Swallow The Sun
Interview mit Juha Raivio zu "New Moon"
Interview
Pünktlich zum Winter melden sich SWALLOW THE SUN, die finnischen Großmeister der Düsternis, mit einem neuen Album zurück, das seinen formidablen Vorgängern in nichts nachsteht. Mit „New Moon“ hat sich gleich in mehrfacher Hinsicht etwas im Lager der Finnen geändert, wie uns Gitarrist Juha Raivio im Interview erzählt. Daneben hat er einige alte Projekte wieder im Blick – aber lest selbst.
Hallo Juha! Wie geht es Dir nach Eurer just absolvierten Europatournee?
Danke, sehr gut! Ich erhole mich gerade von der Tour, indem ich Tonnen von Weihnachtsgebäck und Schokolade esse.
Wie lief denn die Tour?
Die Tour war wirklich phantastisch. Wir haben nicht erwartet, dass sie so gut läuft, aber zu unserer großen Überraschung sind die Leute gekommen und haben dann auch gleich jede Menge Merchandise gekauft. Und das komplett finnische Line-Up mit INSOMNIUM und OMNIUM GATHERUM war so gut, dass es jede Menge Fans angezogen hat. Als erste größere Headlinertour war sie also eine riesige Überraschung, so dass wir hoffentlich bald wieder auf Tour gehen können.
Was ist das Beste daran in Deutschland zu touren? Dass es Bier nicht ist, wissen wir ja seit Deinem letzten Interview für metal.de…
Ich muss Dir gestehen, dass Deutschland wirklich das schwierigste Land für uns ist. Festivals in Deutschland sind großartig, aber Clubgigs sind schon ein wenig hart. Ich nehme mal an, dass den deutschen Fans unsere Musik zu langsam ist, haha! Aber egal, diese Tour hat schon einiges verändert, die Auftritte waren gut, und es kamen eine Menge Leute zu den Shows, so dass es schon besser wird. Wir haben wirklich hingebungsvolle Fans in Deutschland, die wir bei den Auftritten natürlich gerne treffen.
Ich würde gerne über Euer neues Album „New Moon“ zu sprechen kommen. Inwiefern hat sich für Dich das Songwriting unterschieden zu „Plague Of Butterflies“, wo nur ein langer Song zu hören war?
Nun, ich nehme mir einfach meine Gitarre und schaue, was dabei rauskommt. Insofern hat sich das Songwriting diesmal nicht unterschieden von den anderen Alben. Aber nachdem wir „Plague Of Butterflies“ fertig hatten, habe ich gemerkt, dass wir einen progressiveren Ansatz in unserem Sound umsetzen können, weswegen „Plague Of Butterflies“ für die neuen Songs wirklich wichtig war.
Euer Sänger Mikko Kotamäki variiert seinen Gesang mehr denn je – von Grunts über Schreie bis hin zu cleanem Gesang ist diesmal alles dabei. Schreibst Du ihm als Hauptsongwriter vor, wie er singen soll, oder ist das eine Sache, die sich bei den Proben entwickelt?
Üblicherweise kommt Mikko immer mit seinen eigenen Gesangslinien ins Studio, wenn die Musik komplett aufgenommen wurde. Ich habe zwar immer ein paar Ideen dafür, aber ich überlasse es Mikko, sie nach seinem Gefühl zu gestalten. Jens Bogren hatte beim neuen Album einen großen Einfluss auf den Gesang, und Mikko kam mit großartigen cleanen Vocals und Growls an.
Mit „New Moon“ und „Falling World“ gibt es zwei ruhigere Songs auf dem Album, die dafür prädestiniert sind, als Single ausgekoppelt zu werden. Hattet Ihr das von Anfang an im Hinterkopf oder habt Ihr das erst entschieden, als Ihr das fertige Ergebnis gehört habt?
Als Mikko uns seinen großartigen Gesang für den Song „New Moon“ präsentierte, war es naheliegend, dass er sich auch gut als Single machen würde. Wir waren alle sehr überrascht, wie sehr Mikko in den letzten Jahren seinen cleanen Gesang verbessert hat und wie sehr der Gesang auch zu den neuen Songs passt.
Worum geht es denn in den Texten auf „New Moon“?
Der Song „New Moon“ handelt von einem Mann, der versucht hat, sich das Leben zu nehmen, indem er sich bei lebendigem Leibe verbrennt. Die Geschichte erzählt seine letzten Momente im Krankenhaus, wo ihm die Strahlen des Neumondes durch die Gardinen auf sein Gesicht fallen.
Auf dem Cover von „New Moon“ ist eine Grafik vom Mond zu sehen, aber wenn ich es richtig deute, ist dort nicht der Neumond zu sehen, sondern der abnehmende Mond. Liege ich da falsch?
Wenn Du genau hinsiehst, erkennst Du, dass auf dem Cover der Neumond bereits in den Armen des abnehmenden Monds liegt. Es zeigt also bereits den Beginn dieser neuen und dunklen Zeit.
Für die Aufnahmen von „New Moon“ seid Ihr diesmal in die Fascination Street Studios in Växjö, Schweden gegangen. Warum habt Ihr Jens Bogren und sein Studio ausgewählt?
Wir alle lieben Jens‘ Arbeit für OPETH und KATATONIA, und wir wussten, dass er unseren Sound genau verstehen würde und was wir erreichen möchten. Der Hauptgrund, warum wir uns für Jens entschieden haben, war, dass wir einen Klang haben wollten, der einerseits riesig wirkt, wo der Hörer aber trotzdem die einzelnen Instrumente raushören kann. Jens schafft es, das Album gleichzeitig warm und groß klingen zu lassen. Wir wussten auch, dass er das besondere Feeling beim Spielen einfängt, und das wollten wir ebenfalls erreichen.
Die Jungs von PARADISE LOST, die ihre letzte Platte ebenfalls dort eingespielt haben, haben erzählt, dass Jens Bogren strikt von 9 bis 17 Uhr arbeitet. Wie habt Ihr diese Eigenschaft von Jens erlebt?
Es ist doch eine gute Sache, wenn man im Studio einen klaren Stundenplan hat. Dadurch vermeidet man nämlich, dass man sich überarbeitet und die Arbeit darunter leidet. Natürlich hatten ein paar der Jungs mal Probleme, mit einem schweren Kopf aufzuwachen und dann ihren Part einspielen zu müssen, aber das haben sie sich dann selbst eingebrockt, haha!
Es gibt eine digitale Single mit dem Titel „Servant Of Sorrow“ als B-Seite, bei der Gitarrist Steve Rothery von MARILLION einen Part beigesteuert hat. Erzähle uns doch bitte von dieser Zusammenarbeit!
Ich bin ein großer Fan von MARILLION und Steve Rothery, und ich traf ihn, als wir auf der UK-Tour von APOKALYPTICA im Vorprogramm spielten. Ich habe ihn dann eher aus Spaß gefragt, ob er auf unserem neuen Album spielen möchte, und Steve antwortete: „Klar, warum nicht?“ Ich wollte meinen Ohren nicht trauen, denn immerhin ist er einer meiner größten Helden und außerdem spielen wir komplett verschiedene Musik. Aber das ist doch etwas, was ihn als großartigen Musiker auszeichnet, weil er bereit ist, aus Liebe zur Musik auch eine ungewöhnliche Zusammenarbeit einzugehen.
Aber abgesehen davon, inwiefern konnte er mit dem Sound von SWALLOW THE SUN etwas anfangen, denn MARILLION machen ja doch ziemlich unterschiedliche Musik?
Nun, ich denke, unsere Bands mögen zwar musikalisch so weit auseinander liegen, wie es nur irgend geht, aber gleichzeitig gibt es doch Gemeinsamkeiten bei den Melodien und der Atmosphäre. Steve Rothery ist vielleicht sogar der größte Einfluss auf mich als Gitarristen, und seine Gitarrenmelodien haben den Sound von SWALLOW THE SUN nicht unerheblich beeinflusst, glaub‘ mir. Vielleicht machen wir ja eines Tages einen MARILLION-Coversong, vielleicht kann man dann genauer nachhören, was ich meine. MARILLION sind zu einem großen Teil schuld daran, wie wir klingen, genauso wie MY DYING BRIDE und TYPE O NEGATIVE.
Es gab im Sommer bei SWALLOW THE SUN einen Wechsel am Schlagzeug, als Ihr Euch und Pasi Pasanen einvernehmlich getrennt habt. Was war der Grund dafür?
Wir haben gemerkt, dass es Pasi mit dem Touren etwas zu viel wurde, und vielleicht fehlte ihm am Ende auch ein wenig die Inspiration für SWALLOW THE SUN, weswegen es doch eine klare Sache war, dass wir uns nach einem neuen Drummer umsehen mussten.
Als neuen Drummer konntet Ihr Kai Hahto verpflichten, der ja zuvor schon in einigen großartigen Bands gespielt hatte. Wenn man sich sein Treiben bei Bands wie ROTTEN SOUND ins Gedächtnis ruft, war es da schwer, ihn davon abzuhalten, bei SWALLOW THE SUN Blastbeats zu spielen?
Nun, Kai kann eigentlich jede Art von Musik auf diesem Planeten spielen, also war es kein Problem, ihn zu bremsen, ha! Und außerdem haben wir auf dem neuen Album ein paar Blastbeats eingebaut, damit er sich bei uns heimisch fühlt, haha! Aber ernsthaft, der Kerl kann wirklich alles spielen, weswegen es ein Gewinn ist, dass wir einen der besten Drummer in unseren Reihen haben.
Du spielst zusammen mit Pasi in der Vor-SWALLOW-THE-SUN-Band PLUTONIUM ORANGE. Euer Debütalbum ist jetzt nur kurze Zeit vor „New Moon“ erschienen – war das gutes Timing?
Ja, eigentlich war das schlechtes Timing, weil wir vorhatten, mit beiden Bands nach den Albumveröffentlichungen ausgiebig zu touren. Bis jetzt hat aber alles hingehauen, wie wir uns das vorgestellt haben. Ich denke auch nicht, dass es große Probleme geben wird, beide Bands zu promoten, auch wenn die Alben zur selben Zeit veröffentlicht werden. Und wenn sich die Termine dann doch mal überschneiden, habe ich einen Freund, der bei den Gigs von PLUTONIUM ORANGE an der Gitarre aushelfen kann.
Noch mal zurück zu „New Moon“: Einer meiner Lieblingssongs ist „Lights On The Lake“, bei dem die schwedische Sängerin Aleah ihren Gesang beisteuert. Aus dieser Zusammenarbeit ist jetzt eine neue Band mit dem Namen TREES OF ETERNITY entstanden, bei der Du Gitarre spielst. Wo siehst Du musikalisch die größten Unterschiede zu SWALLOW THE SUN, und was sind Eure Pläne mit der Band?
Als ich an Aleahs Gesangslinie zu „Lights On The Lake“ saß, kamen mir so viele Ideen für weitere Songs in dieser Richtung, dass wir keine andere Möglichkeit hatten, dieses Projekt ins Leben zu rufen. Wir haben dann eine Promo fertiggestellt, die wir an Labels verschickt haben. Das Interesse an der Band ist bereits so groß, dass wir das Debütalbum hoffentlich noch dieses Jahr herausbringen können.
Im letzten Interview mit meinem Kollegen Markus Endres hattest Du verraten, dass Du einen Song über einen Surfer schreiben wolltest. Der Surfer ist so verzweifelt darüber, dass er auf einem zugefrorenen See nicht surfen kann, dass er schließlich Selbstmord begeht. Auf „New Moon“ konnte ich den Song aber nicht finden, vielleicht wäre er aber sowieso besser auf einem PLUTONIUM ORANGE-Album aufgehoben?
Haha, ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber das ist eine großartige Idee für einen Song. Vielleicht mache ich dann ja ein Konzeptalbum für SWALLOW THE SUN! Wer weiß, vielleicht kommt ja die nächste Eiszeit schneller als man denkt, und die ganzen California Surfboys werden dann in den Massenselbstmord getrieben, weil sie nicht mehr surfen können. Ganz schön finstere Aussichten!
Dann kannst Du Dich ja vor Ort schon mal umschauen, denn im April werdet Ihr zusammen mit FINNTROLL und MOONSORROW in den USA touren. Worauf freust Du Dich denn besonders bei dieser Tour?
Nun, für uns ist es ein etwas komisches Line-Up, aber ich hoffe mal, dass genügend unserer Fans kommen werden und dass wir ein paar Viking-Metal-Fans mit unseren Doom/Death-Klängen vertraut machen können. Es ist wirklich sehr schwer für uns, Bands zu finden, die ähnliche Musik wie wir spielen. Grundsätzlich wären OPETH, KATATONIA und MY DYING BRIDE unsere Favoriten, aber es ist sehr schwer, auf deren Touren aufzuspringen. Aber egal, ich glaube, diese finnische Tour in Amerika wird großartig, weil wir sowieso unsere besten Touren in Amerika hatten, weswegen ich mich sehr darauf freue.
Alles klar, das war’s auch schon! Vielen Dank für das Interview! Wenn Du ein paar warme Worte für unsere Leser hast, hier ist der Platz dafür.
Danke Dir. Hier ist es so kalt, dass du mindestens zehn Unterhosen tragen musst, um dir nicht die Eier abzufrieren, willkommen in Finnland!
(Fotos: Kalle Björklid)
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Stile | Dark Metal, Death Metal, Doom Metal |
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