Trans-Siberian Orchestra
"Auf Tour darf ich jeden Tag Weihnachten feiern!"
Interview
Nun, hast du schon mal darüber nachgedacht, nach Europa zu expandieren?
Al: Während der Feiertage kann ich dir das nicht klar beantworten. Bisher waren wir immer nur im Frühling und im Sommer in Europa. Als Paul gestorben ist, haben wir uns neu formiert und den Fokus auf Amerika gehalten. Doch es wäre magisch, in eurem schönen Heimatland und in Österreich und der Schweiz zu spielen. Vor allem im Advent.
Hat es dich in Europa nicht schockiert, vor einem so kleinen Publikum zu spielen?
Al: Nö, ich fand es toll. In Europa zu spielen ist fantastisch, weil ihr Europäer die Musik sehr ernst nehmt. Ob da jetzt 2000 oder 200.000 sind: Das Publikum reagiert auf das, was man ihm gibt. Hierin liegt der wahre Test als Musiker. Ich erinnere mich zum Beispiel an Wien vor vielen Jahren. Wir haben das „Beethoven“ Album betourt. Überleg mal: Wir spielten in Wien am Jubiläum von Beethovens Tod – und ich war nervös. Doch am Ende bekamen wir Standing Ovations, obwohl es ein so anspruchsvolles Publikum war. Doch so will ich es, weil es mich antreibt, hart zu arbeiten und RICHTIG gut zu sein.
Super. Das Timing für dieses Interview ist im übrigen sehr gut. Vor einigen Tagen hast du nämlich einige Shows mit SAVATAGE angekündigt. Warum jetzt? Brauchst du Urlaub von TSO?
Al: Nein. Ich brauche keinen Urlaub von TSO, doch SAVATAGE wurde sozusagen von TSO absorbiert. Es war nämlich die originale TSO-Band. Es wurde alles so groß und crazy, dass es überhaupt nicht die Gelegenheit gab über SAVATAGE nachzudenken. Schon vor einigen Jahren, meinte unser Manager, dass es in Südamerika und Europa viel Interesse an uns gäbe. Für Festivals und große Shows… Ich würde natürlich nichts mehr lieben Jon Olivas und Paul O’Neills Legacy auch unter dem SAVATAGE-Banner weiterzuführen. Doch ich weiß nicht, warum gerade jetzt. Aber wir sind happy, dass es geschehen wird.
Awesome. Nun, wenn man sich deine Credits so ansieht, ist es wirklich beeindruckend. Du warst bei MEGADETH und bei ALICE COOPER… Würdest du es Musikern empfehlen, etablierten Bands beizutreten?
Al: Ich würde es jungen Musikern empfehlen, „Ja“ zu allen zu sagen, was sich ihnen bietet. So habe ich mein Leben gelebt. Sage „Ja“ zu jeder Chance, weil du nicht weißt, wohin dich das führen wird. Als Kid wollte ich in einer Band sein. Ich hatte Poster von LED ZEPPELIN, den ALLMAN BROTHERS und LYNYRD SKYNYRD an der Wand. Also habe ich immer „Ja“ gesagt, wenn jemand von mir wollte, dass ich Gitarre oder Piano für ihn spiele. „Warum nicht?“
Es wirkt natürlich Wunder, seinen Namen mit ALICE COOPER oder MEGADETH in Verbindung zu haben. Es öffnet Türen.
Al: Beide waren natürlich fantastische Lernerfahrungen. Ich wusste nicht, wohin der Weg nach ALICE COOPER oder MEGADETH mich führen würde, doch die Erfahrung hat mich auf meine weitere Tätigkeit bei TSO vorbereiten. Gerade von Alice habe ich SO VIEL gelernt, weil er eine theatralische Performance im Stadium hatte. Wann immer er auf der Bühne die Zwangsjacke anzog und zu Dwight Frye wurde, dachte ich mir nur „Alter, ist das creepy.“ Wenn ich also die Charaktere von Paul O’Neill auf der Bühne zum Leben erwecken soll, weiß ich durch diese Erfahrung, wie ich es anstelle. Jede Band, mit der ich zusammengearbeitet habe, hat mich für meine heutige Rolle bereit gemacht. Wenn ich also die Charaktere von Paul O’Neill auf der Bühne zum Leben erwecken soll, weiß ich durch diese Erfahrung, wie ich es anstelle. Dave Mustaine hat mir immer gesagt: „Bleib immer lernbereit.“ Wenn man immer außerhalb seiner Komfortzone bleibt, ist das die beste Art, als Künstler zu wachsen.
Wir schreiben es nicht, wenn du es nicht möchtest. Bei Dave Mustaine ist es seltsam, dass er immer schlecht über Ex-Musiker redet. „Oh, Al Pitrelli war super, doch er hat nicht wirklich zu uns gepasst.“
Al: Dieses Gerede ist emotional ungefähr so, wie wenn man sich von einer Frau trennt und danach traurig ist. Er kann natürlich sagen, was er will. Ich habe viel Respekt vor ihm, er hat mir viel beigebracht und ist ein toller Musiker mit einer großartigen Karriere. Wen interessiert es, es ist 25 Jahre her.
Also, wir können es gerne skippen, wenn du willst.
Al: Nein, nein. Schreib es ruhig, ich bin okay damit.
TSO ist natürlich nicht von einem einzelnen Gesicht abhängig. Wann habt ihr gemerkt, dass ihr mehr als eine Band und eher ein Projekt seid?
Al: Das haben wir früh gemerkt, weil Paul eine Story mit verschiedenen Charakteren entwickelt hat. Es war fast so wie ein Kinofilm. Ich habe es sofort von einem cinematischen Standpunkt aus betrachtet. Ich habe die Story vertont wie ein HANS ZIMMER, JOHN WILLIAMS oder DANNY ELFMAN vertont. Ich wurde von vielen solchen Komponisten beeinflusst. Hier ist die Story, und hier sind die Charaktere. Je nach Bedarf engagierten wir also die passenden Sänger. Was auch immer wir brauchten. Wir hatten Kinderchöre, Gospelsänger, Rocksänger usw. Es war okay, bis es ums Touren ging. Da dachte ich nur „Uh-Oh. Wir machen wir das auf der Bühne?“ Paul hat uns immer gesagt, dass wir uns anpassen, überwinden und improvisieren müssen. Du findest halt raus, wie du die Dinge in die Realität umsetzt. So wächst man nun einmal.
Wow. Wir denken, dass du diese Frage schon oft gehört hast, doch warum mögen alle Weihnachten? Sogar Atheisten.
Al: Da habe ich keine passende Antwort zu. Wenn man als Italiener in New York aufwächst, kommt die ganze Familie zusammen. Daran habe ich wundervolle Erinnerungen. Ich liebe es auch, Weihnachten durch die Augen meiner Kinder zu sehen. Wie unschuldig sie sind und wie sie die Besinnlichkeit der Feiertage wahrnehmen. Unabhängig davon, ob du dich der Sache säkular oder religiös näherst, ist es etwas Besonderes. Ich hatte jedoch nicht geahnt, dass es einst das Zentrum meiner Karriere werden würde. Auf Tour darf ich nun jeden Tag Weihnachten feiern. Nun feiern viele Familien mit uns und wir sind Teil ihrer Weihnachtstradition. Wir gehören dazu, es ist genau wie „Rudolph“ oder „Miracle on 34th Street“. Für Familien sind wir damit gleichrangig. Sie ziehen sich was Feines an und kommen mit bis zu drei Generationen zu uns. Fantastisch!
Amerika ist ja ein angelsächsisch-protestantisch geprägtes Land. Wie wird man eigentlich als Italiener behandelt?
Al: Also, in meiner Generation macht es keinen Unterschied mehr. Doch als meine Großeltern hierher kamen, war es extrem getrennt. „Hier ist die italienische Nachbarschaft. Hier ist die irische Nachbarschaft. Hier ist die polnische Nachbarschaft.“ Usw. Das ist mittlerweile komplett verschwunden, würde ich sagen. Ich bin also Amerikaner aus dritter Generation. Die Traditionen und das kulinarische sind dann aber trotzdem noch spezifisch ethnisch. Die Griechen oder die Deutschen haben z.B auch ihre eigenen Arten zu feiern. Mittlerweile sind die Trennlinien aber den Weg des Dodo-Vogels gegangen. Die verschiedenen Ethnien haben so sehr untereinander geheiratet, dass es keinen mehr juckt. Manche Traditionen werden aber trotzdem noch hochgehalten, je nachdem, ob es den Familien wichtig ist. Am Ende des Tages sind wir jedoch alle Amis.
Es gibt diesen fantastischen Film von Martin Scorsese. Gangs Of New York. Es geht unter anderem um Leute, die die Zuwanderer aus katholischen Ländern nicht mögen und diese bekriegen.
Al: Es ist ein toller Film! Es gibt verschiedene Filme, bei der es um diese Thematik geht. Im 19. Jahrhundert war eben alles sehr strikt und alle hatten Angst vor Unterschieden. Viele Menschen waren ignorant anderen gegenüber. Doch es gibt so viel Schönheit in unterschiedlichen Kulturen … Natürlich gibt es in jeder Kultur positive und negative Aspekte, doch meine Frau und ich haben unsere Kinder beispielsweise so erzogen, dass sie das Gute in unterschiedlichsten Religionen und Ethnien sehen. Es ist sinnlos, Angst vor dem Anderen zu haben.
Sehen wir genau so. Andere Frage: Wenn du dir eine Kindheitserinnerung aussuchen könntest, die mit Weihnachten zu tun hat, welche wäre das?
Al: Ich würde sagen, die, als ich meine erste Gitarre bekommen haben. !970. Santa Claus hat sie mir unter den Baum gelegt und ich war begeistert!
Klasse! Das Jahr neigt sich bereits dem Ende zu. Die Leute werden langsam hektisch. Würdest du dir wünschen, dass die Menschen besinnlicher wären?
Al: Wenn man die Zeit dazu hat … Das Leben ist eine kuriose Sache …. Ich bin jetzt Anfang 60, doch es hat sich angefühlt, als wären nur ein paar Minuten vergangen. Je älter ich werde, desto besinnlicher und reflektiver werde ich. Das war vor 30 Jahren nicht so, weil ich so umtriebig und beschäftigt war. Ich habe meine Ziele verfolgt. Doch ich denke, je älter man wird, desto langsamer wird man. Ich habe sehr viel mehr „gestern“ als ich „morgen“ haben werde. Ich bin nicht mürrisch deswegen, weil das Leben nun mal so funktioniert. Wann immer ich Zeit habe, finde ich mich dabei wieder, wie ich die Stille genieße. Ich sehe, wie die jüngeren Leute raus gehen und Spaß haben – ich bleibe lieber im Bus, trinke ein Glas Scotch und sage mir „Alright.“ Wie war das Jahr? Was kann ich besser machen? Wie geht es meiner Frau und meinen Kindern? Wie geht es meinen Freunden? Je älter man wird, desto besinnlicher wird es alles auch. Wenn man jünger ist, ist man sehr damit beschäftigt, seine Ziele umzusetzen und hat nicht viel Zeit zu reflektieren.
Okay. Kennst du eigentlich dein Kölner Dom? Hast du ihn schon mal besucht?
Al: Oh, Ja! Immer wenn ich in Deutschland bin, besuche ich ihn. Immer wenn ich da bin, bestelle ich mir einen Espresso, sitze davor und staune darüber! Es ist eins meiner Highlights, wenn ich Deutschland besuche.
Die Überreste der drei Weisen aus der Weihnachtsgeschichte ruhen im dortigen Schrein. Für den heutigen Menschen erscheint es alles so mythologisch, doch es erinnert uns daran, dass diese Leute reale Personen waren.
Al: Ja. Ich liebe diesen Ort und seine Geschichte.
Wie wirst du dieses Weihnachten verbringen?
Al: Daheim. Ich komme erst Sylvester nach Hause. Neujahr ist für uns also gleichzeitig Weihnachten. Selbst wenn unsere Feierlichkeiten eine Woche später sind, ist es bei uns einfach so. Für meine Kids gibt es also zweimal Weihnachten – einmal ganz normal und dann zu Sylvester. (Solche Eltern muss man haben! – Anmerkung des Interviewers)
Doppeltes Weihnachten sozusagen… Wir wissen nicht, ob wir uns verguckt haben, doch an manchen Tagen habt ihr zwei Auftritte an einem Tag. Wie schafft ihr so etwas?
Al: Ja, heute zum Beispiel. Ich habe eine Show um 15.00 Uhr. Und dann eine um 19.30.
Wie funktioniert das?
Al: Ach, ich liebe jede Sekunde davon. Häng mir eine Gitarre um den Hals und ich bin wieder 15!
Belassen wir es dabei. Danke für deine Zeit, Al!
Al: Alles Gute an deine Familie und habe wunderbare Feiertage!
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