Star One
Interview mit Arjen Lucassen zu "Victims Of The Modern Age"
Interview
Mit der Ankündigung des zweiten STAR ONE-Albums weckte AYREON-Masterminde Arjen Anthony Lucassen große Erwartungen bei seinen Fans. Und diese wurden mit dem Ergebnis in Form des großartigen „Victims Of The Modern Age“ alles andere als enttäuscht. Umso größer ist nun der allseitige Wunsch, das starke Song-Material auch live erleben zu dürfen. Grund genug also, um einmal per EMail mit dem eingefleischten Science-Fiction-Fan und Großmeister der modernen europäischen Progressive-Szene Kontakt aufzunehmen und ihm einige Fragen zum neuen Album und möglichen Tourneeplänen zu stellen.
Hallo Arjen. Als eingefleischter Fan all deiner verschiedenen musikalischen Projekte habe ich mich tierisch über das neue STAR ONE-Album gefreut.
Danke, da fühle ich mich geehrt.
Wie würdest du den Charakter von „Victims Of The Modern Age“ beschreiben und wo siehst du Unterschiede zum „Space Metal“-Album?
Das „Victims“-Album ist einfach düsterer, härter und bodenständiger als „Space Metal“.
Lange Zeit hieß es ja, du würdest kein zweites STAR ONE-Album mehr machen. Warum hast du deine Meinung letztlich doch geändert?
Bevor es mit STAR ONE wieder losging, habe ich mir „Space Metal“ nochmals angehört, einfach um zu sehen, ob ich da noch etwas verbessern könnte. Ich mag die Stücke auf der Scheibe wirklich, aber die Produktion fand ich irgendwie enttäuschend. Die Gitarren waren ein wenig zu soft und die Drums etwas dumpf. Deshalb habe ich einige Wochen damit verbracht, den bestmöglichen Gitarrensound zu kreieren, weil dieser die Basis des Albums bilden sollte. Ich hatte also im Grunde das Bedürfnis, ein besser klingendes Album zu machen.
Die Texte des neuen Album basieren wieder auf Science-Fiction-Filmen. Jedoch spielen die Geschichten diesmal alle auf der Erde und zeichnen ein düsteres, dystopisches Bild von der Zukunft der Menschheit. Siehst du selbst für die Zukunft der Menschheit auch so schwarz?
Ja, das könnte man durchaus denken, wenn man meine Texte liest. Aber meine Musik und die Texte sind eigentlich rein eskapistische Phantasiegebilde. Ich bin im Grunde ein positiver und optimistischer Mensch. Andererseits habe ich das Gefühl, nicht wirklich in diese Welt hineinzupassen und so lebe ich wie ein Einsiedler in meiner eigenen Seifenblase. Ich sehe nicht fern und lese keine Zeitungen, weil ich überhaupt nicht begreifen kann, was in der Welt alles passiert, und ich es ohnehin nicht ändern kann. Aber ich bin ein glücklicher Einsiedler. 🙂
Ich unterscheide gerne zwischen Fantasy-lastigen „Space-Opern“ wie „Star Wars“ oder „Dune“ und „klassischer Science-Fiction“, die einen stärkeren Bezug zum Leben auf der Erde hat und zukünftige Entwicklungen vorauszusehen versucht. Dementsprechend wäre „Space Metal“ eher ein „Space-Opera-Album“, während „Victims Of The Modern Age“ eher ein „klassisches Science-Fiction-Album“ wäre. Würdest du dem zustimmen?
Das ist ein interessanter Punkt. Mit Fantasy kenne ich mich selbst nicht so gut aus. Dafür interessiere ich mich sehr für Wissenschaft und ich liebe es, wissenschaftliche Fakten in die Science-Fiction einzubringen.
Welche der Geschichten, die für „Victims Of The Modern Age“ Pate gestanden haben, liegt dir persönlich besonders am Herzen?
Das dürfte „Closer To The Stars“ sein, das auf dem Film „Gattaca“ basiert. Darin wird eine sehr glaubhafte Zukunftsvision beschrieben, die von genetischen Manipulationen bestimmt ist. Auf so eine Zukunft könnten wir gerade direkt zusteuern.
Du bist ja schon seit langem als Science-Fiction-Fan bekannt. Erinnerst du dich noch, wie es bei dir mit dieser Leidenschaft anfing?
Ohja, ich werden nie vergessen, wie ich zum ersten Mal „Star Trek“ (die alte Serie) im Fernsehen gesehen habe. Ich war total fasziniert! Es war die ultimative Möglichkeit zur Realitätsflucht und ein großes Abenteuer für den kleinen Arjen. 🙂
Welchen Science-Fiction-Film hältst du für total unterbewertet und welchen im Gegensatz dazu für total überbewertet?
Als unterbewertet muss ich wieder „Gattaca“ erwähnen. Ich glaube, er wurde um die Anschläge vom 11. September 2001 herum veröffentlicht und bekam deshalb nicht die Chance, die er verdient gehabt hätte. (Tatsächlich erschien „Gattaca“ bereits Ende 1997 – Anm. d. Red.) Es ist auch kein großer Hollywood-Action-Blockbuster, der den Geschmack der breiten Masse trifft. Und was überbewertet angeht: Viele Leute scheinen den neuen „Star Trek“-Film zu mögen, ich kann damit leider überhaupt nichts anfangen…
Du arbeitest auch bekanntermaßen lieber im Studio an neuen Songs, als auf Tour zu gehen. Trotzdem war die erste STAR ONE-tour samt der im Anschluss veröffentlichten DVD ein großer Erfolg, so dass ich mir sicher bin, dass es dort draußen eine Menge Fans gibt, die auch gerne wieder auf der Bühne sehen würden. Besteht also vielleicht doch die Chance, dass es bald wieder eine STAR ONE-Tour geben wird?
Es gibt noch keine konkreten Planungen, aber die Möglichkeit besteht. Es dürfte aber wohl sehr schwierig, zeitintensiv und teuer werden diese zehn Musiker für die Proben und eine Tour zusammen zu bringen, die ja rund um den Globus verstreut wohnen und auch alle ihre eigenen Bands und Projekte haben.
Ich habe irgendwo gelesen, dass das letzte AYREON-Album „01011001“ sich für dich zu einer Art logistischem und finanziellem Alptraum entwickelte. Bereust du rückblickend etwas von dem, wie du das Album angegangen bist? Oder war das Endresultat all den Schweiß, das Blut und die Tränen wert, die du hineingesteckt hast?
Im Großen und Ganzen mag ich das Album wirklich, es hat einige großartige Momente. Aber rückblickend habe ich definitiv zu viele Sänger (ganze 17 Stück!) mit an Bord gehabt. Ich hatte nicht die Möglichkeit, ihr ganzes Talent auch auszuschöpfen, weil einfach nicht genügend Raum für jeden einzelnen zur Verfügung stand. Die Leute sagen oft, dass ich es schaffe, dass die Sänger noch besser klingen als in ihren eigenen Bands, aber ich fürchte, dass mir das auf „01011001“ nicht bei allen Sängern gelungen ist.
Mit „01011001“ hast du die Geschichte von AYREON fürs erste zum Abschluss gebracht. Da du ja aber auch nicht vorhattest, mit STAR ONE weiterzumachen, besteht bestimmt noch Hoffnung für ein weiteres AYREON-Album, oder?
Ohja, definitiv! Ich bin mir sicher, dass ich eines Tages die Inspiration für ein neues AYREON-Album finde. Ich würde nur eine neue Story beginnen wollen, die bisherige Geschichte, die ja über alle bisherigen AYREON-Alben verteilt erzählt wird, wurde irgendwann einfach zu kompliziert. Und auf der AYREON-Compilation „Timeline“ habe ich sie ja ohnehin bereits zum Abschluss gebracht.
Nach der Fertigstellung des STAR ONE-Albums gibt es bestimmt bereits ein neues Projekt, an dem du derzeit arbeitest.
Ja, tatsächlich. Ich werde nun endlich das Solo-Album aufnehmen, dass ich schon seit Jahren plane. Ich habe noch keine Ahnung, was für eine stilistische Richtung ich darauf einschlagen werde, aber ich freue mich schon sehr auf diese neue Herausforderung!
Ok, das wäre es von meiner Seite. Gibt es noch irgendwas, das du deinen Fans hier in Deutschland sagen möchtest?
Ich bin in Deutschland mit dem neuen STAR ONE-Album in die Top100 der CD-charts eingestiegen, deshalb möchte ich mich bei euch allen bedanken, die ihr die CD gekauft habt und mir dadurch diesen großartigen Erfolg ermöglicht habt!
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