The Vision Bleak
Neue Vibes: Interview zu "The Unknown"
Interview
„The Unknown“ ist das neue beste Album von THE VISION BLEAK. So schrieb ich in meiner Review zum sechsten Studiowerk des Horror-Metal-Duos, und damit ist nicht nur eine Plattitüde gemeint: THE VISION BLEAK haben sich über die Jahre immer weiter entwickelt, haben nie genauso geklungen wie auf ihrem letzten Album, und sind dabei immer noch ein Stückchen besser als zuvor gewesen. Auf „The Unknown“ haben sich die beiden Herren Schwadorf und Konstanz aber noch weiter in das titelgebende Unbekannte begeben und ein Album aufgenommen, das tatsächlich eine Neuerung für THE VISION BLEAK darstellt. Denn so abseits jedes Konzeptes, ohne jegliche Strophe-Refrain-Schemata, mit Einflüssen von Symphonic Black Metal über Thrash Metal hin zur NWoBHM waren die beiden Kreativköpfe der Band noch nie – ständige Weiterentwicklung hin oder her. Klare Sache, dass es da noch ein wenig Klärungsbedarf gab – Ladies and Gentlemen, THE VISION BLEAK im metal.de-Interview zu ihrem neuen Album „The Unknown“!
Galerie mit 7 Bildern: THE VISION BLEAK - Bandfotos zu "The Unknown"
THE VISION BLEAK …
… über den straighten Drei-Jahres-Rhythmus, in dem die letzten drei Alben („The Unknown“ inklusive) erschienen sind:
Schwadorf:
Das ist absoluter Zufall, würde ich sagen. Ein Album schreibt man immer dann, wenn man fühlt, dass es soweit ist, wenn man sich inspiriert fühlt, damit anzufangen. Und natürlich auch, wenn das generell in den Zeitplan passt, den man gerade hat. Wenn man anderweitig viel zu tun hat mit anderen Bands oder weil das Studio gerade voll ist [Schwadorf ist unter seinem bürgerlichen Namen Markus Stock auch als Produzent tätig und betreibt die Klangschmiede Studio E – Anm. d. Red.], dann ist man automatisch auch nicht so inspiriert. Und wenn man sich die Zeit nehmen kann, dann schreibt man halt die Platte. Es ist aber auf keinen Fall so, dass wir sagen, wir machen jetzt einen Drei-Jahres-Rhythmus draus. Es kann sein, dass das nächste Album in zwei Jahren kommt, es kann aber auch sein, dass es fünf Jahre dauert.
… über die Best-of-Compilation „Timeline“, die zeitgleich mit „The Unknown“ erscheint, und über die Grunde, die Best of gerade jetzt herauszubringen:
Schwadorf:
Der Vorschlag kam vom Label. Die hatten das schon einmal mit einer anderen Band gemacht, zeitgleich zum Album sowas herauszubringen, was wohl gut funktioniert hatte. Und gerade den Leuten die Band vorzustellen, die vielleicht nicht unsere ganze Diskografie kennen, aber einen Eindruck davon haben möchten, wer THE VISION BLEAK sind, welchen Stil wir spielen, sollte halt jetzt gut funktionieren.
Und im Zusammenhang mit dem Album kann man sagen, dass sich für uns mit „Witching Hour“ [2013er-Album von THE VISION BLEAK – Anm. d. Red.] ein Kreis geschlossen hat und dass „The Unknown“ ein nächster Schritt für die Band ist. Da ist der Zeitpunkt für eine Best of gerade ziemlich passend.
Konstanz:
„Timeline“ ist auch keine Best of in dem Sinne, sondern eher eine Zusammenfassung dessen, was wir bisher gemacht haben, um auch zu markieren: Bis hierhin das eine, jetzt geht es voraus.
… konkret zu dem Kreis, der sich für THE VISION BLEAK mit „Witching Hour“ geschlossen hat und zu dem Neuen, was „The Unknown“ sein soll:
Schwadorf:
„Witching Hour“ war wieder so ein klassisches Konzeptalbum, die neue Platte hat hingegen überhaupt kein Konzept. Im Grunde waren alle unsere bisherigen Platten Konzeptalben – auch wenn „Carpathia“ [Album von 2005 – Anm. d. Red.] oft das einzige Album ist, wo wir auf ein Konzept festgenagelt werden. Aber wenn man sich das etwas genauer anguckt, dann beinhalten eigentlich alle unsere Alben Konzepte. „The Unknown“ ist die erste Platte, die wir gemacht haben, die frei von einem solchen Konzept ist und dieses Konzept gesprengt hat. Das basiert immer noch auf dem Setting des Horrors, aber viel freier als „Witching Hour“, das ein ganz eng gestecktes Konzept hatte. „Carpathia“ hatte dieses Konzept, bei „The Wolves Go Hunt Their Prey“ [2007 – Anm. d. Red.] hatten wir mehr oder weniger ein Konzept in einem Konzept, und … na ja, „The Unknown“ ist wirklich die erste Platte, an die wir herangegangen sind, ohne vorher den „großen Rahmen“ abgesteckt zu haben. Wir haben einfach angefangen, Lieder zu schreiben, ohne uns vorher Gedanken zu machen, ob das passt oder ob das gehen wird. Es ist also unser erstes Album, das frei aus sich heraus entstanden ist. Das ist der Neubeginn daran.
Und dadurch ist es stilistisch teilweise auch viel mutiger für uns … ein Instrumental auf der Platte zu haben und so weiter. Also viele Dinge, bei denen wir uns vorher gefragt hätten, ob das zu THE VISION BLEAK passt – eine Frage, die diesmal gar nicht aufgekommen ist.
Konstanz:
Und auch diese ganzen Parts, die wir definitiv schon immer in uns getragen haben, zum Beispiel die DEAD CAN DANCE-Parts in „Ancient Heart“, der ja sehr progressiv und mit Akustikgitarren ausgestattet ist und so weiter, der wäre ja früher gar nicht möglich gewesen. Oder was heißt „nicht möglich“ … aber nicht so einfach. Wir konnten jetzt so viel mehr Musik unterbringen, die in uns steckt, und die definitiv auch zu den jetzigen THE VISION BLEAK passt. Also wirklich, zu den THE VISION BLEAK jetzt – JETZT, jetzt ist die Zeit dafür.
Nach 15 Jahren in dieser Band und fünf vorherigen Alben steckt man eben in einer Art Korsett. Und an einem bestimmten Punkt haben wir gemerkt, wow, das ist weg. Das gibts nicht mehr, wir können machen, was wir wollen. Nicht nur darüber erzählen: „Ja, wir machen jetzt was ganz neues“, und dann ein Album machen, das genauso klingt wie alle anderen vorher.
Schwadorf:
Gut, das war jetzt sowieso nie der Fall bei THE VISION BLEAK, finde ich, aber dieses befreite Gefühl merkt man der Platte total an. Und uns war es wichtig, dieses Gefühl hörbar auf der Platte einzufangen, diesen Vibe … haha, jetzt sag ich’s wieder. Der „Vibe“ ist bei uns schon ein Running Gag geworden … überall während der Produktion, „der Vibe“, „der Vibe“.
Redakteur:
Haha, das möchte ich auf jeden Fall mit ins Interview transkribieren … „der Vibe“.
Schwadorf:
Genau, haha. Der Vibe. Der Vibe. Ich sags nochmal: der Vibe.
… über das TIAMAT-Cover „The Sleeping Beauty“, das auf der Vorab-Single „The Kindred Of The Sunset“ zu hören war:
Schwadorf:
Das war eine spontane Sache. TIAMAT ist eine Band, die uns beide in den Neunzigern unheimlich geprägt hat. Wir sind ja beide Kinder der Neunziger-Jahre-Metalszene, und damals ist man halt an TIAMAT nicht vorbeigekommen. Und wir fanden von Anfang an, dass „The Unknown“ einen ziemlich starken Neunziger-Vibe hat. Nicht unbedingt die Art, wie sie klingt, sondern das Gefühl finde ich einfach sauähnlich wie in vielen Sachen der frühen Neunzigern … MOONSPELL, TIAMAT, so deren frühe Platten.
Konstanz:
Halt auch der Mut, den die damals hatten. Selber das Gefühl zu haben, Dinge zu tun, die nicht in die Zeit passen. Halt einfach machen.
Schwadorf:
Ja, genau. Die haben’s halt einfach gemacht. Einfach nach dem Motto „Scheiß drauf“.
… über die stilistische Vielfalt auf „The Unknown“, von Symphonic Black Metal über Thrash hin zu NWoBHM und DEAD CAN DANCE:
Schwadorf:
Wie gesagt, es gab diesmal halt wirklich keinen Maßstab, keine Messlatte … überhaupt nichts, wo wir neue Ideen gegen gehalten haben. Das Album ist einfach geschrieben worden.
Wenn man beim Schreiben an einem Song dran bleibt, dann bedeutet das in dem Moment, dass er gut ist. Man merkt dann schon, wenn es nicht klappt – wenn du nach drei Stunden findest, nee, funktioniert nicht, dann war’s das eben für den Song. Das gab es aber diesmal eigentlich überhaupt nicht.
… über etwaige Bedenken, Fans mit einem derart harten Black-Metal-Einstieg wie in „From Wolf To Peacock“ vielleicht zu vergraulen:
Schwadorf:
„The Unknown“ mit dem Song anzufangen, ist vielleicht nicht die kommerziell klügste oder fanfreundlichste Variante. Aber auf der anderen Seite ist das genau das, was wir wollen – den Leuten direkt mitgeben, dass dieses Album quasi THE VISION BLEAK 2.0 ist.
… über die Einheitlichkeit, die das Album trotz fehlender Maßstäbe, Konzepte und Messlatten beinhaltet:
Konstanz:
Ja, das Album ist trotzdem schlüssig. Für mich ist das eigentlich auch nicht möglich. [Schaut Schwadorf an.] Für dich sicherlich auch nicht?
Schwadorf:
Doch, die Schlüssigkeit eigentlich schon. Das kommt denke ich daher, dass das Album in sehr, sehr kurzer Zeit geschrieben wurde. Es gibt mit „Into The Unknown“ einen Song, der vorab bereits geschrieben wurde, im August, den Rest haben wir komplett im November geschrieben, die ganze Platte. Im November wurde „The Unknown“ geschrieben, im Dezember aufgenommen, im Januar gemischt – fertig, also ein total kompromierter Prozess. Das war anstrengend, gibt dir aber eben diesen einheitlichen Vibe. [Konstanz‘ Versuch, ein Lachen zu unterdrücken, schlägt grandios fehl. – Anm. d. Red.] Dadurch gibt es denke ich diesen Zusammenhalt zwischen den einzelnen Songs, die gleichzeitig alle grundsätzlich verschieden sind, aber trotzdem eine Einheit bilden.
… zu der Frage, ob „The Unknown“ als unmittelbareres Album auch eine persönlicheres Album ist:
Schwadorf:
Absolut, „The Unknown“ ist unheimlich persönlich. Es gibt zwar immer noch viele Horror-Metaphern auf der Platte, wie zum Beispiel den Friedhof, den Pfau, den Wolf und die ganzen anderen Tiere auf der Platte, haha, ist aber trotzdem definitiv das persönlichste, was wir mit THE VISION BLEAK je gemacht haben. Früher war immer alles viel abstakter. Ich meine, auch auf „Witching Hour“ kann man Texte anders interpretieren als man es beim ersten Lesen tun würde, aber die Songs von „The Unknown“ sind viel unmittelbarer mit uns selbst verknüpft.
… über die Entscheidung, ausgerechnet „The Kindred Of The Sunset“ und „The Whine Of The Cemetery Hound“ vorab als Single auszukoppeln:
Konstanz:
Die Songs sind so schön konträr. Die spielen für uns zusammen, aber auf den ersten Eindruck halt überhaupt nicht. „The Kindred Of The Sunset“ ist definitiv der Song auf dem Album, auf dem die typischen THE VISION BLEAK-Trademarks am ehesten herausstechen, und „The Whine Of The Cemetery Hound“ geht in eine komplett andere Richtung.
Schwadorf:
„The Kindred Of The Sunset“ ist auf jeden Fall einer der Hits des Albums, sehr eingängig, während „The Whine Of The Cemetery Hound“ ein totaler Atmo-Song ist, wo die Atmosphäre eben absolut im Mittelpunkt steht. Das spiegelt Album das für mich sehr gut wider, diese zwei Pole aus dem, was gut nach vorne geht und unseren Stil ganz gut erkennen lässt, und den sehr viel atmosphärischeren Teilen von „The Unknown“.
… zum Cover-Artwork, für das THE VISION BLEAK erstmals mit Dan Seagrave zusammengearbeitet haben, und das für die Verhältnisse der Band sehr bunt erscheint:
Konstanz:
Dan Seagrave ist halt Dan Seagrave.
Schwadorf:
Ja eben, Dan Seagrave, weil Dan Seagrave Gott ist, hehe.
Konstanz:
Da kommen wieder die Neunziger ins Spiel. Wir sind halt schon als Zwölf-, 13-Jährige mit seinen Motiven auf dem T-Shirt Skateboard gefahren. Nun hatten wir schon oft darüber nachgedacht, Dan Seagrave irgendwann mal für ein Cover ins Boot zu holen – wirklich im Grunde, seitdem wir THE VISION BLEAK gegründet haben. Und mit „The Unknown“ standen die Sterne eben genau richtig, es auszuprobieren. Und komischerweise hat Dan Seagrave genau das gemacht, was wir nicht erwartet hätten.
Schwadorf:
Wir beide waren zum Beispiel immer riesige ENTOMBED-Fans, und das Cover von „Left Hand Path“ zum Beispiel ist einfach legendär. Und jetzt, wo wir uns musikalisch irgendwo im Umbruch befinden, auch visuell einen Neuanfang zu machen, lag nahe. Das Cover von Dan Seagrave unterstreicht halt nochmal, dass jetzt ein … ein anderer … [Konstanz fängt bereits an zu lachen. – Anm. d. Red.]
Konstanz:
Haha, nun sag’s doch.
Schwadorf:
… ja, das halt ein anderer Vibe herrscht, haha.
… ihr Lieblingsmotiv von Dan Seagrave:
Konstanz:
„Clandestine“.
Schwadorf:
Ja? Also, für mich ist es ein Bild namens „The Origins Of Madness“, das er gemalt hat. Das war aber auf gar keinem Cover, das ist einfach so ein Werk von ihm. Und „Left Hand Path“.
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Stile | Dark Metal |
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