The Vintage Caravan
Intime Katharsis

Interview

THE VINTAGE CARAVAN beweisen mit „Monuments“ ein weiteres Mal, dass ihnen in Sachen Retrorock kaum jemand das Wasser reichen kann. Gekonnt verbindet die Band die Sounds der 70er mit einer zeitgemäßen Attitüde. Warum die Band mit dem Album zumindest einen kleinen Schritt zurückgeht und welch persönliche Geschichten die Musiker in den Songs verarbeiten, verrät Bassist Alexander Örn Númason.

THE VINTAGE CARAVAN bieten mehr als Nostalgie

Hey Alex, euer neues Album „Monuments“ wird mit Beschreibungen wie „70er Nostalgie“ oder „Progressive Rock“ beschreiben. Hast du das Gefühl, dass das eure Musik wirklich trifft? Wieviel Einfluss nehmt ihr selbst auf die Promotext?

Ich denke, diese Beschreibungen verfolgen uns als Band schon immer und wir haben dazu nicht wirklich viel zu sagen. Inzwischen haben wir dahingehend alles gehört, haha! Meiner Erfahrung nach ist das Mindset, mit dem Menschen sich Musik anhören, sehr wichtig für das Label, das sie einer Band verpassen. Insbesondere bei einem Bandnamen wie THE VINTAGE CARAVAN neigen die Menschen dazu, es als Retro abzustempeln und sowas zu sagen wie „wow, euer Album klingt genau wie eins aus den 70ern“, was ziemlich witzig wäre, wenn wir öfter mal auf einen explizit moderneren Sound abzielen würden.

Ich persönlich würde das Album aber nicht als nostalgisch beschreiben. Natürlich ist unser Sound von der Musik der 60er und 70er inspiriert, aber mittlerweile ziehen wir unsere Einflüsse von überall her, sowohl was alte als auch neue Sounds angeht. Das Genre Progressive Rock passt in meinen Augen manchmal perfekt. Ich denke, wenn ich uns einen Stempel verpassen müsste, dann wäre es etwas in diese Richtung.

Wie ist denn der Titel eurer neuen Platte mit dem Artwork verknüpft? Wohin führt die offenstehende Tür?

Uns gefielen immer schon epische Albumtitel und Artworks, was wieder auf die Progressive-Rock-Einflüsse zurückzuführen ist. Es ist eine etwas längere Geschichte, aber wir probierten insgesamt drei verschiedene Designer für das Artwork aus und der Titel entstand während der Arbeit am ersten Entwurf. Als Inspiration dienten die Zweite-Weltkriegs-Monumente im ehemaligen Jugoslawien, welches du unbedingt mal auschecken solltest, falls du sie nicht kennst. Die sehen fast aus wie außerirdische Artefakte. Die Idee, dass die Songs und damit das Album Monumente darstellen, fühlte sich passend an, da die Songs Abbilder von bestimmten Zeitpunkten sind.

Allerdings kamen wir mit dem ersten Designer zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis und mit dem zweiten ebenfalls nicht und dann taten wir uns mit Sebastian Jerke zusammen. Mit ihm planten wir ein Artwork, das zurück zu unseren Wurzeln gehen sollte, indem es den Caravan zurückbringt, aber dabei den „Monuments“-Vibe aufrechterhält, was in unseren Augen sehr gut funktioniert. Wenn ich der geöffneten Tür eine Bedeutung zuschreiben müsste, wäre es die, dass die Songs des Albums ehrlicher sind als die der vorherigen Platten und man so in gewisser Weise einen Einblick in den Caravan bekommt.

Die Band ist Familie

Jetzt hast du schon erwähnt, dass der Stil des Artworks wieder mehr an eure früheren Alben erinnert, nachdem ihr bei „Gateways“ einen anderen Stil eingeschlagen habt. Warum habt ihr euch zu dieser Rückbesinnung entschieden?

Mit „Gateways“ wollten wir bewusst etwas anderes machen und von dem gezeichneten Stil hin zu einem fotografischen Stil gehen. Ursprünglich wollten wir das für „Monuments“ weiterführen, aber was dabei entstand, passte nicht zum Album. Dann schlug jemand vor, den Caravan zurückzubringen und obwohl wir uns zuerst dagegen sträubten, einen Schritt zurückzugehen, sah es am Ende ziemlich cool aus. Es fühlte sich einfach passend an. Aber wer weiß, vielleicht machen wir beim nächsten Mal ein „Black Album“ oder ein „White Album“. Oder wir denken uns eine Farbe für das „Turcoise Magenta Album“ aus.

Das Video zu „Whispers“ zeigt euch alle gemeinsam beim Performen des Songs in einem Raum. Im Clip zu „Cryszallized“ interagiert ihr ebenfalls viel miteinander. Wir habt ihr diese Clips trotz der anhaltenden Pandemie hinbekommen?

Haha, das war nicht einfach, denn momentan kann nicht viel mit zusätzlichen Schauspielern machen, also sind die Möglichkeiten etwas limitiert, wenn es um die Zahl der Leute geht, die gemeinsam in einer Szene auftauchen können. Beide Videos entstanden in Zeiträumen, in denen die Covid-Zahlen in Island recht niedrig waren. Doch als Band ist es für uns unmöglich, dass nicht zumindest wir nahe beieinander sind. Für das Album musste eine Menge getan werden und damit fielen die Bandmitglieder in dieselbe Kategorie wie Familie für uns.

Wo wir schon bei der Pandemie sind: In „Forgotten“ heißt es „All alone/ Stay awake ‚til the break of dawn/Locked away/ You can’t remember the feel of day.“ Das beschreibt die Gefühle von Einsamkeit und Isolation sehr gut, die viele Menschen derzeit durchleben. Ist der Song eine Art Kommentar zur aktuellen Lage?

Wir hatten die Aufnahmen für das Album bereits im März 2020 abgeschlossen, Covid hatte also keinen Einfluss darauf. Der Song ist tatsächlich von einer Geschichte über meinen Urgroßvater inspiriert, der im Alter von fünf Jahren in eine spezielle Tuberkulose-Station eingeliefert wurde, nachdem er sich eine Lungeninfektion eingefangen hatte. Diese Station war in erster Linie für Menschen gedacht, die im Sterben liegen. Er sollte ein paar Wochen dableiben, aus denen aber ein Jahr wurde, währenddessen seine Familie ihn nur einmal pro Woche besuchen durfte. Ich fand den Gedanken furchtbar, sowas als kleines Kind zu erleben und meine Familie erzählte, dass es ihn für den Rest des Lebens gezeichnet hat. Das machte mich unglaublich traurig und die Lyrics entstanden, indem ich mich selbst in seine Perspektive versetzte.

Abgesehen von dem etwas melancholischen Refrain klingt „Dark Times“ überhaupt nicht so düster, wie der Titel vermuten lässt. Mögt ihr es THE VINTAGE CARAVAN, mit solchen Kontrasten zu spielen?

Das ist witzig, denn du bist nicht der erste, der sowas fragt. Jemand anderes hat uns darauf angesprochen, ob es Absicht war, einen sehr lauten Song „Whispers“ zu nennen. Aber ja, wir mögen es, mit Kontrasten und Dynamiken zu spielen. Doch in diesem speziellen Fall, war es tatsächlich nicht so. Ich denke, der Song hat einfach dieses treibende, leicht melancholische Gefühl, dass sehr gut zu den Lyrics passt. So etwas passiert manchmal einfach und es sind eine Menge sehr persönlicher Texte auf dem Album. Ich denke, das passiert, wenn die beiden Haupttexter während des Schreibprozesses „Dark Times“ durchleben“.

Auf den Spuren von METALLICA

Einer der Songs auf „Monuments“ trägt den Titel „This One’s For You“. Zeilen wie „Ten years shroud with those gray skies“ deuten an, dass es darin um eine reale Person geht. An wen ist dieser Song gerichtet?

Den hat tatsächlich Óskar [Logi Ágústsson, Gitarrist und Sänger – Anm. d. Red.] über seinen Bruder geschrieben, der vor ein paar Jahren gestorben ist. Wie du dir vorstellen kannst, war das eine sehr schwierige Zeit für ihn und seine Familie. Diesen Song aufzunehmen war eine sehr kathartische, intime Erfahrung, in deren Rahmen wir die Lichter gedimmt und im ganzen Raum Kerzen aufgestellt haben. Während der Aufnahme tauchten seine Eltern unangekündigt auf, was ein sehr schöner Moment war.

„Monuments“ zeichnet sich durch eine gute Balance aus lauten Rock-Momenten und ruhigen Momenten wie eben „This One’s For You“ aus. Wie habt ihr die Reihenfolge der Stücke und damit die Struktur des Albums festgelegt?

Danke! Wir beenden Alben gerne mit einem epischen Song, weswegen „Clarity“ als Abschluss sehr früh gesetzt war. In vielerlei Hinsicht gehen wir die Tracklists unserer Alben sehr ähnlich wie die Setlists unserer Konzerte an. Wir haben immer viele schnelle oder harte Songs, die drei bis fünf Minuten lang sind. Deswegen machen wir uns viel Gedanken darum, wann Zuhörende eine Pause davon brauchen.

Ich muss in diesem Kontext immer daran denken, wie METALLICA das auf vielen ihrer Alben gemacht haben. Es geht mit einem richtigen Banger los, dann kommen noch ein paar harte Songs. Anschließend folgt ein softer Song, danach mehr harter Stoff und wieder etwas, um diesen aufzubrechen. Ich fand immer, dass das sehr gut funktioniert. Oft höre ich Alben und denke „oh, ihr spielt die Soft-Song-Karte zu früh“ oder Bands haben nur schnelle, harte Songs, wodurch ich das Album nach dem fünften Song ausmachen möchte.

THE VINTAGE CARAVAN legen Wert auf Qualität

Kürzlich habt ihr eine Streaming-Show gespielt. Wie seid ihr da herangegangen? Es unterscheidet sich in Sachen Logistik und technischem Aufwand vermutlich sehr von einem normalen Konzert, oder?

Insgesamt war es unser drittes Streaming-Konzert, das wir während der Pandemie gespielt haben. Die ersten beiden wurden nur mit ein paar Kameras in regulären Clubs in Reykjavik aufgenommen und waren großartig. Wir bekamen viel Unterstützung von unseren Fans und es war eine sehr coole Erfahrung. Diesmal haben wir uns aber dazu entschieden, das Konzert vorab zu aufzunehmen und es mehr wie einen vollwertigen Konzertfilm behandelt.

Die Aufnahmen fanden in einer Hallte statt, in der vielmehr Platz für die Bühne und die Lichtshow war. Der Grund dafür war, dass ein richtiger Livestream immer Opfer hinsichtlich der Qualität fordert, vor allem was den Schnitt des Videos und den Mix des Sounds angeht. Man kann das Konzert immer noch in Full HD auf vvenue.events schauen. Vielleicht werden wir es irgendwann auch noch auf DVD veröffentlichen.

Dann vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir.

Vielen Dank für das Interview und das tolle Ergebnis in euerem Soundcheck! Bleib gesund und bis bald!

12.04.2021

"Irgendeiner wartet immer."

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