The Hu
Mongolische Messages
Interview
Nur mit der Reputation zweier Videos stürmten THE HU aus der fernen Mongolei letztes Jahr zahlreiche Sommerfestivals und legten im August 2019 ihr Debütalbum „The Gereg“ vor. Die anschließende Tour Anfang des Jahres durch Mitteleuropa wurde zu einem Siegeszug: Ausverkaufte Hallen, dichtes Gedränge, schallende „Hu!“-Rufe. Wir nutzten die Gelegenheit, um Anfang Februar vor dem Konzert in Köln mit den beiden Bandleadern Gala und Yaya zu sprechen.
Und das entpuppt sich als eine gewisse Herausforderung. Denn abseits der Ankündigung, dass das Interview mit Dolmetscher für Englisch-Mongolisch stattfinden würde, ist es wie eine Fahrt ins Ungewisse. THE HU haben einen Exotenstatus, leben zu einem guten Teil auch davon, aber außer Dschingis Khan, weiten Steppenlandschaften, Jurten und Nomadenleben sowie den beiden Videos zu „Wolf Totem“ und „Yuve Yuve Yu“ ist die Mongolei eine große Unbekannte. In ihren Videos geben sich die Bandmitglieder wahlweise traditionell oder auch westlich orientiert:
Dann mal rein in die Wikipedia, um nicht in jedes Fettnäpfchen zu treten und einigermaßen passende Fragen zu stellen: Diese weiß zu berichten, dass die Hälfte der Bevölkerung dieses riesigen Landes in der Hauptstadt Ulaanbaatar (Ulan Bator) wohnt, dass es ein großes Armutsgefälle gibt und eine recht hohe Unterernährungsquote. Andererseits liegt das Land in der „Freedom-in-the-world-Länderliste“ der NGO Freedom House genau zwischen Südkorea und den USA.
THE HU haben ihren Dolmetscher mitgebracht
Das wirft natürlich interessante Fragen zu den Bandmitgliedern und dem Status der Band auf; die sind aber in der Kürze eines Interviews kaum zu beantworten: Das Studium auf Youtube veröffentlichter Videointerviews mit THE HU bestätigt nämlich, dass durch die Abfolge Frage stellen – Übersetzen – Antworten – Übersetzen nicht viel Zeit für viele Fragen bleiben wird. Etwas Aufwärmen und Kennenlernen muss aber sein:
Die Band ist jetzt zwei Wochen auf Tour – wie lief es bisher?
Yaya (Gesang, Flöte): „Ziemlich gut! Wir sind jetzt in der Mitte der Tour und das zweite Mal hier in Köln. Diesmal ist es ausverkauft, und die Leute begrüßen uns mit „Hu! Hu!“-Sprechchören. Das ist ein unglaubliches Gefühl!“
Ich habe euch auf dem Tons Of Rock Festival gesehen, und selbst das ruhige norwegische Publikum hat die Band ausgelassen abgefeiert und angefeuert. Welches Publikum hat euch bisher am meisten beeindruckt?
Gala (Gesang, Pferdekopfgeige): „Das ist schwer zu sagen, denn überall, wo wir waren, haben wir jede Menge Unterstützung erfahren. Auf den Festivals haben wir meistens als erste Band gespielt, aber überall hat das Publikum schon beim Intro unseren Namen skandiert, und das ist einfach unglaublich!“
I call your name – Sprechchöre für THE HU!
So viel zum Aufwärmen, und das klingt doch ganz so, wie jeder Profimusiker auf diese Art von Frage antworten würde. Vielleicht liegt es aber auch an der Übersetzung des Dolmetschers, dem Bruder von Gala, denn was die beiden da genau geantwortet haben, bleibt mir leider verborgen. Da kann man bei den Antworten immer nur verständig nicken, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Zudem beschleicht mich als Fragesteller das Gefühl, bei der Länge des Übersetzungsprozesses doch etwas gewichtigere Fragen stellen zu müssen.
Was inspiriert Euch zu Euren Texten?
Gala: „Das sind so viele Dinge, die Mongolei ist ein Land mit einer reichen Kultur und langen Geschichte. Wir möchten die Geschichte aufgreifen, aber auch einzelne Themen unserer Vorfahren; beispielsweise Dschingis Khan oder den „Gereg“, nach dem unser Album benannt ist und welcher der erste diplomatische Pass überhaupt war, oder den Postdienst. Im 13. Jahrhundert war in der Mongolei sogar jeder so frei, seine eigene Religion praktizieren zu dürfen. Das war damals sehr fortschrittlich, und das ist es heute genauso.
Das sind einige Punkte. Der wichtigste ist vielleicht der, dass wir die Leute mit Mut inspirieren wollen und wie wichtig es ist, die Natur und die Älteren zu respektieren und Frauen zu lieben und beschützen. Außerdem bekommen wir viele Ideen durch Tengri, das eine alte mongolische Religion ist. Wörtlich übersetzt heißt es „ewiger blauer Himmel“, und vielleicht möchten wir etwas Himmlisches schreiben. Daraus ziehen wir also unsere Inspirationen.“
Wovon handelt „The Song Of Women“?
Yaya: „Der Text ist aus der Sicht eines Kriegers geschrieben, der die Schönheit seiner Frau preist. Er ermutigt sie auch darin, stark zu sein, Träume zu haben, sozusagen zu fliegen. Die letzte Textzeile lautet: Geh und sei wie ein Pfeil. Die Idee ist, Frauen dazu zu inspirieren, Stärke zu zeigen.“
Worum geht es in „Wolf Totem“?
Gala: „Das Lied handelt davon, dem Feind entgegenzutreten und ihn zu besiegen. Im übertragenen Sinn geht es darum, die inneren Kräfte zu bündeln, stark zu sein und unsere Schwierigkeiten und Probleme zu bewältigen. Welche das auch immer sind, denn jeder von uns kämpft jeden Tag gegen irgendein Problem an. Dieser Song soll jedem Kraft geben, jeden inspirieren und letztlich zu einem Sieger machen.“
In einer längeren Runde hätte jetzt natürlich die Frage nicht fehlen dürfen, was denn die Schwierigkeiten und Probleme von Gala und Yaya sind, mit denen sie tagtäglich konfrontiert werden. Allerdings gibt es noch ein paar andere Fragen (die ebenfalls interessant sind) zu den Protagonisten:
Die Mongolei ist ein riesiges Land, das aber bis auf die Hauptstadt dünn besiedelt ist. Ihr habt Euch am Staatskonservatorium getroffen. Kommt Ihr alle aus Ulaanbaatar?
Yaya: „Das ist unterschiedlich. Temka (mongolische Gitarre) und Gala sind in der Stadt geboren und aufgewachsen. Ich selbst bin ich der Westmongolei aufgewachsen, aber als ich alt genug war nach Ulaanbaatar gezogen. Enkush (Pferdekopfgeige und Gesang) kommt ebenfalls aus dem Westen des Landes, lebt aber noch dort. Er kommt also nur für die Musik und die Aufnahmen in die Hauptstadt. Das macht es sehr einfach, einen Bezug zur Natur und zur Kultur herzustellen, wenn man auf dem Land wohnt und vom nomadischen Leben umgeben ist. Das ist sehr wichtig für uns.“
Der Präsident ist stolz (und verleiht offizielle Titel)
Ich habe gelesen, dass Ihr sogar den mongolischen Präsidenten getroffen habt.
Beide: „Ja!“
Welche Bedeutung hat das für Euch?
Yaya: „Es war natürlich eine große Ehre. Nachdem wir unsere erste Tour beendet hatten, wollte uns der Präsident treffen. Dort sagte er uns, dass er und die mongolische Bevölkerung uns unterstützen. Dass er stolz auf uns sei. Und dass wir doch bitte mit dem weitermachen mögen, was wir angefangen haben. Er hat außerdem betont, dass wir die Mongolei in der Welt auf eine sehr positive Art repräsentieren. Das war schon eine große Ehre.“
Fühlt Ihr Euch wie eine Art Botschafter eures Landes?
Gala: „Wir sind von der mongolischen Regierung sogar zu offiziellen Kulturbotschaftern ernannt worden. Es ist für uns eine Ehre, die Mongolei zu repräsentieren. Für uns hat sich dadurch aber nicht viel geändert, denn seit wir angefangen haben, wollten wir der Welt die mongolische Kultur und Geschichte zeigen. Wir machen also genau das gleiche, nur eben mit einem offiziellen Titel.“
THE HU liefern Exotik und leben ihren Traum
Wie habt Ihr es geschafft, ohne ein Album und nur mit diesen zwei Videos auf die großen Festivals zu kommen?
Gala antwortet und sein Bruder übersetzt anschließend die gesamte Antwort: „Unser Produzent Dashka hatte die Idee schon vor neun Jahren, und 2016 haben wir mit ihm an den ersten Songs gefeilt. Durch die Aufnahmen konnten wir den Stil verfeinern. Der wichtigste Punkt ist aber, dass unser Stil, der Hunnu Rock, der Rockwelt etwas Neues bringen will. Ost trifft West, alt trifft neu, traditionell trifft modern … weil die Musik gut ist, hat sie uns geholfen, bekannt zu werden.“
Das wiederum klingt sehr selbstbewusst und so, als wenn sich die Band über ihre Stärken sehr wohl im Klaren ist. Wir als westlich geprägte Rock- und Metalwelt lieben dieses Exotische von THE HU, und diese spielen das souverän aus. Für die Band selbst steht das aber gerade auf Tour nur an zweiter Stelle: Wenn man die Musiker auf der Bühne erlebt, wenn man sieht, wie Yaya Rampensauqualitäten entwickelt, er aber im Backstage mit einem fetten „Hunnu Rock“-Cap herumläuft, mit dem er rein optisch als ganz typischer Metaller durchgeht, wenn man Bilder der Bandmitglieder am Pool sieht, wo alle acht Musiker LAMB OF GOD-T-Shirts tragen … die Jungs sind abseits der ganzen Exotik einfach eine ganz normale Band, die gerade ihren Traum lebt.