Svartidauði
"...Ich hätte niemals gedacht, dass der "Rock'n'Roll-Lifestyle" einen erwachsenen und verantwortungsbewussten Menschen aus mir macht..."

Interview

SVARTIDAUÐI sind definitiv eine isländische Institution in Sachen Black Metal: Als mit eine der dienstältesten und bekanntesten Bands in diesem Unter-Genre, haben sie sich damals mit “Flesh Cathedral” (2012) in die Herzen aller Schwarzwurzler gespielt. Die langen, ausufernden Kompositionen, mit Hang zu Dissonanz,aber auch Psychedelik sind definitiv nichts gewöhnliches im Genre. Nach drei dazwischen geschobenen EPs folgt nun demnächst mit “Revelations of the Red Sword” (VÖ. 3.12.2018) der zweite Streich. Grund genug, im Austausch mehr über das neue Werk zu erfahren.

(metal.de) Grüße ins Svartidauði-Camp! In einiger Zeit wird euer neues Album „Revelations of the Red Sword“ auf die Massen losgelassen. Ich hab in eurem Interview in der Bardo Methodology Ausgabe gelesen, dass es den konzeptionellen Rahmen vervollständigen wird: „Flesh Cathedral“ war verbunden mit der Erde, in gewisser Weise die alte und sterbende Welt symbolisierend, „The Synthesis of Whore and Beast“ fokussierte sich auf Dualismus oder vielmehr den Durchbruch und die Transformation aus diesem System und das neueste Album wird Feuer als das begleitende Element haben und steht für etwas neues, ein aktives Prinzip, Emanation. Bedeutet das, dass dieser „Zirkel“ nun beendet ist und ihr euch für neue Alben auf etwas neues konzentriert? Gab es diesen konzeptionellen Plan von Anfang an oder hat sich das alles so mit der Zeit ergeben?

(SVARTIDAUÐI, wahrscheinlich Sturla): Der Zirkel ist glücklicherweise noch nicht im Ansatz beendet. Der Hauptgrund für die große Lücke zwischen „richtigen“ Alben in unserer Diskographie war der Umstand, dass wir zu viel Material hatten um alles auf ein Album unter zu bringen. Wenn man sich das Meta-Narrativ anschaut, haben wir bisher nur die Elemente Erde und Feuer bezwungen, also kann man annehmen dass wir immer noch Luft und Wasser und final dann den Ether/Geist dominieren werden müssen, um dann letztendlich unsere „SVARTIDAUÐI-Welt“ geboren zu haben. Wie und wann das passiert, kann ich nicht sagen. Nur so viel: Es werden nicht wieder 6 Jahre vergehen, bis ein neues SVARTIDAUÐI-Album heraus kommt.

 

Ich habe in demselben Interview ebenfalls gelesen, dass der Titel von einer Passage aus dem „Futuristischen Manifest“ entlehnt wurde, einem Werk von Filippo Tommaso Marinetti, einem italienischen Poet und später faschistischem Politiker unter Mussolini, der in diesem die Vergangenheit und die Traditionen scharf ablehnte. Wie würdet ihr euer eigenes Verhältnis in musikalischer Hinsicht hierzu einordnen? Seid ihr auch „Zerstörer des Alten“ und erschafft somit neues oder hängt ihr vielleicht auch noch (zu) sehr an bestimmten Black-Metal-Traditionen?

Das Bildnis von Robert J. Oppenheimer, der den Vers „Jetzt bin ich zum Tod geworden, Zerstörer der Welten“ aus der Bhagavad-Gita (zentrale Schrift des Hinduismus – Anm. d. Redaktion) zitierte, nachdem die erste Nuklearbombe gezündet wurde, ist in der Hinsicht für mich fast heilig. Metaphorisch gesprochen ist das unser künstlerisches Streben, eine nukleare Bombe zu erschaffen um Dogmen und Traditionen der toten Welt durch Frequenzen und Vibrationen wegzupusten. Warum sollten wir uns mit weniger begnügen? Wir hatten uns auf das solare, feurige Thema für „Revelations of the Red Sword“ bereits geeinigt, als ich ein paar Jahre vorher an einem Filmset gearbeitet habe. Wir haben eine Szene in einer Kirche an der Südküste Islands, die Strandarkirkja, gedreht. Diese Kirche, die auch oft Fischer-Kirche genannt wird, wurde gebaut um all die Segler und Seemänner, die auf der See verloren gegangen sind, zu ehren. Ich war bereits früh morgens vor Sonnenaufgang da und musste ein bis zwei Stunden nun noch irgendwie krum kriegen und habe angefangen das „Futuristische Manifest“ zu lesen. Gerade als ich die Zeile „Lasst uns aufbrechen! Hier ist der erste Sonnenaufgang auf der Erde! Nichts ist  vergleichbar mit dem Glanz des roten Schwertes, welches zum ersten Mal in dieser Dunkelheit des Millenniums zuschlägt!“ gelesen habe, ging die Sonne auf und füllte die Kirche in dieses golden-rote Licht und ich wusste dann, dass ich genau das mit SVARTIDAUÐI demnächst angehen will.

Was den Futurismus selbst angeht stimmen wir darin überein, dass Museen und Traditionen zerstört gehören um Platz für größeres und besseres zu schaffen, aber da hört es mit mit ideologischen Gemeinsamkeiten dann auf. Wir sehen uns eher libertär und inkompatibel mit Faschismus und anderen autokratischen oder autoritären Ideologien, da wir glauben dass alle guten Dinge im Leben wild und frei sein müssen. Um das Bild ins mystische zu übertragen:   Der Faschismus steht für das Äon des Osiris (der himmlische Vater), während SVARTIDAUÐI sich eher um das Äon von Horus (das gekrönte und erobernde Kind) zentrieren würde. Wir spielen Musik für Underdogs, Outlaws, Freigeister und Mystizisten, nicht irgendwelche Fußsoldaten von staatlichen oder unternehmerischen Kräften.

 

In demselben Interview habt ihr die Aufnahmen von „Flesh Cathedral“ im Studio Emissary noch einmal Revue passieren lassen. Es sollen sechs sehr anstrengende Wochenenden gewesen sein, aber auch alkohol-geschwängerter Spaß im Anschluss. Waren die Aufnahmen für das neue Album ähnlich? Wie ist es überhaupt im Allgemeinen, mit Stephen Lockhart zu arbeiten? Habt ihr irgendwas während des Aufnahme-Prozesses geändert?

Die beiden Aufnahme-Sessions waren Welten auseinander. Es hat ungefähr 12 Tage insgesamt gedauert, um „Flesh Cathedral“ aufzunehmen, während „Revelations of the Red Sword“ in 4 Tagen fertig gestellt wurde. Drums und Bass wurden in einer Nacht verewigt, die Gitarren komplett an zwei  Tagen und die Vocals in zwei Halb-Tages-Sessions. Wir und Stephen haben uns weiterentwickelt und sind „professioneller“ (Ich hasse es, mich selbst als „professionell“ zu bezeichnen, hah!) geworden in den Jahren.
Es wurde entschieden keine Zeit zu verlieren und direkt das Ziel anzuvisieren. Die Welt ist durch Aktion geformt, also bei diesem Mal kein Herumlümmeln und wir haben uns reingehängt um fertig zu werden. Dieser Ansatz ans Recording ist auch im Thema des Albums reflektiert, das feurige, aktive, solar-phallische, um bei Nietzsche zu bleiben: „Der Wille zur Macht“.

Was die „rituelle Atmosphäre“ auf den Alben angeht, die im Idealfall aber natürlich auch (so gut wie möglich) live transportiert werden sollte, gibt es irgendwelche Besonderheiten, wie ihr die Sachen angeht? Ich habe zum Beispiel erfahren, dass Misþyrming manchmal für ihr Corpsepaint auf der Bühne isländische Vulkanasche verwendet haben. Wie wichtig ist diese Seite an eurer Performance für euch?

Vor ein paar Jahren habe ich vor unserem Auftritt meditiert und tantrische Atemübungen gemacht um meinen Kopf klar zu kriegen, aber nach einigen Jahren auf Tour kann ich darauf verzichten und bin innerhalb von Sekunden „im Modus“. Übung macht den Meister.

Ich habe euer Auge für Kunst bemerkt. Das hat sich in der Vergangenheit immer wieder speziell bei euren Artworks gezeigt (für das neueste zeichnet sich wieder der talentierte David Glomba verantwortlich). Auf was achtet ihr im Speziellen bei Kunst (egal ob für Cover Artwork, Merchandise oder vielleicht Bühnendeko) die eure Musik oder die Live-Performance bereichern soll?

Wenn wir uns mit einem Künstler in Verbindung setzen, um unsere visuellen Ideen auf zwei-dimensionale Flächen zu projizieren, habe ich immer einen Plan für das Konzept bzw. auch magische Formel mit der wir arbeiten zusammen mit den Lyrics geschickt. Wir haben bestimmte grobe Vorstellungen wie „eher simpel gehalten“ oder komplexer in Verbindung mit den Themen, geben aber sonst absoluten Freiraum für die künstlerische Expression. Dann halten wir einen Dialog über die ersten Entwürfe. Das kann man auch sehr schön mit der alchemistischen Doktrin „Solve et coagula“ („Löse und verbinde“ aus dem Lateinischen – Anm. d. Red.) ausdrücken. Die Künstler bekommen die Musik meist erst zu hören nachdem ihr Werk vollendet ist.

Was war die größte Lektion die ihr auf Tour, egal ob in musikalischer oder persönlicher Hinsicht, gelernt habt?

Auf Tour zu sein und in einem Nightliner für Wochen zu leben hat mich definitiv dazu ermuntert, heiße Duschen und Nächte wo ich mal durchschlafen kann mehr wertzuschätzen. Ich hätte niemals gedacht, dass der „Rock’n’Roll-Lifestyle“ aus mir eher einen verantwortungsbewussten Erwachsenen anstatt degeneriertem Stück Dreck machen würde, haha!

Wie fühlt ihr euch dabei, eine der ersten isländischen Black Metal Bands gewesen zu sein, die aus den kleinen Anfängen im Untergrund seit dem Release von „Flesh Cathedral“ zum heutigen Tage eine bekannte und respektierte Band geworden ist? Selbst andere isländische Bands wie SINMARA, und Misþyrming (die jeweils Bandmitglieder mit euch teilen) berufen sich auf euch als Inspiration. Denkt ihr, dass ihr den Erfolg des isländischen Black Metals „gestartet“ habt oder zumindest international bekannter und anerkannter?

Ja, unglücklicherweise haben wir es wirklich „gestartet“. Als wir erstmalig 2006 live gespielt und Musik veröffentlicht haben, war der isländische Black Metal so gut wie ausgestorben. Also ja, wir haben ihn irgendwie gestartet. Allerdings mag ich es nicht über uns so nachzudenken, da das bedeuten würde das wir zu dem Museum und zu der Tradition geworden sind, die wir eigentlich zerstören wollten. Wir müssen immer jung, hungrig und horny bleiben um das zu tun was wir tun. Ich möchte niemals jemand sein, der sich später selber in einer „Hall Of Fame“ betrachtet. Ich möchte immer diesen jugendlichen und delinquentischen Geist in mir haben, auch wenn ich 85 bin.

In Bezugnahme auf die Albentitel… denkt ihr wir sind momentan im sterbenden „Flesh Cathedral“-Äon oder können wir bereits die ersten Jahre von etwas neuem beobachten, also sind wir schon auf der „Revelation of the Red Sword“-Seite der Zeit?

Ein wenig von beidem, denke ich. Extreme Umstände erzeugen extreme Reaktionen. Die Welt stirbt und es liegt in eines/r jeden Hand, neue Welten zu erschaffen. Ich bin in Kontakt mit einer Handvoll Individuen, die Gemeinschaften außerhalb dem Nukleus der „modernen Welt“ erschaffen haben.

Das ist noch ein Ziel von mir, einen ähnlichen Weg zu gehen und sich nicht vom alltäglichen Bullshit der modernen Leistungsgesellschaft runterziehen zu lassen. Ich glaube, dass das was wir auf globaler Ebene sehen, einfach das Todesröcheln des Osiris-Äons ist. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass alle großen Imperien und Ideologien letzten Endes gefallen sind und zu denken, dass unsere momentane Weltordnung die wir während unseres Aufwachsens kennen gelernt haben nicht denselben Prinzipien folgt und bleiben wird, ist ganz einfach ignorante Arroganz oder Wunschdenken.

Verglichen mit mehr „straighten“ Black-Metal-Bands die keine Gefangenen nehmen (denke an MARDUK oder ähnliche) kam mir euer Sound immer ein wenig hintergründiger vor… mehr schleichend und bedrückend, eine langsame, aber letzten Endes tödliche Krankheit (passt somit auch zu eurem Namen). Wenn ihr eure Musik mit einer Krankheit beschreiben müsstet, welche wäre das (Bitte jetzt nicht mit der Schwarzen Pest kommen 😉 )?

Das ist eine ziemlich coole Beschreibung, danke. Ironischerweise würde ich sagen, dass die Syphilis unsere Musik am besten beschreibt. In einem Akt voller Freude und Euphorie übertragen, nur um danach langsam aber sicher Geist und Körper aufzufressen, so dass irgendwann nur noch eine Hülle übrig bleibt.

Ihr habt letztens auch nach meinem Wissen euer erstes AMA (Ask me Anything – Anm. d. Redaktion) gehalten. Denkt ihr das ist in der heutigen Zeit ein notwendiges Übel, von Zeit zu Zeit sich auf Social Media zu „zeigen“ um im Gespräch zu bleiben? Oder würdet ihr lieber ganz darauf verzichten?

Um ehrlich zu sein hab ich die Idee anfangs auch gehasst, aber ich hab es als Herausforderung angesehen die wir angehen sollten, um aus unserer Komfortzone heraus zu kommen und ein wenig mit unseren Fans ins Gespräch zu kommen. Es war eine interessante Erfahrung, aber hat mir auch ein wenig Kopfschmerzen bereitet.

Von den Themengebieten eurer Musik und den Lyrics schließend gehe ich mal großzügig davon aus, dass ihr recht erfahren und engagiert in vielen spirituellen und okkulten Praktiken seid. Spielt das auch in euer persönliches Leben mit hinein und wenn ja, wie?

In der Tat. Ich möchte nicht zu tief einsteigen, auch weil es etwas zutiefst persönliches ist, so wie ich mein Sexleben oder Wehwehchen nicht in jedem Interview ausbreiten würde… nur um euch eine Idee zu geben, abgesehen von Meditation und Ritualen, ist das banalste Level des Einflusses auf mein alltägliches Leben, wie ich die Welt um mich herum wahrnehme, Informationen aufnehme und wie ich mich ausdrücke. Es fließt zu einem gewissen Teil durch alle Aspekte des Lebens.

Wenn – rein theoretisch gesprochen – ihr ein Musikvideo für eines eurer Lieder schießen könntet oder wolltet… welcher Regisseur wäre die perfekte Wahl?

Nun ja, da Stanley Kubrick tot ist würde ich sagen entweder Panos Cosmatos oder Gaspar Noe, beide unter den besten psychedelischen Perversen im heutigen Kino.

Könnt ihr schon Tourdates für 2019 mit uns teilen?

Nope, alles zu seiner Zeit.

Das wäre es von mir, danke fürs Interview… Platz für letzte Worte oder eine ohrenbetäubende Stille

Danke fürs Interview und die Aufmerksamkeit. Ich schließe mit Crowley:

I am the flame that burns in every heart of man, and in the core of every star. I am Life, and the giver of Life, yet therefore is the knowledge of me the knowledge of death.
-Liber Al vel Legis 2.6

 

 

Quelle: Band
25.11.2018
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