Tiamat
Interview mit Johan Edlund und Anders Iwers

Interview

Nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums „Prey“ vor über einem Jahr wurde es still um TIAMAT. Deshalb sollte es jetzt, da die Band mit SIRENIA, PAIN und THEATRE OF TRAGEDY deutsche Lande bereist, an der Zeit sein, einmal nachzufühlen, ob es sich dabei vielleicht nur um die Ruhe vor dem Sturm handelt und bald Neues von den Schweden zu erwarten ist. Im TIAMATschen Tourbus hatten Kollege Sebastian von metalnews.de und meine Wenigkeit die Möglichkeit, Bassist Anders Iwers und Mastermind Johan Edlund ein paar Fragen zu stellen. Dabei mussten wir jedoch schnell feststellen, dass stille Wasser nicht nur tief sein mögen, sondern in diesem Falle auch unergründlich. Glücklicherweise übernahm Anders öfter das Wort und „entlastete“ so seinen äußerst introvertierten Kollegen Johan.

Sebastian: Ok, führen wir das Interview auf Englisch?

Anders: Ja bitte, oder sprichst du schwedisch?

Sebastian: Lite, men …

Anders und Johan: Aaaaaah, hahaha!

Sebastian: Ok, haha! Wie war denn die Tour bisher? Wart ihr an Silvester auch unterwegs?

Anders: Ja, wir sind seit Weihnachten unterwegs.

Sebastian: Wo habt ihr denn Silvester verbracht?

Anders: In Wien.

Sebastian: Ist es nicht komisch, an Silvester auf Tour zu sein?

Anders: Nein, eigentlich ist das sogar ziemlich gut! Überall ist Partystimmung und alle sind fröhlich. Wir hatten eine ziemlich gute Show und ein paar Drinks danach. Und weil wir Schweden sind, war das auch nicht nur ein Drink, hehe. Ja, das war gut. Unsere Freundinnen waren dabei und Wien ist ein guter Ort, um Silvester zu feiern.

Thomas: Es ist eine ganze Weile her, seit wir das letzte mal von euch gehört haben. „Prey“ ist ja nun auch schon einige Zeit draußen, was ist denn in der Zwischenzeit so passiert?

Johan: Nicht viel eigentlich. Wir haben letztes Jahr ein paar Festivals gespielt, abgesehen davon ist aber nicht viel passiert.

Thomas: Habt ihr neues Material geschrieben?

Johan: Ja, ich habe ein paar neue Songs. Wir haben sie aber noch nicht probiert.

Thomas: Ihr habt es also nicht eilig damit?

Johan: Nein, wir haben es nie eilig, haha.

Anders: Nein, das nun wirklich nicht, haha.

Sebastian: Das letzte mal, als ich euch hier in Karlsruhe gesehen habe, hat sich einer von euch ja als Ace Frehley verkleidet.

Anders: Das war auf dem Summer Breeze, oder?

Sebastian: Ja, bei beiden Shows, Summer Breeze und hier in Karlsruhe.

Anders: War er hier auch als Ace Frehley vekleidet?

Sebastian: Ja, es war nicht nur auf dem Summer Breeze.

Anders: Stimmt, jetzt erinnere ich mich. Das hatte ich ganz vergessen! Das war eine große Ehre, mit Mr. Frehley zu spielen.

Sebastian: Ja und was war die Idee dahinter? Eine verlorene Wette oder wie?

Anders: Ich würde sagen die Hauptidee dahinter war Langeweile. Es war Henrik, unser alter Gitarrist, er spielt nebenher in einer KISS Coverband. Es ist nett, die Dinge ein wenig lustiger zu gestalten.

Thomas: Wenn ihr keine Eile habt, neues Material zu veröffentlichen, habt ihr dann normale Berufe neben TIAMAT?

Johan: Ich nicht.

Anders: Ich schon. Ich bin Schmied.

Thomas: Johan, wie kommst du dann über die Runden?

Johan: Mit der Musik.

Thomas: Nur mit der Musik?

Anders: Und Ebay, haha!

Johan: Und Ebay, haha! Da verkaufe ich Gitarren, willst du eine kaufen?

Thomas: Nee danke, ich spiele keine Gitarre.

Anders: Guter Zeitpunkt, um damit anzufangen!

Thomas: Bist du dann in irgendwelchen anderen Projekte involviert? Oder wirft TIAMAT soviel ab, dass ihr es euch leisten könnt, ein Jahr lang nichts zu veröffentlichen?

Johan: Es geht hoch und runter. Jedes Jahr ist anders. Ich würde nicht in Projekten spielen, nur um Geld zu verdienen. Wenn ich das tue, ist es, weil ich es mag, nicht des Geldes wegen.

Thomas: Wenn wir gerade dabei sind: was wurde eigentlich aus LUCYFIRE? War das eine einmalige Geschichte?

Johan: Das weiß ich nicht. Man könnte ein zweites Album aufnehmen, aber es gibt diesbezüglich keine Pläne.

Sebastian: Ich hab gehört, du lebst seit einiger Zeit in Deutschland. Stimmt das und wo?

Johan: Ja, momentan in Dortmund.

Sebastian: Und vorher?

Johan: Berlin.

Sebastian: Wie lange lebst du schon in Deutschland?

Johan: Ich lebe seit sieben Jahren in Deutschland.

Sebastian: Ok, wieso bist du überhaupt nach Deutschland gezogen?

Johan: Alles wegen der Liebe. Ich hatte eine Freundin in Berlin.

Sebastian: Wie sieht es denn mit einem Live Album oder einer DVD aus?

Anders: Nächste Woche nehmen wir in Krakau eine Live DVD auf, die hoffentlich noch dieses Jahr veröffentlicht wird.

Sebastian: Warum ausgerechnet Krakau? Da nehmen ja eine ganze Reihe Bands ihre Shows auf. Wenn man nur an ENSLAVED, ANATHEMA usw. denkt.

Anders: Da gibt es eine Location, die gleichzeitig ein Fernsehstudio ist, sodass das gesamte Equipment schon vorhanden ist und du es nicht noch extra mitbringen musst. Außerdem war die erste Show, die wir außerhalb Schwedens gespielt haben, in Polen. Wir haben also eine ziemlich lange Tradition dort und eine sehr loyale Anhängerschaft.

Thomas: „Sumerian Cry“ habt ihr vor 15 Jahren veröffentlicht, sodass ihr dieses Jahr eine Art Jubiläum feiert.

Anders und Johan: Oh….. Jesus! Haha!

Thomas: Winston Churchill hat einmal gesagt, es sei gut, die Fehler aus denen man lernen kann, früh zu begehen. Würdet ihr sagen, das trifft auf TIAMAT zu?

Anders: Nein. Wir haben nie etwas gelernt.

Johan: Es gibt einen großen Unterschied zwischen uns und Churchill: unsere Fehler wurden aufgenommen.

Thomas: Soll das heißen, ihr seid mit euren Alben nicht (mehr) zufrieden? Oder gibt es viele Dinge, die ihr heute anders machen würdet?

Johan: Es gibt großartige Dinge und schlechte Dinge auf all unseren Alben.

Anders: Es bringt nichts, darüber nachzudenken, wie man die Alben anders gestalten könnte. Für mich sind sie wie Schnappschüsse von der Zeit, in der sie aufgenommen wurden. Sie haben Makel und Fehler aber sie sind wie Fotoalben.

Thomas: Wenn ich dich jetzt frage, was dein persönliches Lieblingsalbum ist, würdest du eher an die entsprechende Zeit denken, in der das Album entstanden ist?

Johan: Ich könnte dir keines nennen. Ich müsste einzelne Songs aus allen Alben auswählen.

Anders: Ja genau! Das frischeste ist offensichtlich „Prey“, auch wenn es schon ein wenig zurückliegt. Aber ich stimme Johan zu, es geht mehr um einzelne Songs.

Thomas: Würdest du sagen, Songs von verschiedenen Alben könnten einen passenden Kontext ergeben, wenn man sie auf einer Art „Best Of“ Album, wenn du es so nennen magst, vereinen würde?

Anders: Ich weiß nicht… aber wenn du so fragst, müsste ich nein sagen. Es würde kein Kontext entstehen. Das ist auch mein Problem mit Greatest Hits Alben.

Thomas: Ja, mögen tu ich die auch nicht wirklich. Es ging nur darum, ob du eine Art persönliches Fotoalbum daraus machen könntest.

Anders: Absolut!

Sebastian: Was ich mich schon lange frage ist, warum ihr noch nie einen Song auf schwedisch verfasst habt. Schließlich ist es eure Muttersprache und somit wohl die beste Sprache, um euch auszudrücken, oder?

Johan: Früher oder später wird es einen schwedischen Song geben.

Anders: Auf „Judas Christ“ gibt es eine schwedische Zeile.

Thomas: Noch eine Frage zu Side Projects. In letzter Zeit war es ja ziemlich en vogue, in old school Death Metal Projekten mitzuwirken, wenn man nur an BLOODBATH, DEMONOID oder von mir aus auch RIBSPREADER denkt. Ihr habt mal geäußert, ihr würdet diese Art Musik noch immer mögen. Könntet ihr euch vorstellen, auch in so einer Band zu spielen?

Johan: Ich denke nicht, dass ich die Geduld hätte, beispielsweise ein ganzes Black Metal Album aufzunehmen. Ich könnte mir vorstellen, mich in einer Art Black Metal Projekt einzubringen aber wahrscheinlich wäre ich zu faul, um dem viel Zeit zu widmen. Wahrscheinlich würde ich nach einer Weile die Lust dran verlieren. Für eine Zeit könnte es aber ganz lustig sein.

Thomas: Eben so wie andere Leute in Coverbands spielen…

Anders: Ja, einfach ein paar Leute im Proberaum zusammenbringen, ein Bier trinken…

Johan: … und die Musik genießen.

Thomas: Wenn wir gerade beim „Musik genießen“ sind. Was hört ihr denn heutzutage privat?

Johan: So viel Verschiedenes.

Thomas: Gebt uns doch mal Beispiele, einfach ein paar Namen!

Anders: Hmm… BOB MARLEY. Du auch? (schmunzelt)

Johan: Ich auch. (schmunzelt) Alles von TERRORIZER bis NICK CAVE.

Sebastian: Beeinflusst euch eigentlich Literatur beim Schreiben eurer Texte? Z.B. könnte der Begriff „Soma“ aus „Love Is As Good As Soma“ Aldous Huxleys „Brave New World“ entlehnt sein.

Johan: Ja, das ist dasselbe, was wir auch mit der Musik machen: durch die Art, wie wir unsere Songs spielen, „zitieren“ wir andere Bands. Wir leihen uns gerne Dinge von unseren Lieblingsbands aus. Oft nicht sehr offensichtlich, nur um zu sehen, ob es jemand versteht oder nicht. Dasselbe tun wir mit den Lyrics, dem Artwork und so weiter. Wir machen das als eine Art „Tribute“ an unsere Lieblingsbands, -schriftsteller und -künstler. Ich mag das sehr, denn oft denke ich, wir schulden den Leuten etwas, die uns auf die Beine bringen. Dadurch zeigen wir unseren Respekt.

Thomas: Der Song „The Pentagram“ vom „Prey“ Album ist ja auch eine vertonte Version des Gedichtes von Aleister Crowley. Musste die Verwendung eigentlich in irgendeiner Form autorisiert werden?

Johan: Ja, wir haben die Erlaubnis dazu.

Thomas: Wie ging das? Habt ihr da einfach eine email hingeschickt oder wie?

Johan: Die Plattenfirma hat den Ordo Templi Orientis kontaktiert. Die kannten die Band und wussten, dass wir es in guter Absicht verwenden wollten, um dem Gedicht Respekt zu zollen und nicht um es zu missbrauchen. Also haben sie uns die Erlaubnis erteilt.

Sebastian: Johan, du hast mal in Stockholm gewohnt, oder?

Johan: Ja.

Sebastian: Ich frage nur, weil die ganzen Jungs von OPETH und KATATONIA ja in der Gegend leben, Freunde sind und auch zusammen in anderen Projekten spielen. Kennst du die auch?

Johan: Ich bin mit einem Haufen schwedischer Musiker aufgewachsen und war mit den Jungs von ENTOMBED, UNLEASHED, DISMEMBER, THE HELLACOPTERS und vielen anderen Bands befreundet. Ich habe uns als Band jedoch nie als Teil dieser Szene gesehen. Wir haben immer versucht, unser eigenes Ding zu machen, und da nicht so involviert zu sein.

Sebastian: Also gab es keine Pläne für Projekte oder Ähnliches?

Johan: Pläne gab es sehr oft (schmunzelt), aber wir tun einfach das hier, und das ist die Hauptsache.

Thomas: Das Interessanteste dürfte immer noch sein, wann ihr meint, das nächste Album veröffentlichen zu wollen.

Anders: Wollen? Sofort! Ich denke das wird noch eine Weile dauern. Die DVD wird uns noch ein wenig über die Runden helfen, aber ich hoffe innerhalb der nächsten zwei Jahre.

Sebastian: Ihr habt ja sicher auch von dieser Dimebag Darrell Geschichte gehört. Natürlich war das in den USA und somit weit weg, aber ist es nicht ein wenig beängstigend, jetzt selber auf der Bühne zu stehen?

Anders: Auf eine gewisse Art schon. Aber ich denke, dass so was nur in Amerika passiert. Natürlich liegt es im Rahmen des Möglichen, dass es auch hier geschieht, aber es ist doch viel wahrscheinlicher, dass so was in Amerika passiert, da es dort auch viel mehr Waffen usw. gibt. Kennt ihr THE HAUNTED? Sie sind sehr gute Freunde von mir und waren mit auf dieser Tour. Der besagte Abend war der erste Gig ohne sie, sodass sie praktisch am Tag zuvor noch zusammen Abschied gefeiert haben. Sie kamen dann in Schweden an und kriegten dort die Nachricht.

Sebastian: Vielleicht hab ihr ja auch von NASUMs Mieszko gehört?

Anders: Ja, ich habe Gerüchte gehört. Ist es denn nun offiziell?

Sebastian: Ja, es steht auf der offiziellen Homepage. Er wird noch vermisst.

Anders: (schüttelt ernüchtert den Kopf) Insgesamt werden noch mehr als 2000 Schweden vermisst.

07.01.2005
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