Tenhi
Interview mit Ilmari Issakainen zu "Saivo"
Interview
Lange Zeit haben sich TENHI mit ihrem neuen Album gelassen, aber „Saivo“ ist glücklicherweise das großartige Album geworden, das sich jeder erhofft hatte. Natürlich wollten wir Näheres zum Album in Erfahrung bringen, weswegen wir Ilmari Issakainen (der bei TENHI neben dem Schlagzeug für Gitarre, Klavier, Bass und Hintergrundgesang zuständig ist) zum Interview baten. Obwohl insgesamt etwas finnisch-wortkarg, erklärt er uns erst einmal freudig, dass TENHI bereits wieder voller Tatendrang nach vorne blicken und neue Musik im Visier haben.
Wir sind gerade dabei, unser Studio neu zu strukturieren, damit wir unsere Ideen für das nächste Album ausarbeiten können. Von „Saivo“ sind noch eine Menge Songs übriggeblieben, von denen ich annehme, dass sie in nächster Zeit bei uns im Fokus stehen werden. Eigentlich sind wir schon ziemlich ungeduldig, an den Stücken zu arbeiten. Im Moment vertiefen wir aber noch unser Verständnis von akustischen Dingen, so dass wir in der Zukunft hoffentlich noch bessere Aufnahmen machen können.
Zunächst würde ich Dich gerne ein paar Sachen über das neue Album fragen. Es hat seine Zeit gedauert, bis Ihr „Saivo“ fertig hattet. Obwohl Ihr die Songstrukturen mehr oder weniger bereits 2008 fertig hattet, habt Ihr noch sehr viel Zeit in die Arrangements und in Details investiert. Was kannst Du uns dann über die Aufnahmesessions erzählen – und über die „vier Jahre mühevoller Arbeit“, wie es in einer Eurer Pressemitteilung hieß?
Ich glaube, der entscheidende Punkt mit dem Verschieben des Veröffentlichungstermins war, dass wir wie üblich überkritisch waren. Und darüber hinaus haben wir gemerkt, dass, je länger wir an dem Album gearbeitet haben, wir das Potential des Albums erfasst haben – in dieser Hinsicht haben uns die Songs immer tiefer eingesogen. Neue Ideen strömten hinzu und wir erforschten sie gründlich, bis wir vollständig sicher waren, dass sich die Songs mit der inneren Vision davon messen lassen konnten.
Ihr seid ja dafür bekannt, dass Ihr Eure Alben sehr sorgfältig ausarbeitet, aber hattet Ihr diesmal das Gefühl, dass Ihr Euch mit den Details verzetteln könntet?
Wir lieben Details. Ich zum Beispiel liebe es, wenn ich bei jedem weiteren Hören noch neue Einzelheiten und Schichten entdecken kann, die ich beim ersten Durchlauf noch nicht bemerkt habe. Natürlich müssen die Details durchdacht sein und zum Song wirklich gehören, da sie sonst nicht mehr als Ornamente sind, die keine echte Funktion erfüllen. Mit „Saivo“ haben wir die musikalische Landschaft noch weiter ausgebaut als zuvor und haben jeden Aspekt der klanglichen Szenerie sorgfältig ausgearbeitet. Das Arbeiten an Details ist eine große Herausforderung für uns.
Eure Musik ist sehr intim und mit Gefühlen und Stimmungen verbunden – und keine Musik, die man nebenher konsumieren könnte. Wie ist das beim Schaffensprozess für Euch – müsst Ihr Euch erst in die richtige Stimmung bringen, wenn Ihr an den Songs arbeitet?
Mit „Saivo“ war es wirklich einfach, sich in die richtige Stimmung zu bringen, da Tyko und ich eine gemeinsame Vision hatten, wie das Album klingen sollte. Die Art von Musik, die wir machen, benötigt zur Erschaffung eine ruhige und gelassene Stimmung. Wir haben also die Location dahingehend gewechselt, bis wir in der richtigen Stimmung waren und das richtige Gefühl für die Musik hatten. Am Ende haben wir unzählige Anläufe genommen, bis die Songs das richtige Feeling transportierten.
„Saivo“ ist eines der Totenreiche in der kulturellen Welt der finnischen Sami. Ihr habt den Titel des Albums schon 2008 in einer Pressemitteilung erwähnt. War es also die ursprüngliche Idee, ein Album über den Themenkomplex „Saivo“ zu machen?
Das Album handelt nicht per se vom Saivo-Mythos. Der Titel verkörpert viele der konzeptuellen Dinge, die in den Songs stecken, weshalb der Saivo-Mythos ein verbindendes Element für diese Dinge darstellt. Der Saivo-Mythos ist in der Hinsicht nur das Rückgrat, von wo aus alle Songs in eine eigene Richtung erwuchsen. Und wir waren uns vom allerersten Moment darüber einig, dass wir das Album so ausarbeiten würden.
Wenn Du sagst, dass sich die Songs in eine eigene Richtung entwickelten, welche Richtungen sind damit gemeint?
Saivo ist – so wie wir es auf unserem Album verarbeiten – eine persönliche Interpretation des historischen Glaubens. Es kreuzt in vielerlei Hinsicht den alten Mythos der Sami, aber ich sehe es eher als einen Ort in mir – einen Fluss des Unbewussten, der dauerhaft gegenwärtig ist.
Wie seid Ihr darauf gekommen, „Saivo“ zu behandeln? Ist es etwas, das beispielsweise in der Schule durchgenommen wird?
Es war das Interesse von mir, weswegen wir das Thema auf dem Album verarbeitet haben. In Finnland ist es ein nicht allzu bekannter Glaube – vielleicht ist das aber in den nördlichen Teilen des Landes auch anders.
Inwiefern würdest Du „Saivo“ als Konzeptalbum ansehen?
Alle Songs auf dem Album handeln vom Element Wasser in seiner symbolischen Bedeutung. So gesehen ist „Saivo“ zu einem geringen Teil ein Konzeptalbum.
Hattet Ihr auch von Anfang an eine Idee von der musikalischen Richtung, die das neue Material nehmen würde?
Ich glaube nicht, dass wir Pläne von einer Richtung, die die Musik nehmen sollte, hatten, weil wir eine starke Vision als Ziel hatten. Damit meine ich, dass wir keine Diskussionen darüber hatten, welche Instrumente wir wie einsetzen oder ob wir beispielsweise bestimmte Elemente vermeiden sollten. Das haben wir erst gewusst, als wir eine klangliche Gesamtvision des Songs erreicht hatten. Und das hat seine Zeit gedauert – einige Songs mussten wir wieder bis auf das absolute Grundgerüst entkleiden, und mit verschiedenen musikalischen Elementen wieder von vorne anfangen, bis sich das Ergebnis mit unserer ursprünglichen Vision gedeckt hat.
Während Ihr an „Saivo“ gearbeitet habt, hat sich Euer langjähriger Mitstreiter Ilkka Salminen aus der Band verabschiedet, während Ihr Euer Live-Line-Up mit Tuukka Tolvanen (Hintergrundgesang, Gitarre), Jaakko Hilppö (Hintergrundgesang, Bass) und Paula Rantamäki (Geige) erweitert habt. Hatte dieser Wechsel einen Einfluss auf Euren Sound, beispielsweise weil Ihr die Arrangements anders angehen konntet?
Dass Ilkka die Band verlassen würde, hatte sich schon seit Jahren abgezeichnet. Insofern hatte das keinen drastischen Einfluss darauf, wie wir arbeiten. Beispielsweise haben Tuukka und Jaakko ihren Teil zu unseren Aufnahmen seit „Väre“ (2004; Anm. Red.) beigetragen. Und die Kompositionen haben Tyko und ich nun schon seit einiger Zeit alleine vorgenommen.
Das Coverartwork ist dieses Mal sehr dunkel, was perfekt zur Musik und zur Thematik des Albums passt. Welche Idee steckt dahinter?
Zusammen mit Tyko habe ich die visuellen Ideen gesammelt, durch die wir von den Songs inspiriert wurden. Und wir hatten visuelles Material, das unser Songwriting beeinflusst hat. Insofern hat es einen Austausch in beide Richtungen gegeben. Die Bilder im Booklet selbst sind nicht direkt den Texten entlehnt, sozusagen, aber sie nähern sich den Songs aus einem anderen Blickwinkel. Für mich gehen die Kunst und die Musik eine sehr enge Bindung ein.
Kannst Du Dir vorstellen, irgendwann mal ein farbenfroheres Album zu machen?
Es wird eines Tages sicherlich mal ein farbenfrohes Album geben. Ich glaube schon, dass sich das mit der Idee deckt, die hinter TENHI steht.
Gibt es irgendwelche Livepläne für die nähere Zukunft?
Nein.
Eine letzte Frage hätte ich aber noch zu Liveshows. Üblicherweise denkt man bei Locations von Liveshows immer zuerst an Clubs, Hallen, Stadien, vielleicht Kirchen oder ähnliches. Könntest Du Dir für TENHI eine andere Location vorstellen, irgend etwas, was Ihr noch nicht gemacht habt, vielleicht aber mal realisieren möchtet?
Ich glaube, die Zuschauer sind für uns immer wichtiger gewesen als der Ort, weil die Art von Musik, die wir spielen, eine verständnisvolle Zuhörerschaft voraussetzt. Der Auftritt kann leider viel zu schnell von ein paar lauten, betrunkenen Idioten ruiniert werden.
Okay, vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören selbstverständlich Dir!
Danke für die Unterstützung und das Interview.
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