Sulphur Aeon
Das große Interview zu "Seven Crowns and Seven Seals" - Teil 2

Interview

Im ersten Teil unseres großen SULPHUR AEON-Inteviews haben wir bereits Sänger und Texter M. zu „Seven Crowns and Seven Seals“ ausgequetscht. Im zweiten Teil schildert uns nun Gitarrist und Komponist T. unter anderem ausgiebig seine Sicht aufs neue Album, auf den Umgang mit der Lovecraft-Thematik und auf den Songwriting-Prozess. Auch auf das Thema Liveshows und den Status von SULPHUR AEON innerhalb der Szene kommen wir zu sprechen.

Erstmal Gratulation zum neuen Album, die Reviews fallen insgesamt ja sehr positiv aus und auch bei uns habt ihr die volle Punktzahl und den Soundchecksieg abgestaubt. Bist du zufrieden damit oder interessiert dich sowas eigentlich gar nicht?

Naja, ich kann ja jetzt nicht sagen, dass mich das nicht interessiert. Ich nehme das schon wahr und mich freut das natürlich, aber ich habe da keinen Einfluss drauf und das ist auch nicht der Grund, warum ich das mache.

Ich habe ja auch schon euren Sänger interviewt und der hat mir erzählt, dass er mit den Vocals und Texten erst anfängt, wenn er von dir die fertigen Songs kriegt. Komponierst du grundsätzlich erstmal alleine oder tauschst du dich während dem Schreibprozess auch schon mit den anderen aus?

Zu 99% schreibe ich die Sachen alleine. Es gibt so ein paar Momente bei der Vorproduktion, da kommt dann der Michi Zech vorbei, man geht die Songs nochmal durch und schaut, ob er da noch ein paar Ideen für Layer und Melodien hat.

Aber die Songs schreibe ich schon alleine und meistens kriegen die anderen dann auch einen fertigen Song vorgespielt, weil ich ungerne mit halbfertigen Sachen rausgehe.

Kommt es auch mal vor, dass du mit einer Idee ankommst wo der Rest der Band sagt: „Nee, das geht gar nicht?“. Oder sind die andren grundsätzlich zufrieden mit dem, was du ablieferst.

Es ist bisher zumindest noch nicht vorkommen, dass etwas so gar nicht ging. Bisher wurde das immer so angenommen.

Ihr habt ja schon mit „Gateway…“ angefangen, euch von allzu offensichtlichen Einflüssen freizumachen. Man hört natürlich irgendwo, dass euch Bands wie MORBID ANGEL und DISSECTION beeinflusst haben, aber inzwischen habt ihr einen vollkommen eigenständigen Sound etabliert, was sich auf dem neuen Album auch fortsetzt. Geschieht dieses Freimachen von äußeren Einflüssen in bewusster Absicht oder passiert das einfach, weil man ja auch als Songwriter mit der Zeit wächst?

Das passiert einfach. Klar, Einflüsse von sowas wie DISSECTION werden bei mir immer irgendwo mit drin sein, wir haben andererseits aber auch nie versucht, wie DISSECTION zu klingen. Eigentlich haben sich die Einflüsse auch nicht groß geändert, aber ich bin über die Zeit vielleicht einfach ein bisschen konsequenter und auch mutiger geworden.

Da kommt es vor, dass man sich denkt: „Das ist jetzt vielleicht etwas unorthodox, so ein Riff zu nehmen.“ Aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich mich hinsetze und versuche, die Einflüsse gar nicht zuzulassen oder krampfhaft originell zu sein. Das entwickelt sich völlig natürlich, es kommt halt wie es kommt. Das kann ich eh nicht beeinflussen und ich habe da auch kein Schema, ich setze mich einfach hin und arbeite mich von der ersten Idee bis zum fertigen Song.

„Seven Crowns and Seven Seals“ ist noch etwas vielschichtiger als euer letztes Album. Es fällt auf den ersten Eindruck weniger direkt aus und ihr setzt verstärkt auf eine unheilvolle, oft melancholische Atmosphäre. Machst du dir vor dem Songwriting schon Gedanken darüber, was für eine Grundstimmung das Gesamtwerk später vermitteln soll?

Das kommt auch beim Schreiben. Du hast das schon richtig erkannt mit dieser melancholischen Note, das ist mir als die ersten zwei Songs fertig waren auch aufgefallen. Die Melodien hatten für mich auch dieses Flair und unser Bassist meinte dann recht schnell, dass die Songs eine endzeitliche Stimmung haben, also ist das irgendwie der Rahmen des Albums geworden. Das ist auch nicht bewusst geschehen, sondern dieses Endzeitflair und diese Abschiedsstimmung haben sich beim Schreiben so ergeben.

Die Stimmung ist in letzter Zeit ja allgemein etwas endzeitlich und die letzten paar Jahre waren für viele Menschen nicht grade einfach. Spielen Dinge wie die Pandemie und was aktuell sonst so in der Welt passiert beim Songwriting mit rein?

Unterbewusst bestimmt, denn das sind ja so Sachen, die einen alle nicht kalt lassen. Es wird ja alles nicht schöner. Aber geplant war das nicht, wie gesagt, ich habe kein Schema wenn ich mich hinsetze und schreibe. Ich sitze da eben wie viele an meiner Klampfe und irgendwann ist die Idee da, bei der ich denke, dass man darauf aufbauen kann. Und dann fließt das wie von selber.

Beim Titelstück gibt es dieses absolut geile rockige Solo, dass wenn ich richtig informiert bin aus der Feder von Laurent von CHAPEL OF DISEASE kommt. Wie kam es zu der Zusammenarbeit, hast du ihn direkt angehauen?

Das ganz kleine Lick im Anfangsriff, im Mittelpart und das Solo am Ende, das kommt alles vom Laurent. Und der Michi Zech hat noch dieses Riff unterm Endpart beigesteuert, wir haben diesen Song quasi gemeinsam geschrieben. Das ist so ein Experiment, das war nach einer Tour und ist auch schon recht lange her.

Man kennt das ja, dann sagt man: „Wir müssen mal was zusammen machen.“ Das sagt sich dann natürlich immer schnell und ist ja auch so eine Zeitfrage, aber wir haben es dann einfach mal probiert. Das hat sehr viel Spaß gemacht und funktionierte auch reibungslos. Ich hatte den Anfang vom Song, dann bin ich einfach mal zum Laurent nach Köln gefahren und wir haben ein bisschen gejamt. Anschließend haben wir uns nochmal mit Michael und Laurent hier bei mir für die Vorproduktion getroffen und den Song final fertiggestellt.

Es ist für mich jetzt allerdings eine ziemliche Herausforderung, diesen Song live umzusetzen, weil das was der Laurent da gespielt hat meinem eigenen Spiel gänzlich konträr läuft. Ich versuche für die Live-Umsetzung so nah wie möglich daranzukommen, aber eins zu eins kann ich das nicht nachspielen, weil das einfach nicht meine Art zu spielen ist. Aber ich denke ich habe da was gefunden, was live auf jeden Fall funktioniert.

Mit etwas Glück findet ihr euch ja auf denselben Festivals wieder.

Möglich, aber das ist auch immer ein Riesenaufwand da eine dritte Gitarre mit reinzubringen. Man weiß ja auch gar nicht, mit was für einem Tuning er das im Studio eingespielt hat. Das war glaube ich auf einer Strat mit diesen Spaghetti-Saiten; er kam damit super klar, ich hätte darauf überhaupt nicht spielen können.

Aber mal gucken, das wäre natürlich eine schöne Sache, ob das irgendwann mal hinhaut…keine Ahnung.

In unserem Kommentarbereich ist eine heiße Diskussion entbrannt, die ich tatsächlich auch schon öfter privat geführt habe. Euer Album wird dabei zwar positiv aufgenommen, viele merken aber an, dass eure Musik zu geordnet klingt, um Lovecrafts kosmischen Horror authentisch rüberzubringen. Bands wie BLUT AUS NORD und PORTAL werden hier als Vergleich herangezogen. Zielst du beim Songwriting überhaupt darauf ab bzw. glaubst du, dass eine wirklich authentische musikalische Umsetzung dieses Themas überhaupt möglich ist und am Ende dabei noch hörbare Musik rauskommt?

Geschmäcker sind eben verschieden, ich habe das auch schon gelesen und kann verstehen, dass andere Leute da andere Sachen mit verbinden. Ich setze mich jetzt auch nicht hin und versuche, genau dieses Lovecraft-Feeling zu produzieren, wie soll das auch aussehen? Es ist halt unsere Interpretation davon, vieles kommt auch noch durch die Lyrics mit rein.

Kann man das vertonen und macht das Sinn, wenn das dann am Ende nicht mehr hörbar ist? Es ist halt Geschmackssache und wenn einer meint das ist so, dann ist das auch völlig legitim. Ich versuche immer, schlüssige und packende Songs zu schreiben, das ist für mich die Hauptsache.

Und es ist ja auch schön, dass es verschiedene Ansätze gibt. Es wäre doch langweilig, wenn alle Bands die Lovecraft thematisieren wie PORTAL klängen. Es ist für alle was dabei und wenn jemand eher darauf steht, dann ist das völlig in Ordnung.

Die Frage habe ich auch eurem Sänger schon gestellt, aber beschäftigst du dich selbst mit Lovecraft-Medien abseits der Originalwerke? Es gibt ja eine Menge Schriftsteller, die sich auf Lovecrafts Mythos beziehen und sich teilweise auch mit seinem Rassismusproblem auseinandersetzen. Und zudem gibt es ja auch zahlreiche mehr oder minder gelungene Versuche, das Ganze filmisch umzusetzen.

Ich bin da jetzt nicht wissenschaftlich unterwegs, also ich lese keine Autoren, die sich z. B. mit Lovecraft als Mensch beschäftigen. Ich bin allgemein auch eher Team Hörbuch und ich höre mir sehr gerne Adaptionen von Lovecraft an. Da gibt es ja mittlerweile einige Sachen, die sehr gut gemacht sind, meistens auch sehr viel besser als die filmischen Umsetzungen.

Es gibt zwar ein paar sehr geile Sachen, aber bei Filmen ist es auch so, dass ich das vielleicht gar nicht sehen will. Es war ja mal eine Umsetzung von Berge des Wahnsinns geplant, das müsste dann so eine Big-Budget-Geschichte sein, aber ob das dann in dieses Hollywood-Format passt, weiß ich auch nicht.

Es ist, ähnlich wie bei der Musik, ja auch recht schwer authentisch umsetzbar.

Unser Sänger ist in der Materie viel mehr drin als ich, aber ich erinnere mich noch, dass wir uns sehr gefreut hatten, als diese Umsetzung von Berge des Wahnsinns von Guillermo Del Toro angekündigt wurde. Der M. hatte dann aber irgendwelche Kreaturen-Entwürfe von dem Film gesehen und war ganz froh, dass das doch nicht zustande gekommen ist.

Es ist nun aber auch so, dass ich zwar sämtliche Geschichten mehr gehört als gelesen hab, ich beschäftige mich aber nicht 24/7 mit Lovecraft.

Euer Sänger hat auch erzählt, dass es noch keine konkreten Tourpläne und bisher nur wenige gebuchte Gigs für 2024 gibt. Ihr habt ja auch in der Vergangenheit eher Einzelshows gebucht. Steht eine kleine Tour denn grundsätzlich in den Karten oder seid ihr dafür privat und beruflich zu sehr eingespannt?

Wir haben ja schonmal eine Tour gemacht, gänzlich unmöglich ist das also nicht. Erstmal müsste es aber langfristig geplant sein, besonders wegen der Urlaubsplanung. Wenn das Setting für alle passt, zu den richtigen Konditionen und mit den richtigen Bands, dann kann ich mir das durchaus vorstellen. Aber es ist nichts wo ich sage: „Das muss jetzt sein.“ Ich bin mit unserer Situation, hauptsächlich ausgewählte Einzelshows zu spielen, absolut zufrieden.

Bist du denn mit eurem Status in der Szene und mit dem was ihr bisher erreicht habt zufrieden, oder würdest du das Ganze manchmal gerne noch weiter ausbauen? Wenn man sieht, wie gut eure Alben insgesamt ankommen, wäre das ja durchaus vorstellbar.

Ich bin mit unserem Status superzufrieden und ich bin auch sehr glücklich, dass wir bei Ván Records sind, weil wir da alle Freiheiten haben, zu tun und lassen was wir wollen. Was das größer werden betrifft, da müssten wir eben viele, viele Shows spielen. Das hat natürlich auch was für sich, aber es ist eben jedes Mal ein riesiger Angang, für eine Einzelshow das ganze Gerappel aus dem Proberaum zu schaffen und man ist dann das ganze Wochenende unterwegs, um letztlich 50 Minuten auf der Bühne zu stehen. Ich glaube der Preis, das jetzt ständig machen zu müssen, wäre mir zu hoch.

Wir hatten nie vor, mit der Musik Geld zu verdienen und das zum Dayjob zu machen. Das stand nie zur Debatte, denn dann müsste man Kompromisse eingehen und wahrscheinlich auch Shows spielen, auf die man überhaupt keinen Bock hat in irgendwelchen Packages, wo man sich dann fragt ob das überhaupt Sinn macht. Von daher bin ich mit unserer Situation sehr, sehr zufrieden. Dass wir uns so ein wenig die Rosinen aus den ganzen Angeboten rauspicken können, finde ich schon sehr schön.

Wie sähe denn eure Bühnenproduktion aus, wenn dir finanziell und zeitlich keine Grenzen gesetzt wären? Würdet ihr dann so opulent auffahren wie z. B. BEHEMOTH oder WATAIN?

Eine auf die Songs abgestimmte, synchronisierte Lichtshow wäre bestimmt eine schöne Sache, aber das würde z. B. auch wieder voraussetzen, dass du einen festen Lichtmann und sowas dabeihast. Und so Sachen wie BEHEMOTH oder WATAIN kann man ja eigentlich schon eh nicht mehr übertreffen, ohne dass es dann irgendwie ins Komödiantische abdriftet. Dann hast du da irgendwann ein Aufblasmonster oder was weiß ich und das möchte ich überhaupt nicht.

Bei uns hätte ich wirklich am liebsten einfach eine gute Lichtshow, viel Nebel und es reicht mir auch, wenn wir nur als Silhouetten zu sehen sind. Ich wüsste jetzt nicht, was man in Sachen Aufbauten machen sollte. Klar, wenn beim Budget keine Grenzen gesetzt sind, kann man sicherlich etwas mehr machen, aber man muss wie gesagt aufpassen, dass es nicht albern wird. Und man bräuchte ja auch eine komplette Crew, keine Ahnung wie viele Leute da bei BEHEMOTH oder WATAIN mit eingespannt sind.

Und zu guter Letzt, ich habe gehört, dass du derzeit noch an einem Nebenprojekt namens THE OMEGA SWARM arbeitest. Kannst du dazu noch kurz was erzählen?

Ich habe vor etwas über einem Jahr angefangen, Ideen zu sammeln bei denen ich gemerkt habe, dass die nicht so richtig zu SULPHUR AEON passen. Ich fand diese Ideen aber auch zu geil, um gar nichts draus zu machen. Ich habe jetzt den Chris von WOUND als Sänger dabei und den Max von HALLIG an den Drums. Das Album ist soweit fertig, der Chris hat grade die letzten beiden Songs eingesungen und wir wollen so im Dezember abgabebereit sein.

Es ist immer schwer, die eigene Musik selber zu beschreiben, es hat auf jeden Fall viele Keyboards drin. Das ist denke ich einer der großen Unterschiede zu SULPHUR AEON, aber es gibt eben auch Blastbeats, es ist einerseits brutal und andererseits melodisch. Der Andreas Schulz (vom Deaf Forever) hat das als cineastischen Extreme Metal beschrieben, damit würde ich auch d’accord gehen. Vom Soundgewand ist es ein wenig moderner als SULPHUR AEON. Erscheinen wird das auch über Ván Records, wenn alles klappt hoffentlich so im Juni oder Juli 2024.

Dann will ich dich mal in den Feierabend entlassen und danke dir für deine Zeit.

Ich habe gleich noch Bandprobe, also ist noch nix mit Feierabend. Aber danke für die Unterstützung und schönen Abend noch.

 

17.11.2023

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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