Staind
Interview mit Mike Mushok zu Album Nr. 7

Interview

Staind

Dysfunction 2011? Back to the roots? STAIND haben offenbar genau das gemacht, was sich viele Fans der ersten Stunde schon seit Jahren gewünscht haben: Endlich wieder ein Album aufzunehmen, das die Band so hart wie auf ihrem Majordebüt zeigt. Wir sprachen mit Gitarrist Mike Mushok darüber, warum es genau jetzt an der Zeit für dieses Album war.

Hallo Mike! Vor genau drei Jahren hatten wir bereits die Ehre, und haben uns damals beim Gespräch zu „The Illusion Of Progress“ gefragt, ob denn ein Album wie „Dysfunction“ noch mal möglich sei. Tja, und offensichtlich war es das wohl…

Ja richtig, ich erinnere mich. Wir wollten einfach zu dem Punkt zurück, an dem wir einst begonnen haben, ohne mehr als zehn Jahre später noch mal das gleiche Album aufzunehmen.

Der Ruf nach einem neuen Album dieser härteren Gangart steht ja schon seit Jahren im Raum. Beinharte Fans können ja in dieser Hinsicht schon sehr hartnäckig sein, auch wenn ihnen klar sein müsste, dass eine Band nicht einfach in die Vergangenheit zurückreisen kann, oder?

Eben, und vor allem: Wer will das denn wirklich? Wenn du dir unsere Alben anhörst, wirst du immer wieder feststellen können, dass wir jedes Mal eine ganz runde Sache abgeliefert haben – den Spannungsbogen vollständig geschlossen. Und so könnte man es auch jetzt betrachten: Nach unserer langen Reise sind wir jetzt wieder an dem Punkt angelangt, an dem einmal unser Debüt entstanden ist, genauso heavy und aggressiv wie damals.

…und anstatt in Nostalgie zu schwelgen (die ja grundsätzlich nicht falsch ist), geht es eher darum, dem Geist der früheren Tage neues Leben einzuhauchen, die Stimmung einzufangen und ins Heute zu übersetzen. In einem Interview hattest du vor kurzem gemeint, dass es an der Zeit für dieses Album gewesen wäre. Eigentlich sollte ja schon der Vorgänger das „härteste“ werden, was ihr bis dato produziert hattet, bis er dann kurzerhand zum „musikalischsten“ geworden war. Warum war es genau jetzt an der Zeit?

Ich glaube, der ganze Entstehungsprozess von „The Illusion Of Progress“ hat uns, und vor allem mir, sehr dabei geholfen, zu diesem Punkt zu gelangen. Nach all den neuen Seiten, die wir an uns erforscht hatten, all den Experimenten, die wir auf diesem Album ausprobiert hatten, waren wir dann soweit und dachten uns: Lasst es uns einfach probieren, lasst uns zu diesem besonderen Punkt unserer Karriere zurückgehen.

Ursprünglich war als Titel ja „Seven“ vorgesehen – ein simpler und treffender Name für das siebte Werk. Stattdessen habt ihr euch für die noch einfachere und ebenso bedeutungsschwangere Variante „Staind“ entschieden. Selbstbetitelte Alben künden oft von großen Veränderungen – was bedeutet es für euch? Vielleicht, „das sind wir, das sind Staind anno 2011“?

Ich denke, damit triffst du den Nagel voll auf den Kopf. Dieses Album zeigt uns, wie wir sind und woher wir kommmen. Aaron [Lewis, Sänger, Anm. d.V.] hat ja vor kurzem sein Solo-Album rausgebracht, auf dem er akustische Countrysongs spielt, und auch diesbezüglich ist unser neues Album ein Statement, was uns klar davon trennt.

War es denn schwer, die Mannschaft für das Album zusammen zu kriegen? Ich weiß nur von Aaron, der ja durch „Town Line“ zusätzlich im Stress stand, und dann quasi einen lyrischen Gewaltmarsch absolviert hat.

Zusammen zu kommen war nicht das Problem, wir hatten im Dezember letzten Jahres bereits an die 18 Songs fertig, und haben uns dann nach den Feiertagen wieder getroffen. Aaron und ich setzten uns zusammen, um einige dieser Stücke zu verfeinern und weiter zu bearbeiten. Wir entschieden uns dann aber auch, dass wir alle individuell an der Musik weiterarbeiten, was sich dann im Endeffekt als so zermürbend herausgestellt hat, dass wir in dieser Phase unseren Schlagzeuger [Jon Wysocki] verloren haben. Das ist natürlich ein mächtiger Rückschlag, vor allem wenn man schon seit 1994 zusammengespielt hat.

Sicherlich hat sich das auch im Album niedergeschlagen…

Da bin ich mir sicher, zumindest hat dieser Verlust und die ganzen Anstrengungen seine Spuren hinterlassen. Dazu kommt, dass wir dieses Mal von der Plattenfirma einen festen Termin vorgeschrieben bekommen haben, was für uns auch ein kleines Novum war. Ich finde ja, dass kreative Prozesse nicht unbedingt ein Zeitlimit benötigen.

…wobei ja durchaus ein positiver Effekt durch ein gewisses Maß an Zeitdruck entstehen kann.

Natürlich, und selbst wenn es nur darum geht, dass wir am Ende mit einem fertigen Produkt in den Händen dastehen sollten – und genau das haben wir ja dann auch geschafft. Genau genommen lief das eigentlich auch schon früher so, nur dass die Plattenfirma dann jedes Mal noch mehr Songs haben wollte. Dieses Mal haben sie das Album einfach so wie es ist akzeptiert.

Ist nun ein bisschen mehr Entspannung und Ruhe für dich drin?

Es ist schon beruhigend, so ein Werk endlich fertiggestellt zu haben, auch wenn natürlich schon die nächsten Herausforderungen auf uns warten. Aber mal abgesehen davon ist das Leben in einer Band nie einfach, vor allem je älter eine Band wird. Musiker sind auch nur Menschen, und jeder hat seine eigenen Meinungen und Ansichten. Wir haben den Entstehungsprozess von „Staind“ dokumentiert, was man dann auch als Begleit-DVD anschauen kann. Es wird auf keinen Fall eine dieser drögen, lieblosen Standard-DVDs sein, die einem oftmals mit den Alben hinterhergeworfen werden. Man wird sehen, wie unser Album entstanden ist, und vor allem, was für ein schwieriger Weg das für uns alle war.

Schon bei „The Illusion Of Progress“ habt ihr den Fans einen kleinen Einblick in Form von sog. Webisodes gegeben. Ist die neue Doku ein etwas intimerer Einblick in das Leben von STAIND?

Es zeichnet auf jeden Fall ein sehr wahrheitsgetreues Bild der Band und der ganzen Arbeit und Energie, die in unser neues Album geflossen sind. Es ist wie eine Reise, auf der man niemals das Gefühl bekommt, alles ginge uns leicht von der Hand. Wenn es so leicht wäre, würde es jeder machen. Niemand kann wirklich behaupten, einen einfachen Job zu haben, und genauso verhält es sich mit Musikern, die in einer Band spielen.

Das Album wurde von dir auch mal als „Dysfunction 2011“ bezeichnet. Wo siehst du die Unterschiede zum rohen Sound, zur aggressiven Hardcore-Attitüde eures Debütalbums?

„Staind“ klingt auf jeden Fall moderner, die Arrangements sind besser, ebenso die Riffs. Gleichwohl wird man hören, dass die aggressive Note spürbar zurückgekehrt ist. Hinzu kommen auch solche Details wie Gitarrensolos, die wir so auf dem Debüt wohl gar nicht hatten.

Und wie sieht’s aus mit STAIND anno 1999 und der Band von heute – abgesehen vom Alter?

…und abgesehen davon, dass wir nun leider zu dritt sind! Natürlich sind wir ein Stück älter geworden, aber auch sehr dankbar. Wir sind einen sehr langen Weg gegangen und sehr glücklich damit, wie er bisher verlaufen ist. Verglichen mit der Band, die 1999 noch relativ ahnunglos den Vertrag für’s Debütalbum unterschrieben hat, sind wir nun auf jeden Fall ein ganzes Stück klüger geworden. Wir wissen nun, wie das „business“ funktioniert, und dass mit der Karriere auch wesentlich mehr Verantwortung verbunden ist. Natürlich lieben wir es, Musik zu machen, aber daneben gibt es halt noch viele weitere Sachen, um die wir uns ebenfalls kümmern müssen, inklusive unserer Familien natürlich.

Wieviel von „Staind“ habt ihr denn für die Fans gemacht? Der Wunsch nach dieser Platte wurde immerhin so oft geäußert, dass er euch sicherlich irgendwann aus den Ohren wieder herauskam.

Das hat sicherlich eine gewisse Rolle gespielt. Man muss bei Musik allerdings auch immer daran denken, was man selbst will, sonst klappt es einfach nicht. Es ist immer schön zu hören, dass deine Musik bei den Fans ankommt – und wenn unser Debüt bei einigen Fans einen solch‘ hohen Stellenwert genießt, kann das für uns nur eine Belohnung für all die Arbeit, die wir da reingesteckt haben, sein. Es war jetzt nicht anders als damals: Wir haben uns nicht einfach gesagt, „dann lasst uns mal was Hartes aufnehmen“, sondern wir wollten das Ganze einfach durchziehen, wir wollten diese Songs aufnehmen. Auch auf „The Illusion Of Progress“ haben wir uns von unseren Vorstellungen und Wünschen leiten lassen, in dem Sinne haben wir also nur das gemacht, was wir auch sonst bisher getan haben.

Und ich denke, Lieder wie „Failing“ oder „Paperwings“ zeigen sehr gut, was ihr vorhattet. Wenn Fans „Dysfunction 2011“ wollten, dann bekommen sie es damit tatsächlich. Was mich ja sehr überrascht hat, war eure Kollaboration mit SNOOP DOG bei „Wannabe“ – wie kam das denn zustande?

Das war einer der letzten Songs, die Aaron mitgebracht hatte, und dann hörten wir ihn im Studio dazu rappen. Ich fing an zu lachen und meinte, „du hast da jetzt nicht wirklich gerappt, oder?“ Wir schauten uns um, wer diesen Part übernehmen könnte, und kamen dann irgendwie an Snoop Dog.

Was hältst du denn im Allgemeinen von dieser Kombination: Rap und Metal, oder Rap und Rock?

Das Ding ist ja, dass sich dieser Song vor allem deshalb so gut anhört, weil Snoop Dog dort auch einen ganz anderen Stil draufhat, nicht so wie in seinen anderen Songs. Er hat sich auf dieses Stück wirklich eingelassen, und das macht den Unterschied.

Von „Staind“ wurden bisher drei Songs veröffentlicht: „Not Again“, gefolgt von „The Bottom“ im Transformer-Soundtrack, sowie „Eyes Wide Open“. Kannst du uns was zu den Reaktionen sagen?

Zumindest nichts zu den Reaktionen im Netz, denn dort lese ich schon seit langem nichts mehr über unsere Musik. Zuviele Leute schreiben nur Blödsinn, der damit nichts mehr zu tun hat. Aber klar – Komplimente tun natürlich immer gut, und soweit ich das mitbekommen habe, waren die anfänglichen Reaktionen auf diese Stücke auch sehr positiv.

Glaubt ihr, dass ihr mit dem neuen Album eventuell ein paar ältere Fans zurückgewinnen könnt, die sich in der Zwischenzeit von euch abgewandt hatten?

Wir heißen auf jeden Fall alle willkommen, die mit unserer Musik etwas anfangen können, ob alt oder jung, haha! Gerade heutzutage muss man ja wirklich froh darüber sein, wenn deine Alben gekauft werden, weil es angesichts Gratisdownloads schwieriger denn je ist. Unterm Strich, und in Betracht des langen Wegs, der jedes Mal hinter so einem Album steht, bleibt wohl immer der bescheidene Wunsch: Hört es euch einfach mal an.

Bekommt ihr eigentlich immer noch Nachfragen zu „Tormented“?

Ja, das wird wohl auch nie ganz aufhören, weil junge Fans sich ja immer auch für die älteren Sachen interessieren. Das ist auch gut so, deshalb haben wir das Album ja regelmäßig auf unserer Webseite verfügbar gemacht.

Mal nebenbei gefragt: Was hältst du von LIMP BIZKITs Comeback? Fred Durst hat euch ja seinerzeit den Fuß in die Tür zum Welterfolg gehalten.

Von „Gold Cobra“ kenne ich bisher nur ein paar Songs, da ich das Album selbst nicht besitze. Aber in meinem Herzen hat die Band natürlich einen speziellen Platz. Wir haben großartige Tourneen mit ihnen gespielt, kaum eine Band hat eine bessere Liveshow als Limp Bizkit. Wir mögen die Jungs einfach.

Zu „Not Again“ habt ihr ja ein Video in Planung, was kannst du uns darüber verraten?

Es ist sogar schon fertig abgedreht! Wir haben diesmal viel mit CGI gemacht. Es zeigt zwar viel von uns in Action an den Instrumenten, aber wir standen halt die ganze Zeit vor einem Green-Screen. Lasst euch überraschen.

Wie wird sich denn eure Setlist auf den anstehenden Konzerten gestalten? Werden auch Stücke von „Dysfunction“ dabei sein?

Ganz sicher, aber nicht nur von diesem Album, sondern von allen wird etwas dabei sein, sozusagen eine sehr ausgewogene Mischung aus neuen und alten Songs.

Bevor wir uns verabschieden, noch eine wichtige Frage: das Cover! Wie eine Spinne, mit schwarzer Farbe besudelt, räkelt sich da ein Mensch mit Bockshörnern – was kannst du uns dazu erzählen?

Wie du vorhin schon richtig erwähnt hast, sollte das Album ja ursprünglich „Seven“ heißen. Es ist unser siebtes Album, das letzte in unserem Vertrag mit Atlantic Records, und bedeutet für uns in vielerlei Hinsicht eine Umbruch und Neuanfang. Wir wollten das irgendwie im Artwork unterbringen, und Paul Brown, der dieses Foto gemacht hat, hatte dann diese Idee mit diesem siebenbeinigen, dämonartigem Geschöpf. Er hatte eine ganze Reihe von Bildern, aber das, was du auf dem Cover sehen kannst, war mit Abstand das beste.

Mike, die Zeit ist leider um – herzlichen Dank für das Interview, eine angenehme Woche und natürlich einen erfolgreichen Start für das Album wünsche ich dir!

Vielen Dank, schön das wir wieder miteinander gesprochen haben!

„Staind“ erscheint am 9. September.

Staind

20.08.2011

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