Streams Of Blood
"Fetzige Rockmusik" mit Gasmasken.
Interview
Es ging mit einem Neunjährigen in einem ABC-Schutzanzug samt Gasmaske von der NVA und Gummi-Maschinenpistole los, der MANOWAR entdeckte. Dann hieß es viele Jahre: Einfach machen. Daran hat sich bis heute nichts verändert, aber eines der Ergebnisse hat zuletzt fast die Bestnote bei metal.de eingesackt: „Allgegenwärtig“. Wofür steht der Albumtitel, wie kommt ein Junge in Berührung mit einer Gasmaske und welche Bedeutung hat die im Kosmos von STREAMS OF BLOOD eigentlich? Die passenden und noch so einige weitere Antworten lieferten uns Bandkopf Thymos und Leadgitarrist Seroque.
Dass das neue Album mit einer 9/10 ein geiles Teil ist, steht natürlich außer Frage. Und ihr konntet auch sonst etliche gute Kritiken einsacken. Hat sich das in irgendeiner Form auch anderweitig bemerkbar gemacht?
Thymos
Ja, das stimmt. Die Resonanz war durchweg positiv. Wir haben weiterhin sehr gutes Feedback und auch Bestellungen aus dem Ausland bekommen. Auch der digitale Vertrieb hat stark zugenommen. Leider ist es aber anscheinend weiterhin so, dass die deutschen Hörer uns nicht auf dem Schirm haben oder sich nicht für uns interessieren. Seit unserem Debütalbum bekommen wir den meisten Zuspruch und die meisten Bestellungen aus dem Ausland.
Lasst uns kurz über den Albumtitel sprechen: „Allgegenwärtig“. Wenn man das Wort nachschlägt, geht es gleich um eine religiöse Komponente, die Allgegenwart von Gott. Ich schließe mal aus, dass das für euch eine Rolle gespielt hat, aber welche Intention hattet ihr denn beim Titel?
Thymos
Der Titel ist für das Album über alle Songtitel hinweggewählt worden. Und weil die Texte alle ein bisschen persönlich sind, also über alles, was die Band beschäftigt, was den einzelnen Mitgliedern schon widerfahren ist, geht es um das Allgegenwärtige, was einen umgibt. Natürlich auch in der Schaffensphase. Das, woraus man schöpfen kann. Das betrifft Chaos, Dunkelheit, Depression.
Seroque
Die dunkleren Seiten auf jeden Fall.
Thymos
Ja. Exzesse auch. Was uns halt so ausmacht.
Gerade diese ganzen Punkte, Chaos, Dunkelheit usw., ich würde das gerne mal in Bezug auf den Job ansprechen. Ich habe in einem alten Interview gelesen, dass du als Groß- und Außenhandelskaufmann arbeitest?
Thymos
Ja ja, das hat das Rock Hard damals geschrieben, obwohl ich das eigentlich nicht wollte, aber die haben’s halt trotzdem rausgehauen.
Das ist natürlich schon ein bodenständiges Berufsfeld. Kollidiert das sehr stark mit dem, was du so tust?
Thymos
Die Branche, in der ich bin, ist witzig. Ich bin in der Autoteilebranche. Ich hab auch zwei Jahre auf dem Schrottplatz gearbeitet, also in der Autoverwertung. Da lernt man schon lustige Gestalten kennen, aber auch viele interessante Leute. Das ist auf jeden Fall auch ein Stück Inspiration. Sagen wir mal, wenn du jetzt irgendwo in einem Betrieb bist, dann hast du ja immer dasselbe Klientel. Stammkunden oder auch mal wechselnde Kunden, aber in einer großen Autoverwertung war der Radius sehr weit, auch europaweit, teilweise weltweit.
Seroque
Wobei du dich ja eigentlich nicht über deinen Job definierst. Du bist ja schon eher der Musiker.
Muss man das dann zurückstellen? Muss man da in eine Rolle gehen?
Thymos
Ja, nach außen auf jeden Fall. Natürlich wissen die Leute, dass ich Musik mache, aber wenn mich einer fragt, was denn, sage ich immer „fetzige Rockmusik“. (lacht) Nee, ich will das generell trennen.
Im selben Interview habe ich gelesen, dass du schon als Kind Gasmasken spannend fandest. Kannst du da einfach nochmal die Backstory zu erzählen? Das klingt ja erst mal schon etwas irritierend.
Thymos
Ja, mein Onkel hatte jahrelang einen großen Requisitenverleih in München, unter anderem hat er viel für die Bavaria-Filmstudios gearbeitet. Als Kind rennst du da durch die Hallen wie durch so ein Abenteuerland, findest alles mögliche Zeug. Na, und da sind mir eben auch die Gasmasken in die Hände gefallen, die fand ich irgendwie schon immer geil. Es gibt noch ein Foto von mir, da war ich neun oder so, darauf bin ich in ABC-Schutzanzug samt Gasmaske von der NVA zu sehen und habe eine Gummi-Maschinenpistole in der Hand. Meine Mutter fand das überhaupt nicht gut, ich aber auf jeden Fall interessant.
Seroque
So eine Gasmaske ist natürlich auch ein starkes Symbol. Sie wird zwar relativ inflationär benutzt, aber es wirkt ja. Die siehst du irgendwo und hast direkt bestimmte Assoziationen.
Thymos
Ja, die Gasmaske ist mit der Zeit mitgewachsen. Was der Redakteur damals nicht mit ins Interview geschrieben hat, war, dass ich gesagt habe: Früher, als kleines Kind, war das sowas wie eine Definition als Ritter auf moderne Art, aber später hat sie irgendwo die Isolation widergespiegelt. Durch die Gasmaske hat man mal die Gelegenheit, gereinigte Luft zu sich zu nehmen. Und so steht das auch in direkter Verbindung mit STREAMS OF BLOOD, dafür steht die eigentlich bei uns mittlerweile.
War das damals, als Junge, auch so eine kleine Brücke hin zu der Musik? Oder wann ging das los?
Thymos
Mit neun habe ich durch meinen Cousin MANOWAR entdeckt. Da lacht sich immer jeder drüber kaputt.
Seroque
Da gibt’s nichts zu lachen, ey.
Ist halt der Anfang, irgendwann geht’s los.
Thymos
Ja, das war halt der Anfang. Ich war damals oft bei ihm gewesen und … so ein MANOWAR-Poster an der Wand – das ist doch geil. (lacht) Was sich natürlich im Lauf der Jahre daraus entwickelt, ist ja eine ganz andere Geschichte, aber erst mal macht das Eindruck.
Wenn wir schon dabei sind: Welche Platten stehen denn neben Metal noch so bei euch im Regal?
Seroque
Bei mir nicht viel. Bei ihm wahrscheinlich ein bisschen mehr. (lacht)
Thymos
THE DOORS zum Beispiel. Bisschen Punkrock auch. Also so’n bisschen Rock sollte schon überall dabei sein, aber sonst auch nicht so außergewöhnliche Dinge. Ich mag auch so ein bisschen Stoner und Psychedelic Rock, also Kraut-Rock, den alten.
Seid ihr mit dem jetzigen Stand der Band eigentlich zufrieden, weil sich das gut mit Job, Alltag, vielleicht auch Familie kombinieren lässt? Oder sind da noch Ambitionen nach oben? Oder interessiert euch sowas gar nicht und ihr macht einfach?
Thymos
Machen.
Seroque
Machen. Also, er hat das Album ja alleine geschrieben, aber wenn man dann von außen draufguckt und es spielt, dann merkt man schon, was für ein Ding das ist. Und naja, was heißt schon „Ambitionen“, aber man hofft natürlich, dass die Leute das genauso sehen. Wenn dann noch so geile Reviews reinkommen, ist das schon ein gutes Zeichen.
Klar, je besser das Album besprochen wird, desto mehr Möglichkeiten hat man dann im Laufe der Zeit mit der Band. Aber kommt man da nicht möglicherweise irgendwann an eine Grenze? Beruflich oder irgendwas?
Seroque
Naja, letztes Jahr sind wir zum Beispiel für drei Tage in Holland und Belgien unterwegs gewesen, und unser Bassist hat halt hinten im Bus seine Masterthesis korrigiert. Ich selber schreibe meine auch gerade, das schiebt man alles so rum. Also, das geht.
Thymos
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Seroque
Genau.
Thymos
Aber natürlich gibt es auch Punkte, die kommen könnten, wo man dann sagen muss, dass es einfach mal nicht geht. Zum Beispiel gibt es Bands, die einen gewissen Status haben, da geht die Band vor. Das ist bei uns undenkbar, noch zumindest.
Seroque
Und dann ist ja auch die Frage, ob man Bock hat, 40, 50, 60 Konzerte im Jahr zu spielen. Ich finde die Frequenz, die wir gerade haben, echt angenehm.
Thymos
Das Angebot für größere Sachen war auch schon da. Aber das wollte ich einfach nicht, weil’s mich nicht gereizt hat. Im Gegenzug zum Beispiel zum Simon, der die Möglichkeit als Schlagzeuger halt ergriffen hat und zu BELPHEGOR gegangen ist. Der wollte das halt unbedingt, und wenn es einer will, gerne. Aber für mich ist Musik immer noch ein Ventil, weißt du?
Seroque
Du erschaffst sie ja auch. Also, die Musik ist ja dein Ding.
Thymos
Genau. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn man das dann auf einmal machen MUSS.
Bald seid ihr aber erst mal beim UTBS. Kennt ihr das alte Gelände und was sagt ihr zur kurzfristigen Verlegung der Location?
Thymos
Ja, ich kenne das Gelände. Privat war ich das erste mal 2008 dort. Gespielt mit STREAMS OF BLOOD haben wir schon mal 2013. Zur Verlegung kann ich nicht viel sagen, da ich die Hintergründe nicht kenne. Ich habe davon durch einen Post erfahren, aber auf jeden Fall gut, dass der Veranstalter noch einen Ausweichplatz finden konnte.
Gibt es ein Festival, auf dem ihr unbedingt mal auftreten wollt?
Thymos
Spontan fällt mir da nichts ein. Noch sind wir um jedes Festival froh, das uns anfragt. Ohne Schwänze zu lutschen und in Ärsche zu kriechen, ist es ziemlich schwer, sich nur mit seiner Musik zu etablieren, um auf großen Festivals oder Konzerten zu spielen.
Seid ihr denn noch nervös, wenn es auf die Bühne geht, oder ist das Routine?
Seroque
Wollen wir mal ehrlich sein: Meistens davor sind wir alle schon ein bisschen abgefuckt, aber ich persönlich mach dann eigentlich immer die Erfahrung, dass es ok ist, sobald der Gig losgeht.
Thymos
Ja, auf jeden Fall. Was halt positiv ist: Das ist jetzt das längste konstante Line-up seit 2014. Und das merkt man auch. Man kennt sich jetzt schon besser, weiß, wie der andere tickt, und das ist sehr wichtig, damit es auch auf längere Zeit gutgehen kann.
Gibt es irgendwelche Rituale?
Thymos
Jeder ist für sich eigentlich.
Seroque
Nee, wir nehmen uns nicht in Arm oder so oder geben uns noch mal ’ne Ghetto-Faust. (lacht) Eher danach.
Ihr habt kürzlich euer zweites Album „Ultimate Destination“ neu rausgebracht (Review zu „Ultimate Destination MMXVII“, Anm. des Autors). Wo liegen die Gründe und was ist anders beim Re-Release?
Thymos
Ich war mit dem Sound des Albums von Anfang an nicht zufrieden. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, das Werk noch mal neu zu mixen und zu mastern, um vor allem den Schlagzeug-Sound zu verbessern. Die neue Version klingt nun breiter und organischer. Jetzt ist es ein Release, mit dem ich leben kann.
Klassischerweise hat die Band das letzte Wort …
Seroque
Frage an dich: Welcher Song vom Album gefällt dir am besten?
Das ist auf jeden Fall „Detox“. Ist auch genau die Auskopplung, aber für mich ist das echt ein Killersong, den hab ich zuletzt auch so hochfrequentiert gehört.
Seroque
Ach, du warst das. (allgemeines Lachen)
Und bei euch?
Seroque
Meiner „Transformation“.
Der geht ja auch von den Vocals noch mal in eine andere Richtung, gab es da Gastmusiker?
Thymos
Ja, der A. von CHAOS INVOCATION. Wir sind gut befreundet und respektieren uns auch so in unserer Art, wie wir da so rangehen. Ich hab ihn dann gefragt, ob er Bock hat, für den Song ’nen Text zu schreiben und den mit mir immer abwechselnd zu bringen. Das war die Grundidee, hört man auch vom Mischen her, es ist immer rechts, links, also die abwechselnden Stimmen. Und der Klargesang ist von ihm. (lacht)
Ansonsten bin ich einfach dankbar, wenn die Leute Gefallen am Album finden. Und auch, wenn die Hörer, egal ob per E-Mail oder Facebook, einfach mal schreiben, wie ihr Eindruck ist. Reviews sind schön und gut, aber von den Leuten, die es dann auch öfter hören, wäre es halt mal interessant zu wissen, was sie so denken.