Stallion
"In dieser Zeit kann man keine leichten Songtexte schreiben."

Interview

Mit „Slaves Of Time“ erscheint bald das dritte Studioalbum der Speed-Metaller STALLION, welches erneut deren Status als eine der interessantesten Achtziger-Bands Deutschlands unterstreicht. Grund genug, um den Gitarristen Äxxl (2. von links) zu befragen.

Warum habt ihr euch von euren Gitarristen Olli Gee getrennt?

Olli spielt schon seit vielen, vielen Jahren bei FLESHCRAWL und die sind jetzt seit einiger Zeit wieder aktiver. Von Anfang an war klar, dass FLESHCRAWL seine Hauptband ist und als dann die ersten Überschneidungen vorlagen, haben wir uns einvernehmlich darauf verständigt, dass wir uns jemand neues für den Job suchen.

Warum habt ihr euch für Claudio Hürlimann als Ersatz entschieden?

Clode kennen wir schon lange. Es gibt hier am Bodensee einen inoffiziellen Metal-Fanclub mit Maniacs aus der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Deutschland. Da hat man sich des öfteren
getroffen. Clode hat außerdem – vor deren Auflösung – bei den Schweizer Thrashern von BATAILLON gespielt und ist ein absolutes Tier an den Saiten. Wir sind sehr froh, ihn an Bord zu haben.

Stallion auf dem Hammer and Iron 2020

Ihr habt das Album auch wieder selbst produziert. Warum habt ihr diesmal Marco Brinkmann den Mix überlassen?

Das hat mit den Erfahrungen aus der letzten Produktion zu tun. Ich habe einfach gemerkt, dass meine Rolle als Musiker leidet, wenn ich zu sehr in den technischen Prozess involviert bin.Als
Hauptsongwriter ist das natürlich ein Problem, deswegen wollte ich bei diesen Mal zumindest den Mix abgeben. 2016 kamen dann die ersten VULTURE-Sachen raus, die Marco gemischt hat und da hatte ich zum ersten Mal jemanden, den ich meinen Mix anvertrauen würde. Wir sind ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis und soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, die Fans ebenfalls!

Wie ist der Albumtitel „Slaves Of Time“ gemeint?

Das ist unser Empfinden des Zeitgeistes. Wir fühlen uns gezwungen zu reagieren, darauf dass in der Welt gerade so viel schief läuft. Bei all den Rechtspopulisten an der Macht rund um den Globus kann man einfach nicht still sein. Vielleicht würden wir auch lieber leichtere Songtexte schreiben, aber das geht in so einer Zeit nicht mehr. Auch der Planet zerrinnt uns gerade zwischen den Fingern. Ein Wettlauf gegen die Zeit, darauf spielt auch das Cover an.

Ich habe erwartet, dass ihr euch, ähnlich wie ENFORCER, weiter vom Speed Metal entfernt. Denkt ihr, dass ihr euch in diesem Genre noch weiter austoben könnt?

Wir machen uns darüber eigentlich gar nicht so viele Gedanken. Wir versuchen den Songwriting-Prozess so natürlich und offen wie möglich zu halten. Da ist eben bis jetzt meistens Speed Metal bei rausgekommen, was nicht heißt, dass das für alle Zeit in Stein gemeißelt ist. Aber die Ästhetik die wir als Maßstab zugrunde legen ist schon sehr gefestigt. Du wirst auf jeden Fall nie ein Album mit einer modernen Produktion von uns hören.

‚No Mercy‘ ist für mich bislang der Hit des Albums. Wie waren darauf die Resonanzen und wie schätzt ihr das Hitpotenzial ein?

Den Song haben wir tatsächlich schon einige Male live gespielt und die Reaktionen waren immer äußerst positiv. Definitiv auch einer meiner Lieblinge auf dem Album. Ansonsten kommt „Die With Me“ bei den Leuten sehr gut an. Ich persönlich finde, dass auch „Time To Reload“ eine gute Nummer ist.

Wie kam es dazu, dass ‚Die With Me‘ für eine Power-Ballade so lang geworden ist?

Das passiert schnell bei einer Ballade. Zum einen ist das Grundtempo langsam, zum anderen muss man einen Spannungsbogen aufbauen. Das braucht seine Zeit, um die entsprechende Wirkung zu entfalten.

Warum habt ihr euch gegen cleanen Gesang in ‚Die With Me‘ entschieden?

Das ist eine gute Frage, die wir uns nicht gestellt haben, haha. Gerade da kommt Pauls Signature-Stimme besonders gut zur Geltung. Die Chance hätte ich ungern liegen gelassen.

Ich habe den Eindruck, dass einige Songs wie ‚All In‘ von euren Bandleben handeln. Welchen Stellenwert hat die Band inzwischen in euren Leben eingenommen?

Ja, dein Eindruck täuscht dich nicht, wobei es sehr abstrakt gemeint ist. Klar, die Band nimmt sehr viel Raum in unseren Leben ein. Wir arbeiten alle normal und alles, was für die Band zu tun ist,
passiert in unserer Freizeit. Konzerte, Proben, Songwriting, Social Media, Video, Artwork, Merch, Booking, Verwaltung, Steuer et cetera. Das ist in jedem Fall ein Commitment, viel Zeit für andere Sachen bleibt einem dann nicht mehr.

Vielerorts wird davor gewarnt, dass Rechtsextremismus wieder eine größere Rolle in der Politik spielt. Seht ihr das auch so?

Ich finde, dass das völlig unübersehbar sind. Leute wie Trump, Bolsonaro, Orban, Erdogan, Putin, Salvini sind mindestens Ultranationalisten. Da ist der Schritt dann oft nicht mehr weit zum Rechtsextremismus und die Anhänger fühlen sich dazu ermutigt „tätig“ zu werden. Auch in Deutschland wird diese Gefahr immer realer. Die AfD ist kurz davor, an tatsächliche Macht zu kommen, gleichzeitig zeigt der tragische Fall Lübcke, dass die Rechtsextremen zum politischen Mord fähig sind.

Stallion auf dem Hammer and Iron 2020

Ihr habt keine Scheu, euch politisch zu äußern. In welchen Ausmaß findet ihr das zumutbar?

Zumutbar ist das, was notwendig ist. Die Hütte brennt. Lichterloh. Es ist Zeit, dass wir handeln, bevor die Mehrheit aus Angst die Schnauze hält. Der Mord an Walter Lübcke hat das teilweise schon bewirkt. Diverse (Lokal-)Poltiker ziehen sich zurück, oder haben Angst sich für bestimmte Projekte einzusetzen. Das ist brandgefährlich, denn nur in diesem Klima der Angst kann eine Minderheit die Macht an sich reißen, wie es schon einmal in unserer Geschichte passiert ist.

Zum Abschluss noch eine Frage, die den Vorgänger „From The Dead“ betrifft: Mein Kollege Dominik möchte gerne wissen, warum ‚Kill Fascists‘ so kurz ausgefallen ist und ob ihr den Song nicht doch noch weiter ausarbeiten wollt?

Weil in diesen 17 Sekunden alles gesagt ist. Es war nie als Song gedacht, sondern als Statement. Das ist in der Form witzigerweise erst bei den Aufnahmen entstanden. Wir haben das als
„Soundcheck“ mit kaputten Becken bei den Drum-Aufnahmen eingespielt, weil die neuen Becken erst am Tag danach gekommen sind. So ist es aber schlussendlich auch auf der Platte gelandet. Irgendwie sehr passend zu diesem hässlichen Thema.

24.02.2020
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