The Retaliation Process
Interview mit Gitarrist Jury zu "Downfall"

Interview

Aus der Asche von NAYLED entstanden, handelt es sich bei THE RETALIATION PROCESS nicht einfach nur um einen Namenswechsel, sondern um einen kompletten Neuanfang. Wie sich das äußert und warum ihr den Jungs unbedingt mal eure Lauscher gönnen solltet, erklärt Gitarrist Jury einfach mal selbst. Los geht’s…

Moin Jury, und Gratulation zu eurem Debüt. „Downfall“ hat ja durchaus einige ganz große Momente zu bieten, ist aber noch deutlich von einigen anderen Genre-Bands wie HYPOCRISY oder MACHINE HEAD geprägt. Was ist denn für euch persönlich das Besondere an THE RETALIATION PROCESS?

Hey Jens. Das is doch nicht schlimm! Einige Parallelen zu einigen moderneren Metal-Bands wollen wir auch gar nicht leugnen. Es gibt definitiv einige Homage-Momente auf der Pladde, in denen wir absolut ehrfürchtig MACHINE HEAD huldigen. Ich mein, was für ’ne Mörderband das ist! Wir lieben diesen „Ten Ton Hammer“-Sound einfach; das ist ungefähr so zu verstehen, als wenn eine junge Band den HM2-Verzerrer von Boss anschmeißt und dann dem Death-Metal-Knarrz-Sound alter DISMEMBER oder ENTOMBED frönt. Das ist doch auch cool! Bei MACHINE HEAD selber hört man dann vielleicht eher ’nen MAIDEN-beeinflussten Part, bei DISMEMBER klingts wiederum nach AUTOPSY, wenn sie ihre Einflüsse verarbeiten…und ja, Peter Tägtgren ist auch echt gut darin, brutal und gleichzeitig melodiös Gitarre zu spielen und arbeitet viel mit doppelstimmigen „Wall of Sound“-Geschichten, welche ich auch gern einsetze. Insofern ist er mir da auch ein Einfluss. Gerade die „Abducted“ hat mir damals echt die Kinnlade runterklappen lassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Es schockt einfach, seinen eigenen Sound zu machen UND dabei die alten Helden zu zitieren, die uns früher förmlich in den Proberaum geprügelt haben. Progressive Metal und das Kreieren eines neuen Musik-Stils überlassen wir gern anderen, wir wollen derbst rocken und trotz der Ernsthaftigkeit unserer Themen dabei ein solides Bier aufmachen und einfach brutalen Spaß haben. Aber wir klingen eigentlich nicht wirklich wie MACHINE HEAD oder HYPOCRISY…wobei dass eigentlich echt ein Kompliment für uns ist! Ich denke, was wir gemein haben ist die Suche nach den fetten Riffs und Grooves. Ich finde, dass wir für eine Band, die gerade ihr Debüt veröffentlicht, ein eigenes und frisches Profil mitbringen. Wir sind absichtlich sehr groovebezogen und wenn es vom Drumming mal schneller wird, dann eher im Sinne von SLAYER, als z.B. in Blastbeat-Regionen vorzustoßen. Es versprüht auch alles eher ein 90er Jahre Thrash/Death Metal-Flair, dennoch kann der Sound auch gerade den Fans modernerer Sounds gefallen und ist dabei noch dazu an den richtigen Stellen mit coolen Melodien ausgestattet, an denen es meiner Meinung nach vielen aktuellen Bands fehlt. Ich denke unser großes Plus ist, gleichzeitig linientreuen und klischeefreien Metal zu spielen, der das Beste aus Old School und New School vereint, ohne ein Bestandteil einer aktuellen Strömung zu sein, was uns schon fast wieder zeitlos macht, He He…

Welche Alben oder Bands haben euch denn in letzter Zeit so richtig umgehauen?

Hm… Mein Metal-Herz ist ja wie gesagt eigentlich eher in den 90ern zuhause. Ich finde, dass da heutzutage selten ’ne Band um die Ecke biegt, die den Charme der großen Death- oder Thrash-Metal-Alben dieser besagten Zeit rüberbringt. MORBID ANGEL, ENTOMBED, GOREFEST, CARCASS, MACHINE HEAD, AT THE GATES, SEPULTURA und die dicken Eier von Zakk Wylde usw., da hat man doch eigentlich alles was man braucht, oder!? Wahrscheinlich liegt das aber gar nicht an den Bands, sondern vielmehr eher an den nostalgischen Gefühlen, die ich mit dieser Zeit verbinde. Natürlich gibt’s aber auch sehr gutes, neues Zeug. Viel Spaß hatte ich in letzter Zeit z.B. mit der neuen KATATONIA…wobei das zuerst ein Kampf war, der hat sich aber gelohnt hat, mit der „Acedia“ von DARK AGE, „The Fantomless Mastery“ von BLOODBATH oder als Kontrastprogramm mit der „Common Existence“-Scheibe der fantastischen THURSDAY…oder auch mit der aktuellen UNDEROATH. Ich höre mittlerweile ziemlich quer durch den Garten. Bei den anderen Jungs in der Band isses nicht anders… Sascha findet die neue MNEMIC sehr geil und Micha und Kummer lieben z.B. die neue BURY YOUR DEAD, die auch einfach richtig gut ist!

Technisch versiert seid ja nun alle bereits. Kein Wunder, denn für THE RETALIATION PROCESS fing eigentlich alles mit NAYLED an. Warum der Namenswechsel? Wie ist es überhaupt dazu gekommen?

Puh…du bist ja gut informiert! Rückwirkend betrachtet war NAYLED quasi die Findungsphase für THE RETALIATION PROCESS. Es fing nach meiner Zeit in der Black-Metal-Band MEPHISTOPHELES releativ „soft“ mit NAYLED an, einfach weil ich zu der Zeit mal eine Pause von der übertechnischen „Sportmusik“ brauchte, wie MEPH sie halt jahrelang gespielt haben. Wir hatten dann zuerst einen Sänger, der relativ nach Geoff Rickly von THURSDAY klang und die Mucke war somit eher rockig als metallisch. Dann kam aber der zweite Sänger und wir wurden etwas härter, auch weil es uns wieder mehr in den Fingern juckte, technischer zu spielen. Das steckt halt in uns drin. Kummer ist ja auch beinharter Metaller, mit dem spiele ich schon seit ich 15 bin zusammen. Naja, dann verloren wir aus unterschiedlichen Gründen auch diesen zweiten Sänger und mit dem alten Klampfer lief es auch nicht mehr so richtig gut. Es stellte sich für Kummer, Micha und mich einfach ab einem gewissen Punkt die Frage, wie viele Veränderungen eine Band durchlaufen sollte. Und irgendwie hat es uns gereicht und wir wollten noch einmal ganz frisch und mit klarer Vision durchstarten. Ab und zu ist es gut, neuen Dingen eine Chance zu geben, als krampfhaft an etwas Kaputtem festzuhalten. Dann fanden wir Christoph, und der hatte auch eine derbere Stimme als die ehemaligen NAYLED-Sänger zusammen. Ist ja auch klar, wenn man von IRATE ARCHITECT kommt, He He… Christoph ist ein Hamburger Metal-Urvieh; der hat schon in Bands gegrowlt, als ich noch nicht mal ’ne Gitarre halten konnte…und das ist echt lange her! Für ihn war es natürlich auch geil mit neuer Band zu starten und kein „Nachfolger“ sein zu müssen. Die neuen Ideen und Arrangements waren auch wieder zu 100% im Thrash/Death Metal angekommen, also wagten wir einen unbefleckten Neuanfang. Das alles hat uns total motiviert und sich defintiv gelohnt! Man sollte deshalb in THE RETALIATION PROCESS nicht die neue Form von NAYLED sehen, sondern eine ganz neue Band mit zwei neuen Leuten und anderer Ausrichtung!

Welche Bedeutung steckt für euch im jetzigen Bandnamen?

THE RETALIATION PROCESS ist ein Synonym für einen neuen Anfang und gleichzeitig Begriff und Erinnerung an den ausgefochtenen Kampf, den einige in der Band vor der Bandgründung durchleben mussten. Ich denke das alles gemeinsam neu aufzubauen, hat uns tierisch zusammengeschweißt. „Der Vergeltungsprozess“ ist mittlerweile zwar seiner emotionalen Phase entkommen, dafür sind wir aber stärker als jemals zuvor, gerade auch weil wir uns getraut haben, uns frontal durch unbequeme Zeiten zu schlagen anstatt aufzugeben. Trotz und gerade dank diverser Backstabber und Rückschläge sind wir unkaputtbar und haben noch dazu gerade unser tolles Debütalbum „Downfall“ draußen, was einfach absolut cool ist! Gerade auch in dieser schwierigen Zeit, in der viele Plattenfirmen um das nackte Überleben kämpfen und seriöse Plattenverträge nicht gerade von den Bäumen fallen… Wir sind also total glücklich und wissen unsere Chance sehr zu schätzen. Die zentrale Aussage des Namens und die Ansage an alle Menschen ist insofern, sich nicht und niemals unterkriegen zu lassen, egal wie viele Kübel Müll über Euch ausgekippt werden. Es lohnt sich immer für die Dinge einzustehen, an die man glaubt und die man liebt. Scheißt auf das restliche Gelaber!

Wie steht der Bandname in Verbindung zum Front Cover Artwork eures Albums?

Der Titel gibt das eben Gesagte im Groben ebenfalls wieder. „Downfall“ war einfach ein Zustand unseres Lebens. Nicht nur auf die Band bezogen. Die letzten zwei Jahre waren in einigen Bereichen sehr zäh und von Neuorientierungen geprägt. Das symbolisiert auch das karge Coverartwork. Dennoch sieht man da dieses Zeichen im Boden… Vielleicht ist es ein Kornkreiszeichen, auf jeden Fall aber ein Symbol, welches von Lebenden in einer toten Umgebung gezeichnet werden musste. Es bedeutet Hoffnung. Die Umgebung oder Lebenswelt des Artworks ist trist und leblos, aber der Wille der Eroberung oder der Wille, Dinge zu erreichen, die unerreichbar erscheinen, schenkt neue Kraft und somit Leben, Kreativität und schließlich eine neue Lebenswelt. Wenn du nicht aufgibst und weitermachst, dann passieren Dinge, die du niemals erahnt hättest. Ich glaube fest daran, dass man sein eigener Gott ist und seine Realität selber formt und dass es sich immer lohnt, sich gerade zu machen. Schicksal is uns nix…

Für den wirklich fetten Sound auf „Downfall“ ist Eike Freese verantwortlich, der ja nicht nur DARK AGE produziert, für die er außerdem am Mikro und an der Gitarre tätig ist, sondern auch für NEGATOR oder CALLEJON zum Beispiel. Wie kam diese Zusammenarbeit zu Stande? In wie weit beeinflusste euch seine bisherige Tätigkeit und Erfahrung?

Eike ist ein sehr guter Kumpel der Band. Und noch dazu ein fantastischer XBOX-Spieler, Ha Ha…! Nee, im Ernst, Hamburg is irgendwo auch nur ein Dorf und wir kennen uns alle weit über 10 Jahre von gemeinsam organisierten Konzerten oder Partys. Insofern bekommt man es ja auch mit, wenn ein Muckerkollege ein schickes Studio aufbaut. Wir haben deshalb auch schon mit unserer alten Band mit ihm gearbeitet und uns eigentlich immer gegenseitig unterstützt. Die DARK-AGErei besteht sowieso aus guten Jungs. Außerdem ist Freese eh mit der beste Metal-Producer in Hamburch und Umgebung, insofern ist der Fall eh klar. (grinst)

Welcher Song auf „Downfall“ hat eine ganz besondere Bedeutung für euch und was steckt dahinter?

Da würde nun jeder wahrscheinlich einen anderen Track wählen. Ich weiß, dass Micha „Down“ sehr am Herzen liegt, auch weil es ein für ihn sehr persönlicher Text ist. Ich habe den Text von „Blindfolded“ geschrieben, in dem ich mir auch einigen Frust von der Seele schreiben konnte, und Christoph hat da auch einiges gesagt. Gedanken festzuhalten hat irgendwie immer etwas reinigendes…aber ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass wir auf das Album als Gesamtpaket sehr stolz sind! Wir haben stark darauf geachtet, jederzeit die Spannung zu erhalten und genug Dynamik zu bieten, weshalb wir mit verschiedenen tiefen Gitarrentunings und Geschwindigkeiten gearbeitet haben. Es gibt in jedem Track massig Killer-Riffs, geile Melodien und Hooklines, gepaart mit den Pissed-Off-Vocals von Christoph und Kummers unnachamlichen Grooves. Die Band brennt! Geile Ansage, oder? Ich sollte in die Werbebranche wechseln… Ha Ha! Aber ich bin schon echt stolz auf das Baby! Aber ebenso klar ist, dass ich auch noch Luft nach oben für’s zweite Album sehe. Sechs Songs stehen schon!

Ein paar Gigs spielt ihr demnächst auch… Welche Band würdet ihr gern supporten, wenn ihr euch das aussuchen dürftet?

Ich glaube bei SLAYER, MACHINE HEAD, ENTOMBED, CARCASS, METALLICA, RAMMSTEIN oder den PUSSYCAT DOLLS würde bei uns keiner „Nein“ sagen. Eigentlich spielen wir an jeder Pommesbude, wenn wir das Gefühl haben eine gute Show bieten zu können und dass uns die Veranstalter wirklich gerne sehen würden. Wer uns also buchen möchte, kann uns jederzeit gerne über MySpace (www.myspace.com/theretaliationprocess) oder auch per E-Mail (theretaliationprocess[at]gmx.de) kontaktieren.

OK, dann danke ich für das Interview…und die letzte Worte gehören euch:

Jo Jens, vielen Dank für das Interview! Wie ich dir ja schon gesagt habe, find‘ ich metal.de extrem cool und surf bei euch sehr oft vorbei. Insofern freut es mich natürlich besonders, dass wir die Chance erhalten haben uns hier mal vorzustellen. Ansonsten freuen wir uns immer über Rückmeldungen der Hörer auf MySpace. Das Album ist außerdem ab dem 26.02.2010 überall erhältlich und falls nicht, dann nervt den CD-Dealer eures Vertrauens! Up the Hornz!

15.02.2010
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