Swallow The Sun
Mit der Isolation und Einsamkeit fertig werden.
Interview
Der Ausbruch der Coronapandemie grätschte SWALLOW THE SUN genau in ihren Tourauftakt zur Jubiläumstour. Eine von den Fans gewählte Setlist mit Stücken aus 20 Jahren Bandgeschichte hätte auch bei Terminen in Deutschland gespielt werden sollen. Daraus wurde bekanntlich nichts, doch Fans des finnischen Doom-Aushängeschilds können sich dafür nun über ein neues Studioalbum freuen.
„Moonflowers“ ist seit dem 19.11.2021 erhältlich und stellt an Düsternis sogar seinen 2019er Vorgänger „When A Shadow Is Forced Into The Light“ in den Schatten (no pun intended). Zudem wurde das Jubiläumskonzert in Helsinki, das noch vor Corona stattfand, durch einen Glücksfall aufgezeichnet und bereits vor einigen Monaten als „Swallow The Sun – 20 Years Of Gloom, Beauty And Despair – Live In Helsinki“ veröffentlicht. SWALLOW THE SUN-Drummer Juuso Raatikainen erzählt uns im Interview mehr zu den beiden Releases.
Fangen wir mal mit dem ‚elephant in the room‘ an. Die Inhalte von „Moonflowers“ sind wieder sehr dunkel, wahrscheinlich dunkler als bei „When A Shadow Is Forced Into The Light“. Obwohl du es nicht geschrieben hast, macht das sicher etwas mit dir. Vor allem, weil du über die Trauer Bescheid weißt, die dahintersteckt. Was bedeutet das Album inhaltlich für dich?
Juuso: Ich mag es wirklich, die lyrischen Themen zu kennen, denn es hilft dabei, das eigene Spiel zu gestalten. Man muss natürlich schon ein bisschen wissen, worum es geht. Juhas persönlicher Verlust steht natürlich im Mittelpunkt. Und dann, vor allem bei diesem Album, geht es darum, alleine mit all dem klarzukommen. Beim letzten Album ging es mehr um die andere Person, und jetzt geht es mehr darum, dass man selbst immer noch da ist, ob man das will oder nicht. Man muss mit seiner Isolation und Einsamkeit fertig werden.
Wegen der Pandemie ist jeder irgendwie isoliert, das macht es nachvollziehbar für die Leute. Vielleicht isoliert sogar die Gesellschaft die Leute ein bisschen voneinander. Aber ich glaube, das Hauptgefühl, das ich von diesem ganzen Album bekomme, ist, isoliert und allein zu sein und damit dann klarkommen zu müssen.
Wie sind die Aufnahmen vonstattengegangen? SWALLOW THE SUN ist keine Band, bei der alle am gleichen Ort leben. Wie war es, unter Reisebeschränkungen zu arbeiten? Heutzutage ist ja sowieso vieles digital, aber trotzdem. Wie war der Prozess für euch?
Juuso: Wir leben alle an verschiedenen Orten in Finnland und Juha ist natürlich in Schweden. Daher gibt es eine Menge Dateiaustausch. Die Pre-Production der Drums läuft so, dass er Demos schickt und dann nehme ich meine Ideen in Finnland auf und schicke sie zurück. Und dann besprechen wir sie. Ich versuche, mich nicht zu sehr von all dem Zeug hinreißen zu lassen, das ich spielen könnte, sondern versuche, die Themen und die allgemeine Stimmung rüberzubringen.
Die Aufnahmen waren ziemlich entspannt, weil wir aufgrund der Pandemie plötzlich so viel Zeit hatten. Eigentlich hätten wir dieses Album gar nicht machen sollen. Wir hätten eigentlich die Tour zum zwanzigjährigen Jubiläum spielen sollen, und die hätte ein oder anderthalb Jahre dauern sollen. Daraus wurde dann nichts.
Aber dann hat Juha nach einiger Zeit gesagt, dass er neue Musik hat, und wir hatten keine Termine und daher keinen Druck. Die Aufnahmen waren dadurch wirklich angenehm, obwohl es ein schweres Album ist. Ich glaube, jeder Musiker zieht es vor, nicht in Eile aufnehmen zu müssen, sondern sich Zeit lassen zu können. Diese Zeit hatten wir, worüber ich sehr froh war.
Du hast erwähnt, dass du versucht hast, dich nicht davon hinreißen zu lassen, was du hättest spielen können. Es gibt bei SWALLOW THE SUN viele langsame Stellen, wo du dir zwischen den Beats quasi einen Kaffee holen kannst. Dann habt ihr, zum Beispiel bei „This House Has No Home“, sogar Blast Beats. Worauf hast du als Drummer mehr Bock?
Juuso: Ich mag den Kontrast, weil der Auftritte sehr interessant macht. Dass es eine Menge Unterschiede in den Tempi gibt. Es wäre langweilig, wenn es die ganze Zeit super langsam wäre, und es wäre langweilig, wenn es die ganze Zeit Blast Beats wären. Dieser Part in „This House Has No Home“ ist vielleicht das zweite Mal, dass es in der Geschichte von SWALLOW THE SUN Blast Beats gibt. Das ist also eine seltene Sache. Natürlich kann ich dir nicht sagen, ob wir es live spielen werden oder nicht, aber sagen wir mal, ich hoffe, dass wir es tun. Damit ich Gelegenheit bekomme, sowas zu spielen.
Das war ein ganz besonderer Track für mich. Es gibt noch ein paar andere besondere Dinge auf dem Album. Ihr habt Gastmusiker:innen, zum Beispiel Cammie von OCEANS OF SLUMBER, die ganz anders singt, als ich es von ihr gewohnt bin. Und dann gibt es noch die Streicherversionen der Songs. „Moonflowers“ ist also ein sehr abwechslungsreiches SWALLOW THE SUN-Album geworden. Was gefällt dir daran am besten?
Juuso: Ich liebe das. Ich liebe die Tatsache, dass, wie du richtig sagst, es immer einen etwas neuen Blickwinkel gibt. Und ich glaube, das kommt daher, dass Juha auf Prog steht. Er liebt RUSH und MARILLION. Und Progbands machen einfach alles, man ist also nicht eingeschränkt. Im Metal kann es ziemlich langweilig werden. Heutzutage werden die Leute vielleicht offener für experimentelles Zeug, aber es wird wirklich langweilig, wenn in einigen Genres alle immer nur die ungeschriebenen Regeln befolgen. Was Juha schreibt, regt wenigstens dazu an, etwas Neues auszuprobieren.
Weiblicher Gesang ist nicht neu für SWALLOW THE SUN. Streicher sind definitiv keine neue Sache, aber sie sind auf diesem Album einfach stärker vertreten und organischer. Der menschliche Faktor ist stärker ausgeprägt, und manches ist vielleicht nicht immer auf den Punkt. Und Cammie klingt sehr zart und sensibel, obwohl sie ein echtes Kraftpaket sein kann. Ich finde es großartig, diese unterschiedlichen Aspekte zu haben.
Galerie mit 13 Bildern: Swallow The Sun - When A Shadow Is Forced Into The Light Tour 2019 in LuzernDu hast die Tour erwähnt, die nie stattgefunden hat. SWALLOW THE SUN haben aber eine Show in Helsinki mit zwei Sets gespielt, die mittlerweile als Live-Album und -DVD veröffentlicht wurde. Ihr hattet erwartet, diese Tour weiterzuspielen, dazu kam es aber nie.
Juuso: Ich bin so froh, dass das Konzert aufgenommen wurde, weil das nun einen besonderen Wert hat. Es gab zu dem Zeitpunkt, als die Aufnahme gemacht wurde, keine Pläne für eine Veröffentlichung. Ich weiß nicht mal, wessen Idee das ursprünglich war. Aber jetzt ist das zwanzigjährige Jubiläum wenigstens dokumentiert, auch wenn die Tour nicht stattgefunden hat. Für mich war es toll, das Event zu spielen. Weißt du, ich höre diese Band seit ich ein Teenager war, lange bevor ich in die Band kam. Wenn du also diese Songs spielst, die du mit 17 gehört hast, ist es definitiv nostalgisch. Und gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass ich genau da bin, wo ich hingehöre, wenn ich diese Songs spiele.
Ihr plant nun neue Termine, aber nun gibt es „Moonflowers“, also wird es die Tour zum Zwanzigjährigen von SWALLOW THE SUN gar nicht mehr geben, oder? Die DVD ist also alles, was davon bleibt.
Juuso: Ja, das Zwanzigjährige ist auf jeden Fall durch. Aber da es jetzt ein neues Album gibt, ist das sowieso interessanter. Beim Zwanzigjährigen ging es nur darum, die Fan-Favoriten zu spielen, und das heißt im Grunde alle „Hits“. Ich weiß nicht, ob man sie so nennen kann. Aber ja, es ist auf jeden Fall interessant, auf Tour zu gehen, denn es ist schon eine Weile her. Es fühlt sich seltsam an, um ehrlich zu sein.
Du hast neben SWALLOW THE SUN auch andere Projekte und hast dieses Jahr mit HEDONIHIL ebenfalls ein Album rausgebracht. Was treibst du sonst noch so?
Juuso: Die Projekte, die ich in meiner Freizeit mache, sind sehr therapieorientiert für mich. Sie haben kein richtiges Lineup, sind also keine richtigen Bands. Das will ich auch so beibehalten. Einfach ein paar Freunde fragen, ob sie die Zeit haben, was zu machen. Aber ich schreibe fast alles für diese Alben. Ich weiß nicht, ob ich künftig so weiterarbeite oder etwas ganz anderes mache. Das ist schwer zu sagen, denn SWALLOW THE SUN nimmt viel Zeit in Anspruch, wenn die Band aktiv ist.
Es ist schwierig, die eigenen Ideen in einem Tourbus aufzunehmen. Das ist nicht gerade der ideale Ort, um seine eigenen Ideen umzusetzen. Aber was das Aufnehmen im Allgemeinen angeht, so arbeite ich viel freiberuflich, auch als Sessionmusiker. Ich mache also eine Menge Dinge neben der Band. Als Berufsmusiker musst du das machen. Ich gebe zum Beispiel auch Schlagzeugunterricht.
Als Nächstes geht ihr mit SWALLOW THE SUN auf Nordamerikatour und danach auf Europatour [Termine siehe unten]. Womit rechnest du?
Juuso: Ich hoffe wirklich nur, dass die Dinge nicht außer Kontrolle geraten. Was mit den Beschränkungen möglich ist, und so weiter. Die Niederlande sind zum Beispiel wieder im Lockdown. Hoffen wir also, dass sich bis Januar alles wieder normalisiert hat, was ich natürlich bezweifle. Aber wer weiß, was passieren wird? Wir müssen uns jetzt einfach darauf konzentrieren, dass die Nordamerikatour stattfindet, und dann sehen wir, wie es weitergeht.
Vielen Dank für das Interview!
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Stile | Death Doom Metal, Doom Metal |
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