The Night Flight Orchestra
Selbstvertrauen zahlt sich aus

Interview

Insofern habt ihr mit eurem Streaming-Konzert wahrscheinlich das Vernünftigste gemacht, was eine Band in eurer Situation hätte machen können. War das eine spontane Sache oder habt ihr direkt mit der Planung angefangen, als der Lockdown verkündet worden ist?

Wir haben tatsächlich eine ganze Reihe von Angeboten bekommen, um Streaming-Konzerte in verschiedenen Formen und Formaten geben zu können. Eine davon war vom Venue [The Tivoli, Anm. d. Red.] in Helsingborg, von dem aus wir letzten Endes übertragen haben. Wir haben schon mehrfach dort gespielt, insofern ergab das einfach Sinn. Außerdem kenne ich den Besitzer und er war es auch, der auf mich zukam. Er hatte im Grunde schon ein vollständiges Setup, das für mich gut geklungen hat. Der Laden hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, da ich dort in meiner Jugend oft gewesen bin, wo ich meine Zeit verbracht und auch mit verschiedenen Bands gespielt habe.

Es hat sich wie das richtige Setting angefühlt für ein Streaming-Konzert und rückblickend hat sich das mit den Reaktionen, die wir darauf bekommen haben, auch ausgezahlt. Viele haben gesagt, dass sich das Konzert wie eine Live-Show angefühlt hat, als wäre man direkt dort gewesen. Ich denke das hat einfach viel mit der Qualität der Produktion zu tun gehabt. Wir konnten uns einfach auf den Laden verlassen. Es hatte ein Live-Feeling und war viel besser, als wenn wir von einem Studio aus gestreamt hätten. Studio- oder akustische Home-Sessions hat man ja auch schon vor Corona immer wieder gehabt, insofern wäre das einfach nichts besonderes gewesen.

Es war die logische Entscheidung für THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA, das Live-Feeling trotz indirektem Publikum so authentisch wie möglich zu verpacken, da wir eben eine tolle Live-Band sein möchten. Und es hat uns selbst bei der eigentlichen Performance auch beflügelt, während wir im Studio vermutlich nicht so sehr aus uns herausgegangen wären. Ich denke der Auftritt ist uns gelungen. Über 100.000 Leute aus 19 verschiedenen Nationen weltweit haben sich das angeschaut. Ja, es war definitiv die richtige Entscheidung, es so zu machen. Und die Leute waren glücklich, immerhin sind knapp zwei Drittel unserer Europatour ausgefallen.

Ja der Facebook-Chat explodierte förmlich vor lauter Positivität und die Zuschauerzahl lag bei etwas über 3.000 Leuten. Habt ihr das Konzert noch anderweitig gestreamt?

Es gab noch zwei weitere Plattformen, über die wir gestreamt haben. Der Stream wurde noch von der Online-Plattform einer Zeitung sowie der Internetpräsenz des eigentlichen Venues gehostet. Das bezog sich also auf die gesamte Zuschauerzahl über die Konzertdauer hinweg.

Selbst 3.000 Leute muss man sich mal vorstellen. Man stumpft bei so Zahlen ja schnell ab.

Das ist richtig. Es ist Wahnsinn, dass wir so viele Menschen erreichen konnten mit unserem Auftritt. Das würden wir bei einer regulären Tour natürlich nicht schaffen. Jedenfalls nicht an einem Abend. (lacht) Wer weiß was in der Zukunft passieren wird. Wir leben echt in seltsamen Zeiten. Und soweit es um das Spielen von Shows und das Absolvieren von Touren geht, wird das wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, denn das wird denke ich eines der letzten Dinge sein, die wieder zu ihrem normalen Zustand zurückkehren werden.

Insofern: Wer weiß, wie lange das alles noch dauern wird? Wer kann sagen, wann wir wieder die Möglichkeit haben werden, zu touren? Wir haben zwar einige Daten für Herbst angesetzt, aber mal ehrlich: Optimistisch bin ich nicht. Ich weiß wirklich noch nicht, ob das was wird. Aber zumindest haben wir die Möglichkeit, Konzerte so gut und glaubhaft es eben geht zu streamen. Und es hat sich einfach gut angefühlt, den Fans wenigstens das zu geben, besser noch, dass es gut angekommen ist.

Wie hat sich das angefühlt, vor einem Publikum zu spielen, das nur indirekt mit euch interagieren kann?

Offen gesagt weit weniger seltsam, als ich befürchtet habe. Wahrscheinlich hat das angesprochene, glaubhafte Setting des Konzertes viel damit zu tun gehabt, uns als Band ein vertrautes Umfeld zu geben. Es war die gleiche Stimmung wie bei den Rehearsals, sodass die Eingewöhnung überhaupt kein Problem gewesen ist. Denn normalerweise wenn du deinen Soundcheck machst und die Monitore platzierst, dann gehen dir so Dinge durch den Kopf wie „Der Sound ist seltsam, was ist mit den Keyboards los“, oder so. Und irgendjemand beschwichtigt dann immer von wegen: „Sobald das Publikum da ist, ergibt sich das schon, dann wird alles anders“.

Und bei den Rehearsals hatten wir wieder die gleiche Situation. Mir hat der Sound nicht gefallen und jemand war schon im Begriff, die magischen Worte zu sagen. Aber du hast dann im Gesicht die Rädchen im Kopf arbeiten sehen so nach dem Motto „Ach halt, da war ja was“. (lacht) Da ist dann der Knoten geplatzt. Und am nächsten Tag war ich dann einfach drin in dem Modus. Ich habe akzeptiert, dass wir dieses Konzert ohne physisch anwesendes Publikum spielen werden. Stattdessen habe ich mir einfach die Leute zuhause vorgestellt – und wie sie dort Conga zu „West Ruth Ave“ tanzen würden. Und wir haben so viele Videos von unseren Fans gesendet bekommen, es war echt cool.

Galerie mit 29 Bildern: The Night Flight Orchestra - Rengsdorfer Rockfestival 2023

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30.04.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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