Swallow The Sun
Rough Times
Interview
Der Tod des eigenen Partners – wie wird man damit fertig? Für SWALLOW THE SUN-Gitarrist Juha Raivio stellte sich 2016 genau diese Frage, als seine Freundin, die Sängerin Aleah Stanbridge, an Krebs starb. Er versucht die Situation kreativ zu verarbeiten, durch das neue SWALLOW THE SUN-Album „When A Shadow Is Forced Into The Light“, das zum größten Teil aus seiner Feder stammt. Klar, dass wir mit einem Interview nachfragen mussten. Auch klar, dass Juha in erster Linie seine Musik sprechen lassen möchte und ein solches Interview nicht selbst durchführt. Stattdessen konnten wir mit Sänger Mikko Kotamäki sprechen – der uns bereitwillig, wenn auch finnisch wortkarg antwortete. Was allerdings kein Wunder ist bei dieser traurigen und schwierigen Thematik.
Seit dem letzten Album „Songs From The North“ hat das Schicksal bei Eurem Gitarristen Juha zugeschlagen, als seine Partnerin, die Sängerin Aleah Stanbridge, infolge einer Krebserkrankung gestorben ist. Wie erinnerst Du Dich an diese Zeit?
Es war schon eine harte Zeit. Gleichzeitig sind wir aber weiterhin auf Tour gegangen, vor allem in Nordamerika. Juha konnte zeitweise natürlich nicht mittouren, und deshalb hatten wir Gitarrist, die ihn vertreten haben. Ja… (atmet tief durch) Es waren schon ziemlich harte Zeiten, aber wir leben immer noch. Ich denke, es geht uns jetzt wieder sehr viel besser.
Wie wirkt sich das innerhalb der Band aus? Ich meine, so eine Situation ist für alle schwer und von Unsicherheit erfüllt, auch für die nicht direkt Betroffenen. Habt Ihr viel darüber gesprochen?
Nun, eigentlich… wir sind finnisch. Wir sprechen nicht so viel. (lacht) Aber natürlich ist es hart, seinen Bruder leiden zu sehen. Aber… (seufzt) unglücklicherweise ist das Leben manchmal genau so. (nach einer Pause) Zeit heilt.
„When A Shadow Is Forced Into Light“ wurde zum größten Teil von Juha selbst geschrieben. Das war seine Art, damit fertig zu werden?
Ja, natürlich. Er hat seine Gedanken in die Songs einfließen lassen. Er hat alle Songs außer einem geschrieben, der von mir kam. Aber es war eigentlich genau so wie bei den Malen zuvor. All seine Texte handeln von seinem Leben.
Juha hat das Album in nur drei Wochen geschrieben.
Ja, genau. Er hat das Album vor zwei Jahren in einer Periode von drei Wochen geschrieben. Ich erinnere mich allerdings kaum an diese Zeit. Aber ja, er ist immer so: Wenn er inspiriert ist, schreibt er seine Lieder sehr schnell, und es ist so wie jetzt.
Das heißt, Ihr wisst seit zwei Jahren, dass es diese Platten geben wird. Was habt Ihr alles in der Zwischenzeit gemacht?
Wir waren ziemlich viel auf Tour. Juha war aber auch nicht sicher, ob wir überhaupt diese Songs aufnehmen werden. Letztes Frühjahr haben wir dann aber die Entscheidung gefällt, es einfach zu machen. Es war nicht ganz sicher, ob die Band überhaupt noch am Leben ist. Aber zum Glück haben sich die Dinge zum Positiven entwickelt.
Wie liefen die Aufnahmen ab?
Das Schlagzeug und der Mix wurde in den Fascination Street Studios bei Jens Bogren gemacht. Der Rest wurde an verschiedenen Orten aufgenommen. Alles in allem hat der ganze Prozess ungefähr zwei Monate gedauert. Wir hatten es ja nicht eilig. Die Gesangsaufnahmen haben vielleicht drei oder vier Tage gedauert, das ging also schnell. Und dieses Mal war es auch so viel einfacher, da wir nicht drei Alben auf einmal vor der Brust hatten.
War es für Dich schwierig, die Lieder einzusingen, wissend, dass die Texte so persönlich sind?
Nein, nicht so richtig. Auf dem letzten Album waren auch schon ziemlich abgründige Texte, da hat Juha über seinen verstorbenen Vater geschrieben. Nach all den Jahren habe ich mich vielleicht einfach daran gewöhnt – jedenfalls machen wir das jetzt schon so viele Jahre zusammen.
Ich bin sehr beeindruckt von Deinem Klargesang, beispielsweise auf „The Crimson Crown“.
Ja, wir haben einen neuen Keyboarder, Jaani Peuhu, der eine Menge Backing Vocals beisteuert. Das trägt sicherlich dazu bei, dass der Gesang besser klingt, da ich sonst allein gesungen habe. Wir haben diesmal auch viele Gesangsharmonien eingesetzt.
Es gibt mit „Lumina Aurea“ einen für SWALLOW THE SUN sehr untypischen Song, der auch nicht auf dem Album steht, sondern als eigenständige Single veröffentlicht wurde. Insgesamt klingt das Stück sehr dunkel und abgründig. Wie habt Ihr da den Gesang verteilt?
Von mir stammen die Black-Metal-Schreie, aber der Hauptteil besteht aus dem Sprechgesang, den Marco Benevento von THE FORESHADOWING eingesungen hat. Wir wollten ihn unbedingt bei dem Song dabeihaben. Wir kennen uns von einer gemeinsamen Tour, und die Jungs von THE FORESHADOWING sind wirklich nette Kerle und gute Freunde von uns. Zudem ist mein Latein nicht so gut wie das von Marco. Er kann es flüssig vortragen und hat den Text auch ins Lateinische übersetzt.
Warum ist der Text auf Latein?
Juha wollte eine spezielle Stimmung erzeugen, fast wie in einer Messe. Er wollte also einen lateinischen Text haben… (atmet tief durch) Er wollte auf der einen Seite diesen einen Song einfach in dieser Art umsetzen und dadurch den ganzen Scheiß abschütteln. Auf der anderen Seite steht ein eher erhebendes Album, und „Lumina Aurea“ hätte niemals darauf gepasst. (nach einer Pause) Yeah… (lacht) der Text ist verdammt dunkler Scheiß, das ist fast zu viel und zu dunkel.
Okay… Juha hat gesagt, dass er diesen Song natürlich am liebsten nicht hätte aufnehmen müssen, weil es in einer Art eine so kathartische Erfahrung für ihn gewesen ist. Wie habt Ihr aufgenommen? Zusammen?
Nein, wir haben ihn stückweise aufgenommen. Er ist nach und nach entstanden. Ich habe beispielsweise meinen Part in Finnland aufgenommen, Juha seinen in Schweden.
Ihr hattet einige Änderungen im Line-Up vorgenommen beziehungsweise vornehmen müssen: Zunächst ist Kai Hahto ausgestiegen, um bei NIGHTWISH zu spielen.
Ja, genau. Kai ist bei NIGHTWISH eingestiegen… was gut für ihn ist. (lacht) Dadurch kann er wenigstens ein bisschen Geld verdienen.
Warum sind Keyboarder Aleksi Munter und Gitarrist Markus Jämsen sind nicht mehr mit dabei
Bei Alexi war es so… (überlegt) Er war seit Anbeginn in der Band und ein bisschen ausgebrannt. Wir sind ja häufig getourt, und gleichzeitig arbeitet er neben der Band viel. Er ist ein Computer-Nerd und hat auf unseren Touren immer noch nebenher an seinem Laptop gearbeitet. Das war schon schwierig für ihn. Er hatte das Gefühl, dass er den Fokus in seinem Leben etwas anders ausrichten muss. Das war auch der Grund für Markus. Bei ihm kam allerdings auch hinzu, dass er Probleme mit seinen Ohren bekam. Er wollte das Risiko vermindern, dass sich sein Gehör weiter verschlechtert.
Jetzt habt Ihr neue Mitglieder mit Juho Räihä an der Gitarre und Jaani Peuhu an den Keyboards – Drummer Juuso Raatikainen war ja schon auf dem letzten Album zu hören.
Ja, die neuen Jungs kennen wir schon seit über 15 Jahren. Sie sind neue Bandmitglieder, aber sie sind nicht neue Freunde. Es war also ziemlich offensichtlich, dass wir sie fragen würden, ob sie bei uns einsteigen wollen.
Juha meint, dass sie die nettesten Kerle seien, die man sich vorstellen kann. Inwiefern?
Sie sind nicht nur talentierte Musiker, sondern auch sehr umgänglich. (kurze Pause) Sie machen auf Tour nicht so viel Party. Das macht sie vielleicht zu so netten Typen – wir haben ja eher den Ruf, auf Tour ziemlich viel und ausgiebig zu feiern. Juha ist wahrscheinlich froh, dass in der Band immer mehr nüchterne und ruhige Jungs sind. (lacht)
Touren ist ein gutes Stichwort: Wie geht es bei SWALLOW THE SUN in Hinsicht Touren jetzt weiter?
Nach dem Albumrelease starten wir eine kleine Tour in Finnland – sieben Dates, hauptsächlich ohne Supportband. Bei einem Gig treten wir zusammen mit THE MAN-EATING TREE auf. Danach gibt es ein paar Wochen Pause, bis wir uns für eine Tour durch Nordamerika aufmachen – zusammen mit CHILDREN OF BODOM und WOLFHEART. Drei finnische Bands zusammen, das wird sicherlich eine Menge Spaß machen. Aus Amerika kommen wir Ende April zurück, und danach werden wir höchstwahrscheinlich eine Europatour starten. Anschließend stehen Sommerfestivals an. Es sieht also so aus, als ob das Jahr ziemlich arbeitsreich werden wird.
Absolut. Danke für das Interview!