The Night Flight Orchestra
Selbstvertrauen zahlt sich aus
Interview
Apropos: Die aktuelle Situation ist wahrscheinlich ziemlich frustrierend für euch alle, oder?
Ja und nein. Natürlich waren wir frustriert, dass wir unsere Tour abbrechen mussten. Das war hart, heimzugehen, obwohl wir so viel bereits investiert haben für die Tour, für das Album. Wir haben promotet, was das Zeug hält, haben Interviews und dergleichen gegeben, unsere Tour vorbereitet. Und dann kommt einfach diese massive Anti-Klimax und lässt all das ins Leere laufen. Aber so geht es jedem, der etwas ähnliches durchmacht, sodass wir hier keine Sonderstellung haben. Das Wichtige hierbei ist eben, das beste aus der Situation zu machen.
Aber auf einer rein persönlichen Ebene schätze ich, dass diese Situation gerade gut für mich ist. Es hat mich zu einer Pause gezwungen, die ich seit gefühlt 20 Jahren bitter nötig gehabt habe. Und ich glaube, dass Musiker, die so wie ich konstant auf Achse sind, dem zustimmen werden. Es ist ein seltsames Gefühl, man denkt sich: „Wow, also so fühlt sich das an, wenn man nicht darüber nachdenken muss, was als nächstes kommt.“ Denn selbst wenn du als Musiker eine Pause hast, ist da immer irgendwas in deinem Hinterkopf, das dich beschäftigt. Ob das Shows, die logistische Arbeit hinter diesen Shows oder einfach nur Kommunikation via Emails ist – du bist ständig unruhig und im Bereitschaftsmodus.
Und ich war zusammen mit David irgendwie immer der Ansprechpartner für Angelegenheiten, die sowohl SOILWORK als auch THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA betreffen. Daher denke ich, dass die Situation, in die uns die Corona-Pandemie gezwungen hat, ironischerweise sogar gut für meine Gesundheit ist. Sie gibt mir eben eine benötigte Pause zum Reflektieren, Erholen und Abschalten, die ich sonst nicht hätte, da es sowohl mit SOILWORK als auch mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA ständig weiter geht. Insofern versuche ich für mich selbst, das beste aus der Situation – für mich selbst – zu machen. Ich kann endlich Dinge zu Hause tun, für die ich sonst keine Zeit habe. (lacht)
Ich kann endlich putzen oder mich Projekten widmen, die nichts mit Musik zu tun haben. Ich wollte schon lange mal einen Liegestuhl für meine Veranda bauen. Natürlich hatte ich mich auf den Festivalsommer gefreut und ich hoffe, dass wenigstens ein paar Festivals stattfinden würden. Aber der Festivalsommer kann schon ziemlich hart sein, gerade im Hinblick auf des Aspekt der eigenen Gesundheit. Es ist eine Menge Stress, es ist eine Zeit, in der man phasenweise gar nicht zum Ruhen geschweige denn Schlafen kommt. Und du kommst jedes Wochenende nach Hause und siehst aus wie ein Wrack. Aber das Leben geht ja weiter, das bedeutet: Du kehrst zu deiner alltäglichen Routine zurück.
Und innerhalb dieser Routine hast du wieder einen Cut, denn spätestens Donnerstags hast du wieder einen Flug irgendwohin erst nach Tschechien, dann vielleicht nach Deutschland, wo wieder die nächsten Festivalgigs auf dich warten.
Das wundert mich nicht. Du unterhältst ja mit SOILWORK und THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA mehr oder weniger zwei Vollzeit-Bands.
Ja, das kann man wohl sagen.
Was denken denn die anderen Bandmitglieder?
Ich denke, dass sie mir größtenteils zustimmen werden. Die einen mögen das Touren mehr, die anderen weniger. Ich habe so eine Art Hassliebe für das Touren entwickelt. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und meine Darbietung zu liefern. Aber wenn man wochenlang am Stück auf Tour ist, wird es mit der Zeit schwer, das Feuer kontinuierlich auf die Bühne zu bringen. Als wir in den Staaten waren, haben wir mal 54 aufeinanderfolgende Shows innerhalb eines einzelnen Tourlegs gespielt. Das werde ich nie wieder machen. Daher denke ich, dass die Bandmitglieder mir zustimmen werden, dass diese gezwungene Auszeit mal ganz gut tut.
Und dann irgendwo noch mit technischen Problemen zu kämpfen zu haben – na herzlichen Glückwunsch.
Ja, das ist wahr. Das wird von Außenstehenden gerne unterschätzt. Man bekommt echt immer dieses klischeehafte „Du lebst doch den Traum“ zu hören. Das impliziert irgendwie eine Aufforderung, das einfach zu schlucken und auf Kommando glücklich zu sein, was ich überhaupt nicht leiden kann. Natürlich leben wir den Traum in vielerlei Hinsicht. Es ist ein Privileg, seine Gefühle und Dämonen auf täglicher Basis kanalisieren zu können, für das ich dankbar bin. Aber es ist eben nicht nur das, es steckt auch viel Arbeit vor allem hinter den Kulissen dahinter. Und sich dann vorwerfen lassen zu müssen, man würde nur herumheulen, nervt dann schon.
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