Suicide Silence
"SUICIDE SILENCE und unsere Fans – wir sind füreinander da!"
Interview
Ab dem 24.02.2017 ist endlich das selbstbetitelte neue Album von SUICIDE SILENCE erhältlich. Bereits im Dezember habe ich mich mit Eddie (Vocals) und Mark (Gitarre) darüber unterhalten. Doch der Anlass war nicht nur die neue Platte sondern auch die gemeinsame Tour mit CALIBAN, die mich als Gothic- und Folkhörer auf den Core-Geschmack brachte. Den experimentellen Konzertbericht könnt ihr hier finden.
Nachdem sich SUICIDE SILENCE für die Songs “Doris“ und “Silence“ in der letzten Zeit viel anhören durften, wagen wir einen Blick zurück auf den Stand vom Dezember 2016. Lest hier, was die Band für Reaktionen erwartet hat, was sie aus ihrer Sicht musikalisch verändert haben und wie sie die Beziehung zu ihren Fans sehen.
metal.de: Das wird hier ein eher experimentelles Interview, da ich im Bereich Death- und Metalcore ein richtiger Neuling bin.
Mark: Wir nennen das hier “Greenhorn“!
metal.de: Also das ist jemand, der neu in dieser Szene ist?
Mark: Ja
Eddie: …in Bezug auf alles.
metal.de: Ok, dann bin ich ein “Greenhorn“. (Allgemeines Gelächter) Was würdet ihr sagen? Was habe ich über das Genre zu wissen und ist SUICIDE SILENCE eine gute Einsteigerband?
M: Scheiße, ja! Ich glaube jede Band aus den Anfängen des Genres wäre dafür geeignet. Die sind auch leicht zu finden. Das Genre gibt es ja erst seit 10 Jahren, also gibt’s nicht 1.000 Bands, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.
E: SUICIDE SILENCE ist die BESTE Deathcore-Band. Wir sind immer wir selbst geblieben. Alle anderen Bands, die sich als “Deathcore“ bezeichnet haben, haben sich von sich selbst entfernt und machen jetzt Death Metal, Grindcore oder irgendwas, was es bereits gab. Wir gingen aber immer unseren eigenen Weg, Motherfuckers!
metal.de: Also seid ihr das Original? Die Original-Deathcore-Band?
E: Besonders seitdem ich in der Band bin, sind wir noch mehr “OG“.
metal.de: Die ersten Songs, die ich von euch gehört haben waren “You Can’t Stop Me“ und “You Only Live Once“. War das eine gute Wahl oder würdet ihr euer 2017 erscheinendes neues Album zum Anfang empfehlen?
E: Wenn du noch nie SUICIDE SILENCE gehört hast, solltest du mit den alten Sachen anfangen. Ich persönlich würde hier “Unanswered“ anbringen, das ein wenig mehr den traditionellen Sound widerspiegelt, in den sich alle verliebt haben. Danach würde ich sagen, dass du mit “You Only Live Once“, “The Black Corwn“ … dem Album weiter machst. Du musst dir auch “Wake Up“ und “No Pity For A Coward“ anhören, all diese Songs sind sehr wichtig. Wenn wir live spielen zählen die wahrscheinlich zu den Favoriten. Wenn du allerdings erkunden willst, in welche Richtung wir uns entwickeln, musst du dir das neue Zeug anhören.
M: Dem stimme ich zu. Ja das neue Zeug nimmt alles, was wir in der Vergangenheit gemacht haben und fügt dem ein paar neue Einflüsse hinzu, was das komplette Genre weiterentwickeln wird. Das fühle ich. Hoffentlich wird das einige Leute dazu inspirieren, aus dem Schubladendenken rauszukommen. Viele Bands haben sich ja nicht bewusst als Deathcore bezeichnet, sondern bekamen das eben aufgedruckt. Und jetzt werden wir die ganze verdammte Szene weiterentwickeln.
metal.de: Ich hab mir das neue Album schon mal angehört. Mir gefiel dabei die eher melodische oder melancholische Note sehr gut. Versteht ihr diese Perspektive, dass das Album eher melodischer ausgerichtet ist oder seht ihr das komplett anders?
E: Meiner Meinung nach ist das eine perfekte Beschreibung. Es ist düster. Es soll vom Herzen kommen und das Herz schlägt nicht immer richtig schnell. Manchmal muss man Dinge eben verlangsamen und einen Schritt zurückgehen und sich alles ansehen, das ganze Bild. Also passt die Beschreibung als mehr melancholisch oder melodisch ziemlich gut.
metal.de: Hat der tragische Tod von Mitch in 2012 eure Texte bzw. eure Musik beeinflusst?
E: Klar, es beeinflusst uns jeden Tag. Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit Mitch in 2011 bevor er verstarb, in der er äußerte, dass er sich selbst herausfordern und die breiten Spektren der Musik erkunden wollte. Er hat zu dem Zeitpunkt Gesangsunterricht genommen und wollte den kompletten Umfang seiner Stimme erforschen. Als ich dann in die Band kam, mussten wir also ein Album machen, das Respekt zollt und den Fans die Möglichkeit gab zu sehen, dass wir immer noch SUICIDE SILENCE sind. Aber mit dem nächsten Album hab ich die Inspiration aus dieser speziellen Unterhaltung genommen und den Jungs gesagt, dass ich bereit bin, etwas komplett Neues zu machen. Sie haben mich nur angeschaut und gemeint: “Das wollen wir auch!“
metal.de: Was hat sich bezüglich der Musik seit 2014 (“You Can’t Stop Me“) am meisten verändert?
M: Ich glaube was sich am meisten verändert hat, ist unsere Fähigkeit auf die Fähigkeiten der jeweils anderen zu reagieren. Also wenn wir gemeinsam Musik machen und uns gegenseitig herausfordern, geht jeder sehr gut darauf ein. Also wenn zum Beispiel einer von uns etwas Düstereres spielt als bisher heißt es nicht “Oh mein Gott, was soll das?“ sondern eher “Oh mein Gott, das hätten wir schon vor Jahren machen sollen!“ Wir sind untereinander etwas komfortabler geworden, und das hat sich auf die Musik ausgewirkt.
E: Was besonders wichtig ist, in Bezug auf das, was Mark sagte, ist, dass wir vor allem komfortabler mit uns selbst in diesem Kreis sind. Wenn du also mit dir selbst besser klar kommst, und dann eine musikalische Entscheidung triffst, werden dich deine Brüder dahingehend unterstützen. Und mit dieser Unterstützung kannst du sogar noch weiter gehen. Wenn du also in dich selbst eintauchst und deine Brüder diesen Vorgang unterstützen kannst du mit deren Hilfe ganz neue Extreme erreichen. Das ist wirklich wunderschön, wenn ich mal sentimental sein darf.
metal.de: Ach ich komm aus der Gothic-Szene, da ist Sentimentalität ganz natürlich!
E: Ah, du verstehst es! Das Album wird besonders von Goths gefühlt werden. West Coast, nehmt den Gohtic-Zug und fahr ihn bis zum Schluss!
metal.de: Ich persönlich mag es ja, wenn Bands mit verschiedenen musikalischen Elementen experimentieren. Habt ihr bislang negatives Feedback bezüglich der Abwechslung in eurer Musik bekommen?
E: Wir haben das Album ein paar Fans vorgespielt. Bislang kam noch überhaupt nichts Negatives, obwohl einige Leute bislang überrascht waren. Es stellte sie vor eine Art Herausforderung als Fans der alten Musik. Wobei ja auch bei den alten Sachen SUICCIDE SILENCE und Kritik Hand in Hand gingen und das seit Anfang an. Mitch musste sich viel Kritik anhören. Als er starb und ich in die Band kam musste ich mir SEHR viel Kritik anhören. Würde es schlussendlich diese Kritik nicht geben, wären wir wohl nicht in der Lage, diese Art von Musik zu schreiben.
M: Wir können schon die Kritik, die da kommen wird, vorhersehen. “Oh man, die Leute werden es hassen!“ Ja die Leute werden bestimmt viel Scheiße drüber erzählen. Wir warten nur drauf. Aber bislang kamen von der Presse die besten Reviews, die wir je erhalten haben.
metal.de: “Conformity“ war übrigens mein Favorit bislang.
E: Ross Robinson ist sowieso ein verkappter Goth. Er hat ja auch THE CURE aufgenommen, wusstest du das? Er hat im Studio immer zu uns gesagt, dass wir das Ganze dunkler machen müssen. Der Refrain “Conformity“ ist ja auch ein Anti-Refrain. Es ging dann so: Lasst uns alle Instrumente rausnehmen bis auf Snare, Kick und Sub… und die Vocals. Es ist schon sehr Anti-Rock’n‘Rol, Anti-Metal, sehr düster. Von Anfang an war das einer meiner Lieblingssongs. Ich mochte das Riff am Anfang. Und wir hatten auch einen komplett anderen Refrain, als wir in die Preproduction kamen. Ross sagte dann “Schmeißt den Refrain raus! Wir machen einen Anti-Refrain!“ – und wir fanden es cool. Als der Song dann fertig war, übertraf er alle Erwartungen.
M: Eben ein “non-conformable song“. [lacht]
E: Das sagt ja auch der Titel aus. Er äußert sich sarkastisch “Hey, Konformität ist die Antwort!“. Passt ja auch zu uns, die wir dem Metal entsprechen müssen. Wir dürfen also nur schreien und nicht singen? Wir müssen immer die Härtesten und Lautesten sein, nur weil wir es mal waren? Das ist Bullshit! Metal hat doch von Anfang an mit Konformität nichts zu tun. Daher kommt der Song.
metal.de: Eddie, 2013 hast du ALL SHALL PERISH für SUICIDE SILENCE verlassen. 2015 kam dann die Ankündigung, dass du für deren neue CD zurückkehren würdest. Ist diese Information noch aktuell? Wie hast du die Situation mit deiner ehemaligen Band entspannt?
E: Uff, das ist eigentlich eine sehr lange Geschichte, die ich jetzt hier ungern vertiefen will. Aber um es einfach zu formulieren: Die Band war neidisch und hat mich rausgeworfen. Als dann die alten Bandmitglieder kamen und sich legal den Namen aneigneten, fragten sie mich, ob ich mit dabei sein möchte. Ich hab dann sofort “Ja“ gesagt, da ich sowieso immer vorhatte, in beiden Bands zu spielen, um ALL SHALL PERISH so umzusetzen wie es sein sollte, nämlich als eine Band die Alben veröffentlicht und nicht unbedingt die ganze Zeit auf Tour sein muss. Und das ist auch der aktuelle Stand. Es gibt zur Zeit keine neue Musik, keine neue Arbeit. Die Band lässt das Ganze so auf sich zukommen. Und wenn es Zeit ist, dann kommt ein neues Album. Mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.
metal.de: Ok, dann zurück zu SUICIDE SILENCE. Wie ich ja gesagt habe, bin ich ja ein recht neuer Hörer eurer Musik. Was muss ich über euch und die Verbindung zu euren Fans wissen. Gibt es da eine besondere Verbundenheit? Wie sieht der typische SUICIDE SILENCE Fan aus?
M: Ich weiß zwar nicht was da “typisch“ ist, aber was für mich großartig ist, und vermutlich auch für meine Bandkollegen, ist die Tatsache, dass wir die Fans mehr verstehen, als alle diejenigen, die am Business von SUICIDE SILENCE interessiert sind, das heißt Label, Agenten und Manager. Die verstehen alle nicht diese Verbindung zu unseren Fans, weil WIR so viel getourt sind. Das waren rund 300 Shows pro Jahr für etwa 4-5 Jahre am Stück, wo wir die Fans getroffen und kennengelernt haben. Unsere Fans sind immer jung und sind auf der Suche nach etwas Neuem und Anderem. Oft sind sie sehr einsam. Wir waren dann immer für sie da und haben unsere Herzen für sie geöffnet. Wir haben uns ihre Geschichten angehört und im Gegenzug von uns erzählt, warum wir Musik machen. SUICIDE SILENCE und unsere Fans – wir sind füreinander da! Und was ich gestern erst beobachtet habe: Unsere Fans scheinen jung zu bleiben. Das ist natürlich gut für uns. Das heißt sie sind immer neu dabei und finden auch noch heute zu uns. Einige verbinden bestimmt auch etwas mit dem Tod von Mitch. Das sind nur einige von vielen Puzzleteilen, die erklären, warum diese Leute zu uns finden und dabei bleiben. Das treibt uns auch musikalisch an, sodass wir ohne Angst etwas Neues und Anderes schaffen können. Unsere Fans waren immer für uns da und umgekehrt!
metal.de: Ihr tourt mit drei deutschen Bands. Liegt es am Label, an persönlichen Beziehungen zueinander oder liebt ihr einfach CALIBAN?
E: a) Natürlich lieben wir CALIBAN! b) Deutsch ist ein Synonym für Metal. Das heißt, wenn du nach Europa kommst, siehst du viele deutsche Metalbands. Das geht Hand in Hand. Es gibt eben nicht viele italienische Metalbands. Die Tour ist großartig, ich mag die Deutschen!
metal.de: Also sind die Fans nicht so drauf “Fuck You, ich bin hier für CALIBAN“, sondern eher auch für euch?
E: Die sind für die komplette Show da! Und das ist ziemlich cool! Jeder spricht hier Deutsch bis wir auf die Bühne kommen und Englisch sprechen. Das ist wie eine kleine Pause, bis CALIBAN dann wieder Deutsch sprechen. Wir lernen sogar einige Wörter wie “Scheiße“… (Allgemeines Gelächter)
Metal.de: Das ist sowieso das wichtigste Wort!
E: Na klar! Und auch “Kein Arschficken“ (Allgemeines Gelächter) … ja, die unterrichten uns hier ganz gut.
metal.de: Oh, letzte Frage!
M: Oh, Greenhorn, du machst das super!
metal.de: Vielen Dank! Verratet uns doch zum Abschluss eure Pläne für 2017. Kommt ihr mit dem neuen Album zurück nach Deutschland?
E: Naja im Februar hauen wir die selbstbetitelte neue Platte über Nuclear Blast raus. Wenn das dann alles geschafft und verarbeitet wurde … Fuck yeah, klar kommen wir wieder nach Europa und Deutschland. Wir lieben es hier! Wir werden wohl ein paar Festivals spielen und einfach denselben Scheiß machen, den wir gerade machen. Wir bringen den SUICIDE SILENCE Vibe nach Deutschland und haben einfach eine gute Zeit.
M: Wir werden einfach das machen, was wir jeden Tag machen: Die Weltherrschaft an uns reißen!
metal.de: Perfekte letzte Worte, vielen Dank!