Steven Wilson
Interview zum neuen Album "Hand. Cannot. Erase."
Interview
„PORCUPINE TREE haben sich NICHT aufgelöst.“
Ob es irgendwann vielleicht ein Wiedersehen mit PORCUPINE TREE geben wird, darüber wird schon seit Jahren spekuliert. 1987 gegründet, zehn Studioalben auf dem Buckel, doch seit 2010 ist es still um das ehemalige Flaggschiff WILSONs geworden. Sich im vergangenen Jahr breitmachende Gerüchte über eine bestätigte Rückkehr im Jahr 2016 kann er allerdings nur belächeln. „Das Internet ist schon faszinierend. Es ist beeindruckend, wie schnell eine Lüge zum Gerücht und ein Gerücht zum Fakt wird. Irgendein Typ, von dem ich noch nie etwas gehört habe, behauptet, er sei ein Freund von mir und schreibt in seinen Blog, ich hätte ihm erzählt, dass wir zurückkommen. Das nahmen dann wiederum andere Blogs auf und wenige Tage später las man dann schon die große Ankündigung ‚PORCUPINE TREE sind zurück!‘ Aber dem ist nicht so.“ Also sind alle Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung mit Richard Barbieri, Colin Edwin und Gavin Harrison erst mal hinfällig? „Ich möchte ja gar nicht behaupten, dass es nicht irgendwann mal geschehen könnte. Aber ich habe niemals etwas zur einer anstehenden Reunion gesagt und das steht im Moment auch gar nicht zur Debatte. Ich bin gerade äußerst zufrieden, wie es mit meiner Solokarriere läuft. Aber um das einfach mal festzuhalten: PORCUPINE TREE haben sich NICHT aufgelöst, denn ich sehe einfach keinen Sinn dahinter, so eine melodramatische Entscheidung zu treffen. Jedes Mal wenn eine Band das behauptet, weißt du genau, dass sie sowieso wiederkommen. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir jemals wieder aktiv werden, aber von meinem jetzigen Standpunkt aus steht für mich fest, dass die Band niemals wieder zu meinem großen Hauptprojekt werden wird. In meinem Kopf entstehen jedenfalls schon die Ideen fürs nächste Soloalbum.“
Doch auch die anderen PORCUPINE-TREE-Mitglieder sind derzeit mehr als genug beschäftigt: Richard Barbieri arbeitet mit Steve Hogarth (MARILLION) zusammen, Live-Gitarrist John Wesley verfolgt seine Solokarriere und Gavin Harrison ist mit der achten Inkarnation KING CRIMSONs unterwegs. Auch STEVEN WILSON verfolgt die Projekte seiner Kollegen: „Diese Drei-Drummer-Konstellation klingt sehr interessant und Ich weiß genau, wenn es irgendjemand zum Laufen bringt, dann ist es Gavin. Ich werde mir CRIMSON dieses Jahr definitiv ansehen.“ WILSON hingegen arbeitet bereits seit 2011 mit Marco Minnemann (u.a. NECROPHAGIST, PAUL GILBERT, JOE SATRIANI) zusammen, der seiner Meinung nach eine ganz andere Herangehensweise ans Schlagzeugspiel pflegt. „Ich finde, dass Marco und Gavin gemeinsam mit Guthrie Govan, dem Gitarristen meiner Band, wohl die außergewöhnlichsten Musiker sind, mit denen ich je gearbeitet habe. Gavin ist eher der Denker, der akribische Musiker. Er arbeitet etwas aus und da kommen dann unglaubliche Ergebnisse raus. Marco hingegen IST das Schlagzeug, es gibt einfach keine Barriere zwischen ihm und dem Instrument. Er hört sich einen 15-Minuten-Song einmal an und spielt ihn dann runter, voller Kreativität, voller großartiger Ideen. Ich liebe es, mit Gavin zu spielen, aber genauso sehr liebe ich es, mit Marco zu spielen.“ Chad Wackerman, welcher WILSON auf seiner 2013er Tour begleitete, sei hingegen der große Jazzer, der in der Regel ziemlich „laid-back“ spiele. Darum war sich der Perfektionist auch nicht hundertprozentig sicher, ob dieser wirklich der richtige für die gesamte STEVEN-WILSON-Bandbreite sei. Dennoch schätzt er Wackerman gerade für seinen ruhigeren Stil, weshalb er auch auf „Hand. Cannot. Erase.“ am Song „Happy Returns“ beteiligt war.
„Ich bin auch in den 80ern großgeworden.“
Und nun? Was plant der niemals ruhende Tausendsassa sonst noch für 2015? Was passt noch alles zwischen Albumpromotion und Welttournee? „Auf jeden Fall werde ich die Remixprojekte weiter verfolgen. Ich lerne so viel dazu, indem ich diese geliebten Alben dekonstruiere. Das ist alles Musik, mit der ich aufgewachsen bin. Also natürlich die klassischen 70er Prog-Rock-Sachen, aber ich bin eben auch in den 80ern groß geworden, mit Bands wie TEARS FOR FEARS, XTC oder SIMPLE MINDS. Also remixe ich inzwischen auch vermehrt in diese Richtung. Aber ich nehme wirklich nur Alben, die mir wirklich, wirklich viel bedeuten.“ Das sei auch der Grund warum seine Arbeit für KING CRIMSON vorerst abgeschlossen sei, denn von deren New-Wave-beeinflussten Werken der 80er sei er weniger überzeugt. Selbiges gelte für einige YES- und JETHRO-TULL-Alben, wenngleich hier noch Kooperationen folgen sollen.
Auch eine erneute Zusammenarbeit mit Mikael Åkerfeldt, Fronter der Prog-Death-Metal-Ikonen OPETH (für deren jüngstes Album „Pale Communion“ WILSON abermals an den Reglern saß) im Rahmen des gemeinsamen Projekts STORM CORROSION hält er für möglich: „Ich war mittlerweile wohl an etwa hundert Alben beteiligt, aber das STORM-CORROSION-Album ist definitiv in meinen Top 3. Und ich denke, Mikael sieht das genauso. Ich hätte große Lust, neues Material zu sammeln. Aber ich bin ja jetzt erst mal ein Jahr lang gut beschäftigt.“ Dafür peilt er schon bald aber eine gemeinsame Tour mit den Schweden an: „Es ist alles eine Frage des Timings, aber ich würde das sehr, sehr gerne machen. Das wäre eine großartige Kombination, nicht nur für die Fans.“
„Ich konnte mich noch nie zwischen den Instrumenten entscheiden.“
Apropos großartige Kombination: Den Luxus, den STEVEN WILSONs hochkarätige Liveband mit sich bringt, weiß dieser durchaus zu schätzen: So ist er sich sicher, dass er sich auch diesmal wieder die Freiheit nimmt, auf der Bühne zwischen Mikro, Gitarren, Bässen und Keyboards hin- und herzuspringen. „Ich habe mich eigentlich nie wirklich als Gitarristen angesehen. Schon beim Durchlesen der PORCUPINE-TREE-Booklets merkt man schnell, dass ich mich nie zwischen den Instrumenten entscheiden konnte.“ Nein, wenn Mr. Wilson eines wirklich nicht liegt, dann ist es der Wille, sich einfach mal zu entscheiden. Egal ob zwischen einzelnen Instrumenten oder musikalischer Ausrichtung. Und da kann man eigentlich verdammt froh drum sein.
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Stile | Art Rock, Experimental, Progressive Metal, Progressive Rock |
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Toller Artikel über einen der zur Zeit wohl interessantesten Musiker. Ein Jammer, dass mit Porcupine Tree derzeit nichts geplant ist. Die Musik dieser Band hat mich seit Jahren begleitet. Auch wenn Steven Wilsons Solo-Alben ein qualitativ mehr als gleichwertiger Ersatz sind – rein emotional kommt an Porcupine Tree einfach wenig ran…