The Halo Effect
"Kaffee und Gebäck."

Interview

Eigentlich war es ja bei der Besetzung schon klar, dass THE HALO EFFECT mit ihrem Debüt-Album „Days Of The Lost“ durch die Decke gehen würden, aber der tatsächliche Erfolg hat vermutlich sogar die Band selbst überrascht. Mit „March Of The Unheard“ ist nun der Nachfolger erschienen und wir sprachen mit Gitarrist und Hauptsongwriter Niclas Engelin darüber, ob dieses Mal größerer Druck auf ihm und dem Rest der Band lastete. Wir erwischen den sympathischen Schweden via Zoom-Call in der Küche von Patrik Jensen (THE HAUNTED, Live-Gitarre bei THE HALO EFFECT) bei Kaffee und Gebäck.

Titelbild: Linda Florin

The Halo Effect - Logo (Neu)

Hey Niclas! Vor etwas über zwei Jahren saß ich mit Mikael beim RockHarz zusammen und wir sprachen über „Days Of The Lost“. Er meinte, dass das Projekt, was wir heute als THE HALO EFFECT kennen, während der Pandemie so richtig an Fahrt aufnahm, weil Ihr damals viel Zeit hattet. Außerdem konntet Ihr sehr frei an die ganze Sache heran gehen, da ja noch niemand wusste, an was Ihr arbeitet. Das sieht jetzt natürlich ganz anders aus. Habt Ihr beim Schreiben und Aufnehmen mehr Druck verspürt?

Nein, nicht wirklich. Ich weiß, das klingt jetzt ziemlich mutig, als ob ich He-Man, Iron Man oder sowas wäre, aber ich fühlte mich wirklich nicht so, da wir nie aufhören Musik zu schreiben. Es ist immer etwas am entstehen, denke ich. Natürlich hat das Surfen auf den Wellen und der positiven Energie, die wir auf dem „Days Of The Lost“-Album hatten, es etwas einfacher gemacht. Ich denke einfach, dass wir die Musik die wir spielen mittlerweile verstanden haben. Ich meine, wir sind seit ein paar Jahrzehnten dabei. Aber man weiß nie, natürlich hat man manchmal eine Schreibblockade, aber nicht dieses Mal, das war echt lustig. Einen Kaffee aufsetzen, etwas Gebäck essen, über KREATORs „Extreme Aggression“ oder JUDAS PRIEST quatschen und dann einfach von da aus starten. Es war ein sehr positiver Prozess, dieses Album entstehen zu lassen.

Du hast es fast schon beantwortet, aber Mikael erzählte mir auch, dass es sich beim Schreiben fast wieder so an fühlte wie damals in den 90ern, Ihr keine große Vorgaben hattet sondern eigentlich nur ein paar Heavy Riffs schreiben wolltet. Konntet Ihr Euch diesen Vibe, diese lockere Herangehensweise auch für „March Of The Unheard“ bewahren?

Ja, ich denke das ist der Schlüssel für THE HALO EFFECT, dass wir diesen Vibe beibehalten und niemals verlieren, denn am Ende sind wir Musikliebhaber und große Fans von Heavy Metal insgesamt, speziell natürlich von den Sachen aus den Achtzigern. Ich meine, Patrik und ich sprachen zum Beispiel gerade über QUIET RIOT, AC/DC, JUDAS PRIEST und Bands aus dieser Richtung. Es ist also sehr einfach, da wir diese Bands immer noch lieben und nach wie vor zu ihnen aufschauen. Sie sind unsere Idole, deshalb ist es einfach, sich in dieser Bubble des Heavy Metal zu bewegen. Außerdem haben wir natürlich jede Menge Spaß, während wir unsere Musik erschaffen, das hilft enorm. Wir könnten nicht leiden, während wir Musik machen, es muss Spaß sein, positive Vibes. Das sind meine Gedanken dazu.

„March Of The Unheard“ ist auf der einen Seite ein ziemlich hartes, schnelles Album geworden, trotzdem klingt es aber über weite Strecken auch super euphorisch und positiv. Woher kommt dieser positive Vibe, von dem Du mir gerade erzählt hast, gerade in einer so dunklen Zeit wie der jetzigen?

Ich denke es ist der Vibe an sich und seine Energie. Er war von Anfang an da und zumindest ich hätte nie damit gerechnet, dass wir Grammi-Nominierte sein würden („Days Of The Lost“ war in der Kategorie „Hardrock/Metal des Jahres“ für den schwedischen Musikpreis Grammis nominiert, Anmerk. des Verf.) oder oben in den Charts in ganz Europa mitmischen, in Schweden sogar die Nummer Eins holen würden. Das habe ich nicht kommen sehen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir ankündigten, am nächsten Tag würde eine Single namens „Shadowminds“ erscheinen und als ich am nächsten Morgen aufwachte explodierte mein Telefon. Für mich war alles danach eine Art Bonus. Ich meine, wieder die Welt zu bereisen und das zu tun was ich liebe ist einfach wunderbar. Ich bin gesegnet, dass ich in der Lage bin diese Musik zu spielen und Spaß damit zu haben.

Es wirkt so, als wären die härteren Songs dieses mal noch härter, während die eher dramatischen noch dramatischer sind (ich denke dabei gerade an die Streicher in „Between Directions“). Es ist also einfach mehr von allem, würdest Du dem zustimmen?

Total, Mirko. Das denke ich auch. Es ist mehr von allem: Solos, Melodien… Vielleicht etwas weniger von Mikaels wunderschöner Bariton-Stimme, aber generell ist es mehr von allem. Ich weiß nicht, warum das so gekommen ist. Ich meine, wenn ein Song nach etwas verlangt, dass du fühlst, musst du es wenigstens einmal ausprobieren. Vielleicht, denkst du dann: „Ah, das klingt cool.“ Das trägt dann etwas zum Song bei, zum Album, zur Atmosphäre die du zu versuchst zu erzeugen. Es trifft also voll ins Schwarze, wenn es Sinn macht, in Bezug auf die Vision, die wir für dieses Album hatten. Also ja, Du hast völlig Recht damit.

Im Infotext zum Album wurde erwähnt, dass auch mal im Raum stand, dass Ihr vielleicht etwas proggiger werden wollt. Könnte das noch kommen? Wann kommt also das erste 10-Minuten-Opus von THE HALO EFFECT?

(Lacht) Naja, man weiß nie. Das wäre interessant, ich sehe das definitiv als Herausforderung. „Hey Jungs, Ihr müsst jetzt einen zwölf Minuten langen Song machen!“ (lacht) Aber ich denke wir würden es hin bekommen, so etwas zu schreiben. Man weiß nie.

Naja, offensichtlich habt Ihr Euch, auch wenn das vielleicht am Anfang eine Idee war, am Ende doch in die Richtung des klassischen Melodic-Death-Metal-Sounds bewegt und alle scheinen damit ziemlich glücklich zu sein.

Konzertfoto von The Halo Effect - Full Force 2023

Niclas Engelin mit The Halo Effect auf dem Full Force 2023

Nach meinen Informationen bist Du der Haupt-Songwriter von THE HALO EFFECT. Inwiefern teilst Du Dir das Entwickeln der Riffs mit Jesper und würdest Du sagen, dass es typische Niclas- und typische Jesper-Songs auf der Platte gibt?

Ich muss sicherstellen, dass es „Songskelette“ gibt. Ich muss eine Tasche voller Songs und Ideen dafür haben. Dann hole ich Jesper dazu oder er kommt einfach ins Studio und er hört irgend etwas, beispielsweise: „Hey, ich höre hier eine Melodie, lass mich das ausprobieren.“ Es passt dann einfach dazu, ist eine großartige Melodie. Ich mache also den Anfang, mit allen Sachen.

Du meinst die wesentlichen Grundlagen der Songs?

Ja, die wesentlichen Grundlagen oder auch schon ganze Songs. Es ist einfacher für Jesper dazuzukommen und etwas zu hören, eine Art von Arrangement oder eben Melodien, die er erkennt und dann vielleicht eine Harmonie hinzufügen möchte. Das passiert ziemlich natürlich und wir kennen uns jetzt schon so lange, dass es einfach keine große Sache ist. Es fühlt sich einfach natürlich an, so zu arbeiten. Wir haben eine Menge Spaß damit. Nochmal: Wir quatschen einfach über KREATOR, JUDAS PRIEST, trinken Kaffee und essen Gebäck (lacht). Das ist die Art und Weise wie es normalerweise funktioniert und dieses Mal habe ich das Album, zusammen mit Oscar Nilsson auch noch co-produziert. Das bedeutet, du musst die Fackel für die gesamten Aufnahmen tragen und darfst nie die Vision des Albums aus den Augen verlieren. Wenn du sie verlierst, war es das. Aber das war interessant, ich übernehme das gerne wieder, es hat echt Spaß gemacht.

Neben Stanne und Dir haben auch fast alle anderen Mitglieder noch andere Bands neben THE HALO EFFECT, die einen fressen mehr Zeit, die anderen weniger. Meinst Du das schränkt Euch irgendwie ein oder könnte irgendwann dazu führen?

Ja und nein. Wir sind eine dieser langweiligen Bands, die sich mit ihrem Kalender hinsetzen und alles sorgfältig planen. Wir müssen das machen, denn wir sind um die 50, alle in der Band. Kinder, Familie, all diese Dinge. Alles muss für jeden, der involviert ist funktionieren. Wir müssen die Dinge also ein oder sogar zwei Jahre im Voraus planen, damit alles funktioniert. Bisher hat es immer geklappt – ich klopfe auf Holz. Wir haben für das letzte Album 96 Shows gespielt, was für uns wirklich eine Menge ist. Ich meine für mich, der alles nach dem Release der ersten Single als Bonus sieht, war es wirklich viel und jetzt gehen wir bald auf unsere erste Headliner-Tour, im Januar/Februar. Bislang sieht es sehr gut aus, wir sind in Helsinki schon ausverkauft. Das wird großartig, wieder zurück zu sein.

Etwas, was ich immer fragen muss, wenn ich mit jemandem aus der „Göteborg-Szene“ spreche: Irgendwie gibt es immer ein paar Leute die, warum auch immer, heute noch auf ein „The Jester Race Part II“ warten. Damals als Du noch bei IN FLAMES gespielt hast und auch als die Ankündigung zum ersten Album von THE HALO EFFECT kam, gab es ein paar solche Stimmen. Wie siehst Du dieses ganze Thema?

Ich habe darüber nie groß nachgedacht. Wir sind THE HALO EFFECT, wir machen unsere Musik und haben Spaß dabei. Wir sind in der glücklichen Lage, die Welt zu bereisen und dabei unsere Musik zu verbreiten. Und hier sind wir, unser zweites Album kommt jetzt heraus, wir spielen unsere ersten Headliner-Gigs, ich bin einfach glücklich, diese Zeiten zu erleben.

Richtig. Und wahrscheinlich wollen diese Leute auch nicht wirklich die Fortsetzung eines bestimmten Albums, sondern eigentlich ein bestimmtes Gefühl zurück bringen, das sie hatten, als sie jung waren und diese Alben zum ersten Mal hörten.

Ja, für mich sind beispielsweise solche Lieblingsalben „Don’t Break The Oath“ von MERCYFUL FATE, „Defenders Of The Faith“ von JUDAS PRIEST, „No Sleep ‚til Hammersmith“ von MOTÖRHEAD und „Epicus Doomicus Metallicus“ von CANDLEMASS. Für mich sind sie pure Magie, einfach pure Magie. Aber ich weiß natürlich, dass diese Jungs vermutlich dieselbe Magie heute nicht mehr erzeugen könnten. Ich bin aber einfach glücklich, diese Alben zu besitzen. Sie bedeuten mir sehr viel, denn ohne sie wäre ich wahrscheinlich heute nicht hier, sondern würde vermutlich versuchen Fußball zu spielen (lacht).

Ich denke, selbst wenn Ihr versuchen würdet so Old School wie möglich zu klingen, würden die Leute sagen: „Ah, jetzt kopieren sie das, was sie damals in den Neunzigern gemacht haben.“ Es wäre nie richtig.

Ganz genau. Geht zurück, hört Euch die alten Alben an und genießt sie einfach. Akzeptiert einfach den Fakt, dass Leute in etwas anderes hineinwachsen.

The Halo Effect - Bandfoto 2024

Die Metal-Szene scheint gerade im Umbruch. Einige Bands werden plötzlich sehr sehr groß – ich denke dabei an Bands wie SLEEP TOKEN oder GHOST. Auch im Underground scheint es besser denn je zu laufen. Von Bands, die mittelgroße Shows, Venues bis 1500 Leuten spielen, hört man öfter, dass es immer schwieriger wird, gerade das Buchen von Touren. Kannst Du so etwas bestätigen?

Ich denke am Ende gibt es wirklich viele Bands und viele Genres. Wenn Du SLEEP TOKEN ansprichst, würde ich sagen, dass sie nicht unbedingt eine Band sind, die man auf dem Wacken Open Air sieht (SLEEP TOKEN spielten bereits 2023 auf dem Wacken Open Air, Anmerk. des Verf.), zumindest sind sie keine typische Metal Band. Sie sind eher eine Band einer neuen Generation. Ich denke es ist eine Frage der Organisation: Management, Booking und all das. Es gibt so viele Gründe dafür, warum bestimmte Bands eher in der Mid-Range zusammengefasst werden. Und dann geht es am Ende immer, immer, immer um die Songs. Meine Lieblingsbands sind nicht notwendigerweise die größten Bands des Planeten, aber ich genieße sie trotzdem. Als Musikliebhaber denkt man über so etwas nicht groß nach. „Gib mir mehr davon“, das ist eher das, was einem durch den Kopf geht. Eine meine liebsten Bands momentan sind beispielsweise PALLBEARER, die sind großartig! Sie kommen etwa ein Mal im Jahr, oder zumindest alle zwei Jahre in Göteborg vorbei und spielen in einer Venue namens Pustervik, das ist wirklich perfekt für mich.

Wenn wir also über Deine eigenen Bands sprechen, würdest Du eher nicht sagen, dass es härter geworden ist, Touren zu buchen?

Das ist natürlich nichts, was man als selbstverständlich ansehen darf. „Hey, lasst uns auf Tour mit MESHUGGAH oder mit AMON AMARTH gehen“ – so funktioniert das nicht. Ich bin glücklich darüber, dass wir in der Lage sind, das zu tun und dass wir eine Organisation haben, die uns dabei behilflich sein kann, damit wir unsere Musik einem breiteren Publikum präsentieren können. Ich denke der Übergang zu MESHUGGAH hat wirklich gut funktioniert und mit AMON AMARTH zu spielen war großartig. All diese Leute sind alte Freunde für uns, wir kennen sie schon so lange – das macht es natürlich zugegebenermaßen auch etwas einfacher für uns.

Großunternehmen entdecken den Metal und insbesondere den Live-Sektor immer mehr für sich, führen „Dynamic Pricing“ ein, der CEO des größten Ticketverkäufers in Deutschland sagte vor einiger Zeit in einem Interview, dass Konzerttickets in Deutschland immer noch viel zu billig sein. Was meinst Du zu all dem?

Ich habe diese Diskussion bislang nicht verfolgt. Tatsächlich denke ich, dass Metal vergleichsweise günstig ist, verglichen damit, wenn man Künstler wie PETER GABRIEL oder LANA DEL REY sehen möchte. Aber als Künstler, der auf Tour geht um THE HALO EFFECT und unsere Musik zu promoten ist es in erster Linie wichtig, dass wir eine Verantwortung haben, jede Nacht abzuliefern. Man kann es mit Sport vergleichen, einem Fußballspieler oder einem Läufer, so sehen wir das. Wir versuchen immer sicherzustellen, dass wir unsere 100% in eine Show packen, damit wir uns wenigstens gut fühlen, weil wir alles gegeben haben, was wir hatten. Wie immer in diesem Musikgenre hängt es am Ende vom Publikum und der Band ab. Wenn die Band Energie rüber bringt, bekommt sie sie vom Publikum zurück. Diese Energie lässt dich durch die Decke gehen, weil du einfach glücklich bist. Diese Nächte sind fantastisch, also halte ich daran fest.

Und selbst wenn Ticketpreise nach oben gehen, dann ist es wichtig, dass die Bands davon profitieren und nicht nur ein paar große Unternehmen.

Ja, absolut. Aber darüber habe ich noch nicht großartig nachgedacht. Ich weiß, dass die Ticketpreise für uns, um THE HALO EFFECT live zu sehen noch ziemlich niedrig sind, wenn man sie mit anderen und größeren Künstler vergleicht.

Ich habe während der letzten Wochen auch einige Konzerte zu immer noch bezahlbaren Preisen gesehen, die ausverkauft oder zumindest nahezu ausverkauft waren, beispielsweise SÓLSTAFIR und VOLA. Erfreulicherweise scheint es also doch noch zu funktionieren.

Ja, das ist schön zu hören, dass sie ausverkaufte Shows spielen. Das hilft am Ende der ganzen Szene.

Danke Dir für Deine Zeit, Niclas.

Ich danke Dir, Mirko.

Galerie mit 12 Bildern: The Halo Effect - Rockharz Open Air 2024
Quelle: Interview mit Niclas Engelin / The Halo Effect
10.01.2025

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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