The Offenders
Interview mit Sänger, Gitarrist und Songwriter Valerio zu "Generation Nowhere"
Interview
Die vier Musiker von THE OFFENDERS haben gerade mit „Generation Nowhere“ ein prächtiges Album abgeliefert. Da die Band praktisch dauerhaft auf Tour ist, schnappten wir uns vorher schnell Sänger, Gitarrist und Hauptsongwriter Valerio (im Bild mit Sonnenbrille). Der nette Italiener plauderte über die neue Musik von THE OFFENDERS, die Entstehung von Musik und Band, über Ska an und für sich und über Skinheads, Mods, Suedeheads und Herberts.
Wann habt ihr „Generation Nowhere“ fertiggestellt und wie war so das Gefühl bis zum Release?
Also zuerst mal „Hallo“ an alle, es freut mich für metal.de einige Fragen beantworten zu dürfen. Normalerweise geht immer alles sehr schnell, wenn wir schon soweit sind, dass wir aufnehmen. Dann liegen ja bereits Monate der Arbeit hinter uns, Stunden im Proberaum und die Zeit, die wir alle zwischen den Touren privat investieren. Ich persönlich liebe die Studiozeit, das sind kleine Babys die geboren werden und dauerhaft auf CD beziehungsweise digital festgehalten werden…und weißt du, ohne jetzt zu philosophisch zu werden (lacht): Es ist eine Möglichkeit ein Stück von dir dazulassen, dass dich überdauert. Während wir dann auf die Veröffentlichung warten, haben wir keine Zeit großartig darüber nachzudenken, wir sind eigentlich ständig auf Tour in Europa und dann China…ehrlich, wir denken nicht wirklich darüber nach, wir freuen uns einfach nur darauf!
War es also keine nervöse Zeit, sondern eher eine entspannende, weil alles fertig war?
Ich für meinen Teil bin viel nervöser, bevor es ins Studio geht. Ich will, dass alles gut wird und wir unsere Kapazitäten und Fähigkeiten voll ausschöpfen, meine Bandkollegen wissen, was ich meine. Und Tom Spoetter, der für den Mix zuständig ist, kennt uns sehr gut und weiß welchen Klang wir erreichen möchten… alles kommt dann einfach ganz natürlich.
„Generation Nowhere“ ist der Titel der Platte, was ist denn genau damit gemeint und an welche Generation ist das gerichtet?
Tja, also was hinter den einzelnen Worten steckt ist sicherlich klar, Generation ist ja selbsterklärend. Es richtet sich an Leute, die während der frühen Achtziger oder späten Siebziger geboren sind, das ist die Generation die mich vorrangig betrifft. „Nowhere“ steht für das Gefühl verloren zu gehen, wie schon die TALKING HEAD sangen: „Wir sind auf dem Weg nach Nirgendwo“. Meine Generation ist komplett auf der Straße nach Nirgendwo, gefangen zwischen dieser neuen Wirtschaftskrise, dem Verlust von Werten und Identitäten, Missbrauch von Alkohohl und Drogen macht die Leute verrückt und sozialer Zusammenhalt geht mehr und mehr verloren. Ich denke, das sind die Tatsachen und man muss nur die Augen öffnen und mal um sich rumschauen und besonders ganz genau auf sich selbst schauen.
THE OFFENDERS „… eine Band aus Berlin, mit italienischen Wurzeln..:“, wie kamen THE OFFENDERS zusammen und wo ist die Basis der Band?
Ich gründete die Band Ende 2005, aber man kann sicherlich sagen, dass wir seit 2008 richtig aktiv sind, als wir unsere zweite Single „Wake Up Rebels“ herausbrachten und nach Berlin zogen. Das war nach unserer ersten Europa-Tour, da begann das Abenteuer und führte uns hierher. Sicherlich machen wir weiter, solange wir atmen. THE OFFENDERS wurden gegründet von mir und dem Schlagzeuger Checco, wir sind beide in derselben Stadt im Süden Italiens geboren und fingen mehr oder weniger zur gleichen Zeit an Musik zu machen. Wir haben also sehr viele Gemeinsamkeiten und deshalb folgte ich ihm, als er 2008 nach Berlin zog. Wir wollten beide die Prioritäten in unserem Leben auf die Musik setzen und nicht bis zum Ende des Lebens bereuen, es nicht getan zu haben. Seit 2009 haben wir dann Alex aka Captain Elysium aus Berlin hinter der Hammond-Orgel und dem Keyboard. Und heute auch Bassist Kris, somit der dritte Italiener in unserer Band. Davor hatten wir Bassisten aus aller Welt, aus Israel, Deutschland und Spanien. Wir scheren uns nicht darum, woher sie kommen, solange sie spielen können und dem „Team“ helfen.
Wir waren denn die Kritiken für das neue Album und schert ihr euch darum?
So far so good…so what! Wie sich einige der Leser sicher erinnern können..(lacht). Alle Reviews sind positiv und wir sind wirklich sehr enthusiastisch, das kommt nicht oft vor. Unser letztes Album fuhr schon einige gute Kritiken ein, aber dieses Mal ist es noch besser und auch schon, bevor die Platte überhaupt erschienen war, also sind wir glücklich uns geehrt schöne Worte über unsere Musik zu hören. Aber ich muss schon sagen, dass ich persönlich mir nie ein Album wegen einer positiven Kritik gekauft habe. Und genauso wenig kaufe ich es nicht nicht, wegen einer schlechten Kritik. Da gab es ein paar Fucker, die sagten „Ziggi Stardust“ von DAVID BOWIE sei ein schreckliches Album, fuck them! Kritik oder nicht, es ist eine Chance ins Gespräch zu kommen. Oder während der Punk-Hochzeit, da sagten auch einige Kritiker schlechte Dinge über THE CLASH. Ich meine… THE CLASH!… eine Band die Millionen von anderen Bands beeinflusst hat, ganz gleich ob Mainstream oder Underground, also was soll man über die Wertigkeit von Kritiken sagen? Es ist eine persönliche Meinung und ich kann sagen, dass ich sie respektiere, aber es mich nicht sonderlich beeinflusst. Ich muss ein Album selbst hören, bevor ich für mich urteile.
Ska scheint ja weiterhin eine Underground-Szene zu sein und wahrscheinlich auch zu bleiben. Ist das in Ordnung so, oder sollte sich dies deiner Meinung nach ändern?
Ich denke gar nicht, dass man unsere Musik als SKA definieren könnte, wenn wir über den ursprünglichen, bekannten Ska aus den späten Sechzigern in Jamaika sprechen. Wahrscheinlich hatten wir ein Top-Revival in England in den späten Siebzigern, davon sind wir weit entfernt. Sicherlich können unsere Wurzeln davon kommen, seit wir Offbeat spielen. Aber eigentlich ist es eher ein Mix auf 77er Punk, Mod-Revival, Power-Pop und sicherlich dem Geist der 69’er Roots-Culture. Ich denke unsere Musik ist sehr simpel: Vers, Refrain, Vers, Refrain…das ist nicht wirklich Underground. Underground beinhaltet auch immer Themen, die für einige „Pop-Hörer“ nicht wirklich interessant sind. Meine Art mich zu kleiden ist etwas zugeordnet, dass auch missverstanden werden kann, seit die Skinhead-Kultur häufig mit Neonazi-Bullshit vermischt wird und so weiter. Das ist der Untergrund, nicht die Musik und sicherlich hoffe ich, dass sich etwas ändert und Leute von der Straße auch wieder die Charts entern, wie in den 60ern, 70ern und eventuell noch in den 80ern oder auch 90ern, als der Brit-Pop nach Europa kam. Am Anfang waren damals die größeren Bands dieser Welle vorher wirklich „unabhängig“.
Für jemanden der jetzt nicht mit eurer Diskografie vertraut ist, was hat sich über die Jahre im Sound von THE OFFENDERS verändert?
Ich denke es gibt einen riesigen Unterschied zwischen unserem ersten Album „Hooligan Reggae“, welches noch komplett von 2-Tone beeinflusst war und unserem aktuellen Album „Generation Nowhere“, welches sich komplett an dem Mix aus Offbeat und 77er Punk orientiert. Mehr Distortion, viel mehr Gitarren und weniger Hammond-Riffs, ich meines es klingt mehr nach Rock als nach Ska, wenn wir uns jetzt mal ohne Details festlegen müssten.
Was ist denn dein ganz eigenes Verständnis von Ska, welche persönliche Einstellung und welchen Lebensstil verbindest du damit?
Wie gesagt, es kam ursprünglich von den Jamaikanern, die in England arbeiteten, der Arbeitsklasse also. Sie brachten diese Offbeat-Shuffle-Musik in die ganze Welt und auch zu den weißen Menschen. Aus den jamaikanischen Rudeboys wurden die Skinheads, die Mods, die Suedeheads, Herberts und all die kleinen Sub-Kulturen, die sich aus den Arbeiterklassen bildeten. Die erste Sub-Kultur übrigens, die sich bis dato aus Menschen verschiedener Herkunft ergab. So ist also hinter dem „Ska“ eine Geschichte einer Sub-Kultur, das nennen wir „den Geist von 1969“. Besonders als der Mods-Style und dann der Skinhead-Style erst in England und dann in der ganzen Welt bekannt wurde. Das verbinde ich damit.
Ich hab garantiert ein paar Pfunde verloren, während ich euer Album gehört haben, weil es mich einfach zum Bewegen und zum Tanzen motiviert. Was ist denn eure Motivation überhaupt Musik zu machen?
Danke dafür, ich nehme das als Kompliment, wobei ich keinen Ärger mit diversen Fitness-Studios will (lacht). „Generation Nowhere“ ist ja nicht wirklich ein Party-Album, besonders wenn man die Texte beachtet. Besonders der Titeltrack, dann „Youth Payed“, „Heil Angela“ und „Stay True“…ich meine, wir sprechen nicht über Sonne, Cocktails und jointrauchende Raste-Leute, wir sprechen über Alltägliches und was uns umgibt, und das ist leider nicht immer spaßig. Womit ich nicht sagen will, dass wir eine Art dunkle oder Emo-depressive Loser sind. Wir wollen eher sagen, dass zwar alles schlecht ist, aber es noch Leute gibt die etwas dagegen tun, anders denken und anders handeln. Und in der Art und Weise schafft es auch eine gewisse Hoffnung. Wobei, je älter ich werde, umso mehr verliere ich den Glauben an die Menschheit. Das ist wohl normal und ich bin sicherlich nicht der Erste, dem es so geht und unglücklicherweise ganz sicher auch nicht der Letzte.
Verfolgt ihr denn die Kommentare der Hörer, deren Reaktionen in den Sozialen Netzwerken und ist dies etwas, worüber ihr innerhalb der Band sprecht?
Manchmal tun wir das, also über Kritiken und auch über Komplimente. Aber wir sprechen da sehr wenig darüber, im Vordergrund steht zu spielen und unterwegs zu sein. Von Angesicht zu Angesicht Kritik oder Lob zu erhalten, ist ein wärmeres Gefühl und man kann besser reagieren.
„Berlin Will Resist“ ist ein Song über die Aufruhr, die 1987 in Berlin zwischen der Polizei und einigen Besuchern entstand. Viele wurden, auch ohne Grund, eingesperrt und es endete mit dem Selbstmord des inhaftierten Norbert Kubat. Bitte erzähl uns, warum ihr diese Begebenheit gewählt habt?
Vor Jahren, als wir bei Destiny Records unterschrieben, hing ich mit unserem Produzenten Jacho ab und wir sprachen darüber, was damals passiert. Denn wir waren ziemlich nah an der Moschee, als der Supermarkt in Brand gesteckt wurde und großer Aufruhr entstand. Als ich nach Hause kam, hatte ich diesen Refrain sofort im Kopf, nahm die Gitarre und alles kam ganz einfach… es ist mein kleines Geschenk, an die Stadt die mich vor fünf Jahren mit offenen Armen empfangen hat, an meinen Bezirk Kreuzberg und die Erinnerungen an eine vergangene Zeit, die sich noch in vielen Herzen der Berliner weiterlebt.
2013 habt ihr sehr viel in der ganzen Welt getourt. Machen sich da, zum Beispiel in China, Unterschiede bemerkbar?
Also wir lieben wir es auf Tour zu sein und mal ganz abgesehen davon, dass Deutschland unsere „erste Heimat“ ist, wächst die Fanbase von Tag zu Tag. Wir waren wirklich beeindruckt von unserer ersten Tour in Russland, wir wurden wirklich stark bejubelt. Genauso in der Tschechische Republik, dort spielten wir im letzten Sommer an der Seite von BAD RELIGION auf dem Pod Parou Fest, genauso in Australien und jedes Mal wenn wir seit 2008 in Wien spielen, ist der Club voll. Wenn die Leute Spaß haben, dann sind sie überall gleich verrückt. Sogar in China war es so, ich erinnere mich an eine wilde, verrückte Nacht in Peking nach der ersten Tour der Show war das. Oder in Wuhan, als wir nach der Show mit den lokalen Punks abhingen, wir waren betrunken wie die Hölle, denn deren Likör ist seeehr gefährlich. Meine Fresse, war das ein Fest! Ich weiß nicht so genau wie man es schreibt aber es klang wie „Ginjo“ oder sowas…
(Anmerkung der Red.. Schaut’s euch doch einfach selbst an, was in China abging!)
Und welche Tourpläne habt ihr für 2014?
Die Tour startet jetzt und wir werden sicherlich auch viele Gigs in Deutschland spielen, besonders auf den Sommerfestivals. Bestätigt ist schon das Might Sounds in der Tschechische Republik und das This is Ska-Festival hier, wir werden wieder nach Griechenland gehen im April, im März nach Russland und im Mai nach Frankreich. Wir sind immer auf dem Sprung, irgendwo, irgendwie und wir lieben es. Das ist unsere Art „Werbung“ zu machen solange wir nicht zu irgendwelchen Tv-Shows eingeladen werden (lacht).
Vieleln Dank für das Interview!