The Dead Daisies
Das Ego bleibt draußen

Interview

THE DEAD DAISIES stehen seit jeher für astreinen Classic Rock. Für ihre neue Platte „Holy Ground“ gewann die Band niemand geringeres als den legendären Glenn Hughes für den Gesangs- und Bassposten. Wir klingelten bei Gitarrist Doug Aldrich durch, um uns über den Stand der Dinge bei der Supergroup zu erkundigen. Die ersten Anrufsversuche laufen ins Leere. Doch eine ebenso sympathische wie menschliche Erklärung hat der Saitenhexer sofort parat.

Hey Doug, ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung.

Hey, es tut mir echt leid. Ich weiß, dass deine Zeit wertvoll ist und in 99,9 Prozent aller Fälle bin ich pünktlich. Aber wir haben gerade ein paar Handwerker da und ich musste noch eben etwas klären.

Kein Problem, ich habe Zeit. Dann lass uns doch zu THE DEAD DAISIES kommen. Im Vorfeld zur neuen Platte „Holy Ground“, die bald erscheint, verließen Marco Mendoza und John Corabi die Band nach mehreren sehr erfolgreichen Alben. Wie kam es dazu?

John gab als erstes an, für die Band nicht mehr zur Verfügung zu stehen, weil er sein eigenes Ding durchziehen wollte. Das war absolut verständlich und es gab keinen Stress. Er wollte mehr Soloshows machen, diese Akustikshows, wo nur er mit seiner Gitarre performt und Fragen beantwortet. Das ständige Touren und Aufnehmen wurde ihm zu stressig. Marco hatte schon länger eine Solokarriere am Laufen und wollte sich mehr darauf konzentrieren. Das sagte er aber erst so wirklich deutlich, als Glenn Hughes ins Spiel kam. Aber es lief alles friedlich ab. Diese Band hatte von Anfang an viele Veränderungen im Line-up, ähnlich wie es bei DEEP PURPLE der Fall war. Wir sind jetzt THE DEAD DAISIES Mark IV, haha.

THE DEAD DAISIES blicken nach vorne

Witzig, dass du ausgerechnet DEEP PURPLE als Vergleich heranziehst, denn schließlich wurde Glenn Hughes durch DEEP PURPLE bekannt. Auch heutzutage ist er noch ein schwer beschäftigter Mann. Was es schwierig, ihn dazu zu bringen, der Band beizutreten? Oder hat deine persönliche Verbindung zu ihm geholfen? Du hast in der Vergangenheit ja schon mit ihm gespielt.

Ich denke, es hatte nichts mit mir zu tun. Das Management kontaktierte ihn und als sie es mir mitteilten, dachte ich „Oh man, darauf wäre ich nie gekommen, das ist großartig.“ Danach kam ich mit ihm ins Gespräch und sagte ihm, wie begeistert ich von der Idee war und er meinte, es sei Zeit, dass wir zusammen Musik kreieren. Die Möglichkeit, ein richtiges Rockalbum zu machen, fand Glenn einfach super und er hatte auch Lust darauf, auf Tour zu gehen, um das Album zu promoten. Es war eine Win-Win-Situation für alle.

Vor ein paar Jahren habe ich Glenn Hughes live gesehen, als er mit seinem DEEP PURPLE-Programm auf Tour war. THE DEAD DAISIES covern regelmäßig Rockklassiker auf ihren Konzerten. Jetzt, da Glenn Hughes in der Band ist, werden wir zukünftig ein paar DEEP PURPLE-Songs zu hören bekommen, „Burn“ oder „Mistreated“ vielleicht? Mit Glenn in der Band würde das doch absolut Sinn ergeben.

Ich denke, das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren. Bevor Glenn in die Band kam, haben wir schon Songs wie „Highway Star“ oder „Hush“ gespielt. Wir haben mit Glenn schon darüber gesprochen und er hat da richtig Lust drauf. Bei den Gesprächen mit ihm und dem Management kristallisierte sich aber heraus, dass der Großteil des Sets sich erst einmal auf „Holy Ground“ konzentrieren wird. Wir sind sehr glücklich damit und hoffen, dass die Leute da draußen genauso begeistert von der Platte sind.

Wie hat sich denn das Songwriting bei THE DEAD DAISIES durch Glenn verändert? Nahm er viel Einfluss auf die Songs?

Tatsächlich hat sich eine Menge dahingehend verändert. Als ich der Band beitrat und wir uns zum ersten Mal in Nashville trafen, setzten wir uns alle mit Akustikgitarren zusammen und jeder stellte seine Ideen vor. Dann nahmen wir das auf, was uns gefiel und entwickelten daraufhin die Songs. Es war ein sehr entspannter Schreibprozess, weil jeder involviert war. Ich habe also nie vollentwickelte Ideen bei THE DEAD DAISIES eingebracht, weil wir alles zusammen entwickelten. Aber als Glenn in die Band kam, hat er uns sofort ein paar konkrete Songs vorgestellt. Daraufhin habe ich mich hingesetzt und ebenfalls ein paar meiner Ideen für Glenn ausgearbeitet. Mit ihm als Sänger eröffneten sich bestimmte Möglichkeiten, von denen ich mir sicher war, dass sie ihm gefallen werden. Wir haben uns also gegenseitig konkretere Ideen als früher vorgestellt. David Lowy und ich hatten ungefähr sechs Songs ausgearbeitet, ich hatte noch etwa fünf und Glenn hatte auch fünf oder sechs Songs. Das war ziemlich cool. Für den Song „Come Alive“ hatte ich eine Strophe, an der ich mit David gearbeitet hatte, doch wir hatten keinen Refrain. Glenn stellte uns dann eine Idee vor und schon hatten wir einen Refrain. Es war wirklich sehr einfach, unsere Ideen gemeinsam zu vollenden.

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass das neue Album etwas düsterer und sehr viel härter als die vorherigen Platten ausgefallen ist. Stimmst du da zu oder empfindest du „Holy Ground“ ganz anders?

Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen. Natürlich stehe ich den Songs sehr nah und habe da nicht so einen neutralen Blick drauf. Aber wir haben mit einem neuen Produzenten gearbeitet, Ben Gross, der die Gitarren anders und härter machen wollte. Gleichzeitig kam er den Songs eine neue Leichtigkeit. Er stellte uns eines Tages tolle Clean-Sounds auf einem Marshall-Amp vor. Das war richtig cool. Wir haben verschiedenen Sachen ausprobiert und viel mit ihm experimentiert. Aber ich denke, du hast Recht. Es gibt sehr viele harte Momente auf dem Album und einiges ist recht düster. Früher gab es Songs wie „Song And A Prayer“, die sehr gut für uns funktionierten, aber etwas poppig ausfielen. Auf dem neuen Album kommt „Chosen And Justified“ dem wohl noch am ehesten nahe. Das ist einer meiner Lieblingssongs. Er fühlt sich leichtfüßiger an. Aber Songs wie „Far Away“ oder der Titelsong sind sehr heavy. Ich denke, wir haben viele Geschmacksrichtungen auf der Platte.

Was ist der „Holy Ground“?

Da stimme ich zu. Das Album hat eine gute Balance zwischen harten und leichtfüßigen Rock’n’Roll-Songs. Es ist definitiv eine gute Mischung. Aber was genau ist denn für dich die Bedeutung des Titels „Holy Ground“ und wie steht der Titel in Verbindung mit dem Song selbst?

Das ist eine sehr gute Frage. Denn das führt mich zu einem Punkt, den ich an dem Album sehr liebe und das sind die Texte. Glenn lässt immer Raum für Interpretationen. Ich denke, das ist sehr wichtig für die Leute, weil alle ihre eigenen Gedanken dazu entwickeln können, worum es geht. Für mich geht es in „Holy Ground“ um meine Seele. Die muss ich beschützen. Genauso ist meine Familie ein „Holy Ground“ für mich, den ich beschützen muss. Wenn du Glenn fragst, wird er sicherlich etwas komplett anderes antworten. Andere wiederum werden vielleicht unseren Planeten als den „Holy Ground“ ansehen.

Der Titelsong und „Bustle And Flow“ waren die Vorabsingles der Platte. Für letzteres habt ihr ein Musikvideo in der Unreal Engine anfertigen lassen. Wo kam diese Idee her und wie habt ihr den Entstehungsprozess erlebt?

Das hat der Regisseur durch Storyboards mit dem Management erarbeitet. Wir hatten nichts damit zu tun. Wir wussten, dass es eine Single gibt, aber das Video war eine Überraschung. Aber es ist cool.

Es war also mehr eine Entscheidung des Managements?

Korrekt. Das Management ist in jeden Aspekt von THE DEAD DAISIES involviert und das ist cool so. Es ist quasi das fünfte Bandmitglied.

Für die Aufnahmen habt ihr euch in den Studios La Fabrique in Frankfreich zusammengefunden. Wie habt ihr da Zeit für gefunden? Schließlich sind alle Musiker in der Band auch noch in andere Projekte involviert.

Für mich hatten THE DEAD DAISIES immer oberste Priorität. Es gab ein paar andere Projekte, an denen ich teilgenommen habe, aber 2019 habe ich bis auf etwas Promotion für ein anderes Projekt, habe ich mich nur auf THE DEAD DAISIES fokussiert. Als Glenn ins Spiel kam, haben wir uns voll und ganz auf THE DEAD DAISIES konzentriert. Glenn hat auch ein paar Sachen zurückgestellt, um der Band mehr Zeit einzuräumen. Gleiches gilt für Deen Castronovo. Wir hatten ein gemeinsames Projekt, Revolution Saints, das im Prinzip auf Eis liegt. Wir haben uns also alle Zeit frei geräumt, um mit der Band auf Tour gehen zu können, sobald das wieder möglich ist.

Du hast vorhin erwähnt, dass ihr alle unabhängig voneinander die Songs entwickelt habt. War es Ende eine harte Diskussion darüber, welche es auf das Album schaffen würden?

Nein, nicht wirklich. Jeder gibt seine Stimme ab. Ben Gross übernahm am Ende die Leitung und hätte da hart durchgreifen können. Doch wir haben alles per Abstimmung entschieden. Bei ein oder zwei Songs waren wir etwas unsicher, aber mich hat das nicht gestört, weil ich mit allen zufrieden war.

THE DEAD DAISIES blicken auf eine Reihe toller Musiker zurück, die Teil der Band sind oder waren. Alle von ihnen hatten sehr erfolgreiche Karriere, bevor sie THE DEAD DAISIES beitraten. Gab es da jemals Egoprobleme zwischen euch?

Nein, wir waren stets gute Freunde. Ab einem bestimmten Punkt im Leben, lernt man, sein Ego draußen zu lassen. Wenn man jünger ist, dann kommt es manchmal zu Situationen, wo das Ego im Weg steht. Aber wenn du mit Leuten zusammenspielst, die schon einen gewissen Erfolg hatten, in welcher Form auch immer, nimmt man sie einfach nur als Menschen wahr. Für Glenn war es einfach, weil er mich schon kannte und wusste, dass er mir vertrauen kann. Als wir das erste Mal gemeinsam in der neuen Besetzung spielten, war dieses Vertrauen schnell auf allen Seiten dar. Genauso lief es, als Deen der Band beitrat. Als Marco mich anrief, um der Band beizutreten, kannte ich die meisten aus der Band bereits. Ich sprach mit David, der ein cooler Typ ist und er fand, dass unsere Gitarrenstile zusammenpassen. Ich liebe es, wie David den Sound der Band weiterentwickelt und trotzdem ihre Integrität bewahrt.

Endlich wieder auf Tour gehen

Aktuell ist nicht klar, wann ihr wieder auf Tour gehen könnt. Andere Bands haben durch Livestreams zumindest ein bisschen Konzertfeeling in die Wohnzimmer ihrer Fans gebracht. Können wir sowas auch von THE DEAD DAISIES erwarten?

Wir sprechen darüber. Wir haben noch keinen klaren Plan dafür. Für uns ist es etwas schwierig, weil wir in unterschiedlichen Bundesstaaten leben. Nur Glenn und ich leben in Los Angeles. Unsere letzte gemeinsame Probe fand Anfang Oktober statt. Wir haben drüber gesprochen, aber Reisen müssen dafür wieder möglich und sicher sein, da wir auf Flüge angewiesen sind. Das ist aktuell nicht möglich. Trotzdem ist ein Livestream möglich. Ich denke, alle hätten Lust darauf.

Die jüngsten Entwicklungen durch die Coronakrise haben das Internet noch wichtiger für die Verbreitung von Musik gemacht als es ohnehin schon war. Was fühlst du dabei? Streamingservices zum Beispiel werden jeden Tag mächtiger, aber bezahlen den Menschen, die die Musik erschaffen, immer noch keinen fairen Anteil an dem, was die Musik einspielt.

Die Struktur hinter der Verteilung von Lizenzgebühren ist etwas schwierig. Man muss wirklich viel streamen, um bezahlt zu werden. Aber ich glaube, da sind schon ein paar Änderungen in Arbeit und das wäre schön. Aktuell ist es sehr schwierig für Musiker, weil die Touren wegfallen. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber bei uns wird schon geimpft und wir können es kaum erwarten, wieder live zu spielen. Ein Livestream wäre nett, aber es ist kein Vergleich zu einem richtigen Konzert. Darauf freuen wir uns total.

Quelle: Foto: Fiaz Farelly
21.01.2021

"Irgendeiner wartet immer."

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