Testament
Interview mit Chuck Billy über "Brotherhood Of The Snake", Donald Trump und Solo-Neid
Interview
TESTAMENT erleben seit der Jahrtausendwende ihren zweiten Frühling. Die neue Platte „Brotherhood Of The Snake“ ist ein weiteres Highlight in der Diskographie der Thrash-Legende. Wir haben uns in Düsseldorf mit Frontmann Chuck Billy getroffen. Der nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es um die harte Arbeit an der neuen Platte, Solo-Neid innerhalb der Band oder Donald Trump ging.
Hey Chuck erst einmal Gratulation zur neuen TESTAMENT-Platte. Ich hatte echt eine Menge Spaß mit „Brotherhood Of The Snake“! Aber zwischen dem Album und „Dark Roots Of Earth“ lagen satte vier Jahre. Wie viel dieser Zeit habt ihr tatsächlich für die Aufnahmen verwendet und wie lief der Prozess ab?
Chuck: Knapp zwei Jahre. Vor anderthalb Jahren wurde es dann richtig ernst mit den Arbeiten an den neuen Songs. Es war echt schwierig, diese Platte zu schreiben. Denn die Kommunikation zwischen Eric und mir lieft nicht gerade problemlos ab. Und Alex hat auf diesem Album nicht wirklich etwas zum Songwriting beigetragen. Also lag alles auf Erics Schultern, und ich musste darauf warten, dass er Songs fertig stellt. Das wurde mit der Zeit sehr frustrierend und anstrengend.
Ich finde, dass man das dem Album durchaus anhört. Im Vergleich zu beispielsweise „Dark Roots Of Earth“ empfinde ich „Brotherhood Of The Snake“ als sehr viel direkter und aggressiver. War das eine bewusste Entscheidung?
Chuck: Ja, nach „Dark Roots“ wollten wir auf jeden Fall das Tempo anziehen und schnellere Songs schreiben. Der Gesang sollte immer noch melodisch bleiben. Ich wollte meine Death-Metal-Stimme nicht so oft einsetzen. Das Schlagzeug sollte außerdem mit wenig Triggern und Samples auskommen, um möglichst natürlich zu klingen. Wir hatten klare Ziele, die wir auf dem neuen Album erreichen wollten. Ich denke, das ist uns gelungen.
Und was genau ist die Bruderschaft der Schlange?
Chuck: Die Bruderschaft der Schlange ist ein Geheimbund, der über 6000 Jahre alt ist. Die Mitglieder befanden sich auf einer Art Kreuzzug, um über Religionen zu reden und ihre Religion anzupreisen. Sie glaubten an einen Außerirdischen König, der die Menschheit erschaffen hat, um sie auf der Erde als seine Sklaven arbeiten zu lassen, damit er die Mineralien und das Gold verwenden kann. Als ich Eric den Titel „Brotherhood Of The Snake“ vorschlug, dachten wir sofort, dass das ein guter Titel für das Album sei und es war quasi der Startschuss für unsere Arbeit.
Zum ersten Mal seit „First Strike Still Deadly“ von 2001 spiel Steve DiGiorgio wieder Bass auf einem TESTAMENT-Album. Wie war das für die Band nach einer solch langen Zeit?
Chuck: Es fühlte sich großartig an! Steve ist fantastischer Bassist. Außerdem spielen er und Gene seit einiger Zeit bei DEATH TO ALL zusammen. Wir wollten, dass Steve möglichst gut auf dem Album zu hören ist. Deshalb ist mein Gesang etwas trockener belassen und Eric hat bei den Gitarren genügend Platz gelassen, damit Bass und Schlagzeug auf dem Album gut zu hören sind.
„Brotherhood Of The Snake“ ist die fünfte Zusammenarbeit von TESTAMENT und Andy Sneap, der Mix und Mastering übernahm. Warum habt ihr ihn nicht auch als Produzenten eingesetzt und stattdessen mit Juan Urteaga gearbeitet?
Chuck: Juan arbeitet schon seit einer Weile mit uns und hat auch schon mit Bands wie MACHINE HEAD und anderen Bay-Area-Bands aufgenommen. Außerdem wohnt er in unserer Nähe. Auf dem letzten Album hatten wir Andy zur Überwachung mit dabei. Diesmal dachten wir, dass ein Produzent ausreicht. Wir haben darüber gesprochen, was wir tun müssen, um bessere Aufnahmen als beim letzten Mal zu machen. Wir haben dabei auch Andys Meinung eingeholt. Aber ich finde Juan hat einen tollen Job gemacht und es war schön mal in einem Studio zu arbeiten, das nicht am anderen Ende der Welt, sondern quasi vor der Haustür ist.
TESTAMENT machen inzwischen seit 33 Jahren Musik. Viele Bands verlieren über einen solch langen Zeitraum ihre Energie und veröffentlichen schwächere Alben. Doch eure letzten drei Alben waren alle großartig! Was treibt euch dazu an immer noch auf einem solch hohen Niveau Musik zu kreieren?
Chuck: Ich würde sagen, es hat ein wenig damit zu tun, dass wir eine zweite Chance bekommen haben. Nach „The Gathering“ mussten wir uns mit einer Menge schlechter Plattenverträge herumschlagen. Ich finde, es war unser bis dato bestes Album. Aber von der Plattenfirma kam bei weitem nicht die Promotion- und Marketing-Arbeit, die wir uns für die Platte gewünscht hatten. Direkt danach bekam ich Krebs. Also vergingen einige Jahren, in denen wir nicht gespielt und keine neue Musik aufgenommen haben. Als ich den Krebs überwunden hatte, tat sich das Original-Line-Up der Band wieder zusammen. Das hat uns eine Menge Selbstbewusstsein gegeben. Nach „The Gathering“ haben wir aufgrund der vielen Besetzungswechsel wenige Konzerte gespielt. Doch nach der Reunion haben wir mit „The Formation Of Damnation“ ein sehr starkes Album aufgenommen und uns dazu entschlossen, TESTAMENT wieder zum Mittelpunkt unserers Lebens zu machen.
Es hat mich sehr überrascht, dass ihr auf eurer Festival-Tour noch keine neuen Songs gespielt habt, um die Fans heiß auf „Brotherhood Of The Snake“ zu machen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Chuck: Wir haben sehr hart an dem neuen Album gearbeitet und sind verdammt stolz darauf. Das letzte was wir wollen, ist, dass sich die Leute mit Videos auf YouTube, die einfach nur scheisse klingen, einen ersten Eindruck von den Songs machen. (lacht)
Du hast gesagt, dass die Arbeit an „Brotherhood Of The Snake“ sehr hart und frustrierend war und dass es deshalb so lange gedauert hat, das Album fertig zu stellen. Wird die nächste Platte also nicht vier Jahre auf sich warten lassen?
Chuck: Definitiv nicht! Wir mussten durch eine sehr schwierige Zeit, um dahin zu kommen, wo wir jetzt mit dem Album sind. Das hat keinen Spaß gemacht. So wird es nicht noch mal ablaufen. Wir haben uns unterhalten und Eric meinte: „Ich hab jetzt schon vier oder fünf neue Riffs, falls ihr loslegen wollt.“ Dann habe ich ihn daraufhin gewiesen, dass wir am Anfang der Band jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht haben: 87, 88, 89, 90. Wir hatten damals eine sehr gute Phase in der Band und eine Menge guter Alben. Jetzt werden wir wieder gute Alben machen und öfter neue Musik veröffentlichen. Man kann mit einem Album locker zwei Jahre auf Tour gehen. Also sollten wir in zwei Jahren eine neue Platte fertig haben.
Im November werden die USA ihren neuen Präsidenten wählen. Viele Musiker wie etwa Corey Taylor oder Tom Morello haben sich klar positioniert und gegen Donald Trump ausgesprochen. Lässt sich die aktuelle politische Lage in den USA in den Texten von „Brotherhood Of The Snake“ wiederfinden?
Chuck: „Stronghold“ handelt davon, dass die Menschen eine Stimme haben. Es geht darum, dass sie einen Aufstand starten, um dieser Stimme Gewicht zu verleihen. Das ist der einzige Song. Ich für meinen Teil bin gegen Trump. Eric allerdings ist Trump-Unterstützer. Ich glaube einfach nicht an seine Politik und das, was er tut. Er hat noch nichts darüber gesagt, was er Positives bewirken möchte. Als jemand, der die ganze Welt bereist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, möchte ich nicht, dass die Leute denken: „Oh, du bist Amerikaner, also bist du ein Trump-Unterstützer. Fick dich!“ Das wäre nicht gut. Und dass er davon spricht, eine Mauer zu errichten, um die Mexikaner aus unserem Land herauszuhalten, klingt einfach nur verrückt. Wenn jemand mit solch verrückten Ansichten gewählt würde, würde die Welt vor die Hunde gehen! (lacht)
Für viele Menschen haben Musiker eine Vorbild-Funktion. Wie stehst du zu Musikern, die diese Position nutzen, um ihre politischen Ansichten zu verbreiten?
Chuck: Ich finde, dass so etwas nicht wichtig ist. Jeder kann Texte schreiben über was er will. Doch uns ist es schon wichtig eine Botschaft zu haben. Als wir „Greenhouse Effect“ für „Practice What You Preach“ schrieben, dachte eine Menge junger Fans, in dem Song ginge es um eine Marihuana-Plantage. Sie wussten nicht, was der Treibhaus-Effekt ist, oder die globale Erwärmung. Als wir mit ihnen darüber sprachen und es erklärten, sagten viele von ihnen: „Oh, das ist cool!“ Das war eine Botschaft, die vielleicht sogar etwas bewirken kann. Es ist also in Ordnung eine Aussage zu treffen, aber ich denke nicht, dass es das wichtigste für einen Musiker ist. Metalheads haben ohnehin oft schon ihre eigene Meinung und glauben, was sie glauben wollen.
Für dich steht die Musik also immer an erster Stelle?
Chuck: Klar, ich hab schließlich als Gitarrist angefangen. Ich stehe total auf Riffs. Die packen mich! Als ich angefangen habe bewusst Musik zu hören, habe ich überhaupt nicht auf die Texte geachtet. Ich kann mir Texte von anderen auch nur schlecht merken, weil ich da noch nie besonders drauf geachtet habe. Ich hör immer nur auf die Gitarren. Die Musik ist für mich das Entscheidende.
Wird es auf der Limited Edition des neuen Albums irgendwelche Cover-Songs zu hören geben, wie es bei „Dark Roots Of Earth“ der Fall war?
Chuck: Diesmal nicht. Wir waren nicht so gut vorbereitet, als wir ins Studio gingen. Deshalb hatten wir keine Zeit, um noch Extra-Songs aufzunehmen. Als wir ins Studio gingen, hatten Alex, Steve und Gene die Songs noch nie zuvor gehört. Wir wussten, dass wir das Album bis zum 15. Juni fertig haben mussten, weil da unsere Europatour begann. Sonst hätten wir dieses Jahr gar kein Album veröffentlichen können. Also gingen wir ins Studio und als wir mit den Aufnahmen der Songs fertig waren, mussten wir nach Europa. Deshalb war keine Zeit für Bonus-Tracks. Wir hatten allerdings schon eine Neuaufnahme von „Apocalyptic City“, für die ich nur noch den Gesang aufnehmen musste. Die ist allerdings nur auf der Japan-Version des Albums zu hören.
Da du vorhin so viel über Gitarren gesprochen hast: Spielt Eric wieder Soli auf dem Album oder ist es nur Alex?
Chuck: Oh nein! Es gibt eine Menge Soli von Eric.
Ich frage nur, weil ich mich noch daran erinnern kann, dass es in vielen Magazinen eine ziemlich große Sache war, als Eric auf „Dark Roots Of Earth“ mehr Soli spielte. Es gab sogar eine Story, in der es hieß, Alex hätte Angst gehabt, seinen Job zu verlieren.
Chuck: Nein, Alex hat keine Angst. Er ist sehr selbstbewusst. Eric stand immer in seinem Schatten. Eric war immer der Songschreiber der Band. Aber irgendwie hat Alex meistens die Anerkennung bekommen. Die Leute sagten oft: „Vielleicht hat Alex das geschrieben“, dabei kommt fast alles von Eric. Und er spielte wieder viele Leads auf dem neuen Album. Ich hatte erst meine Zweifel daran, ob er der Richtige ist, um Soli zu spielen. Doch er hat einen verdammt guten Job gemacht!
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