Total Hate
Corpsepaint statt Kapuzen: Sänger Adrastos im Interview mit metal.de
Interview
Sechs Jahre nach „Necare Humanum Est“ haben die Nürnberger Black Metaller TOTAL HATE ihr drittes Album „Lifecrusher – Contributions To A World In Ruins“ auf dem kultigen deutschen Underground-Black-Metal-Label Eisenwald Tonschmiede (u.a. UADA, VIVUS HUMARE, KRATER oder FLUISTERAARS) herausgebracht. Mit dem Album erteilt die Band ihren Hörern eine Lehrstunde in Sachen Raw Black Metal der alten Schule, denn besser, eingängiger, aggressiver und gleichzeitig eigenständiger kann man diese Art von Black Metal anno 2016 kaum noch spielen. Herr Møller hat Adrastos – seines Zeichens Sänger und einziges verbleibendes Gründungsmitglied von TOTAL HATE – ein paar Fragen gestellt, und Adrastos hat bereitwillig geantwortet.
TOTAL HATE im Interview mit metal.de
Moin Adrastos!
Gratulation erstmal zur Veröffentlichung eures superben neuen Albums „Lifecrusher“.
Danke!
Zum Einstieg bitte eine Selbsteinschätzung: Wie würdest du „Lifecrusher“ jemandem, der eure früheren Sachen kennt, beschreiben? Sprich, wie siehst du das Album im Vergleich mit euren vorherigen Veröffentlichungen?
Nun, aus meiner Sicht hat sich musikalisch gesehen seit unserem ersten Album nicht so sehr viel getan. Nachdem Aer auf „Lifecrusher“ vom Bass an die Gitarre gewechselt und somit ins Songwriting eingestiegen ist, haben wir vielleicht mehr Variation in den Songs, aber das war es dann auch. Das Album ist nach wie vor TOTAL HATE. Lediglich der Sound wurde im Laufe der Jahre druckvoller, ohne was von seiner Räudigkeit und Brutalität zu verlieren. Ich denke, wer die alten Alben mochte, wird auch „Lifecrusher“ etwas abgewinnen können und die bisherigen Reaktionen spiegeln meine Meinung wider. Die vielen Reviews sind bisher alle weit über dem Durchschnitt.
Zwischen der Veröffentlichung eures letzten Albums „Necare Humanum Est“ und der von „Lifecrusher“ sind sechs Jahre vergangen – darf man fragen, warum es diesmal vergleichsweise lange gedauert hat? Zwischen den ersten beiden Alben lagen ja immerhin nur zwei Jahre.
Die Zeiten haben sich einfach geändert. Unser Gitarrist Erebos ist vor Jahren schon weggezogen und unser Drummer Winterheart wohnt ja schon immer in NRW, was Proben etc. nicht gerade einfacher macht. Dazu kommen noch bei einigen Mitgliedern diverse andere Bands und Projekte. Die Prioritäten haben sich einfach verschoben und TOTAL HATE wurde erstmal mehr oder weniger auf Eis gelegt. Mit „Lifecrusher“ ist das Feuer aber neu entfacht und das vierte, noch unbetitelte Album ist bereits geschrieben. Wann wir es allerdings aufnehmen werden, steht noch in den Sternen, da weiterhin Zeit und Distanz unsere größten Gegner sind.
Ich finde, dass euer Album erfrischend rau und geradlinig klingt – was heutzutage fast eine Seltenheit im Black Metal ist, denn der Trend geht ja eindeutig zu komplexeren Strukturen und Spielweisen (sei es in die orthodox-vertrackte oder die melodische, vom Post-Rock bzw. -Metal beeinflusste Richtung). Wie stehst du zu dieser Entwicklung? Ist das etwas, was du genießen kannst und nur nicht in deiner eigenen Musik verarbeiten magst? Oder stehst du einer komplexeren Art, Black Metal zu spielen, gar ablehnend gegenüber?
Im Prinzip steh ich jeder extremen Metal-Richtung erstmal offen gegenüber. Ich bin jedoch bezüglich Black Metal einfach ein Sohn der späten 80er/frühen 90er und somit des Black Metals dieser Zeit. Bands wie GORGOROTH, DARKTHRONE, BATHORY, DØDHEIMSGÅRD, MAYHEM, THRONE OF AHAZ, MARDUK etc. sind einfach nach wie vor musikalisch als auch optisch meine Hauptinspiration und meine Vision vom Black Metal. Zugegebenermaßen bin ich von der Entwicklung der letzten Jahre genervt, oder sagen wir einfach gelangweilt, da mir die Aufgabe der alten Traditionen und die Vermischung mit anderen Elementen schon sehr gegen den Strich gehen. Der alte Spirit verschwindet dadurch vor allem optisch, wenn ich beim Black Metal kurzhaarige, vollbärtige Studenten mit Turnschuhen auf der Bühne sehe. Klar, das macht die Musik erstmal nicht schlechter, bis man das ganze Elend dann auf der Bühne sieht. Ich will Nietenarmbänder, Patronengurte, Corpsepaint, usw. Das ist Black Metal!
Apropos: Eure neue Label-Heimat Eisenwald ist ja eher für melodischen, von Folk und Post-Elementen beeinflussten Black Metal bekannt – ich würde sagen, dass TOTAL HATE da schon etwas rausfallen. Wie kam es denn dazu, dass ihr das Album bei Eisenwald veröffentlicht?
Der Kontakt mit Eisenwald kam damals zustande, als es um die Vinylversion von „Necare Humanum Est“ ging. E. von Eternity Records brachte das ganze ins Rollen, und als es um „Lifecrusher“ ging, war Eisenwald dann eigentlich meine erste Wahl, da mich die Arbeit und Präsenz des Labels sehr überzeugt haben. Ich hab damit absolut kein Problem und ich denke, dass wir bei anderen Plattenfirmen auch etwas rausfallen, da der traditionelle Black Metal wie wir ihn spielen und optisch umsetzen ja scheinbar kaum noch zelebriert wird, siehe vorherige Frage.
Nicht nur eure Musik, auch die visuelle Ästhetik um das Album ist im klassischen Black Metal beheimatet – das Cover-Artwork von „Lifecrusher“ ist ein Bild mit hohem Kontrast und Grau als dominantem Farbton, das Bandfoto zum Album zeigt euch ganz klassisch in Corpsepaint, mit umgedrehten Kreuzen etc. Inwiefern gehört diese klassische Black-Metal-Ästhetik für dich zur Musik dazu?
Ich denke, das hat man bei den vorherigen Antworten schon gelesen. Diese ganze alte s/w-Black-Metal-Ästhetik ist für mich absolut wichtig. Bisher waren alle TOTAL HATE-Releases so, und so wird es auch bleiben. Für den einen oder anderen mag das ausgelutscht, unoriginell oder was auch immer sein, für mich bedeutet es alles!
Die Texte von „Lifecrusher“ sind nicht im Booklet abgedruckt, und eine kurze Suche im Internet hat auch nichts ausgespuckt. Ich nehme an, dass es Absicht ist, dass die Texte nirgendwo verschriftlicht zu finden sind? Und magst du trotzdem kurz erläutern, worum es sich dabei im Groben dreht? Folgen die Texte zum Beispiel einem bestimmten Konzept? Oder gibt es zumindest eine übergreifende Thematik?
Das ist richtig, die Texte sind bewusst nirgendwo abgedruckt, da selbige mit Sicherheit von Leuten, die keine Ahnung haben, falsch ausgelegt werden würden. Zudem sind einige persönliche Erfahrungen verarbeitet, welche außer mir sowieso niemand versteht. Die grobe Thematik befasst sich mit den eher klassischen Themen: Satanismus, Blasphemie und Misanthropie. Bei „Necare Humanum Est“ hab ich begonnen, den einen oder anderen Text über Mörder bzw. Serienkiller zu verfassen und mich in deren Lage zu versetzen, was mir nicht sonderlich schwer fällt. Das „Lifecrusher“-Cover lässt vielleicht vermuten, dass der zweite Weltkrieg ein Thema ist, aber dem ist nicht so.
Ein anderes Thema:
Laut eurer Homepage habt ihr 2013 das letzte Mal live gespielt. Haben sich weitere Live-Konzerte einfach nicht ergeben? Oder habt ihr euch bewusst von der Bühne ferngehalten?
Es kamen natürlich öfter mal Angebote für einzelne Shows oder kleinere Touren rein, allerdings konnten wir oft aus Zeitgründen nicht zusagen. Auch konnten/wollten die Veranstalter nicht genug Gage zahlen, da wir ja aus drei verschiedenen Regionen kommen und somit schon allein der Spritpreis recht hoch ausgefallen wäre. Ich denke mir aber: Lieber zu wenig gespielt als zu oft, denn die Leute sind schnell übersättigt, und so wird eine TOTAL HATE-Liveshow weiterhin etwas Besonderes bleiben, an jeder Steckdose zu spielen überlassen wir anderen Bands. Unser Drummer fällt nun die nächsten anderthalb Jahre aus und aktuell suchen wir einen Ersatzmann, um die eine oder andere Show/Tour spielen zu können. Man wird sehen, was dabei rauskommt.
Und ist denn geplant, „Lifecrusher“ demnächst irgendwann auch live vorzustellen?
Ich könnte mir vorstellen, dass wir erst wieder live spielen, wenn unser viertes Album veröffentlicht wurde, aber manchmal entwickeln sich Dinge sehr schnell. Wir müssen einfach abwarten und sehen was passiert, alles wird davon abhängen, wie schnell ein Ersatzdrummer gefunden wird.
Das war es soweit von meiner Seite – vielen Dank für eure Zeit und eure Antworten. Anstelle der berühmten letzten Worte: Was waren denn eure bisherigen musikalischen Highlights des Jahres 2016?
Danke auch für den Support und das Interview. Bei den Highlights 2016 fallen mir spontan SORCERY – „Garden Of Bones“, DESASTER – „Oath Of An Iron Ritual“, DISCHARGE – „End Of Days“, KRATER – „Urere“, BLIZZEN – „Genesis Reversed“ und das neue VIDARGÄNGR-Album ein.