Spiritual Beggars
Interview mit Per Wilberg zu "Return To Zero"
Interview
Wenn die SPIRITUAL BEGGARS ein neues Album unters Volk mischen, kramen viele entweder ihre Rocker-Klamotten raus oder sie zünden sich genüsslich eine Pilzpfanne an, um dem Späthippiesound der Schweden die richtige Kulisse zu bieten. Natürlich ist ein neues Album auch der beste Grund für Redebedarf, besonders vor dem Hintergrund, dass ein neuer Sänger am Start ist und das Album verheißungsvoll den Titel „Return To Zero“ trägt. Tastenmann Per Wiberg stand zur Verfügung…
Hallo! Nun, zunächst sollte ich wohl anstandshalber zum neuen, wirklich gelungenen Album gratulieren; macht man ja so. Bevor wir aber über selbiges zu sprechen kommen, drängt sich natürlich allen, denen die SPIRITUAL BEGGARS ans Herz gewachsen sind, eine einzige Frage: Was ist mit JB passiert? Wirklich nur, dass er GRAND MAGUS komplett in seinem Fokus haben wollte oder doch mehr als das…?
Danke für das tolle Kompliment! JB wollte GRAND MAGUS seine volle Aufmerksamkeit widmen, und diese Entscheidung können wir auch alle nachvollziehen. Er hat mit GRAND MAGUS bei Roadrunner unterschrieben und wird deshalb auch viel mehr unterwegs sein als früher. Wir sind immer noch die besten Freunde, so haben wir uns z.B. erst vor ein paar Wochen auf ein Bierchen getroffen und uns FIREBIRD live angeschaut. Es gibt also keinerlei negative Gefühle diesbezüglich.
Worin siehst du denn genau die Unterschiede zwischen Spice (für viele alte Hasen ist er erstaunlicherweise DER Sänger der BEGGARS), JB und Apollo. Ich persönlich finde, ihr hättet kaum jemand besseren finden können als Apollo; wobei ich allerdings auch zugeben muss, dass ich die Unterschiede zwischen euren Sänger insgesamt nicht sehr gravierend finde. Alle haben dieses rockige, raue in ihrer Stimme und auch die Klangfarbe ähnelt sich, besonders im direkten Vergleich von JB und Apollo, auch wenn jeder natürlich irgendwie seine eigene Stimme hat. Siehst du das ähnlich?
Wir sind sehr glücklich, dass das alles mit Apollo so wunderbar geklappt hat, und ich bin sehr beeindruckt von seiner Leistung im Studio. Sehr professionell, und sehr energetisch! Ich stimme Dir zu, dass die Unterschiede zwischen den beiden nicht allzu groß sind, dazu kommt, dass sie ohnehin aus der gleichen Generation von Musikern stammen, die die gleichen Helden und Einflüsse haben, wie z.B. DIO, HALFORD, GILLIAN, etc. Der offensichtlichste Unterschied zu Spice ist wohl der, dass Spice gleichzeitig noch den Bass gespielt hat, was denke ich auch Einfluss auf seinen Gesang hatte, verglichen mit einem Sänger, der sich auf nichts Anderes konzentrieren muss.
Ansonsten geb ich mal die Langweilerantwort und sage, dass ich alle Sänger gleich gut finde, obwohl Apollo ein bißchen von beidem in seiner Stimme hat, Spices Energie und JBs klassischen Rock-Touch.
Wie sieht euer Verhältnis zu Spice heute aus?
Rein persönlich habe ich keine Beziehung zu Spice heutzutage, da ich ihn seit gut 10 Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich habe trotzdem verfolgt, was er musikalisch so macht, und wie es scheint, macht er sowohl mit seiner RJ Band als auch mit KAYSER genau das was er will.
Apollo ist trotzdem weiterhin bei FIREWIND aktiv?
Soweit ich weiß, liegt FIREWIND erstmal für einige Zeit auf Eis, seitdem Gus G der neue Gitarrist in Ozzys Band geworden ist.
„Return To Zero“! Ist es tatsächlich eine Rückkehr zum Punkt Null… aufgrund des Sängerwechsels, oder weil ihr euch wieder etwas mehr auf eure Anfänge besonnen habt? Oder liege ich komplett daneben und interpretiere das falsch?
Es ist nicht nur der neue Sänger, aber ich denke, für uns alle ist es wie ein Neustart, da „Demons“ schon eine ganze Weile zurückliegt. Wir haben unsere musikalischen Wurzeln nie verheimlicht, es sind die gleichen wie schon immer.
Welche Themen habt ihr in den Texten verarbeitet? „Lost In Yesterday“ klingt allein vom Titel her etwas schwermütig… „A New Dawn Rising“ hingegen wieder hoffnungsvoll…
Mike schreibt die meisten der Texte, deshalb kann eigentlich nur er etwas zu den Themen sagen. Soweit ich weiß, geht es darin aber um das alltägliche Leben, um Persönliches, um Heiteres wie auch Trauriges, aber keine Politik.
Wer kam denn auf die Idee mit dem Crowd-Gejubel bei „We Are Free“? Wo ist die Assoziation mit der ‚Freiheit‘?
Dieser Song ist einfach eine Hommage an den Rock’n’Roll und alles, was damit einhergeht, wie das Touren, live zu spielen und jeden Abend vor neuem Publikum aufzutreten. Ich denke, ich spreche für jeden Musiker, dass das ein besonderes Gefühl von Freiheit ist, im Vergleich zu einem regulären Job, den man jeden Tag von 9 bis 5 machen muss.
Hattet ihr die Stücke eigentlich alle schon fertig, bevor ihr ins Studio gegangen seid oder wurden auch spontane Ideen verarbeitet?
Wir proben die fertigen Stücke vorher, weil es Studiozeit spart, trotzdem bleibt immer genügend Freiraum für Kreativität und Improvisation, was Soli oder Arrangements betrifft. Auf diese Weise sorgen wir dafür, dass die Basisstruktur steht, und wir uns dann voll und ganz der Detailarbeit widmen können.
Wie läuft das überhaupt bei euch, habt ihr einen konkreten Plan, bevor an den Reglern gedreht wird oder entscheidet ihr vor Ort, wie das jeweilige Album klingen soll, der Sound, die Power, der Druck…? Unter dem Motto „mal schauen, was dieses Mal herauskommt oder wird so lange gedreht und gefeilt, bis alles genau so klingt, wie zuvor erträumt?
Dieses Mal haben wir mit Rickard Bengtsson, einem Freund von uns, zusammengearbeitet, der auch schon an „Demons“ und „On Fire“ beteiligt war. Wir wollten einen klaren, natürlichen Klang, nicht zu komprimiert oder aufgemotzt, einfach ein bisschen organisch, so dass man auch alle Instrumente hört, wie sie auf Level 11 klingen sollen 😉
Rickard hat verstanden, welchen Vibe wir suchten, und wir sprachen gar nicht soviel über die Gesamtproduktion. Vielmehr ging es darum, für jeden Song die richtige Balance zu finden.
Wie klingt denn aus deiner Sicht der perfekte Sound für Rockmusik?
Wenn es perfekt klingt, ist es definitiv keine Rockmusik… auch wenn ich keine wirkliche Ahnung habe, wie dieser Sound aussehen könnte. Es gibt so viele, die in meinen Ohren gut klingen, und dazu zählen ganz selten die überproduzierten, auch wenn die vielleicht andere Qualitäten haben. „Powerage“ von AC/DC hat einen großartigen Klang, auch wenn diese Art Sound ganz sicher nicht für das ebenfalls tolle „Far Beyond Driven“ von PANTERA gepasst hätte. Ich glaube deshalb nicht, dass es da eine allgemeingültige Regel gibt.
…und wie klingt die perfekte Rockmusik? Worin siehst du die Seele des Rock?
Für mich bedeutet Rock auf jeden Fall ein bisschen Mittelfingerattitüde, denn um nichts Anderes ging es ursprünglich. Auf Nummer sicher gehen gehört nicht dazu. Aber ob es uns wirklich gelingt, etwas von diesem ursprünglichen Geist in unserer Musik durchschimmern zu lassen, wird wohl nur der Hörer entscheiden können.
Welche Alben in der Geschichte des Rock sind dir am meisten ans Herz gewachsen? Vielleicht benennst du drei Stück und gibst einen kurzen Kommentar dazu ab, warum, damit sich die Leser ein Bild davon machen können und eventuell herauslesen können, woher die SPIRITUAL BEGGARS ihre Seele haben…
Als absoluter Musik-Nerd ist das eine kaum beantwortbare Frage, weil sich die persönliche Meinung dazu fast jeden Tag ändert. Aber ich habe einige Alben in petto, die zu meinen Topfavoriten zählen und mich stark beeinflusst haben: HENDRIX – „Band Of Gypsys“, VENOM – „Black Metal“, BAD BRAINS – „Rock For Light“, DEEP PURPLE – „Fireball“, NAPALM DEATH – „From Enslavement To Obliteration“
Wie viel Einfluss hat der Metal auf die BEGGARS?
Für manche Leute ist das, was wir spielen, Metal, für andere ist es Classic Rock. Man hat die ganzen Bands, mit denen wir aufgewachsen sind, wie z.B. JUDAS PRIEST, DEEP PURPLE und BLACK SABBATH, als Heavy Metal bezeichnet. Heutzutage sagt man wohl lieber, dass es einfach Rockmusik ist, um bei den ganzen Subgenres bloß niemandem auf die Füße zu treten 😉
Wir alle haben schon in Metalbands wie CARCASS, ARCH ENEMY, OPETH und SHINING gespielt, und da wir in den 80ern groß geworden sind, hingen wir einerseits an den Wurzeln härterer Musik, andererseits waren wir offen für die damals extremen Spielarten des Metal, Punk und Hardcore, denk nur an Bands wie VENOM oder SLAYER. Wenn es also um diese Seite geht, dann hat es sehr wohl großen Einfluss auf uns als Band.
Apropos… wird es eigentlich ein neues CARCASS-Album geben? Sag jetzt bloß nicht nein! …und wenn „ja“, dann sag bitte nicht, dass es wie „Swansong“ klingen wird, haha…
Da bin ich wohl der völlig falsche Ansprechpartner, aber als Fan von CARCASS würde ich mich natürlich auch riesig freuen, was Neues von den Jungs zu hören!
Natürlich wollen wir in Deutschland die SPIRITUAL BEGGARS auch auf den Bühnen abrocken sehen… Bekommen wir die Chance dazu?
Derzeit gibt es keine Pläne, es wird wohl noch eine Weile dauern, bis wir wieder europäische Bühnen betreten. Es wird auf jeden Fall neue Gigs in Zukunft geben, auch Auftritte auf deutschen Festivals, aber da ist halt noch nix in trockenen Tüchern. Wir werden bald nach Griechenland kommen und danach auf dem japanischen Metalfestival „Loudpark“ spielen.
Die Frage ist vielleicht etwas gewagt aber wie schnell, effektiv arbeitet ihr an neuem Stoff? ‚Nach dem Album ist vor dem Album‘ und ihr habt schon wieder neue Ideen oder ruht ihr euch nun erstmal ausgiebig auf „Return To Zero“ aus und schaut was noch so alles passiert, bevor genug Schnaps die Kehle runtergeflossen? Immer unter Strom oder auch mal das genießen, was man erreicht hat?
Mike schreibt die meisten der Songs, und ich denke, er ist ständig damit beschäftigt, neue Ideen auszutüfteln. Bis jetzt haben wir aber noch nicht an irgendwelchem neuen Material gearbeitet, was auch gut ist, schließlich genießen wir es nach der langen Pause, wieder zusammen zu spielen und die neuen Songs auf uns einwirken zu lassen.
Vielen Dank und weiterhin viel Glück! Ich denke ihr seid auf dem richtigen Weg und habt mit Apollo einen Glücksgriff getätigt. Ich hoffe, er bleibt euch erhalten!
Das hoffe ich auch! Danke ebenfalls und schönen Gruß!