtige Medien für uns, da sie in meinen Augen unterschiedliche Zielgruppen informieren und bedienen. Auf der einen Seite ist das Internet für mich das Medium der Zukunft überhaupt. Was wären Bands wie wir ohne Plattformen wie MySpace oder die vielen Online-Magazine, die es uns ermöglichen ohne ein riesiges Budget unsere Musik in der ganzen Welt zu verbreiten? Diese Art von Promotion hat es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Wir haben Fans in Neuseeland, Australien, Kanada, Japan, China, ganz Europa usw. Das wäre ohne Internet überhaupt nicht möglich. Auf der anderen Seite möchte ich die Printmedien auch nicht missen. Es gibt doch immer noch sehr viele Menschen, die kein Internet nutzen, und die ich natürlich auch erreichen möchte.
Um nochmal etwas an deine Antwort zur ersten Frage anzuknüpfen: in wie weit habt ihr euch jetzt eigentlich musikalisch auf dem neuen Album weiterentwickeln können, wenn ihr es im Direktvergleich zu „Feindbild“ betrachtet?
Es ist eingängiger, tanzbarer, härter und elektronischer geworden, ohne dass ich den Kurs von TREIBHAUS verlassen habe. Ich habe mir, wie ich eingangs schon erzählt habe, sehr viel Zeit mit den einzelnen Komponenten gelassen und das hat sich hörbar gelohnt.
Ich glaube deine Roots sind eher im Punk zu finden, und bei DONNERKOPF hast du auch eine Zeit lang die Felle verdroschen. Wie bist du zum Gesang gekommen und wie hat sich ganz allgemein deine Entwicklung hin zum Electro Metal ergeben?
Meine Roots liegen ganz klar im Metal. Eine meiner ersten CDs war die „British Steel“ von JUDAS PRIEST und meine ersten Bands waren allesamt Metal-, Hardrock- und Thrashbands. Ich hatte mit 13 meine erste Band und bin erst mit 28 das erste Mal mit Punk in Berührung gekommen und das auch nur, weil es unglaublich viel Spaß gemacht hat in einer Punkrock-Band zu trommeln. Nachdem ich also fast 30 Jahre lang in diversen Bands als Drummer unterwegs gewesen bin, hatte ich 2003 endgültig das Bedürfnis endlich das machen zu können, was ich musikalisch möchte. Leider habe ich als Drummer immer nur Antworten wie „du spielst Schlagzeug und wir machen die Musik“ bekommen, wenn ich mich musikalisch einbringen wollte. Also begann ich eigene Songs zu schreiben und merkte schnell, dass ich das gleiche Problem wieder bekommen würde, wenn ich mir einen Frontmann dazunehme. Von dem Moment an war der Wechsel vom Drumset an das Mikrofon vollzogen. Meine mittlerweile immer größer gewordene Liebe zu elektronischer Musik gepaart mit meinen Metal-Wurzeln endeten dann zwangsläufig im Electro Metal.
Welche Bands haben denn maßgeblichen Einfluss auf euren Sound?
Ich könnte Dir jetzt hunderte von Bands und Sängern nennen, die mich und den Sound von TREIBHAUS beeinflusst haben. Immer wieder gerne beschreibe ich es als bunte Mischung aus FEAR FACTORY, BLÜMCHEN, RAMMSTEIN, CLAWFINGER, SCOOTER und BILLY JOEL. Für mich hat jedes einzelne dieser Beispiele eine ganz eigene Art von Perfektion, die mich immer wieder beschäftigen und beeinflussen.
Ich kann mich noch sehr gut an „Unsterblich“ erinnern. Damals – gut, so lange ist das ja auch noch nicht her – habt ihr den Sound von TREIBHAUS als Power Pop bezeichnet. Inzwischen zählt ihr euch selbst zum Elecro-Metal-Genre. War das für euch ein notwendiges Übel, die Stil-Bezeichnung zu ändern, oder weshalb spielt für euch der Begriff Power Pop mittlerweile keine Rolle mehr?
Stimmt, damals habe ich die Musik von TREIBHAUS als Hart Pop bezeichnet. Diese Wortkreation gefällt mir eigentlich immer noch recht gut. Das Problem ist nur, dass sich darunter Niemand außer mir etwas vorstellen kann oder konnte. Wir leben zu meinem Bedauern in einer Schubladengesellschaft, die gerade was Musikstilistiken angeht, sehr unflexibel ist. Ich habe mich dann zur Veröffentlichung der zweiten TREIBHAUS-CD „Feindbild“ für Electro Metal als Stilistik entschieden. Das ist zwar auch nicht ganz so verbreitet, aber die Mehrheit kann sich zumindest etwas darunter vorstellen. Ob das wirklich der richtige Begriff für unsere Musik ist? Ich weiß es nicht! Die Gefahr solcher übergeordneten Schlagworte ist immer, dass sich der ein oder andere Musikfan nur auf Grund einer Betitelung nicht mit einem Thema befasst, obwohl er es eigentlich lieben würde. Da haben es Bands mit einer ganz klaren Richtung doch um Einiges einfacher. Aber ich habe mir ja letztendlich diese Richtung ausgedacht und will mich deshalb auch nicht beschweren.
Die Texte von TREIBHAUS sind immer wieder aufs Neue hochinteressant und oft sehr direkt. Bei „Das Lächeln“ wusste ich jedenfalls nach den ersten vier Zeilen, um welches Thema es geht. Du lässt dich also hauptsächlich vom aktiven Leben inspirieren oder ganz allgemein mehr von eigenen Erfahrungen?
Ich bin ein Freund von klaren Worten, die einem etwas zu sagen haben, ohne dabei mit dem Zeigefinger zu fuchteln. Ein guter Songtext muss mir die Möglichkeit geben etwas aus meinem Leben darin wieder zu finden. Die meisten meiner Lieblingssongs helfen mir in verschiedenen Gemütslagen mit der jeweiligen Situation klar zu kommen, bzw. bekräftigen mein Gefühl, das ich in diesem Moment habe. Nicht umsonnst verbindet man Songs, die noch so alt sein können, mit etwas, was man damals erlebt hat. All das verlange ich von meinen Texten auch. Genau so wichtig sind mir auch Texte mit einer klaren Aussage, wie z.B. der von dir angesprochene Song „Das Lächeln“ oder auch „Immer Wieder“. Es gibt immer wieder Themen, über die viel zu wenig in der Öffentlichkeit gesprochen wird. Das ist mir genauso wichtig wie ein Text, der zeigt, dass nicht alles immer so bitter ernst genommen werden sollte. Eine anspruchsvolle Mischung ist immer das von mir angestrebte Ziel und das ist mir auf der „Alarmstufe Rot“ in meinen Augen sehr gut gelungen.
Ich habe schon häufiger gehört, dass die Texte nicht gerade mit den Beats im Einklang sind. Böse Zungen behaupten, dass sich sozialkritische Lyrics mit stimmungsvollen, party-schreienden Techno- und Trance-Rhythmen einfach nicht wirklich vertragen. Was hast du solchen Leuten entgegen zu setzen?
Das sehe ich prinzipiell genauso. Wenn ich einen Partysong höre und abrocken will, möchte ich nichts über Not und Elend hören. Das ist in meinen Augen genau die Kunst zu texten. Ein gutes Beispiel ist der Titelsong „Alarmstufe Rot“. Der Text besteht aus zwei Sätzen und ein paar Worten. Man muss sich nicht auf den Text konzentrieren und kann einfach die Musik genießen. Wer sich aber mit diesen wenigen Worten beschäftigt, findet einen tiefen Sinn über den man sich stundenlang Gedanken machen kann. Der ebenfalls auf der neuen CD enthaltene Clubmix dieses Songs hat noch mal weniger Worte. Den eigentlichen Refrain habe ich komplett außen vor gelassen. Warum? Genau aus dem Grund, den du angesprochen hast. Es ist eine Version zum Tanzen und nicht zum Nachdenken. Aber auch hier gilt das Gleiche. Wenn ich will, kann ich mir auch hier eine Menge Gedanken machen. Weniger ist manchmal auch mehr.
Was kotzt dich denn im Metal oder im Genre an sich am meisten an? Gibt es da irgendetwas, was du dir diesbezüglich hier und jetzt mal von der Seele schreien möchtest?
AAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!! So, das tat gut!? Nein, da bin ich wohl schon zu lange dabei, als das ich mich da noch über Sachen aufrege. Es gibt sicher die üblichen Grundsatzprobleme, über die man sich Stunden lang unterhalten könnte, ohne sie aber wirklich ändern zu können. Ich habe mir mit den Jahren eine Lebensphilosophie angeeignet, mit der ich sehr gut fahre, und die auch weit über das von dir angesprochene Thema funktioniert. Ich rege mich nur noch über Sachen auf, die ich auch mit eigener Kraft ändern kann…und ich rede hier nicht vom Kopf in den Sand stecken! Seitdem ich das verinnerlicht habe, sehe ich vieles mit anderen Augen. Probiert es einfach einmal aus. Es funktioniert!
Ich habe mal vor einiger Zeit gelesen, dass du TREIBHAUS vor allem als Live-Band betrachtest. Wieviel Shows spielt ihr denn so im Schnitt pro Monat?
Die Aussage stand bestimmt in dem Zusammenhang welche Rolle die Bandmitglieder, also Martin (Gitarre), Micha (Drums) und Klaus (Bass), bei TREIBHAUS spielen. Wie ich ja anfangs schon erwähnt habe, hab‘ ich TREIBHAUS ins Leben gerufen, um endlich musikalisch das machen zu können, was ich will. Und das ohne jegliche Kompromisse eingehen zu wollen oder zu müssen. So halte ich es nach wie vor und schreibe alle Songs und Texte und Instrumentierungen selber. Einzige Ausnahme ist hier die Zusammenarbeit mit Martin, mit dem ich sehr professionell und harmonisch zusammenarbeiten kann. Er hat wieder einige coole Gitarrenriffs angebracht, die ich mit dem größten Vergnügen und aus voller Überzeugung mit in das neue Album integriert habe. Aber um noch mal auf das Live-Thema zu kommen. Wir haben in meinen Augen bis Heute viel zu wenig live gespielt und ich hoffe, dass wir 2009 wesentlich präsenter auf den Bühnen sein werden.
Fanden denn bisherigen Gigs alle in Deutschland statt, oder hattet ihr auch schon mal die Gelegenheit irgendwo in Europa aufzutreten? Und wo würdet ihr in Zukunft gerne mal spielen?
Bisher haben wir mit TREIBHAUS nur in Deutschland gespielt. Auch das Thema gehört 2009 zu den Prioritäten und ich hoffe, dass unsere Konzerte auch über die Grenzen Deutschlands hinausgehen werden. TREIBHAUS ist eine verdammt gute Liveband und das wollen wir der Welt nicht vorenthalten.
Danke für das Interview!
Ich danke dir für die Möglichkeit, TREIBHAUS euren Lesern und Besuchern etwas näher bringen zu können. Vielen Dank für den Support und vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Cheers und Respekt!
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Stile | Electro-Industrial, Neue Deutsche Härte |
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