Three
Interview mit Joey Eppard zu "The End Is Begun"

Interview

Die US-Amis THREE sind mit Abstand der bunteste Vogel, der in den letzten Jahren sein Zuhause beim Traditionslabel Metal Blade hatte. Eine Kategorisierung ist bei den Jungs aus Woodstock, NY, ebenso unmöglich, wie eine Unentschlossenheit ihrer Musik gegenüber – love it or hate it. Dazwischen gibt es nicht viel. Obwohl die Musik wirklich in allen Revieren wildert, ist sie auf ihre Art dennoch kompromisslos. Und anders. Wie die Band damit bei Metal Blade hineinpasst (wenn überhaupt!) und was sich hinter ihre verbirgt, verriet uns Sänger Joey Eppard.

Three

Tag Jungs! Ich hoffe, bei euch ist alles senkrecht. Zunächst einmal meinen Glückwunsch und Dank für „The End Is Begun“. Obwohl es sich ziemlich von „Wake Pig“ unterscheidet, gefällt es mir sehr gut. Was denkt ihr darüber?

Ja, es sind auf gewisse Art zwei Paar Stiefel. „The End Is Begun“ ist der nächste logische Schritt für uns.

Die Musik wirkt weniger progressiv und weniger experimentell als noch auf „Wake Pig“. Seid ihr an dieses Album anders herangegangen?

Ja, auf jeden Fall. „Wake Pig“ habe ich komplett selbst produziert, gemastert und abgemischt. „The End Is Begun“ haben wir eher im Kollektiv produziert. Für mich bedeutete das, loslassen zu lernen und auf die Instinkte der Leute um mich herum zu vertrauen. Alles in allem war das aber eine sehr gesunde Erfahrung für mich. „The End Is Begun“ wurde von Roman Klun veredelt, Toby Wright hat die Platte gemischt. Da wir unter Zeitdruck arbeiten mussten, hatte ich gar nicht die Zeit, um all diese Rollen wieder zu übernehmen. Ich musste mich diesmal hauptsächlich auf den Gesang und die Texte konzentrieren.

Was die Musik selbst angeht, würde ich dir sogar widersprechen. „The End Is Begun“ ist progressiver, die Kompositionen unkonventioneller. Die Songs haben mehr Parts, trotzdem wirken sie und bleiben innerhalb der Vierminutengrenze. Auf „Wake Pig“ tendierten die Songs zum Schema dreimal Vers, dreimal Chorus, wobei der letzte gedoppelt wurde, und einer Bridge nach dem zweiten Chorus.

Als ich etwas Nachforschung zu eurer Band betrieben habe, die für uns Europäer ja noch ziemlich neu ist, bin ich über eine Quasi-Reunion von EMERSON, LAKE & PALMER gestolpert, die sich 1988 – aufgrund des Fehlens von Greg Lake – auch „Three“ nannte. Das mag nur ein Zufall sein, dennoch hätte ich gerne, dass du uns THREE kurz vorstellst.

Wir betrachten uns als Hybride. Wir sind weniger eine Ansammlung unterschiedlicher Einflüsse als eher das vereinte Ergebnis unvoreingenommener Inspiration. Wir gehen an die Musik nie mit der Einstellung heran, mehr oder weniger eines bestimmten Stils in einen Songs einfließen lassen zu müssen. Wenn wir kreieren, fließt es ganz natürlich aus uns heraus. Teil der Vision dieses Projekts war es, jedem Bandmitglied die Möglichkeit zu bieten, seine Persönlichkeit an seinem Instrument ausdrücken zu können. In letzter Zeit werden wir gern in die progressive Schublade gesteckt. Das ist OK für uns, selbst wenn wir nicht gerade viele zehnminütige Songs haben.

Es gibt noch eine weitere Band namens THREE aus Florida. Deren Website lautet www.3theband.com – eure www.theband3.com. Ihre Musik scheint ebenso ein ziemlich wilder Stilmix zu sein. Kennt ihr euch?

Ja, die gibt es auch schon eine Weile, allerdings noch nicht wirklich lange. Bislang hatten wir noch keine Probleme miteinander. Das nächste mal, wenn wir in Florida sind, werde ich mich mal bei ihnen melden. Wir sollten Freunde sein, immerhin haben wir etwas gemeinsam!

Eure Einflüsse sind sehr breit gefächert: von Flamenco über straighten Metal, Jazz und progressives Zeug bis hin zu Pop. Wie entscheidet ihr, ob eine Idee zu einem Song passt, oder nicht?

Der kreative Prozess ist bei uns hochgradig intuitiv. Wir folgen einfach unserer Inspiration und vertrauen darauf, dass sie uns in die richtige Richtung trägt. Wir sind eine Gemeinschaft von fünf sehr unterschiedlichen musikalischen Persönlichkeiten. Unsere Wurzeln erstrecken sich weit durch die Geschichte des Rock. Jeder meiner eigenen Lieblingsmusiker hat mich angetrieben zu wachsen. Ein Ziel unserer Band ist es, dreidimensional zu sein. Natürlich könnten wir so tun, als seien wir eine eindimensionale Band, und könnten einfach vermarktbare Musik spielen. Aber damit würden wir uns verkaufen. Damit würden wir die Kunst dem Kommerz opfern. Und der Tag, an dem wir das tun, ist der Tag, an dem die Musik stirbt.

Ich liebe es, nicht zu wissen, was man erwarten soll. Ich will, dass unsere Fans die Musik genau so erfahren. Deshalb lassen wir sehr unterschiedliche Tracks aufeinander folgen. Ich war schon in sehr unterschiedlichen Märkten unterwegs: Rock/Alternative/Post Hardcore mit 3, Funk/Jam mit GEORGE CLINTON, P-Funk mit DRUGS, sowie Folk/Acoustic als Solo-Künstler mit Acts wie AZTEC 2-STEP, HEART, LITTLE FEET und vielen anderen. All diese Erfahrungen gipfeln in der Musik von 3. Für dieses Album haben wir eine Menge Demos aufgenommen. Wir haben Ideen ausprobiert und immer wieder angehört. Und es war stets sehr offensichtlich, welche Ideen funktionieren und welche nicht.

Könntest du dir vorstellen, „normalere“ Musik zu spielen oder würde dich das zu Tode langweilen?

Was ist „normale“ Musik? Ich tue das, was für mich normal ist. Nicht jeder Song, den ich schreibe, ist sonderbar oder auch nur unkonventionell. Manchmal kommt auch einfach nur ein solider, simpler Popsong heraus. Ich mag Popsongs. Hör dir einmal „Live Entertainment“ an. Der ist ziemlich straight. Mein Hauptanliegen ist Substanz. Du musst sie fühlen. Popmusik besteht allzu oft aus Produktion und nicht aus Substanz. Und das schreckt mich ab.

Welche Seite ist euch wichtiger? Die textliche oder die musikalische?

Das hängt ganz vom Song ab. Generell schafft die Kombination von beidem die Bedeutung. Einige Texte verlieren ohne die Melodie und die Musik ihre Kraft. Deswegen erachte ich beide als gleichwertig.

Eure Musik ist nun wirklich kein Metal, dennoch seid ihr bei Metal Blade unter Vertrag, die in diesem Business ein ziemlich dicker Fisch sind. Wie kam es dazu und wie fühlt ihr euch dort als „Sonderlinge“?

Eigentlich fühlen wir uns ziemlich wohl bei Metal Blade. Unsere Labelmates haben uns immer sehr unterstützt. Es ist nichts falsch daran, anders zu sein und manchmal überrascht es dich geradezu, was für unterschiedliche Menschenschläge deine Musik erreicht. Hättest du mir im Jahr 2000 erzählt, dass ich einmal bei Metal Blade Records unter Vertrag sein würde, hätte ich dich ziemlich ausgelacht. Man sagt ja, dass man in seiner persönlichen Entwicklung oft zuerst das Gegenteil von dem wird, was man eigentlich werden wollte, bevor man als etwas noch Größeres hervorgeht. So etwas kann man nicht vorhersehen. These wird Antithese wird Synthese.

Eure Musik ist sicher nichts für den durchschnittlichen Metal Fan um die Ecke. Besitzt Metal Blade die nötigen Kanäle, um eure Musik zu den richtigen Leuten zu bringen? Soll heißen: wie zufrieden seid ihr mit Metal Blade?

Es gibt immer Herausforderungen. Wir gehören nicht ins Hardcore-Regal im Plattenladen, aber wenigstens findet man uns im Plattenladen, richtig? Wir sind eine Band, die gewohnt ist, ihre eigenen Kanäle schnitzen zu müssen. Und das werden wir tun.

Betrachtet ihr euch denn auch als Metal Band?

Nein. Es gibt zwar Elemente in unserer Musik, die dem Metal entlehnt sind. Aber es wäre irreführend, uns als Metal Band zu bezeichnen. Das geschieht allerdings öfter, als du denkst!

Was für Leute hören eure Musik?

Unsere Fans sind die besten! Diese Frage ist wirklich nicht leicht zu beantworten. Was für Leute atmen Sauerstoff? Ein Querschnitt durch unsere Hörerschaft fördert ziemlich unterschiedliche Typen zu Tage. Ganze Familien kommen, um uns spielen zu sehen, und sie alle kennen die Texte: von der Mutter über den Teenager bis zum Achtjährigen. Wir haben Fans, die totale Metalheads sind, die in unserer Musik aber etwas Neues gefunden haben, das sie fasziniert. Wir haben Fans, die noch nie zuvor Metal gehört haben, aber erlebt haben, dass kantige Musik noch immer musikalisch sein kann. Alle Formen, alle Farben. Die Leute bewegt, was wir tun – im Studio oder live. Und deshalb tun wir es.

Wie die Musik, so bestehen auch eure Texte aus mehreren Schichten. Welche Themen behandelt ihr? Das Video zu „Alien Angel“ beschäftigt sich zum Beispiel mit Sozial- und Konsumkritik. Hat die Band eine bestimmte Mission? Würdet ihr euch als politische Band bezeichnen?

Vom Konzept her dreht sich das Album um den archetypischen Kampf, die finale Schlacht, die am Horizont heraufzieht. Tatsächlich findet dieser Kampf aber in uns selbst statt. All diese äußeren Manifestationen können auf diesen inneren Kampf zurückgeführt werden. „Still I know you must continue, trying to win the war waged within you.“ (aus „Battle Cry“) Es ist der Kampf dieser entgegengesetzten Kräfte, die letztendlich in Evolution resultieren. These + Antithese = Synthese.

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, passt sich solch ein Konzept schön in die Bedeutung unseres Bandnamens „3“ ein. Einige der dunkelsten, aggressivsten und technischsten musikalischen Momente der Platte werden von soften, oft süßlich einfachen Vocal-Melodien ausbalanciert. Das ist Teil unserer Dualität, unseres Paradoxons. Genau das begeistert mich als Künstler. Licht und Dunkel zu etwas Neuem zu verschmelzen. Andere Songs, wie „Live Entertainment“ zeigen die Ironie auf, die im wachsenden Zuspruch einer Gruppe von Menschen zu Reality TV steckt, die sich weigert, sich ihrer eigenen Realität bewusst zu sein.

Der wahrscheinlich bedeutungsvollste Song für mich ist „The Last Day“, der uns einen positiven Ausgang aus all unserem Leiden verheißt. Ich glaube, die letzte Zeile des Songs fasst ihn am besten zusammen: „It’s the last day of the world, all the stars fired up to unfurl. Gonna meet you in the space within. You and I, we’ll race the light and win.”

„The End Is Begun“ scheint zunächst ein sehr offensichtlicher Titel zu sein. Themen wie Klimawandel, nukleare Aufrüstung im Nahen Osten und der Bürgerkrieg im Irak waren auch ziemlich trendy in letzter Zeit.

Das ist die offensichtliche Bedeutungsebene. Aber es gibt noch viel mehr. Die Zukunft der Menschheit – nicht nur deiner Kinder oder Enkel, sondern deine EIGENE – sollte trendy sein. Wer zu „cool“ ist, sich über die Auswirkungen unserer kollektiven menschlichen Handlungen auf diesem lebensspendenden Planeten Gedanken zu machen, ist für mich die ultimative Definition von „uncool“.

Der Mensch hat die Erde überrannt. Das Klima verändert sich. Die Polkappen schmelzen. Die Bienen verschwinden. Wir haben unsere Flüsse und Meere vergiftet. Wir sind mittlerweile viel zu bewandert darin, uns selbst zu belügen. Für zu viele von uns hat der Profit die Moral ersetzt. Und das kann nur zu unserem Ruin führen.

Dennoch ist jedes Ende ein neuer Anfang. Wir haben die Fähigkeit, viele dieser Probleme zu lösen. Wir können uns dazu entscheiden, den Kreislauf der Gewalt, des unnötigen Leidens und den Missbrauch der Ressourcen unseres Planeten zu beenden. Das ist das Ende, welches ich gerne begonnen sehen möchte. Oder wir können uns entscheiden, uns an unsere bequemen Illusionen zu klammern und erlauben, dass uns das Ende verschlingt.

Welchen Weg wir auch immer gehen, wir werden mit den Konsequenzen unserer Handlungen oder Trägheit leben müssen. Wir entscheiden, ob das Ende etwas Gutes oder etwas Schlechtes wird. Dieses Album ist ein Hybrid aus Melancholie und aufkeimender Hoffnung, die sich aus der Asche unserer Selbstzerstörung und unseres Betrugs erhebt. Ich frage mich, was wirklich am 21. Dezember 2012 geschehen wird…

08.08.2007

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