Stoner Kings
Stoner Kings

Interview

Finnland ist eigentlich eher für dunkle, melancholische, depressive Combos bekannt. Umso mehr überrascht es, dass auf einmal eine vorher total unbekannte Band quietschfidel drauflos rockt und pure gute Laune verbreitet. Wie es dazu kam und warum das so ist, sind nur zwei Dinge, die ich in meinem Telefongespräch dem sehr selbstbewusst und kumpelhaft wirkenden Stoner Kings-Oberkönig und -Sänger Starbuck entlocken konnte.

Stoner KingsErzähl doch erstmal ein bißchen über die Anfänge der Stoner Kings, da euer Bekanntheitsgrad in Deutschland noch nicht allzu hoch ist.

Angefangen hat alles im Jahre 2000. Ich habe in England im späten Sommer und frühen Herbst diesen Jahres professionell gewrestlelt. Als ich von diesem Trip zurückkehrte, entschied ich mich, doch lieber zu versuchen, meine Brötchen mit der Musik zu verdienen. Mein Promoter hatte mich verarscht und nicht ausbezahlt. Noch dazu ist die Wrestlingszene hier in Europa nicht sehr ausgeprägt. Ich hatte schon eine gewisse Anzahl an Songs geschrieben und suchte nun hier in Finnland nach geeigneten Musikern. Ich hatte im Fühling 2000 schon Kontakt zu Crash, der ein exzellenter Drummer mit einem Tommy Lee-ähnlichen Drive ist. Als ich nun von England zurückkam, hörte ich, dass ein alter Bandkumpel von Crash, unser jetziger Gitarrist Shank, seine Death Metal-Band verlassen hatte. Ich hatte ihn vorher schon live spielen sehen. Dieser Typ ist einfach ein Tier. So waren es am Anfang nur wir drei. Ein paar Monate später stießen dann Wolf (g) und Gonzo (b) dazu. Es hat vom ersten Moment an perfekt geklappt. Da war eine gewisse Magie vorhanden.

Warum seid ihr „the hippest rock act that would ever shake the earth“, wie ihr euch immer selbst beschreibt?

(lacht) Weißt Du was? Wenn Rock N‘ Roll nicht „bigger than life“ ist, ist er langweilig. Wir haben genug Selbstvertrauen, um das zu sagen. Viele Leute haben uns gefragt. „Warum zur Hölle habt ihr euch Stoner Kings genannt?“

Das wäre auch meine nächste Frage gewesen.

Gut, dann beantworte ich jetzt beide auf einmal. Die Welt lechzt nach Rockstars. Kuck dir mal im Moment die ganzen beschissenen New Rock-/New Metal-Bands an. Die sind doch alle vollkommen gesichts- und identitätslos. Schau stattdessen zehn Jahre zurück. Da hatten wir Guns N‘ Roses. Das waren echte Rockstars. Aber heute gibt es nichts dergleichen. Also habe ich mir zuerst gedacht: OK, Rock N‘ Roll muss riesig sein, muss provokativ, muss interessant sein. Er muss dir richtig in den Arsch treten. Du musst etwas fühlen können. Gleichzeitig ist unsere oben genannte Charakterisierung für mich auch ein klares Nein gegen musikalische Prostitution, bei der Bands immer nur versuchen, modern zu klingen. Das klappt nicht. Also sage ich mit diesem Satz, dass wir bei unseren Wurzeln, bei klassischem Heavy Rock der 70er und 80er von Bands wie Black Sabbath oder Deep Purple bleiben. Dabei denke ich ehrlich, dass wir keine Probleme hätten, mit diesen Bands auf die Bretter zu steigen und eine Credibility zu erlangen. Wir prostituieren uns nicht selbst, wollen nicht auf Teufel komm raus kommerziell sein und kriechen in niemandes Arsch. Wir haben den Mumm, dazu zu stehen. Genauso verhält es sich mit unserem Bandnamen. In meinen Augen muss in der Rockmusik ein Name griffig sein. Er muss im Hörer ein bestimmtes Gefühl hervorrufen und in seinem Kopf bleiben. Stoner Kings – das klingt doch verdammt riesig und monumental. Es klingt wie die Seele von rotblütiger, heterosexueller Rockmusik. Wenn du so einen Namen hörst, denkst du an hübsche Mädchen und geile Autos. Wie schon gesagt, wir versuchen, diese Gier der Leute nach Rockstars zu befriedigen. Wir haben die Eier, den Mumm dazu und nehmen den Bullen bei den Hörnern. Deswegen heißen wir Stoner Kings.

Birgt dieser Name nicht aber auch gewisse Gefahren? Ihr werdet nun immer im Genre Stoner Rock gefangen sein. Ausbruch zwecklos und unmöglich.

Darüber habe ich mir natürlich vorher Gedanken gemacht. Aber schau dir Bands an, die eine lange Geschichte und eine hohe Glaubwürdigkeit in der Rockszene haben. Nimm Motörhead. Was machen die seit 25 Jahren? Die machen exakt dasselbe seit 25 Jahren. Nimm AC/DC. Da verhält es sich genauso. Auch Iron Maiden haben sich im Laufe ihrer Karriere nicht weit von ihrer Basisformel wegbewegt. Nimm als Gegenbeispiel Metallica. Sie haben mit ihrer alten Formal gebrochen. Sie haben ihren Ruf, ihren Namen dem Material von „Ride The Lightning“ und „Master Of Puppets“ zu verdanken. „Load“ und „Re-Load“ sind einfach Müll. Somit ist es für mich eine positive Sache, mit einem Namen wie Stoner Kings ebendiesem Genre verhaftet zu sein. Wir machen echte Rockmusik. So lange wir also bei unserer Formel bleiben, kann nichts schief gehen.

In welcher Stimmung, unter welchen Umständen kann man „Brimstone Blues“ am besten genießen?

„Brimstone Blues“ ist am besten für Leute geeignet, die einen gehörigen Adrenalinschub, einen festen Tritt in den Allerwertesten verspüren wollen. Ob das nun während eines Dates mit einer begehrenswerten Frau ist und ihr beiden hört „Stonehenge“, während ihr bei der Sache seid, oder ob es im Fitnessstudio ist, während du Gewichte durch die Gegend wuchtest, oder ob es auf der Autobahn ist, während du dein Gaspedal bei euch in Deutschland ohne Geschwindigkeitsbegrenzung voll durchtrittst, spielt keine Rolle. Wenn sich jemand verdammt kräftig und aufhaltbar fühlen möchte, dann hörst er „Brimstone Blues“.

Das ist ja nun ein krasser Gegensatz zu der Musik anderer Bands, die aus Finnland kommen. Normalerweise geht es da melancholischer und depressiver zur Sache. Wie kommt es, dass ihr eine so kraftvolle, gute Laune verbreitende Musik macht und somit vollkommen aus dem Rahmen fallt?

Das liegt wohl daran, dass ich in Kanada geboren worden bin und gleichzeitig unser Hauptsongwriter bin. Bei jeder Band gibt es diese Person, die ihre persönlichen Erfahrungen, ihre persönliche Umwelt in der Musik verarbeitet. Natürlich existieren hier in Finnland viele melancholische Bands wie z. B. Sentenced. Wenn du dir die europäische Metalszene anschaust, wirst du feststellen, dass die meiste melancholische Musik aus unserem Land kommt, weil es einfach ein Teil der Leute ist. Sie müssen das nicht schauspielern. Da ich aber aus Kanada komme, habe ich eine total andere Mentalität. Ich bin positiver, sorgloser eingestellt. Das reflektiert meine Musik und hebt sie von anderen finnischen Bands ab. Das soll jetzt hier keine Abwertung gegenüber dieser Art von Musik sein. Wir spielen sie einfach nur nicht.

Warum bist du dann ausgerechnet nach Finnland gezogen, um eine Band zu gründen? Gab es in Nordamerika keine Möglichkeit dazu?

Ich bin nicht mit der Absicht, eine Band zu gründen, nach Finnland gezogen. Ich war, wie oben schon gesagt, ein Wrestler. Diese Sache lief aber nicht allzu gut, weil ich nicht genügend Kämpfe und somit zu wenig Geld hatte. Dann gab es in Kanada noch eine Krise am Arbeitsmarkt, die es einem erschwerte, an Jobs zu gelangen. Meine Eltern sind beide finnisch. Ich bin der Sprache mächtig. Also packte ich diese verrückte Chance beim Schopfe, zog hierher und hoffte, hier Arbeit zu finden. Ich habe angefangen, Musik zu schreiben. Naja, und jetzt habe ich ein paar Jahre später eine Band zusammen. Das ist schon eine Überraschung, weil es nicht meine primäre Absicht war. Aber hey, das ist großartig. Ich habe keinen Grund, mich zu beschweren.

Stimmt, den gibt es in diesem Falle wirklich nicht. Kommen wir mal wieder auf die Musik zurück. Wo liegen die Haupteinflüsse der Stoner Kings? Ich habe verstärkte Klänge in Richtung der Spiritual Beggars ausgemacht. Würdest du dem zustimmen?

Ich liebe das Songwriting von Michael Amott (Gitarrist und Bandleader der Beggars, Anm. d. Verf.). Besonders deren letztes Album „Ad Astra“ ist unglaublich. Für mich ist es eines der besten Alben der letzten zehn Jahre. Mit Sicherheit haben die Spiritual Beggars dieselbe Art von Drive und Power, die auch wir haben. Shank und Crash sind große Fans von Entombed, von denen sich auch ein paar Elemente in unserer Musik wieder finden. Persönlich bin ich ein großer Fan von Motley Crue und dem ganzen 80er Jahre-Hard Rock-Zeugs. Ich liebe dessen Catchyness. Sogar Billy Idol kann ich dazu zählen. Desweiteren sind noch Bands wie die frühen Motörhead, AC/DC, Black Sabbath, Monster Magnet oder die Backyard Babies zu erwähnen. Mich als Songwriter haben aber mit Sicherheit Trouble am meisten beeinflusst, eine meiner absoluten Lieblingsbands. Hauptsache, es kommt am Ende ein kollossaler Sound heraus, der dich wie ein einstürzender Berg unter sich begräbt. So wie bei den oben genannten Entombed.

Ihr wart schon vor der Veröffentlichung von „Brimstone Blues“ auf Tour gewesen. Wie haben z. B. die Leute in Deutschland das noch unbekannte Material aufgenommen?

In Deutschland war es ganz klar am besten. Wir spielten ja auch in Österreich und Belgien. Ich will hier jetzt keinem in den Hintern kriechen, aber ihr in Deutschland habt nun mal das beste Publikum für unsere Musik. Ehrlich! In München z. B. war jeder im Publikum am Abgehen und Tanzen, ohne das Material zu kennen. Dasselbe in Stuttgart. Das Publikum war verrückt. Ich glaube aber, dass das viel mit der in der Musik steckenden Energie zu tun hat. Da ist es nicht so wichtig, ob die Leute das Material kennen. Hauptsache ist, dass alle eine gute Zeit hatten. Und das war auf jeden Fall so. An unsere Liveshows werden sie sich erinnern. Ein Journalist in München sagte sogar, dass er gar nicht verstehe, warum andere Stoner Rock-Bands auf der Bühne nicht so intensiv seien wie wir. Er bezeichnete uns als die Sick Of It All des Stoner Rock. Das ist ein cooler Vergleich, denn ich kann es auch nicht ab, wenn eine Band auf der Bühne einfach nur rumsteht. Es heißt zwar Stoner Rock, aber deswegen musst du dich on stage nicht stoned verhalten.

Kommt ihr nochmal wieder in nächster Zeit? Jetzt dürften eure Songs ja bekannter sein.

Im Moment reden wir gerade darüber, im November/Dezember wieder zu touren. Wir freuen uns tiersich darauf. Wahrscheinlich touren wir in Spanien, Frankreich, Holland und natürlich auch nochmal in Deutschland.

Wie habt ihr auf Tour gelebt? Nach dem Klischee Sex Drugs & Rock N‘ Roll?

Ich nehme keine Drogen, habe es nie getan und werde es auch nicht tun. Die anderen trinken und kiffen ab und zu auch mal einen. Ich jedoch nicht. Ich habe diesen gesunden Lebensstil aus meiner Wrestlingzeit beibehalten. Im Rockbereich ist eine gesunde Lebensführung selten. Für mich aber ist sie wichtig. Wenn ich mal 40 oder 50 bin, möchte nicht eine lebendige Rockstarleiche sein.

Spielst du da gerade auf Ozzy Osbourne und darauf, wie er sich in seiner Family-Soap „The Osbournes“ präsentiert, an?

Exakt. Ich möchte noch Kraft haben, wenn ich in diesem Alter bin. Gleichzeitig möchte ich meine Glaubwürdigkeit nicht in Frage stellen. Die meisten Leute denken, das Leben on tour sei sehr sorglos und nur von Sex, Drugs & Rock N‘ Roll bestimmt. Das stimmt nicht. Es ist gottverdammt harte Arbeit. Es ist ermüdend. Du gehst immer sehr spät ins Bett und schläfst wenig. Wenn du da durchgehend betrunken oder bekifft bist, wirst du nicht mit deiner Konkurrenz Schritt halten können. Die Gigs werden dementsprechend schlecht und das Publikum nimmt ab, was letztendlich in einem schlechten Ruf mündet. Deswegen halte ich mich aus diesem Lifestyle raus, weil ich denke, dass unsere Fans mehr verdienen, nämlich das Beste. Für mich ist Musik meine Droge, weswegen ich keine anderen, chemischen Glücklichmacher brauche. Was die Mädels angeht: Du triffst natürlich auf Tour eine Menge sehr gut aussehende Girls. Auch in Deutschland. Rock N‘ Roll ohne Frauen wäre nicht mehr Rock N‘ Roll.

Jetzt werden alle Männer, sofern sie heterosexuell sind und dies gelesen haben, mit Sicherheit bekräftigend nicken. 🙂 Gibt es noch etwas, das du unbedingt loswerden willst? Jetzt hast du Gelegenheit dazu.

Auf jeden Fall. Wir sind verdammt froh, bei einem deutschen Label wie Massacre Records untergekommen zu sein, da ihr sehr viele großartige Metalfans habt. Wir können es kaum erwarten, wieder bei euch zu spielen. Wenn ihr jetzt also unser Album immer noch nicht gehört habt, dann tut euch selbst einen Gefallen, rennt in den nächsten Plattenladen, kauft dieses Teil und werdet abhängig. Ihr braucht kein Hasch, ihr braucht keinen Alk! Die Stoner Kings werden eure Droge sein!

Gesünder ist das! 🙂 Danke für das unterhaltsame Gespräch und viel Glück für die Zukunft. Bis zur Tour Ende des Jahres.

Kein Problem. Bis zur Tour. Bye.

24.07.2002

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