The Spirit
"Die Gewissheit zu haben, dass menschliche Dummheit und Ignoranz keine Grenzen kennen, ist leider alles andere als gut."
Interview
Mit „Of Clarity And Galactic Structures“ haben die Saarländer Black-Deather THE SPIRIT ein unerwartet progressives und sehr starkes neues Album vorgelegt. Für die hochgradig eigenständig agierende Band könnte sich die Scheibe als absoluter Durchbruch erweisen, sollten jedenfalls die Rahmenbedingungen mitspielen und THE SPIRIT können eine vernünftige Tour spielen. Frontmann M.S. gibt die Hoffnung nicht auf, zeigt sich aber auch latent von Rückschlägen zerknirscht. Wie dem auch sei – ihr neues Album ist ein edles Stück Kunst und dieses gehört ordentlich unter die Lupe genommen.
Grüß dich, Matthias! Wie fühlt es sich an, ein – übrigens enorm starkes – Album inmitten dieser verworrenen Zeiten zu veröffentlichen? Und was bedeutet das Album für dich persönlich und für THE SPIRIT als Band?
Die Sorge, dass durch die Politik verhängte Einschränkungen und Verbote sich auch auf das kommende Album auswirken werden, waren natürlich da. Wir mussten diese Erfahrung ja leider bereits mit „Cosmic Terror“ vor zwei Jahren machen. Die Promotion-Phase, das Release und die folgende Release-Tour an sich waren super und übertrafen bei weitem die Erwartungen von uns und unserem Label. Wir hatten echt einen guten Lauf und dann kam der erste Lockdown und alle Pläne für die Zukunft wurden komplett zunichte gemacht. Ohne die Möglichkeit Touren und Festivals zu spielen, ist es für eine Underground-Band wie uns so gut wie unmöglich neue Leute zu erreichen und unsere Musik einem breiteren Publikum zu präsentieren.
Auch wenn wir die für April geplante Europatour zum Release von „Of Clarity and Galactic Structures“ auf 2023 verschieben mussten, so bin ich doch ein wenig optimistisch gestimmt, was die Zukunft im Live-Sektor angeht. Auch wenn die deutsche Politik gegenüber dem Rest der Welt weiter auf Panik und Angstmache setzt.
Persönlich ist das Album für uns ein großer Schritt zu unserem eigenen Sound. Ich denke wir haben mit der Scheibe ein wenig mehr unsere eigene Nische im Extreme-Metal Bereich gefunden.
Was kannst du über das Songwriting berichten? Es wirkt ein bisschen so, als würde es euch wie vielen Bands momentan gehen: Da kaum Live-Konzerte oder verlässlich gebuchte Touren möglich sind, wird anscheinend umso mehr Energie in frische, originelle Kompositionen investiert. Wäre das Album deiner Ansicht nach auch ohne die Gesamtsituation so geworden, wie es ist?
Nein, die Situation der letzten zwei Jahre hatte keinen direkten Einfluss auf das Album. Ich gebe während des Songwriting immer alles, um die beste Musik zu schreiben zu der ich in dem Moment imstande bin. Ob die Welt um mich herum brennt oder nicht macht da keinen Unterschied. Die einzige Auswirkung, welche es evtl. gab, ist die, dass ich mit dem Songwriting durch all die Unsicherheiten in 2020 etwas später anfing als eigentlich geplant. Daher wäre das Album vielleicht etwas früher erschienen. Solange wir aber in unserem Zweijahresrhythmus bleiben was Veröffentlichungen angeht, ist alles OK.
“Of Clarity And Galactic Structures” ist wie gesagt ein sehr starkes Album. Ursprünglich sollte das Thema ja von meiner lieben Kollegin Angela bearbeitet werden, die mir die Platte vorab mit den Worten „sehr proggy“ weiterleitete. Ich hatte zunächst ein wenig euer persönliches “Spheres” befürchtet. Ich bin aber erfreut, dass das Album eher euer “Symbolic” bzw. “The Sound Of Perseverance” sein könnte. Ohne irgendwen zu kopieren, höre ich so viel Chuck in deiner Gitarrenarbeit wie nie zuvor.
Ich mag Death, ich meine wer tut das nicht haha. Dass aber Chuck Einfluss auf meine Gitarrenarbeit hat, glaube ich jetzt eher weniger. Außer wenn man jetzt natürlich sagt, da er einer der Godfathers des Extreme-Metal ist und daher jeder Gitarrist ein wenig Chuck in seinem Spiel hat. Ich fasse das trotzdem als Kompliment auf, daher danke dafür.
Ich wollte auf dem neuen Album etwas aus meiner Komfortzone raus und mich auch fordern neue Elemente in unseren Sound einzubringen. Während des Songwriting habe ich viel mit ungeraden Taktarten gearbeitet, was unserer Musik viel mehr Tiefe gegeben hat und sich völlig neue Möglichkeiten für mich ergaben Riffs zu schreiben. Das gibt dem ganzen einen gewissen Prog Anstrich, welcher ja auch die letzte Platte von DEATH sehr stark dominiert. Ich höre sehr viel Prog-Rock aus den 70s und liebe es, wenn ich mir einen Song zum fünfundzwanzigsten Mal anhöre und trotzdem immer noch Neues entdecke. Genau das wollte ich versuchen in unser neues Album zu integrieren.
Das Album ist insgesamt durchaus progressiv, bleibt aber stets nachvollziehbar. “Celestial Fire” oder “The Climax Of Dejection” bewahren sich zB. auch immer einprägsame Parts. Ist das progressive Territorium etwas, das ihr noch weiter ausbauen wollt, oder lässt sich das momentan eh nicht vorhersagen?
Wo genau die Reise hingeht kann ich jetzt noch nicht sagen. Wenn das Album draußen ist und wir die kommenden Shows im April und Mai hinter uns haben, werde ich mit dem Songwriting für die nächste Scheibe beginnen und 12 Monate später kann ich dann wohl mehr sagen. Da Manuel und ich im Proberaum und beim Erarbeiten der neuen Songs eine verdammt gute Zeit hatten und wir mit dem Ergebnis mehr als nur zufrieden sind, sehe ich keinen Grund den eingeschlagenen Weg nicht weiterzugehen.
V.Santura hat euch erneut einen perfekten Sound zurecht geschneidert, der dem komplexen Ansatz vollends gerecht wird. Würdet ihr Studio und Producer auch wechseln, um frischen Wind zu schnuppern oder denkst du, diese Zusammenarbeit wird sich auch in Zukunft noch gegenseitig beflügeln?
Das ist etwas, worüber ich mir jetzt überhaupt noch keine Gedanken mache. Ich verstehe mich sehr gut mir Victor und das ist für mich neben seinen Fähigkeiten an den Reglern bei einer Albumproduktion sehr wichtig. Da draußen gibt es unzählige Arschlöcher. Da ist man froh, wenn man zuverlässige Leute trifft, mit denen man auf einer Wellenlänge ist. Im Musikbusiness gibt es leider genauso viele Idioten, wie überall anders auch. „Frischen Wind schnuppern“ wie du sagtest kann gut sein, kann aber auch ganz schnell nach hinten losgehen. Mal schauen was die Zukunft bringt.
Besonders gelungen ist meiner Meinung nach der Gitarrensound, der sich mit der perfekten Kombination aus oldschooligem Schmutz und zeitgenössischer Klarheit in die Ohren sägt. Die Riffs haben Headroom und die Leads singen herrlich. Irgendein Geheimnis dahinter, das du preisgeben kannst?
Mir ist es sehr wichtig, dass wir einen klaren Gitarrensound haben, bei dem das Feeling nicht in einem High-Gain Overkill untergeht. Da wird zwar jeder auch noch so kleine Fehler sofort bestraft, weil nichts in der Soundwand untergeht, das Resultat hört sich aber natürlich besser an.
Beim Equipment haben wir viel ausprobiert was Amps angeht. Am Ende war es aber wieder mein Marshall JVM 410 der das Rennen gemacht hat. Der passt einfach am besten zu unserem Sound und ganz wichtig, ich fühle mich mit dem Teil beim Spielen einfach super wohl, was man sofort am Sound merkt. Cabinets bzw. die Lautsprecher machen unglaublich viel aus und auch da haben wir viel ausprobiert, um zu schauen was am besten passt. Ich halte die komplette Signalkette im Studio wie auch live recht simpel. Man sagt ja sowieso, dass die ganze Magie doch aus den Fingern kommt. Ob ich viel von dieser Magie habe, wage ich zu bezweifeln, daher ist meine Regel Nr. 1 für guten Gitarren-Sound, üben, üben, üben.
Ich weiß, dass du nicht gern konkret über die Texte sprichst. Allerdings wollte ich nach dem Lesen der Lyrics zumindest fragen, ob sie eigentlich immer metaphorisch verklausulierte, persönliche Themen behandeln, oder ob man sie auch auf einer wörtlichen Ebene, auf der sie sich häufig kosmologischer und astrophysischer Themen bedienen, deuten kann?
Auf jeden Fall beides. Das trifft jetzt natürlich nicht auf jeden einzelnen Satz zu, aber ich versuche die Lyrics meistens so zu verfassen, dass man es als beides deuten kann. Außerdem ist es mir sehr wichtig, dass sich jeder mit den Texten auf eine gewisse Art und Weise identifizieren kann, sofern man das will bzw. dazu in der Lage ist und nicht den Intellekt von einem Stück Holz besitzt. Ich halte beim Schreiben alles ein wenig offen damit Freiraum für die individuelle Interpretation besteht. Was ich mir eigentlich bei einem Satz oder Text gedacht habe, kann daher davon abweichen was jemand anderes denkt oder welches Bild er im Kopf hat, wenn er diesen Satz oder Text liest bzw. hört.
Sind Themen wie Astrophysik, Kosmologie etc. eigentlich Themen, mit denen du dich selbst (populär-)wissenschaftlich befasst, oder bietet dir das Vokabular einfach die ideale Grundlage für deine Intentionen?
Mit diesen Themen beschäftige ich mich schon seit meiner Kindheit und die haben bis heute nichts an ihrer Faszination auf mich verloren. Und als Grundlage für Texte eignen sich diese Themen unglaublich gut, vor allem wenn man sie mit Themen wie dem menschlichen Geist und spirituellen Gesichtspunkten verknüpft.
Ist das Album inhaltlich durch die gesellschaftlichen Erfahrungen während der Corona-Pandemie geprägt? Vielen Menschen hat das ja die Augen gegenüber des Verhaltens ihrer Artgenossen weiter geöffnet oder ihre Skepsis in Bezug auf unsere Spezies nur bestätigt.
Wie schon anfangs erwähnt lasse ich solche Dinge nicht in Berührung mit unserer Musik kommen. Fernsehen schaue ich schon seit 20 Jahren keins mehr und online versuche ich mein möglichstes mich von Medien und Social Media Bullshit fernzuhalten. Wenn man sich darauf in den letzten zwei Jahren eingelassen hat, wird man doch verrückt.
Ich brauche keine weltweite Pandemie, um Skepsis bezüglich unserer Spezies aufzubauen. Eine gewisse Misanthropie, welche ich in mir trage, kommt ja nicht von ungefähr, sondern durch meine Erfahrung mit Menschen, welche ich in meiner Zeit auf diesem Planeten gemacht habe, und die Erkenntnis zu was Leute fähig sein können. Die Gewissheit zu haben, dass menschliche Dummheit und Ignoranz keine Grenzen kennen, ist leider alles andere als gut.
Ein gelungenes “Experiment” ist das abschließenden “Laniakea”. Der Synthesizer hat mich ein wenig überrascht, fügt sich aber sehr gut ein. Eine gewollte Hommage an die alten CYNIC?
Der Name sagt mir natürlich etwas, ich habe aber noch nie wissentlich Musik von dieser Band gehört. Daher eher keine Hommage an CYNIC. Wohl aber an Klaus Schulze und auch TANGERINE DREAM, welche ich total verehre. Ich hatte beim Schreiben von „Laniakea“ ein gewisses Bild im Kopf und der Synthesizer war das perfekte Instrument dieses in Musik umzuwandeln. Der gibt dem Ganzen eine gewisse spacige Atmosphäre. Ich freue mich schon total den Song Live zu spielen.
Habt ihr schon ein neues Live-Line-up zusammengestellt? Müssen eure Live-Mitstreiter in Anbetracht des neuen Materials nun ein härteres Vorspielen bestehen?
Ja das haben wir. Härteres Vorspielen war nicht nötig, da die Jungs alle Profis sind und das sehr vieles erleichtert hat. Fähige Musiker zu finden, welche außerdem auch keine Idioten sind, ist mit Abstand das nervigste und schwierigste Unterfangen, wenn man eine Band betreibt. Daher bin ich momentan sehr froh, dass dieses Thema für uns erstmal erledigt ist und wir uns auf die kommenden Shows konzentrieren können.
Wie sind eure Pläne zur Promotion von “Of Clarity And Galactic Structures”?
Möglichst viel Live unterwegs sein, das Maximum auf der Bühne geben und dabei alles und jeden gegen die Wand spielen, haha.
Eine Frage für Nerds zum Abschluss: Nenne uns doch abschließend bitte deine 3 liebsten Metal-Alben mit Weltraum/Planeten-Bezug.
Da könnte ich dir, selbst wenn es nicht nur auf Metal begrenzt wäre spontan keine drei nennen. Sorry, da bin ich grad überfragt. Ich würde einfach mal die 3 Alben aufzählen, welche in den letzten 2 Wochen wohl am häufigsten gehört habe. Ist zwar kein Metal dabei aber hey, besser als nichts.
Pink Floyd – Animals
Ministry – With Sympathy (ja, ist mein Ernst)
Saga – In Transit
Matthias, vielen Dank für deine Zeit! Das nächste Mal schaffe ich hoffentlich ein persönliches Gespräch! Falls ich irgendetwas vergessen habe, anzusprechen, was dir wichtig ist, gehören die letzten Worte gern dir.
Ich habe dir zu danken. Und an alle da draußen, bleibt neugierig und gebt euch nie mit dem Status quo zufrieden.