The Haunted
Interview mit Peter Dolving zu "Versus"
Interview
Mit ihrem letzten Album „The Dead Eye“ konnten THE HAUNTED nicht restlos überzeugen: Zwar hatten die Schweden neuere Elemente in ihren Sound einfließen lassen, dabei aber etwas den Faden verloren. Auf „Versus“, so der Titel ihres neuen Albums, agieren THE HAUNTED wieder deutlich konzentrierter und direkter. Eine gute Gelegenheit, um ins Dortmunder Büro ihrer Plattenfirma zu fahren, und Peter Dolving, Sänger und Textschreiber der Schweden, einige Fragen zum neuen Album zu stellen.
Hallo Peter, schön Dich zu treffen! Du bist ja gerade hier in Dortmund, um das neue Album „Versus“ zu promoten – was machst Du hier außer den ganzen Interviews?
Um ehrlich zu sein: Einzig und allein Interviews. Wir waren am Wochenende mit THE HAUNTED auf dem Wacken Open Air, und außer dem, was ich vom Zug aus gesehen habe, habe ich nix mitbekommen. Also auch nicht von Dortmund.
Zu Beginn würde ich gerne ein wenig zurückblicken: 2006 habt Ihr mit „The Dead Eye“ ein Album veröffentlicht, das THE HAUNTED von einer bis dahin ungewöhnlich melodischen und vielfältigen Seite zeigte. Wie waren damals die Reaktionen?
Sie waren eigentlich sehr gut. Na klar, es gibt immer ein paar Leute, die dich beschimpfen oder dir hässliche E-Mails schreiben. Aber im Großen und Ganzen waren die Reaktionen sehr gut. Der Grund, warum wir den Sound geändert hatten? Kennst du Bands wie BLIND GUARDIAN oder JUDAS PRIEST? Ich habe großen Respekt vor ihnen und sogar ihrer Musik, aber ich möchte nicht, dass THE HAUNTED wie diese Bands sich selbst kopieren und stagnieren. Daher haben wir ein wenig experimentiert, klingen damit aber immer noch nach THE HAUNTED. Darüber habe ich vor einiger Zeit auch mal mit Rob Flynn (MACHINE HEAD) gesprochen, und er hat mir in dieser Sache zugestimmt.
Auf dem neuen Album „Versus“ seid ihr aber wieder einen Schritt zurückgegangen, indem Ihr neben den eher experimentellen Sachen wieder sehr direkte Thrash-Nummern eingeflochten habt…
Nein, ich würde sagen, es ist nicht ein Schritt zurück, sondern vielmehr ein Fortschritt! Weißt Du, durch das Vorgängeralbum „The Dead Eye“ sind wir in der großartigen Lage zu wissen, wie wir mit THE HAUNTED klingen können. Als wir ins Studio gingen, wusste daher auch jeder, was zu tun ist. Wir haben diesmal alles live im Studio aufgenommen und für die Aufnahme der Instrumente nur eine Woche gebraucht. Für meinen Gesang haben insgesamt auch nur deswegen fünf Tage zu Buche geschlagen, weil ich eine Zyste in meinem Mund hatte, die letztlich bis zum Kieferknochen aufgeschnitten werden musste – Du kannst Dir vorstellen: das war extrem schmerzhaft, die Stücke einzusingen, hahaha!
Aber um zurück zu Deiner Frage zu kommen: Wir haben insgesamt an die 30 Songs aufgenommen. Für das Album haben wir elf davon ausgesucht, von denen wir dachten, dass sie zueinander passen. Sie bilden wirklich eine kompakte Einheit.
Anders und Jonas sind ja gerade mit AT THE GATES auf Tour gewesen. Hatte die Reunion und die Beschäftigung mit dem alten AT THE GATES-Material eigentlich einen Einfluss auf das Songwriting von „Versus“?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Weder bei ihnen noch bei uns. Wir sind einfach nur froh darüber, dass sie nach Monaten auf Tour überhaupt wieder da sind, aber das ist alles, hahaha!
Du schreibst für THE HAUNTED ja die Lyrics – kannst Du darüber etwas sagen?
Großer Fehler! Ich mache das schon seit 15 Jahren und ich möchte meine Lyrics einfach nicht mehr interpretieren. Ich schreibe meine Lyrics, aber ich gebe keine Deutung dazu ab. Das soll jeder Fan selbst machen, und vor allem: Das soll jeder Fan selbst machen dürfen. Wenn ich dem Fan auch noch die Deutung dazugeben würde, würde ich ihm ja vorschreiben, wie er etwas zu sehen hat.
O.K., was hat es aber mit dem Albumtitel „Versus“ auf sich?
Es geht allgemein um das Thema Macht. Weißt Du, egal auf welches Land dieser Erde Du Deinen Blick richtest, es geht darum, dass die Freiheit der einzelnen Menschen immer weiter eingeschränkt wird für die Freiheit großer Konzerne. Immer mehr Menschen müssen Einbußen hinnehmen, damit eine kleine Gruppe von Personen davon profitieren. Das ist schlicht pervers! Oder nimm die Privatisierung von nationalen Einrichtungen. Damit gibt doch die öffentliche Hand immer mehr Macht ab. Das ist bescheuert, das macht keinen Sinn. Schau dir doch die Paradoxie an, die hinter so etwas steckt.
Oder nimm doch z.B. Leute wie Donald Rumsfeld. Mann, der Typ ist doch viel gefährlicher als ein Jeffrey Dahmer oder Ed Gein, die blutrünstige Killer gewesen sind! Aber wo ist da die Relation? Solche Politiker haben doch viel mehr Menschenleben zerstört! Ja, ernsthaft: Sie zerstören Menschenleben für ihre Kapitalinteressen. Ein Typ wie George Bush hat doch mehr Menschenleben auf dem Gewissen als irgendeiner dieser Massenmörder. Der Mann ist wirklich gefährlich!
Du möchtest mit Deinen Texten die Menschen zum Nachdenken bringen?
Ja, auf jeden Fall. Die Leute sollen die ganze korrupte Scheiße wahrnehmen. Es passiert soviel Mist in der Welt, in der ganzen Politik. In Schweden geht es auch den Bach herunter. Überall wird es neoliberaler. Es geht doch nur noch um Kapitalinteressen.
Ich habe vor ein paar Minuten zum ersten Mal das Albumcover zu „Versus“ gesehen. Steckt irgendeine tiefere Bedeutung dahinter?
Du hast es gesehen? Und? Na klar, das ist wie SS-Kunst, in der Farbgebung sieht es aus wie Nazi-Fahnen. Das war auch so beabsichtigt. Die Nazi-Kunst war skurril, edel, hatte eine widerwärtige Schönheit. Damals ist so viel Scheiße gelaufen, so viel krankes Zeug. Mit dem Cover wollten wir [Peter hat es zusammen mit Pelle Evensen gestaltet] diesen Widerspruch darstellen: Es ist so krank und beängstigend.
Mal ein ganz anderes Thema: Als ich in Schweden war, hatte ich in den Eindruck, dass es große Unterschiede in der Musikszene verglichen mit Deutschland gibt. Wie siehst du das?
Es ist schon ziemlich schwierig, das zu beurteilen. Eigentlich kann ich dazu gar nichts sagen. Es interessiert mich auch nicht. Weißt Du, als ich damals mit meiner Band MARY BEATS JANE angefangen habe Musik zu machen, wollte ich hauptsächlich auf der Bühne stehen und singen. Die anderen in der Band wollten aber Rockstars sein. Ja, scheiße auch! Wer will denn bitteschön ein Rockstar sein? Wenn Du mit einer jungen Frau ausgehst und Du sie fragt, ob sie mitkommen will und sie sagt: Ja, ich komme mit, weil Du ein Rockstar bist, eine Ikone, würdest Du das wirklich wollen?
Musst Du neben der Musik eigentlich noch arbeiten?
Wir sind in der vergleichsweise tollen Lage, dass wir neben der Musik nicht noch arbeiten gehen müssen. Aber reich sind wir deswegen noch lange nicht. Am Monatsende habe ich oft genug keine müde Krone in der Tasche. Aber Geld bedeutet mir sowieso nicht viel. Es ist ein Mittel zum Zweck, aber ich mache keine Musik, um damit reich zu werden. Es reicht zumindest jeden Monat, um meine Miete und die Nebenkosten zu bezahlen und um mir mein Essen zu kaufen. Aber das reicht mir. Ich mache Musik nur wegen der Musik.
Aber Du würdest Dich als hart arbeitenden Menschen ansehen…
Ich würde mich nicht nur als hart arbeitenden Menschen ansehen, ich bin auch einer, hahaha! Das Musikbusiness ist anstrengend. Ich bekomme sogar Drohungen von Menschen. Ich habe keine Ahnung, warum, aber es gibt immer irgendwelche Freaks, die mich bedrohen…
Auf Eurer Homepage gibst Du Blixa Bargeld [EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN] als einen Deiner Lieblingssänger an. Inwiefern hat er einen Einfluss auf Dich ausgeübt?
Um es auf den Punkt zu bringen: Er ist ein Vorbild als kompletter Künstler, nicht aber wie er singt, denn das wäre auch etwas schwierig für THE HAUNTED zu adaptieren…
Aber Du kannst die Lyrics verstehen?
Doch, die verstehe ich schon, da ich auch ein wenig Deutsch spreche. Als ich 15 war, habe ich für ein paar Monate in Berlin gearbeitet.
Das ist eine gute Überleitung, denn leider ist nur noch Zeit für eine Frage… Für den Herbst sind einige Shows in Schweden bestätigt. Werdet Ihr denn auch nach Deutschland kommen?
Wir werden auf Tour gehen, auch nach Deutschland. Als erstes werden wir aber zehn Tage durch Skandinavien touren, dann geht es nach Südamerika, danach Australien, Japan und China. Wenn wir zurückkommen, steht eine UK-Tour mit einer großen Band an, die uns einige Aufmerksamkeit bescheren wird [gemeint ist TRIVIUM].
Spielst Du denn lieber auf kleineren Konzerten oder auf Festivals?
Ich mag Konzerte lieber. Hauptsache es sind Konzerte. Aber es ist egal, ob wir vor 150 oder 750 Fans spielen. Hauptsache es macht Spaß.
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören Dir!
Danke für das Interview! Und natürlich kauft unser Album, haha!
Dieses Interview wurde zusammen mit Jessica geführt.