Stendal Blast
Stendal Blast
Interview
Der biblischen Thematik "Gut und Böse" haben sich Stendal Blast auf ihrem mittlerweile vierten Album "Fette Beute" angenommen, welche in gewohnter Weise durch die Verbindung von kritischen, nachdenklichen Texten, in denen Kaaja Hoyda mit scharfer Beobachtungsgabe die Grauzone des menschlichen Alltags zwischen Gut und Böse beleuchtet, und tanzbaren, fast partytauglichen Rhythmen umgesetzt. Über gescheite Lyrik, Pommes-Currywurst und Alexander Veljanov, den Sänger von Deine Lakaien, plaudert Stendal Blast Frontmann Kaaja Hoyda im Folgenden.
„Nur ein Tag“ ist eine Zusammenarbeit mit Alexander Veljanov. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Alexander und ich haben schon länger miteinander geliebäugelt; wir kennen uns schon eine ganze Weile, auch durch die gemeinsame Zeit bei „Chrom-Records“. Und immer, wenn wir uns getroffen haben, kamen wir gut miteinander klar und hatten viel Spaß; wir können uns über dieselben Sachen aufregen und freuen. Also ist mit der Zeit eine Art Freundschaft entstanden. Was also lag näher, als ihn eines abends einfach zu fragen, ob er Lust hat, einen gemeinsamen Titel aufzunehmen? Er hatte. Der Rest war reine Terminsache: Studio finden, Lied schreiben, Musik komponieren, einsingen, saufen.
„Nur ein Tag“ ist als limitierte Single veröffentlicht worden – wie wollt Ihr da jemals die Charts stürmen, reich und berühmt werden? 😉
Ehrlich gesagt: viel berühmter will ich gar nicht werden. Es würde mich unendlich nerven, ständig angequatscht zu werden, ich kann das nicht so leiden. Mir reicht die Popularität, die Stendal Blast hat, ziemlich aus; wir sind eine Szenegröße und auf unsere Art berühmt, das reicht. Aber um mal Butter bei die Fische zu packen: Alexander ist bei einem großen Major-Label „angestellt“ (Motor-Music), wir sind bei einem Indie-Label. Also galt es sich wegen der Art der Veröffentlichung zu einigen: der Kompromiss war eine limitierte Single. Naja, und reich sind wir natürlich auch nicht geworden, obwohl sie quasi ausverkauft ist. Aber sie hat die Kosten wieder eingespielt, das ist schon mal ganz nett. Und sie hat natürlich auch das Album gut promotet – das läuft nämlich ebenfalls sehr gut.
Wenn Ihr nur noch einen Tag hättet, was würdet Ihr tun?
Für Bernhard und Valek kann ich es nicht sagen; ich für meinen Teil würde einige Leute anrufen und sie um Verzeihung bitten für Dinge, die ich an ihnen verbrochen habe. Vermutlich würde ich ein bisschen flennen dabei, denn der Tod reizt mich nur bedingt. Dann würde ich meine Lieblingsplatten hören, einen Pornofilm gucken und noch mal Pommes-Currywurst im Ruhrgebiet essen. Naja…und dann ist es auch wohl soweit. Ich würde gerne im Auto sterben.
Nicht nur der Teufel, sondern auch der liebe Gott hat es auf Dich abgesehen, aber keiner von den beiden wird fette Beute machen. Was hast Du den beiden, als Sänger von Stendal Blast, voraus?
Ich habe ihnen nichts voraus, ich habe lediglich eine eigene Meinung. Ich bin nicht der Ansicht, dass das Leben in Schwarz-Weiß verläuft; demzufolge nehme ich mir heraus, ohne die beiden einen eigenen Weg zu finden und meine eigenen Ansichten und Glaubensansätze zu finden. Jeder muss selbst wissen, welchen Versuchungen er widerstehen und nicht widerstehen kann – und wenn er eine gute Begründung dafür hat, dann ist das in Ordnung. Außerdem hat keiner der beiden eine Band!
Zu wem von den beiden habt Ihr eigentlich den besseren Draht?
Ich glaube, dass keiner von uns grundsätzlich böse ist und keiner grundsätzlich gut. Deswegen telefonieren wir wohl mit beiden hin und wieder…
Welche Bedeutung hat Poesie bzw. Lyrik für Dich?
Lyrik ist das A und O für mich, wenn es um Musikmachen ging. Ich fand Musik ohne gescheite Lyrik immer hoffnungslos überflüssig: die Emotion, die durch Musik entstehen kann, muss unbedingt durch eine geglückte Lyrik kanalisiert werden. Ich weiß, dass dieser Denkansatz heutzutage ziemlich unkommerziell ist, aber ich kann ihn einfach nicht loswerden. Außerdem schaffe ich mir die Möglichkeit, Positionen einzunehmen, die im nicht-musikalischen Leben kaum zu vertreten wären; demzufolge ist die Lyrik eine Art künstlicher Freiraum, in den man seine Ansichten bauen kann.
Im Booklet ist ein Bild zu sehen, auf dem Euch allen die rechte Hand fehlt. Versteht sich Stendal Blast als Kollektiv, da Ihr alle gleich verstümmelt seid?
Ja, wir sind eine Art Kollektiv, in dem jeder seinen speziellen Auftrag erfüllt. Die Verstümmelung ist anderer Natur: wir sind, obwohl wir das Glück haben, Platten machen zu können, in unserer Ausdrucksweise immer noch begrenzt. Wir würden gerne noch mehr, noch intensiver mitteilen – doch das Wort und die Noten sind schwach. Deshalb fühlen wir uns verstümmelt. Außerdem ist das Foto der Beweis, dass wir uns mit dem Ärzte-Fotografen Joerg Grosse Geldermann einen Bildermacher leisten können, der gute Ideen hat…
Musste neben der körperlichen Unversehrtheit auch die geistige während der Aufnahmen des Albums eingebüßt werden? 😉
Nein, wir sind alle wohl behalten aus der Produktion zurückgekehrt; natürlich gibt es immer Zoff und Streit und Diskussionen, und jeder muss etwas von sich hergeben, wenn man sich einigen will. Das ist aber alles im normalen Rahmen – und letztendlich bin ich der Chef, das beruhigt mich immer.
„Wanze“ setzt die Reihe von vertonten Kinderliedern bzw. Kinderreimen fort und ist wiederum prädestiniert für die Tanzfläche. Besteht nicht die Gefahr, dass der Disco-Gänger bzw. der Szene-Gänger Stendal Blast zu sehr auf solche Party-Hits wie „Der Hahn ist tot“, „Donald ist tot“ oder eben „Wanze“ reduziert und somit Eure gesellschaftskritische Ader überhaupt nicht wahrnimmt?
Das ist uns schon durchaus so passiert. Viele Leute kennen eben „Der Hahn ist tot“, dafür haben sie noch nie „Andere Mütter“ gehört. Das ist schade, aber eben der Preis, wenn man auch eine gute Party-Band sein will. Und das wollten und wollen wir: bei Konzerten sollen die Leute abfeiern und für eine Stunde die Rotze draußen vergessen. Das geht eben besser, wenn man Tanzflächenstoff auf dem Kasten hat. Stendal Blast hat immer gut im Club und live funktioniert – und so soll das bleiben. Aber viele E-Mails und Gespräche trösten mich: es gibt sehr wohl sehr viele Fans, die sich intensiv mit den Texten auseinandersetzen und darüber sprechen wollen. Ich habe schon Diskussionen geführt mit Leuten, die kannten meine Texte besser als ich…
Das Stück „Hinter den Fenstern“ beschäftigt sich mit Deinem Beruf als Krankenpfleger. In wie weit hat sich Deine Sicht des Menschen durch diese Arbeit verändert?
Mein lange Zeit ausgeübter Beruf erlaubt viele Einblicke in die Natur und das Wesen unserer Gesellschaft; er zeigt, wie sehr Menschen sich schätzen oder nicht. Und wenn ich ein Resümee ziehen soll: Deutschland steht schlecht da. Ich habe alles, wirklich alles gesehen und erlebt, was es an Üblem gibt in dieser Welt: vom angezündeten Kind bis zur vergewaltigten Oma – das schärft den Blick. Somit ist das Stück auch eine Parabel über den Zustand der Nation und wie sie mit den Dingen umgeht, die nicht jeder mitbekommt. Als ich merkte, dass ich abzustumpfen begann, habe ich dem Beruf den Rücken gekehrt und bin ins vorzeitige Exil gegangen. Manchmal will ich soviel über unsere Zeit und unser Land gar nicht wissen.
Warum sollte der jeder Leser „Fette Beute“ sein eigen nennen?
Weil es eine verdammt gute, abwechslungsreiche und brutal fette Platte ist. Und weil es mich freuen würde.
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