The Halo Effect
Wir versuchen nicht, eine Fortsetzung von irgend etwas zu sein
Interview
Was wurde nicht alles im Vorfeld geschrieben, was von THE HALO EFFECT möglicherweise zu erwarten sei? Aber wen wundert das, wenn fünf ehemalige Musiker von IN FLAMES, vier davon langjährige Mitglieder, zusammen eine neue Band starten. Jetzt steht „Days Of The Lost“, das Debüt-Album der Göteborger, endlich kurz vor der Veröffentlichung. Wir nutzten die Gelegenheit und schnappten uns Sänger Mikael Stanne beim ROCKHARZ Open Air und sprachen mit dem sympathischen Rotschopf über die Gründung der Band, die Entstehung des Materials und die Göteborger Szene Anfang der Neunzigerjahre.
Titelbild: Markus Esselmark
Hey Mikael! Vor fast zwei Jahren haben wir uns über „Moment“ unterhalten, nach wie vor das aktuelle Album Deiner Hauptband DARK TRANQUILLITY, mit denen Du ja heute auch hier spielst. Damals sagtest Du mir, dass Du in Bezug auf Nebenprojekte begonnen hast, Ja zu allem zu sagen, statt alles abzulehnen, wie in der Vergangenheit. Zu einem dieser Projekte meintest Du, dass es „mehr nach Göteborg Death Metal klingt“. Ein ziemliches Understatement, wenn man sich das Line-up von THE HALO EFFECT anschaut. Erzähl doch mal, wann die Idee, etwas zusammen zu starten langsam ernst wurde.
Alles begann Ende 2019. Niklas (Engelin, Gitarre, Anmerk. d.Verf.) sagte zu mir: „Hey, wir sollten was zusammen machen.“ Er war ständig am Schreiben, war die ganze Zeit kreativ. Also meinte er: „Ich habe einiges an coolem Zeug fertig, aber lass uns doch was zusammen machen, wir quatschen schließlich ständig über Musik, schicken uns Alben-Empfehlungen, und so.“ Also erwiderte ich: „Klar, wenn Du was hast, schick es einfach rüber.“ Zu der Zeit war ich gerade dabei die Lyrics für das DARK TRANQUILLITY-Album fertigzustellen (das aktuelle Album „Moment“, Anmerk. d. Verf.). Da ich damit fast fertig war, dachte ich mir, dass ich auch einfach direkt weiter machen könnte. Niklas schickte mir zwei Songs, glaube ich, und ich fand sie ziemlich gut. Dann rief mich Peter (Iwers, Bass, Anmerk. d.Verf.) an und sagte: „Ich habe gehört, Niklas und Du macht was zusammen.“ Er war interessiert und schlug vor, Jesper (Strömblad, Gitarre, Anmerk. d.Verf.) ebenfalls zu fragen. An diesem Punkt dachten wir aber noch, dass wir das zwar machen sollten, aber eben einfach nur ein paar Sachen aufnehmen, um Spaß zu haben und zu sehen, was passiert.
Im Februar 2020 schlug dann die Pandemie zu, wir waren bereits seit einiger Zeit mit DARK TRANQUILLITY im Studio und kurz danach dachte ich: „OK, lass uns das ernsthaft angehen und schauen, was wir zustande bekommen.“ Wir fingen also an, ein paar weitere Demos aufzunehmen und stellten, als wir damit fertig waren fest, dass es sich fantastisch anfühlte. Wir hatten einfach eine Menge Spaß und liebten die Songs, also wollten wir sie auch für alle da draußen spielen. Trotzdem wollten wir es für den Moment noch locker angehen und noch nicht allen erzählen. Aufgrund der Pandemie hatten wir aber so viel Zeit, dass wir einfach weiter machten, Dinge zusammenzusetzen. Das gestaltete sich aber einfach, da Niklas solch ein produktiver Songschreiber ist und, als er Jesper mit einbezog, beide direkt zusammenarbeiteten. Plötzlich hatten wir einen großen Berg an Songs. Wir waren bestimmt sechs bis acht Monate im Studio, schrieben und nahmen auf. Während der Covid-Bubble war ich entweder zu Hause bei meiner Familie oder im Studio mit DT, THE HALO EFFECT oder GRAND CADAVER.
Beide Alben, „Moment“ von DARK TRANQUILLITY und „Days Of The Lost“ von THE HALO EFFECT wurden also eigentlich, obwohl fast zwei Jahre zwischen beiden Releases vergangen sind, direkt hintereinander aufgenommen?
Ja, ganz genau.
Pedro vom YouTube-Kanal A&P Reacts hat es meiner Meinung nach ganz gut zusammengefasst, als er die ersten Singles von THE HALO EFFECT hörte: „Ich erwartete IN FLAMES 2.0, was wir aber stattdessen bekommen ist DARK TRANQUILLITY 2.0.“ Würdest Du dem zustimmen?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Das überlasse ich den Zuhörern. Wir versuchen nicht, eine Fortsetzung von irgend etwas zu sein, außer dass wir versucht haben herauszufinden, wie es sich anfühlte, als wir damals starteten. Wir lachen darüber, aber es ist eigentlich wahr, dass wir diese Band schon 1992 hätten gründen können, als wir uns trafen, begannen zusammen abzuhängen und zusammen Musik zu spielen. Wir fragten uns selbst also, wie es sich angefühlt hätte, wenn wir das damals gemacht hätten. Auf der anderen Seite haben wir mittlerweile 30 Jahre Erfahrung, das war also ein spaßiges Gedankenexperiment, eine Grundstimmung die wir hatten, als wir die Songs geschrieben haben. Wir sind also definitiv weder eine Fortsetzung von DARK TRANQUILLITY noch von IN FLAMES. Aber natürlich ist es so, dass Jesper sich selbst einbringt und was ihn ausmacht, was auch ein Grund ist warum IN FLAMES mit ihm so klangen und THE HALO EFFECT jetzt so klingen, wie wir klingen. Ich war außerdem fast immer die Stimme von DARK TRANQUILLITY, also wird sie den Hörer natürlich daran erinnern. Vergleiche sind also unvermeidbar und ich habe kein Problem damit.
Ich denke, THE HALO EFFECT ist deshalb anders, weil es direkter und spontaner ist. Mit DT versuchen wir immer unseren Sound zu erweitern, etwas neues einzubringen, was wir vorher noch nicht ausprobiert haben. Wir unterhalten uns also ständig über Dinge, die wir in dem Moment wahnsinnig wichtig finden, während wir bei THE HALO EFFECT einfach sagten: „Hey, lass uns ein paar heavy Riffs schreiben und fertig.“ So sehr ich es auch liebe, sich weiterzuentwickeln und neue Sachen auszuprobieren, war es auch ziemlich befreiend einfach zu sagen: „Hey, wenn es gut ist, ist es gut. Wir müssen hier nicht zu viel drüber nachdenken, eine zweite Meinung einholen oder im Hinterkopf behalten, was die Leute oder das Label sagen werden.“ Niemand wusste davon. Wir hatten zwar einen Deal, damit wir aufnehmen konnten, aber das Label bekam absolut nichts davon zu hören. Sie hörten einen Demo-Song, gaben uns den Vertrag und bekamen dann erst das finale Album zu hören, als es fertig war. Das ist ein Grad des Vertrauens, der sehr wichtig ist, nicht nur von Seiten des Labels, sondern auch innerhalb der Band. Ich vertraue Daniel (Svensson, Drums, Anmerk. d.Verf.) und Peter, dass sie in der Rhythmus-Abteilung ordentlich Arsch treten, ich vertraue Niklas und Jesper, dass sie die coolsten Riffs der Welt schreiben und sie vertrauen mir in Sachen Gesang und Schreiben der Liedtexte. So einfach war es in vielen Fällen. Natürlich haben wir alle unsere Geschichte, aber nicht mit dieser Band. Wir mussten uns auch nicht über die Zukunft Gedanken machen, da wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wussten, in welche Richtung das gehen würde. Es waren nur wir im Studio, die etwas kreierten, das sich cool anfühlte, Spaß machte und für uns das Gefühl von dem hatte, was wir machten als wir 15, 16 Jahre alt waren.
Vermutlich half es der Produktion aber nicht nur, dass es keinen Druck gab, weil niemand wusste, dass Ihr etwas zusammen startet, sondern auch, dass Ihr aufgrund der Pandemie sehr viel Zeit hattet, oder?
Der Prozess war zwar eigentlich ziemlich unkompliziert, aber klar. Wir hatten zwar nicht unbegrenzt Zeit, aber fast, also konnten wir an den meisten Dingen so lange arbeiten, wie wir wollten. Es passierte ja einfach nichts. Du hast in deinen Kalender geschaut und da waren keine Einträge, also konnten wir sagen: „Ach scheiß drauf, lass uns im Studio abhängen.“
Für mich besteht der größte Unterschied zwischen DARK TRANQUILLITY und THE HALO EFFECT in den groovigeren Riffs und, vor allen Dingen, in den euphorischen Gitarren-Leads, wie beispielsweise im Titeltrack oder in „Feel What I Believe“. Beide erinnern mich stark daran wie IN FLAMES auf „Come Clarity“ oder „A Sense Of Purpose“ klangen. Hat Jesper diese Teile tatsächlich geschrieben, oder Niclas? Ist das einfach in ihrer DNA?
Ja, das ist es tatsächlich und das machte es so einfach und unkompliziert, während wir schrieben. Das ist, was sie praktisch schon immer getan haben. Ich erinnere mich daran, wie wir im Studio saßen und Niclas ein wenig unsicher bezüglich eines Teils eines Songs war. Ich versicherte ihm, dass er großartig klingt, aber dann schlug Jesper vor, vielleicht eine kleine Harmonie einzufügen. Alle fanden, dass das fantastisch klingt, aber dann sagte Niclas: „Super, aber dann muss ich die Original-Melodie so anpassen.“ Innerhalb von zwanzig Minuten hatten wir etwas komplett neues. Oder wir hatten einen simplen Song und Peter schlug vor, dass wir den Refrain nehmen und ihn heavier gestalten sollten. Kein Gremium, kein „oh ja, lass uns darüber diskutieren, hören wir uns die verschiedenen Versionen an und dann entscheiden wir“. Einfach nur: „Ja, das klingt cool.“
Es war also sehr viel spontaner als man sich das als Fan vermutlich vorstellen würde.
Ja, allerdings. Es war absolut nicht anstrengend. Einfach unkompliziert vom ersten Demo bis zum fertigen Produkt.
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Stile | Göteborg Death Metal, Melodic Death Metal |
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