The Other
Unsere Aufgabe ist es jetzt diese ganze Sache wieder "Great Again" zu machen und im Idealfall durch diese ganzen Strukturen, die wir jetzt haben, sogar "greater" als damals. Und den Bands, die es verdient haben, einfach mehr Aufmerksamkeit zu bescheren.

Interview

Der schönste Feiertag des Jahres steht vor der Tür. Und nein, die Rede ist hier natürlich nicht von Weihnachten. Ursprünglich von irischen Einwanderern nach Amerika gebracht, hat das Fest eine uralte Tradition, dessen Ursprünge mutmaßlich bis zum keltischen Samhainfest zurückreichen. An diesem Tag überschneidet sich die Welt der Lebenden mit der anderen Welt und im Schein der sogenannten Bonfires (Knochenfeuer, da hier die Knochen des Schlachtviehs verbrannt wurden) öffnet die Unterwelt ihre Pforten. Mittlerweile hat sich das Fest über die ganze Welt verbreitet und ist schon lange in der Popkultur angekommen. Legionen von Filmen, Büchern und Musikern haben sich dem Thema angenommen, oder sogar eine ganze Identität darum aufgebaut. Ein passender Anlass also, um mit einem passionierten Vertreter dieser Art zu plaudern. Rod Usher (bei Tage Thorsten Wilms) ist Frontmann der Horrorpunk-Größe THE OTHER aus (passenderweise) Leichlingen bei Köln und begeisterter Fan von jeglichem Spuk. An einem dunklen Oktoberabend sprachen wir unter anderem über Themen wie die neue Single von THE OTHER, die Horrorpunk-Szene, die Auferstehung des Labels Fiend Force und schaurige Literatur.

„There Are Skeletons In My Closet, But There’s Room For Just One More, There Are Skeletons In My Closet, But It’s You That I Want Here, Don’t You Look Too Deep Inside, You Might Find What You Don’t Like, Don’t Drag Into The Light, What You Can’t Comprehend…“

THE OTHER – „Skeletons In The Closet“

Mit THE OTHER-Frontghoul Rod Usher über Horrorpunk und die Auferstehung von Fiend Force.

Hi Thorsten, wie geht’s dir?

Hi, gut und selbst?

Bin momentan ein bisschen durch den Wind wegen Prüfungsstress, aber sonst gut.

Wie findest du denn den neuen Song?

Habe ihn mir zwar erst zweimal angehört, aber finde ihn richtig gut. Viel Doublebass am Anfang und ein starker Refrain. Macht Spaß.

Das freut mich sehr. Der ist im Proberaum beim Jammen entstanden, als unser Drummer zum warm werden einen Doublebass-Takt gespielt hat. Dann hat Ben (Crowe, Gitarrist bei THE OTHER) ein Gitarrenriff drauf gespielt und ich habe einfach ein paar „Whoas“ gemacht und nach fünf Minuten war dieser Song in seiner Grundstruktur eigentlich fertig. Natürlich nicht komplett, aber die „Whoas“ waren da, der Refrain war da und der Text war auch da. Und von allen vier Songs, die wir schon gemacht haben, war das der Letzte und den nehmen wir jetzt, um mal wieder ein Lebenzeichen von uns zu geben. Es ging echt total schnell und er hat so ein SAMHAIN-mäßigen Vibe. Am Anfang schnell in Richtung Punk und Metal und dann kommt so ein DANZIG/SAMHAIN-Style. Ich glaube er repräsentiert uns relativ gut.

Finde ich auch. Gerade auch die Entwicklung, die ihr so in letzten Jahren gemacht habt. Das fasst der Song ganz gut zusammen. 

Ja, denke ich auch. Ich finde, dass er vielleicht ein bisschen straighter ist. Beim letzten Album haben wir versucht wieder so ein bisschen mehr in Richtung Punk-Rock zu gehen. Der Song hier ist jetzt wieder ein bisschen härter, aber dafür halt auch sehr straight. Also ich kann nicht sagen, wohin die Reise geht. Aber wenn es so weiter geht, dann freue ich mich.

Arbeitet ihr denn momentan auch konkret an einem neuen Album, oder war diese Veröffentlichung  jetzt eher einfach so nebenbei?

Ne, wir schreiben wirklich an einem neuen Album. Das war jetzt eigentlich Song Nummer fünf. Den haben wir ja jetzt wirklich schnell fertig gemacht. Andere Songs sind aber auch schon relativ weit. Einer ist noch ein bisschen Baustelle. In meiner Excel-Liste sind ca. zwanzig Songideen, an denen wir parallel arbeiten. Es sind aber wirklich erst fünf, von denen man sagen kann, das könnten jetzt wirklich richtige Songs werden. Man muss aber auch sagen, dass wir momentan wieder so ein bisschen den Weg suchen. Das letzte Album war ein bisschen punkiger und hat uns sehr viele positive Reviews gebracht. Auch Leute, die uns auf den letzten Alben vielleicht etwas zu metallisch fanden, haben sich dort wieder sehr gut aufgehoben gefühlt. Es gibt aber trotzdem immer wieder Leute, die uns sagen, dass wir immer noch nicht wieder so schnell wie früher spielen. Da müssen wir mal schauen, wohin uns die Reise führt. Der eine oder andere in der Band mag die härteren Sachen nicht ganz so gern und der andere will lieber ein bisschen mehr zurück zu den Wurzeln.

Obwohl ihr diese Mischung ja auf den letzten Alben ganz gut zusammen gebracht habt.

Es ist immer ein bisschen schwer zu wissen, ob man die richtige Route geht. Natürlich gibt es immer Leute, die sagen: „We Are Who We Eat“ ist das beste Album. Das sind die Leute, die von Anfang an mit dabei waren. Dann kommen die Leute, die so in der Mitte einstiegen sind und sagen: „New Blood“ ist das beste Album. ich bin geneigt dem zuzustimmen, aber für mich ist natürlich das aktuellste Album immer das beste Album. „New Blood“ ist vielleicht das beste Oldschool-Album und „Haunted“ ist vielleicht das beste neuere Album. Aber jeder hat ja andere Erinnerungen daran.

Klar, das stimmt. Letztendlich müsst ihr ja aber auch selber glücklich sein mit dem, was ihr spielt. 

Das ist klar, aber du kannst jetzt nicht plötzlich anfangen nur Midtempo-Songs mit ausgiebigem Gitarrengedudel zu machen. Und gleichzeitig kannst du nicht anfangen nur langsamen und düsteren Death-Rock, oder sogar Black Metal zu machen. In Kritiken zum letzten Album wurden wir sogar ein paar mal mit GHOST verglichen, weil der erste Song eine ähnliche Atmosphäre hat. Ich liebe GHOST keine Frage. Aber so dürften wir uns nicht entwickeln. Dann würden die Leute sagen: „Hey, das ist jetzt aber ein bisschen langsam geworden“.

Bei GHOST ist das ja auch von vornherein ein gesamtes Konzept gewesen mit dem poppigen Sound und der Düsternis. Das war ja alles schon von Anfang an so geplant. 

Wie gesagt, ich finde die Band grandios und ich finde das Konzept super und wie sie das durchziehen. Ich bin halt riesiger KISS-Fan und da sehe ich einfach totale Parallelen. Einfach vorher überlegt, was soll passieren und dann eisenhart durchgezogen. Hut ab. Ich finde es auch musikalisch grandios, damit bin ich zuerst auf die Band gestoßen. Dementsprechend kann man von GHOST sowie auch von KISS lernen. Indem man einfach stringent an irgendetwas arbeitet und weiß, was sein Sound ist. Wir müssen und wollen auch in diesem Genre bleiben und jetzt sind wir auf Fiend Force Records, dem „Home Of Horrorpunk“! Irgendwo muss der Name ja auch ein bisschen Programm sein.

Richtig. Wie kam es denn überhaupt dazu, dass es jetzt mit Fiend Force wieder angefangen hat? Das kam ja jetzt als Überraschung irgendwie ganz aus dem Nichts. 

Ja, das hat natürlich eine etwas längere Geschichte. Anfangen ein bisschen mit der MISFITS-Reunion, als sich so mancher dachte: „Hmm, Horrorpunk hat ja nicht mehr so den Hype wie früher“. Dann kam die Reunion und anschließend haben wieder mehr Leute darüber gesprochen. Das war so das Erste. Und dann ganz plötzlich habe ich auch immer mehr Interviews gegeben. Zum Beispiel für den Ernie von Krachmucker TV. Der hat auch ein YouTube-Video über die ersten Jahre von Fiend Force gemacht, so ca. eine Stunde lang. Das kam richtig gut an, da gab es richtig viel Feedback drauf. Dann waren da so ein paar Skandinavier, die haben so ein bisschen sarkastisches Video gemacht, so „How To Be Horrorpunk“. Da ging es dann so quer durch die ganze Geschichte und da wurde sehr viel Fiend Force erwähnt und ganz viele Alben von uns durchgezogen und dann wurde da so ein Song nach dem Motto „Your Guide To Horrorpunk“ gespielt. Und dann habe ich da als Rod Usher kommentiert und dann kam von überall: „Ach wie toll, wenn es Fiend Force noch gäbe.“ Und ich habe immer noch gesagt: „Ne, mache ich nicht.“ Und dann kam der Flo von PYOGENESIS, der ja auch unser Booker ist mit Hamburg Records und hat gesagt: „Hör mal Thorsten, da brodelt gerade irgendwie was. Wie sieht´s denn aus? Willst du das nicht noch mal machen, am besten mit mir zusammen? Dann haben wir auch professionelle Strukturen.“ Und dann habe ich gesagt: „Ja, aber nur, wenn es wirklich so wird, dass man da vernünftig dran arbeiten kann.“ Früher war es halt quasi aus dem Schlafzimmer heraus und da war viel im Argen. Also Buchhaltung macht mir zum Beispiel keinen Spaß.

Kann ich absolut nachvollziehen, das muss ich auch momentan lernen.

Ja und dann hat der Flo mit Massacre Records, die ja zu Soulfood gehören, die wiederum zum digitalen Vertrieb Belief gehören, eingetütet, dass wir mit Fiend Force bei Massacre lizenziert werden. Es gab also die Möglichkeit für Flo und mich rein künstlerisch zu arbeiten. Und natürlich auch Marketing und Promotion zu planen. Aber sozusagen den ganzen Hintergrund mit Massacre zu machen. Beziehungsweise gibt es dort feste Strukturen, die das alles tun. Also von einer Pressung planen bis hin zu Abrechnungen mit den Bands erledigen. Und da habe ich gesagt: „So lange das alles weg ist und man nur den Spaß hat, also Bands signen, zusammen mit Bands arbeiten und so weiter, dann mache ich das wieder.“ Ja und dann plötzlich ging das Schlag auf Schlag. Das fing so um Weihnachten bzw. Ende des letzten Jahres an und dann ergab sich das. Und plötzlich geht es dann doch schneller, als man denkt. Dann denkt man sich: „Oh, Halloween ist in zwei Wochen, wir sollten langsam mal ankündigen.“ An dem neu erstarktem Interesse an Fiend Force ist also plötzlich der Relaunch geboren. Und es war nicht nur das. Man vermisst ja irgendwas. Man vermisst irgendwo dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Aber auch durch Horrorpunks Germany hat sich ja bereits viel gefunden und da gibt es eine ganze Gruppe von Leuten, die wirklich immer wieder kommen. Auch das fühlt sich wieder an wie früher. Früher gab es dann halt noch Fiend Force als Anker. Und jetzt hast du die MISFITS-Reunion und Horrorpunks Germany, das die Leute zusammenbringt. Da fehlte dann halt noch Fiend Force. Jetzt fühlt es sich wieder an wie früher und ich mich wieder wie ein junger Mann. Es ist eine richtige Aufbruchsstimmung.

„Unsere Aufgabe ist es jetzt diese ganze Sache wieder „Great Again“ zu machen und im Idealfall durch diese ganzen Strukturen, die wir jetzt haben, sogar „greater“ als damals. Und den Bands, die es verdient haben, einfach mehr Aufmerksamkeit zu bescheren.“

Es war ja auch echt schade, dass es das Label nicht mehr gab. Und es ist schön, dass es dann jetzt doch wieder kommt. 

Finde ich auch. Und man darf halt auch nicht vergessen, dass Horrorpunks Germany und Deadly Distribution schon gut vorgelegt haben. Und dass Sick Taste natürlich auch ein cooles Label ist. Es gab ja den Horrorpunks-Germany-Sampler und Sick Taste hatte auch einen coolen Sampler gemacht. Und das hat sich für mich auch schon wieder angefühlt wie damals. Plötzlich machen das andere und ich fand das geil und wir haben uns alle ausgetauscht. Da gab’s keinen Streit oder irgendwas. Jeder hat für sich gearbeitet. Zum Beispiel wusste der Volker von Deadly Distribution schon vor Monaten, dass ich wieder mit Fiend Force anfange, weil wir an den selben Bands dran waren. Aber da neidet sich keiner was. Das finde ich total klasse. Das ist eine Szene jetzt wieder plötzlich am erstarken und das will ich einfach unterstützen. Wir wissen alle, mit Horropunk kann man noch kein großes Geld verdienen, aber darum geht’s ja auch gar nicht. Ich muss mir jetzt nicht nach 20 Jahren THE OTHER mit meinem Label etwas beweisen, sondern das kommt aus Spaß, für die Szene und ein ganz kleines bisschen Nostalgie. Unsere Aufgabe ist es jetzt diese ganze Sache wieder „Great Again“ zu machen und im Idealfall durch diese ganzen Strukturen, die wir jetzt haben, sogar „greater“ als damals. Und den Bands, die es verdient haben, einfach mehr Aufmerksamkeit zu bescheren. Mein größter Wunsch ist es, dass wir mit Fiend Force eine junge Band finden, die noch nicht bekannt ist und die so groß machen wie GREEN DAY damals. Weil GREEN DAY hat den Punk-Rock in den Neunzigern auf ein ganz anderes Niveau gehoben. Ohne kein GREEN DAY kein THE OFFSPRING, kein RANCID, LAGWAGON und wie sie alle heißen. Sogar BAD RELIGION haben plötzlich davon profitiert. Und das zu erreichen wäre großartig.

Ein sehr großes Ziel, aber auch ein sehr cooles.

Dankeschön. Ob wir es schaffen, sei mal dahingestellt. Aber wir wollen halt die ganzen Bands finden, die da irgendwo im Proberaum werkeln und super talentiert sind, aber einfach keine Möglichkeiten haben. Denen wollen wir Strukturen anbieten, um besser zu werden. Deswegen sitzt auch der GOOLSBY in Amerika und kann mit den Bands dort in Kontakt bleiben und ihnen Tipps geben, wie sie ein Konzept entwickeln und wie sie einfach besser Gitarre spielen usw.

Habt ihr denn auch schon Bands im Blick?

Das unter anderem DARKER DAYS aus Salem, Massachusetts sein. Das ist so ein etwas modernerer Stil. Das hat was von BLITZKID, aber auch so ein bisschen RISE AGAINST. Sehr melodisch und sehr geil und die haben auch richtig Bock. Wir waren auch mit einer anderen Band aus Amerika in Kontakt und es war schon alles unterschrieben, aber dann hat sich ganz plötzlich die Band aufgelöst. Das war sehr traurig, denn wir hatten da große Hoffnungen. Und dann wir da auch noch ein Projekt. Erinnerst du dich an Road Runner United?

Na klar.

So in der Art. Flo, GOOLSBY und ich möchten quasi eine Horrorpunks-United-Variante. Eine erste Single kommt dann auch. Wir haben einige Leute, die mitmachen wollen und Interesse haben und die dann auf den Songs spielen, die wir vorher oder gemeinsam mit ihnen geschrieben haben. Der ein oder andere Sänger wird dann auch zu hören sein. Also es soll wirklich ein Unity-Ding werden. Wir holen die Protagonisten der Horrorpunk-Szene zusammen und machen ein Album, bei dem coole Leute beteiligt sind, die einfach Spaß daran haben. Die erste Single kommt am 17.11.2021. Das Projekt wird „Grand Horror“ heißen, also der „große Horror“. So wie Grand Guignol, das Horror-Theater in Frankreich. Da gab es mal von den BlOODSUCKING ZOMBIES ein Album mit dem Titel „A Night At Grand Guignol“. Das haben wir noch mit Fiend Force rausgebracht. Beim Grand Guignol in Paris war ich auch mal, bzw. ich stand davor. Das ist einfach nur noch eine Nebenstraße. Da steht gar nichts mehr, nur noch ein Theater, also so ein ganz normales und nichts mehr mit Horror-Theater. Da ist einfach nur noch ein grauer Eingang, wo irgendwelche bunten Plakate hängen und hat mir früher nichts mehr zu tun.

Ich weiß auch nicht, ob sich sowas heute noch halten würde. Früher hat das halt noch geschockt, aber heutzutage ist man ja ganz anderes gewohnt.

Da kann man ja auch echt keinen mehr mit schocken. Ein Hamburg Dungeon macht sowas ja bei jeder Führung.

Aber es ist auch schon echt cool, was die sich da für einen Aufwand machen.

Ja, echt super. Und ich würde auch so gerne einfach mehr Aufwand haben. Das Ding ist, bei so einer statischen Aufführung kannst du natürlich viel mehr machen, als wenn du alles mit auf Tour nehmen musst. Das kann natürlich ALICE COOPER und die BLOODSUCKING ZOMBIES machen das auch sehr geil, aber das wäre für uns nicht praktikabel. Auch das ist sowas. Wir wollen den Bands, mit denen wir arbeiten, auch Möglichkeiten bieten. Die Hell Nights Tour machen wir zwar z.B. noch, aber früher sind wirklich mit einem ganzen Tross und zwei Nightlinern durch die Gegend gefahren. Und das Fiend Fest (später Fiend Force Fest) damals war der Anziehungspunkt der ganzen Szene. Klar, heute können die Bands von damals das alles selber. Aber damals haben dort BLITZKID, SHADOW REICHENSTEIN, THE CREEPSHOW usw. dort gespielt. Ich weiß noch, wie den Morgan von MARDUK mit seinem Nebenprojekt DEVILS WHOREHOUSE vom Flughafen abgeholt und dann nach Solingen gefahren habe. Der hat nur gedacht: „Wo bin ich hier“? Und plötzlich steht der da, und die Halle ist am durchdrehen und nachher haben wir so hart gefeiert. Du kannst dir diese Partys nicht vorstellen und die Stimmung die da geherrscht hat. Natürlich wird man das nicht so eins zu eins hinbekommen. Aber hey, man kann es ja mal probieren.

Rod Usher will Horrorpunk (wieder) groß machen und jungen Bands Unterstützung bieten.

Wäre cool, wenn das alles noch mal so durchstartet. 

Ja und mehr als erst mal schauen was passiert, kann man ja gerade nicht. Wir sind aber natürlich auch kein Major-Label und die Bands müssen natürlich auch weiterhin tun, was sie gerade tun. Du musst ja heutzutage schon Social-Media-Manager sein und die Kamera auf jedem Konzert irgendwie dabei haben. Als KISS-Fan finde ich das ganz schrecklich, dass du bei jedem weißt, welches Klopapier er nimmt. Ich will noch ein bisschen diesen Zauber haben und das bringt Horrorpunk auch noch irgendwo. Dass da halt nicht der Thorsten auf der Bühne steht, sondern Rod Usher. Das ist das Gefühl, das Horrorpunk irgendwie noch bringt. Dass da eine andere Person auf der Bühne steht und da etwas verrücktes passiert.

Nehmt ihr denn auch viele von den etablierten Bands mit auf Fiend Force? Zum Beispiel NIM VIND oder CALABRESE

Das wäre natürlich eine gute Sache, aber ich glaube manche Bands haben sich so ein eigenes Standbein geschaffen, dass die uns vielleicht auch nicht mehr brauchen. CALABRESE machen so gut ihr eigenes Ding. Wir wollten damals mit ihnen arbeiten, aber die haben dann auch gesagt, dass sie es selber machen. Wer denen noch etwas bringen könnte wäre vielleicht Warner Music, aber wahrscheinlich nicht Fiend Force. Weil in der Szene kennt jeder CALABRESE. Wenn wir irgendwann mal ein Major-Label sind, dann können wir vielleicht mal darüber reden. Ich habe damals das Label für THE OTHER gegründet. Ich habe die Idee für den Namen gehabt, die Idee für das „Home Of Horrorpunk“, die Idee für den Sampler gehabt und eigentlich wollte ich nur ein Label für THE OTHER. Daraus kam dann die Idee, dem Genre auch mal einen Namen zu geben. Das haben wir getan. Dann haben wir gesagt: „Nehmen wir eine Compilation und nennen sie „This Is Horrorpunk“, um zu zeigen, was Horrorpunk ist.“ Und das ist das, was wir auch jetzt anbieten können. Was bedeutet, dass wir wahrscheinlich auch eher mit Bands arbeiten, die noch nicht bei jedem bekannt sind. Für CALABRESE müssen wir da also nicht mehr so viel tun. Aber ich bin ehrlich, wenn mein alter Freund Chris von NIM VIND Lust hätte, würde ich ihn natürlich mit Handkuss nehmen. Eine der genialsten Bands, welche die Szene zu bieten hat.

Merch und sowas übernehmt ihr dann auch für die Bands?

Wir wollen das nicht nur, sondern wir müssen das auch. Früher konntest du nur mit CD-Veröffentlichungen ein Plattenlabel führen. Früher haben wir mit Fiend Force auch erst später im Vertrag die Digital-Rechte gehabt. Da gab es ja noch keine Streaming-Plattformen. Und heutzutage kommst du da nicht mehr drum herum. Also das Geld, das du ins Marketing und einen Künstleraufbau investierst, bekommst du nicht mehr durch CD- und Vinyl-Verkäufe wieder rein. Wir wollen den Künstlern ein schönes Paket anbieten.

Fiend Force damals und Fiend Force heute. Kannst irgendwelche Entwicklungen oder Unterschiede innerhalb der Szene ausmachen?

Das ist eine gute Frage, da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Ehrlich gesagt, sehe ich nicht so den großen Unterschied. Weil Punk-Rock und Horrorpunk sind ja so komplett barrierefrei, dass du dir die Gitarre schnappen und los schrammeln kannst und wahrscheinlich mit einer Stunde Übung einen MISFITS-Song runterspielen kannst. Und das ist das Gute daran, es ist absolut basisdemokratisch. Das war damals so und das ist heute so. Ich glaube anders ist, dass die Bands außer den MISFITS damals keine Vorbilder hatten. Und jetzt hast du Bands wie BLITZKID, CALABRESE und vielleicht auch THE OTHER, die Vorbilder sind. So dass möglicherweise die Spannbreite, die es früher gab, vielleicht nicht mehr so da ist. Dass Horrorpunk eine Entwicklung gemacht hat und jeder, der sich mit der Szene beschäftigt weiß, wie Horrorpunk klingen kann. Vielleicht ist es dadurch auch ein kleines bisschen linearer geworden ist. Ich glaube heutzutage sind die Bands dann vielleicht erst mal eher an ihren Vorbildern orientiert. Wirklich schwer zu sagen. Sieh haben viel mehr Möglichkeiten. Von rudimentären Anfängen zur Weiterbildung haben sie heutzutage sehr viel Referenzmaterial und ich hoffe, dass sie es nutzen werden. Aber ich glaube, dass ist vielleicht mehr ein Thema für in ein paar Jahren. Um erst mal zu sehen, wie sich das alles entwickelt. Ich kann aber sagen, dass ich seit der Ankündigung von Fiend Force mit Anfragen bombardiert werde. Sehr viel aus Südamerika, wo wir auch mit THE OTHER ein großes Publikum haben. Gerade habe ich auch zum Beispiel Links von einer Horrorpunk-Band aus Kuba und einer aus Chile bekommen. Vielleicht passiert da noch viel, auch weltweit. Auch in Russland gibt es gute Bands wie MOLLY FANCHER und die CHANEYS.

Willst du vielleicht ein paar Horrorpunk-Bands oder auch Alben nennen, die dich so in den letzten Jahren begeistert haben? Oder vielleicht ein paar Alltime-Favourites?

Das ist eine gute Frage. Also ich muss sagen, von den etwas neueren Bands haben mich SILENT HORROR mit „Silver Screen“ richtig abgeholt. Finde ich richtig stark. Gleichzeitig muss ich sagen, dass man bei BLITZKID mit ihren neuen drei bis vier Songs einfach merkt, warum sie so beliebt sind. Die sind einfach großartig. Dann hatten SHADOW REICHENSTEIN damals einfach so einen einzigartigen Sound. Die würde ich vielleicht als eine meiner Top-Bands bezeichnen. Genau wie NIM VIND. Ich nenne dann einfach allgemein noch ein mal die geilsten neueren Bands. Das sind SILENT HORROR, 5 ¢ FREAK SHOW, DIE GHOST, DARKER DAYS, die wir gerade gesignt haben und dann noch LEFT HAND BLACK aus Schweden. Das sind so die Bands, die man im Blick behalten sollte.

Es ist ja bald Halloween. Willst du auch ein paar Horrorfilm- oder Buchempfehlungen geben? 

Filme ist schwer geworden, da ich beim Thema Filme etwas sensibel geworden bin. Ich schaue mir kaum noch neue Horrorfilme an. Die alten Klassiker schaue ich aber natürlich immer noch gerne. Und so Sachen wie „Conjuring“ usw. finde ich auch total klasse. Aber gerade wenn es die ganze Zeit nur noch Jump-Scares sind, dann bin ich da wirklich raus. Ich würde einfach mal Autoren nennen. Diese vier Autoren haben definitiv das Zeug dazu einen Eindruck zu machen, wie es Stephen King getan hat.

Gut Thorsten, das war’s. Ich danke dir für das Interview. Hat Spaß gemacht. 

Ja, herzlichen Dank. Mach’s gut.

Quelle: Rod Usher via Skype
30.10.2021
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