The Great Discord
Interview mit Sofia "Fia" Kempe und Aksel Holmgren zu "Duende"

Interview

The Great Discord

Die Veröffentlichung ihres Debüts „Duende“ liegt nun einige Wochen zurück und THE GREAT DISCORD sonnen sich derzeit in ihrem Erfolg. Grund genug mal zu fragen, was in den Musikern eigentlich vorgeht – jetzt, da dieses doch eher ungewöhnliche Stück Musik seit einiger Zeit in den Plattenläden steht. Wir sprachen mit Sofia „Fia“ Kempe und Aksel Holmgren über die Bedeutung von „Duende“, klassischen Prog und Fias Maskerade.

Über die Band…

„Danke für Euer Interesse, die letzten Tage hatten wir durch den weltweiten Release unseres Debüts viel um die Ohren, doch genießen wir jeden Moment.“

THE GREAT DISCORD wurde 2013 von Sofia „Fia“ Kempe und Aksel Holmgren gegründet. Fia und Aksel spielten jeweils in verschiedenen Gruppen, zeitweise lebte Aksel sogar von seinen Einsätzen. Da sich die beiden jedoch seit über zehn Jahren kannten, wurde natürlich mit dem Gedanken gespielt, gemeinsam an eigenen Songs zu arbeiten. „Wir haben schon immer darüber geredet, Songs zusammen zu schreiben, und wussten, dass wir hinsichtlich progressiver Musik ähnliche Interessen haben. Wir genossen es immer, uns in Unterhaltungen über ‚gute‘ Musik zu verlieren. Als wir uns schließlich hinsetzten und mit dem Schreiben eigener Songs begannen, sprudelten die Ideen nur so aus uns heraus. Wir schlossen uns in einer Hütte im Wald ein und es dauerte nicht lange, bis der erste Song geschrieben war – „Deus Ex Homine“. Wir spürten, dass wir eine Band brauchten, sodass Aksel mit André Axell sprach, mit dem er zuvor in der Band PROWESS gespielt hatte. André ist mit uns beiden gut befreundet und ein herausragender Gitarrist. Er hörte sich unsere Demos an und zeigte sofort Interesse an einer Zusammenarbeit. Kurz darauf fragten wir Gustav Alberg von PG LOST. Auch Gustav ist ein sehr talentierter Gitarrist mit großem Fachwissen und Interesse im Bereich Musik. Wir vier teilen eine gemeinsame Leidenschaft für progressive Musik. Rasmus Carlsen auf der anderen Seite hatte nahezu keine Erfahrung im Bereich des Metal – er spielte bis dahin Jazz, Fusion und Funk. Als wir auf der Suche nach einem Bassisten waren und auf Rasmus stießen, zeigte er mit den Worten „Ich habe so etwas noch nie gespielt“ sofort Interesse.“

Zusammen schrieb die Band den Rest der Songs und harmonierte nach eigener Aussage wunderbar. „A match made in heaven“, so nennen es Fia und Aksel.

Über das Album…

Der Prozess des Schreibens erfolgte weniger ergebnisorientiert. Stattdessen wollten sich THE GREAT DISCORD fern aller Genregrenzen frei bewegen und strotzen in dieser Hinsicht vor Selbstbewusstsein. „Wir haben uns nicht hingesetzt und gesagt: Wir schreiben etwas, das genau SO klingt. Stattdessen ließen wir den Ideen freien Lauf. Es hat etwas Bereicherndes, wenn man ohne Restriktionen einfach nur kreativ sein kann, was unserer Meinung nach auch der Grund ist, warum unsere Musik so lebendig und emotional geworden ist. Oft hatten wir das Gefühl, dass die Melodien selbst eine Geschichte erzählen. Wir wollten Songs schaffen, die beim Hörer hängen bleiben und gewisse Gefühle auslösen, seien diese nun positiv oder negativ.“

Eng mit dem Songwriting verbunden ist auch das Konzept, das hinter „Duende“ steckt. „Je weiter wir mit dem Songwriting voranschritten, desto klarer wurde uns, worum es in den Stücken gehen würde. „Duende“ handelt von den Leiden des Menschen und den verschiedensten, emotionalen Zuständen, in denen sich der Mensch befinden kann. Die Texte handeln von psychologischen Phenomenen wie Trauer, Zorn, Depression, aber auch Kraft und Freude.“ Welches Thema den einzelnen Songs zugrunde liegen würde, bestimmte dabei die Beschaffenheit des Stückes selbst. „Zum Beispiel die breitbandigen Dissonanzen im Gitarrenspiel von „Eigengrau“ fühlten sich für uns wie das Ringen eines Drogensüchtigen mit der eigenen Sucht an, während das Intro von „The Aging Man“ ein Synonym für die Angst eines alternden Menschen vor der eigenen Sterblichkeit wurde.“

Über den Begriff Duende selbst ziehen THE GREAT DISCORD eine Definition von NICK CAVE heran, der sagte: „Alles, was dunkle Klänge enthält, hat Duende„. Für die Band trifft diese Beschreibung den Nagel auf den Kopf. „Duende ist das Gefühl, das jeder kennt aber kein Philosoph beschreiben kann. Wenn die Stimme des Sängers sich überschlägt, weil ihn der Song derart affektiert, wenn die Noten vor Emotionalität blue werden, wenn man in der Musik versinkt, sodass man eine Gänsehaut bekommt.“

Auch die bisherige Rezeption des Albums fiel zu Gunsten der Band aus: „Wir erhielten eine Menge herzerwärmender Reviews und bedanken uns aufrichtig dafür. Doch es war auch eine interessante Herausforderung, als Newcomer bei Metal Blade in Erscheinung zu treten. Zwar hat das Label mit NATIVE CONSTRUCT und BETWEEN THE BURIED AND ME einige andere Bands aus dem Progressive-Bereich unter Vertrag genommen, doch wir waren anfänglich besorgt, ob die Metal-Blade-Fans mit unserem Sound überhaupt etwas anfangen können. Die Trailer, die wir veröffentlichten, ließen die Meinungen auseinander gehen. […] Wir können nur sagen, dass wir für jede Reaktion – ob positiv oder negativ – dankbar sind.“

Über die Aufnahmen…

THE GREAT DISCORD nahmen das Album in Eigenregie im bandeigenen Heimstudio Pazuzu Recordings auf, um sich eine gewisse Grundauthentizität zu bewahren und die volle Kontrolle über das Produkt zu haben. Gleichzeitig wollte man unter so wenig Druck wie möglich arbeiten. „Ja, wir hatten eine Deadline zu Fertigstellung des Albums, bekamen aber viel Zeit, um in Ruhe arbeiten zu können. Der Prozess der Aufnahmen dauerte vier Monate. Die große Herausforderung dabei war es, unsere Zeitpläne zu managen, da jeder von uns regelmäßig arbeiten geht. Dank Aksels Erfahrung verliefen die Aufnahmen aber äußerst geschmeidig. Darüber hinaus hatten wir Unterstützung durch Freunde und Familie. Niels Nielsen von DEAD SOUL etwa half uns beim Abmischen und dem Mastering, auch wenn er im Bereich dieser spezifischen Art von Metal oder den zum Teil wahnsinnigen Gesangs-Arrangements nicht so viel Erfahrung mitbrachte. Es wurde ein Geben und Nehmen für uns alle, eine Situation, in der wir alle unser Wissen austauschen konnten. Am Ende entsprach „Duende“ unseren Vorstellungen, sodass wir rundum zufrieden waren.“

Über das Auftreten der Band – speziell von Fia…

Was die ungewöhnliche Kostürmierung von Fia Kempe betrifft, so wollte die Band ein Sprachrohr haben, an das der Hörer möglichst unvoreingenommen herangeht. „[Das Album] handelt von menschlichen Stimmungen und die Texte decken teilweise die Extreme ab, teilweise befassen sie sich aber auch mit alltäglichen Situationen wie Trauer, Zorn, Hass, Leben und Tod – Dinge, über die der Mensch für gewöhnlich nicht offen zu reden pflegt, die aber dennoch eine wichtige Rolle im Leben einnehmen. Da dies zum Teil schwere Themen sind, wollten wir uns nicht alle in T-Shirts und Jeans präsentieren. Fia sollte all diese Emotionen mit ihrem äußeren kanalisieren. Die Idee hinter ihren schwarzen Augen, weißem Gesicht und dem Federschmuck ist es, den Geist des Hörers zu ‚eichen‘: Da wir menschliche Emotionen und psychische Krankheiten nicht als etwas ‚Böses‘ betrachten, soll Fia auch nichts Böses darstellen. Sie ist gleichzeitig alles und nichts. Sie ist die Drogensüchtige, die Mörderin, die Kannibalin, genauso wie sie Trauer, Schmerz und Freude verkörpert.“

Live gibt sich die Band ähnlich expressiv wie ihre Musik. „Wir möchten unserem Publikum ein audiovisuelles Ereignis bieten, das unserer Musik entspricht, zumal wir es alle lieben, live aufzutreten. Am Besten schaut Ihr Euch unser Video zu „The Aging Man“ an, wenn ihr Euch einen Eindruck von unserer Bühnenpräsenz verschaffen wollt.“

Mist, hier tut was nicht.Whoops! Hier sollte eigentlich ein Video- oder Audio-embed erscheinen. ...

Und sonst…

Schließlich kommt die Band auf ihren eigenen Musikgeschmack zu sprechen. „Es gibt einige gute Alben neben „Duende“ (lacht), die dieses Jahr herausgekommen sind. Das aktuelle Doppelalbum von PERIPHERY gefällt uns sehr. Ein weiteres Highlight für uns ist „The End Of Everything“ von PLINI – ein echt cooler und zeitgenössischer Prog Artist mit starken Jazz-Einflüssen. Auch ist hier Marco Minnemann am Schlagzeug zu hören – Grund genug für Euch mal reinzuhören. Und natürlich ist die „Sol Invictus“ der mächtigen FAITH NO MORE ebenfalls großartig. Prinzipiell alles, was Mike Patton anfasst, ist großartig. Aber wie Ihr Euch vorstellen könnt, widmeten wir unsere musikalische Aufmerksamkeit hauptsächlich unserem Debüt, weshalb wir bislang nicht all zu viel von diversen anderen Releases mitbekommen haben.“

In der Bandbiografie ist außerdem von der Liebe von Fia und Aksel zu den Klassikern GENESIS und KING CRIMSON die Rede. „GENESIS haben im Laufe ihrer Zeit derart unglaubliche Musik gemacht, dass wir gar nicht wissen, wo wir anfangen sollen. Aber wenn wir [unser Lieblingsalbum] wählen müssten, würden wir „Selling England By The Pound“ aus dem Jahre 1973 nehmen. Sie haben einfach so viele große Gefühle und ein derart gutes Storytelling in das Album hineingesteckt – man kann es sich einfach immer und immer wieder anhören, ohne dass es langweilig wird. Da ist etwas ganz Besonderes in dem Sound, Ihr könnt förmlich hören, wie stark und gleichzeitig zerbrechlich und emotional die Songs sind. Zum Beispiel hört man beim Flötensolo von „Firth Of Fifth“, wie Peter Gabriel zwischen den einzelnen Sequenzen Luft holt. Dadurch fühlt sich das Album so real an, dass man es immer und immer wieder erleben möchte.“

Zu KING CRIMSON nannten die beiden gleich zwei Lieblingsalben: „Wir denken, dass KING CRIMSON mit „Cirkus“ aus dem Jahre 1999 den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Als wir es zum ersten Mal hörten, wussten wir nicht einmal, dass es sich hierbei um ein Live-Album handelt. Ihre Spielweise klingt einfach so perfekt, dass das Album als Erfahrung verrückt und wunderschön zugleich ist. Wir bewundern die Texte und die Verspieltheit dieser Band immer wieder aufs Neue. Was Studioalben angeht, so ist „In The Court Of The Crimson King“ ein starker Anwärter für den Thron. Ein geradezu lächerlich gutes Debüt, das derart abenteuerlich ist, dass man aus dem Staunen kaum raus kommt.“

Zum Schluss…

„Wir sind einfach so aufgeregt über unser Release und können es kaum abwarten, bis die Tour endlich startet. Bislang ist noch nichts festgesetzt, zumindest nicht in absehbarer Zeit, aber haltet doch trotzdem Ausschau nach uns. Wir danken all denen, die Teil unserer musikalischen Reise sind und hoffen, Euch wiederzusehen. Und danke für das Interview!“

18.06.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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