Thyrfing
Alles im eigenen Tempo
Interview
THYRFING haben sich mit ihrem neuen Album ganz schön Zeit gelassen, satte acht Jahre lagen zwischen „Vanagandr“ und dem Vorgänger „De Ödeslösa“. Nun sind die Schweden in alter Stärke wieder zurück und wir haben die Gelegenheit genutzt, Gründungsmitglied Patrik Lindgren in einem ausführlichen Interview zur langen Pause und natürlich zum Album selbst zu befragen. Dabei erwies sich der Gitarrist und Songschreiber als sehr angenehmer und ergiebiger Gesprächspartner, der uns bereitwillig im Videochat bei einem Gläschen Wein Rede und Antwort stand.
Hallo Patrik, wie geht es dir? Ich hoffe, du und alle um dich herum sind bisher gut durch diese verrückte Zeit gekommen.
Hallo, danke der Nachfrage. Bei uns geht es allen gut und alle sind gesund.
Dann legen wir doch gleich los. „Vangandr” ist euer erstes Album seit acht Jahren. Gab es einen speziellen Grund für die lange Veröffentlichungspause und kannst du mir ein bisschen was über den Aufnahmeprozess erzählen?
Nun, das war keine bewusste Entscheidung. Es gab da verschiedene Faktoren, aber im Grunde war die Pause ein Ergebnis der Art, wie wir unsere Band betreiben. Keiner von uns verdient seinen Lebensunterhalt damit und es sagt uns auch niemand, wann wir was zu tun haben. Wir sind jetzt außerdem alle über 40 und wir haben einfach weniger Zeit, die wir in die Band investieren können.
Wir wollen natürlich trotzdem, dass es weitergeht und wir sind alle mit der gleichen Einstellung und Ernsthaftigkeit wie früher bei der Sache. Vielleicht sogar mehr, weil wir heute stärker darauf achten, dass unsere Veröffentlichungen eine gewisse Qualität und Relevanz haben. 2013 ist außerdem unser Keyboarder Peter ausgestiegen, der auch einer unserer Hauptsongwriter war. Das war sowohl auf persönlicher als auch auf kreativer Ebene ein harter Schlag, denn so jemanden ersetzt man natürlich nicht einfach.
Und dann sind wir auch noch auf ein neues Label gewechselt. In all den Jahren haben wir aber stetig an neuen Songs gearbeitet, wir haben uns jedoch Zeit gelassen und zunächst gründlich an den Demos und der Vorproduktion gearbeitet um sicherzugehen, dass jeder Song seine Daseinsberechtigung hat und es kein Füllmaterial gibt.
Anfang 2020, grade als die Pandemie ausbrach, kamen dann alle Puzzleteile zusammen und es wurde Zeit für uns, richtig loszulegen und das Studio zu buchen. Von da an verlief tatsächlich alles nach Plan, der Großteil des Albums wurde vor einem Jahr aufgenommen, im Oktober 2020 haben wir nochmal etwas an den Aufnahmen und der Produktion gebastelt, um Neujahr war das Album aber fertig.
Unser Label hat uns allerdings empfohlen, mit dem Release bis nach dem Sommer zu warten und wir wollten die Veröffentlichung schließlich auch ordentlich über die Bühne bringen. Besonders die Vinyl-Pressen haben Wartezeiten von bis zu sechs Monaten. Obwohl das Album also fertig war, mussten wir aus organisatorischen Gründen nochmal neun Monate warten.
Gab es denn bei der Aufnahme und Produktion irgendwelche Pandemie bedingten Verzögerungen? Die Regelungen in Schweden waren ja besonders am Anfang vergleichsweise locker.
Nein, überhaupt nicht. Wie du schon sagtest, wegen der durchaus kontroversen Herangehensweise hier in Schweden hatten wir dahingehend gar keine Probleme. Einen Lockdown gab es hier ja auch nicht. Die Drums und Gitarren haben wir z. B. in Göteborg aufgenommen, was von Stockholm aus eine drei bis vierstündige Zugfahrt bedeutet. Wir sind also im August letzten Jahres tatsächlich mit dem Zug dorthin gefahren.
Für uns war es sogar von Vorteil, denn wir konnten ohne Wartezeit das Studio und die Leute buchen, die wir für die Produktion des Albums haben wollten. Viele hatten natürlich wegen der Pandemie Absagen von internationalen Künstlern bekommen, weshalb Kapazitäten frei waren. Wir können die Lange Pause zwischen den Alben also in keiner Weise auf die Pandemie schieben.
Der Albumtitel bezieht sich auf den Wolf aus der skandinavischen Mythologie, der vielen vermutlich unter dem Namen Fenrir bekannt ist. Kannst du uns etwas zu den Lyrics erzählen? Gibt es ein zusammenhängendes Konzept oder stehen die Songs für sich?
Jeder Song steht für sich selbst in dem Sinne, dass es keine zusammenhängende Geschichte gibt. Es ist also kein Konzeptalbum im Stil von KING DIAMOND. Alle unsere Alben und Songs verbindet aber, dass wir uns stets mit skandinavischer Mythologie und Geschichte beschäftigen.
Ursprünglich war außerdem der zweite Song „Undergångens länkar“ als Albumtitel geplant. Wir haben uns dann aber dagegen entschieden, weil der Name ziemlich lang ist und ihn außerhalb Schwedens vermutlich auch niemand aussprechen kann.
Die Geschichte des bis zum Beginn von Ragnarök angeketteten Wolfes Fenrir wurde natürlich schon öfter genutzt, ob nun in der Musik oder auch in Videospielen. Dabei wollten wir einerseits keinen zu klischeehaften und überstrapazierten Albumtitel nutzen, andererseits sollte er aber kurz und prägnant sein, weshalb wir uns für „Vanagandr“ entschieden haben.
Natürlich brauchten wir dann auch noch einen Wolf auf dem Cover und da bin ich schon ein wenig in Panik geraten, weil dieses Motiv in unserer Szene ja sehr häufig genutzt wird. Wir wollten auf keinen Fall diesen typischen Look mit einem Wolfskopf mit blauen Augen, wie man ihn oft auch auf T-Shirts vom Flohmarkt findet. Es gab also viel hin und her mit unserem Cover-Künstler Niklas, aber letztlich bin ich zufrieden. Und auch wenn unser Album dahingehend sicher nicht revolutionär ist, halte ich die Präsentation doch für effektiv und prägnant.
Gibt es einen Song auf „Vanagandr“, der für dich besonders heraussticht und den Geist der Band am besten verkörpert?
Ja, und zwar das bereits erwähnte „Undergångens länkar“, für mich ist das irgendwie immer noch das Titelstück. Ich habe die Lyrics und Teile der Musik geschrieben und finde der Song fasst den Sound der Band auch rückblickend gut zusammen.
Ihr habt euren Sound über die Jahre verfeinert und einen sehr charakteristischen Stil mit einem Hang zu Erhabenheit und Epik entwickelt. Würdet ihr manchmal auch einfach gerne loslassen uns sagen: “Scheiß drauf, lasst und was richtig Schnelles und Brutales aufnehmen!“, oder ist das einfach nicht eure Art?
Haha, nein, das würde definitiv nicht zu THYRFING passen. Wir versuchen, unseren Stil jedes Mal ein wenig zu verfeinern. Natürlich gibt es etwas brutalere Momente mit einer Verbindung zum Death Metal, aber in gewisser Weise sind wir recht strikte Traditionalisten, wenn es um unseren Sound geht und wir wollen stilistisch nicht zu sehr abdriften.
Auf manchen Alben haben wir vielleicht etwas mehr herumprobiert, aber es fühlt sich schon gut an, dass „Vanagandr“ von der Musik über die Lyrics bis zum Cover-Artwork ein klassisches THYRFING-Album geworden ist. Nach einer so langen Pause ist es sowohl eine Bestätigung für uns selbst als auch für die Hörer. Wenn wir unsere Alben in Zukunft etwas schneller aufnehmen wird es vielleicht auch ein paar mehr Experimente geben, aber zum jetzigen Zeitpunkt würde sich ein Album das zu weit draußen ist, nicht richtig anfühlen.
Mir ist aufgefallen, dass alle Songs auf „Vanagandr“ um die sechs Minuten lang sind und auf eurem letzten Album war es ähnlich. Ist sechs Minuten die perfekte Länge für einen THYRFING-Song?
Das könnte man meinen, aber das war keine Absicht. Auf „Hels Vite“ ist uns etwas ähnliches passiert, darauf waren fast alle Songs etwa acht Minuten lang und auch damals war das nicht geplant. Ich vermute, dass es mit der Stimmung und mit dem Tempo zusammenhängt, auf das man sich eingependelt hat. Wir haben vielleicht so eine Art Muster im Hinterkopf, wie wir Stücke komponieren. Mir ist das also durchaus auch aufgefallen und ich fand es hinterher fast schon ein wenig gruselig, dass die Spieldauer der einzelnen Songs fast identisch ist.
Mir ist auch aufgefallen, dass die traditionellen und klassischen Instrumente natürlicher klingen als auf den vorherigen Alben. Hattet ihr Unterstützung durch Gäste im Studio?
Nein, abgesehen von den Cellos im letzten Song „Jordafärd“ haben wir tatsächlich alles mit Keyboards und Samples gemacht. Ich stimme dir aber zu, es ist schon fast beängstigend, wie gut das heutzutage klingt. Software und Sample-Technologie haben sich weiterentwickelt und Joakim (Kristensson, Bass), der für die Keyboards zuständig ist, hat gelernt das Beste rauszuholen und einen authentischen Klang hinzukriegen.
Ihr habt erstmals Musikvideos für ein Album gedreht, zwei sogar. Wolltet ihr das schon immer mal machen und kannst etwas von der Erfahrung berichten?
Ja, es ist schon etwas ungewöhnlich, dass wir solange damit gewartet haben. Ich persönlich liebe Musikvideos seit meiner Kindheit, ich hatte also nie etwas dagegen. Es ist natürlich nochmal etwas ganz anderes, wenn man selbst vor die Kamera tritt, aber deswegen haben wir nicht gezögert. Es war mehr eine Frage des Budgets. Aufgrund unseres Stils und unseres Konzeptes haben wir uns außerdem immer Sorgen gemacht, dass ein Video zu komödiantisch und billig rüberkommen könnte.
Da unser neues Label aber Wert auf Videos gelegt hat und wir wussten, dass wir ein bis zwei drehen würden, haben wir uns erstmal genau über die richtige Herangehensweise informiert. Wegen der Pandemie war auch klar, dass wir in Schweden drehen müssen. Dabei sind wir auf den Namen Patric Ullaeus gestoßen und sein Stil hat uns gefallen.
Wenn es um die reine Technologie geht kann heutzutage fast jeder ein Video aufnehmen und auch die Kosten sind inzwischen ziemlich gering. Wichtig bei diesem Handwerk ist aber auch der richtige Blickwinkel auf die gewünschte Stimmung und an seinen Videos hat uns besonders das Gefühl für Musikalität und der Rhythmus gefallen. Terminlich hat dann glücklicherweise auch alles geklappt und wir sind wirklich froh, dass die Videos nicht albern oder peinlich geworden sind, denn diese Gefahr besteht ja bei solchen theatralischen Darstellungen immer. Und es wäre schon blöd, wenn sowas dann bis an dein Lebensende im Internet steht.
Manche Bands machen das ja sogar absichtlich und es gibt durchaus viele Gruppen, die eine recht karnevalistische und bewusst alberne Herangehensweise an die Themenfelder skandinavische Mythologie und Geschichte haben. Was hältst du von solchen Bands?
Ich bin zwar generell ein Freund von Humor, in der Musik brauche ich das aber nicht. Ich weiß natürlich, dass es sowas gibt und dass es teilweise recht erfolgreich ist. Ich denke solange es Leute gibt die sowas mögen, ist das absolut ok.
Es ist nichts, was ich persönlich mag oder jemals selbst machen würde. Aber ich kenne einige dieser Bands und weiß, dass talentierte Musiker dahinterstecken und es harte Arbeit ist, wenn man damit Erfolg haben will. Vom künstlerischen Aspekt her ist das aber nichts für mich.
Wie sehen eure Pläne nach dem Release aus, sind Konzerte oder sogar eine Tour geplant? Die Entwicklung in den nächsten Monaten ist wegen Corona ja immer noch etwas unsicher.
Die Situation ist tatsächlich etwas schwierig. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs hatten wir noch nichts gebucht und 2020 waren wir außerdem mit den Aufnahmen beschäftigt. Es machte also wenig Sinn etwas zu buchen, einerseits wegen der Pandemie und andererseits, weil wir nicht wussten, wann das Album fertig ist. Die Lage war sehr unsicher.
Jetzt ist das Album fertig aber die Touren und Festivals aus dem letzten Jahr haben immer noch nicht stattgefunden, alle hoffen natürlich auf 2022. Im Moment ist es jedenfalls schwer, konkret zu planen und Termine zu buchen, daher sehen wir zu, dass wir hier und da einspringen, wenn es irgendwo einen offenen Slot gibt. Wir drücken also fest die Daumen, dass sich die Lage 2022 entspannt, aber das kann niemand so genau sagen.
Wären Streaming-Konzerte eine Alternative?
Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich das klar verneinen. Wie ich am Anfang des Interviews ja bereits sagte, sind wir nicht von der Band abhängig. Ich verstehe, warum manche Bands das machen wollen und müssen, aber mich persönlich sprechen Streaming-Konzerte einfach nicht an. Das ist auch nicht die Art, wie wir unsere Musik präsentieren wollen, nämlich vor Publikum. Wer weiß, vielleicht sitzen wir in fünf Jahren immer noch hier und überlegen uns das nochmal, aber momentan ist das für uns sehr unwahrscheinlich. Es kommt letztlich alles darauf an, wie sich die Live- und Musikindustrie in den kommenden Jahren entwickelt und ob wir uns gegebenenfalls anpassen müssen.
Dann bedanke ich mich für das Interview, drücke die Daumen für einen erfolgreichen Release und hoffe, dass man euch 2022 wieder live erleben kann. Das letzte Wort gehört dir.
Danke dir für das Interesse und das Interview. Ich hoffe, dass sich die Leute noch an uns erinnern und mal in das Album reinhören und dass sich das Warten gelohnt hat. Das Album verdient es auf jeden Fall, gehört zu werden.