The 69 Eyes
The 69 Eyes

Interview

Sie sind in Finnland DIE Megastars zur Zeit. Unerkannt auf die Straße gehen – nein, das können die fünf Jungs von "The 69 Eyes" nicht mehr. Ihr neues Album "Paris Kills" schoss in ihrer Heimat in den Charts direkt auf die Eins und verdrängte damit Popsternchen wie Britney Spears. Die Single Dance d’Amour hielt sich ebenfalls wochenlang an der Chartsspitze …die Finnen sind schon ein seltsames Volk mögen jetzt einige sagen… und wer sind überhaupt "The 69 Eyes"? Also zum einen: Seltsam sind die Finnen sicherlich nicht, obwohl es wirklich ungewöhnlich ist, dass eine Gothic Band die Hitparaden stürmt. Es zeugt vielleicht einfach von gutem Musikgeschmack, wenn ausnahmsweise keine Retortenband oder ähnliches die meisten Platten verkauft und für den Ausnahmezustand sorgt. Ungewöhnlich außergewöhnlich könnte man vielleicht sagen. Und "The 69 Eyes"? Auch wenn sie hier in Deutschland noch nicht zu Megastars geworden sind, können sie hier doch schon eine beachtliche Anzahl von Fanseiten und nicht gerade wenige Plattenverkäufe vorweisen. Videos zu Songs des Vorgängeralbums "Blessed be" konnte man bereits auf VIVA 2 bewundern und im letzten Jahr enterten die Finnen beim M’era Luna Festival die Mainstage zu abendlicher Stunde. Nun soll mit dem Album "Paris Kills", das hier am 27. Mai veröffentlicht wird, der endgültige Durchbruch gelingen. Da es Drummer Jussi immer mal wieder nach Hamburg zieht, bot sich die Gelegenheit, ihm einige Fragen zu stellen. Danach sollte es in der Scandia Bar auf dem Kiez eine bunte Mischung aus allen Bereichen des Rock, den 80ern und vielem mehr geben – aufgelegt zum vierten Mal von DJ Jussi.

Euer neues Album „Paris Kills“ wird hier am 27. Mai veröffentlicht. Seid Ihr absolut zufrieden mit der CD?

Ja, das sind wir. Wir haben absolut den Sound erreicht, den wir kreieren wollten. Wir hatten sozusagen Erfolg und sind wirklich sehr glücklich mit dem Album.

Eure Musik hat sich Schritt für Schritt verändert. Bei der neuen Scheibe kommen die Melodien zum Beispiel sehr stark zum Vorschein, Jyrkis Stimme steht im Vordergrund… Eine normale Wandlung, weil Ihr Euch als Menschen auch verändert?

Wir wollen immer vorwärts kommen. Ich möchte nirgends stehen bleiben. Wir haben immer genau das Album gemacht, das wir zu dem Zeitpunkt machen wollten. Natürlich mögen wir auch noch die alten Songs. Ich höre mir auch immer noch gerne „Bauhaus“ an, aber eben auch „Duran Duran“. Die Alben waren immer von der Musik beeinflusst, die wir gerade gehört haben. Wir haben jetzt viel aus den 80ern gehört. Es gibt natürlich immer einige, denen die Veränderungen nicht gefallen. Wir wollten uns dieses Mal auf die Melodien und Jyrkis Stimme konzentrieren und den Rest einfacher halten – die harten Gitarrenriffs sozusagen begraben. Die Melodien sind bei „Paris Kills“ daher mit Piano, Violinen, Keyboards und Background Vocals unterlegt.

Wie würdest Du selbst das neue Album beschreiben?

Irgendjemand hat gesagt, es ist Gothic Music für die Masse. Auf eine Weise liegt in diesen Worten Wahrheit. Das Album bricht durch verschiedene Kategorien, wir wollen uns nicht in eine Schublade stecken lassen. Ich finde nichts schlechtes daran, dass es vielleicht mehr Mainstream ist. Auch wenn wir Erfolg haben – wir haben uns an niemanden verkauft, nur um unsere Platten besser unter die Leute zu bringen. Wir sind in Finnland direkt auf die Position Eins geschossen und dort geblieben… vor Britney Spears und Kylie Minogue. Das ist irgendwie seltsam. Ich weiß nicht, ob „Dance d’Amour“ wie in Finnland auch hier in Deutschland als Single ausgekoppelt wird, ich hoffe es. Versprechen kann ich aber nichts.

Wie wichtig ist Euer Produzent Jonny Lee Michaels für Euch und vor allem im Hinblick auf das neue Album? Was habt Ihr für ein Verhältnis zu ihm?

Er ist der perfekte Mann für uns, es bringt einfach Spaß, mit ihm zu arbeiten. Er war in den 80ern ein Gothic Rockstar hier in Finnland; wir kennen ihn schon lange, mögen die gleichen Sachen. Jonny hat auch das Vorgängeralbum „Blessed be“ produziert. Damals war es eine Art Abtasten. Dieses Mal mussten wir über bestimmte Dinge gar nicht reden. Wir wissen einfach, was der andere denkt und möchte. Er ist für uns wie das sechste Bandmitglied.

Wie sehen Eure Pläne für den Sommer aus? Ihr werdet auf vielen Festivals spielen…

Ja, in Finnland werden wir bei allen großen Festivals dabei sein. Aber wir sind auch beim M’era Luna in Hildesheim. Darauf freue ich mich jetzt schon. Im letzten Jahr waren wir auch dort, es war unser letzter Auftritt bevor wir „Paris Kills“ aufgenommen haben. Es war einfach großartig dort zu spielen: Wir konnten spät abends auf der Hauptbühne unser Konzert geben und danach Marilyn Manson bei seinem Auftritt sehen. Ich bin ein großer Fan von ihm. Zurück in Finnland haben wir angefangen, an dem Album zu arbeiten. Zwei Songs hatten wir vorher schon auf der Tour fertig. Wie wollten dieses Bühnengefühl in unseren Köpfen haben. Wir wollten ein Album machen, das zum Beispiel perfekt für das M’era Luna ist. Und es hat funktioniert.

Irgendwo habe ich gelesen, dass Ihr „The Cure“ supporten werdet. Stimmt das?

Ich hab das Gerücht auch gehört. Es stimmt aber nicht, es wird keine Tour mit „The Cure“ geben. Vielleicht kam das Gerücht dadurch zustande, dass wir auf einigen Festivals spielen, bei denen die Band auch auftritt.

Gibt es eine Band oder einen Musiker, mit dem Du gerne einmal zusammenarbeiten möchtest?

Das ist eine schwierige Frage, da gibt es sicherlich viele Menschen. Niemand wäre überrascht, wenn wir auf der nächsten Platte etwas mit Type O Negativ oder Tiamat zusammen machen würden. Versteh mich nicht falsch, ich hab absolut nichts gegen die Bands, ich mag sie wirklich. Es wäre sicherlich aufregend, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber ich denke, wir werden etwas Überraschendes machen.

In Finnland seid Ihr Megastars. Kannst Du ohne Probleme einkaufen gehen?

Nein, das geht nicht. Anfangs war es unheimlich, sonderbar. Ich habe eine Weile gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Die Leute stehen draußen vor meiner Tür und warten, dass ich herauskomme. Die Magazine schreiben, dass ich in einer Bar betrunken gewesen sei, mit wem ich dort gewesen sei und wer angeblich meine Freundin sei… Es ist großartig Fans zu treffen. Ich bin glücklich darüber, etwas zu machen, dass anderen gefällt. Es gibt nichts, worüber ich mich beschweren sollte. Ich hasse es, wenn sich bekannte Leute über ihren Ruhm beschweren. Sie können jederzeit aufhören und etwas anderes machen.

Live auf der Bühne zu stehen – was ist das Besondere daran für Dich?

Es ist das größte für mich. Ich weiß, das sagen viele Musiker… aber es stimmt. Ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben, wenn man eine Stunde oder länger auf der Bühne steht. Das muss man erlebt haben. Es ist großartig zu sehen, wie das Publikum die Musik aufnimmt und mitsingt. Auch wenn wir vor nur zehn Fans spielen würden, würde ich es immer noch lieben. Auf der Bühne bin ich Superman – es dauert eine Weile, bis ich nach dem Auftritt wieder zur Ruhe komme.

Wenn Du einen Auftritt in Finnland mit einem Gig in Deutschland vergleichst, wo liegen da die Unterschiede?

In Finnland ist es eher ein „Mainstream Publikum“. Hier ist es leichter, ein typisches Mädchen zu beschreiben, das auf unserem Konzert ist. In Finnland sind zehnjährige Kinder mit ihren Eltern. Das ist wirklich verrückt, aber das passiert wenn sie deine Songs im Radio spielen. „Betty Blue“ werden wir als nächstes in Finnland veröffentlichen, es ist aber jetzt schon der meistgespielte Song im Radio… vor Kylie Minogue zum Beispiel… das ist schon sonderbar.

Was war die letzte CD, die Du Dir gekauft hast?

Ich hab alle Platten von „Duran, Duran“, musste mir also die „Greatest Hits“ kaufen. Vorher habe ich unbedingt die „Tainted love“ von Marilyn Manson haben wollen. Jetzt warte ich auf die neue Scheibe von „Korn“. Aber was ich dringend suche, ist der Soundtrack zu „Miami Vice“. Jyrki hat die Platte und ich hab eine wirklich schlechte Kopie.

Wie sieht es in der finnischen Musikszene aus? Ist das eine große Familie oder…

Es ist eine große Familie. Ich glaube nicht, dass es da Neid gibt. Warum sollte es welchen geben? Wenn jemand Erfolg hat, nimmt er mir doch nichts weg. Finnland ist ein kleines Land, man kennt die meisten Bands. Da wir aus Helsinki kommen, natürlich hauptsächlich die aus dieser Stadt. Mit dem Jungs von „Him“ und „The Rasmus“ sind wir zum Beispiel gut befreundet.“

Arroganz…

…arrogante Leute sind es nicht wert, sie zu kennen oder mit ihnen befreundet zu sein.“

Hass…

Wenn man dieses Gefühl hat, gibt es einem Power und Stärke. Aber es ist nicht gut – man kann viele schlimme Sachen aus dem Gefühl des Hasses heraus machen. Ich versuche dieses Gefühl zu vermeiden.

Liebe…

…das größte, das überhaupt existiert. Es ist etwas, das jeder versucht zu finden oder zu bekommen und oft werden die Menschen enttäuscht. Ohne Liebe ist die Welt grau. Wenn Du Dich geliebt fühlst, ist es wie ein Licht, dass Dir den Weg durch den Nebel zeigt.

Groupies…

…das ist schön, dass Du das Thema ansprichst. Einige bringen Fans und Groupies durcheinander, aber es gibt einen großen Unterschied zwischen beiden. Fans lieben die Musik, haben ähnliche Ideale oder was auch immer… Groupies sind Sammler. Ihnen geht es nur um die Personen an sich und die wollen sie haben, der Rest ist ihnen egal. Sie wollen einen neuen Namen in ihrer Sammlung haben, um den Freunden davon erzählen zu können. Groupies gehören zum Musikbusiness. Anfangs dachte ich, sie benutzen die Menschen nur. Aber ich kann nicht über Leute urteilen, die ich nicht kenne. Wenn beide Seiten das bekommen, was sie wollen, ist es in Ordnung. Ich bin nicht daran interessiert, jemand zu sein, der zu einer „Sammlung“ gehört. Einige denken wirklich, ich habe Sex mit Groupies, aber das stimmt einfach nicht.

…und dann ging es mit dem Taxi Richtung Kiez. In der Scandia Bar ließ sich dann eine bunte Mischung der verschiedensten Menschen von den Platten, die Jussi auflegte, berauschen. Ob der Gothic Fan, der extra wegen des Drummers gekommen war, der Kiezgänger, der von der guten Musik angelockt wurde oder die letzten Überlebenden des Hamburger G-Moves… die Party ging bis in den frühen morgen. Wollen wir hoffen, dass der sympathische Finne demnächst wieder den Weg zur Reeperbahn findet.

28.05.2002
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