Spirit Adrift
Interview mit Nate Garrett über “Enlightened In Eternity”

Interview

Nachdem sich SPIRIT ADRIFT über drei Alben den Status als verlässlicher Geheimtipp erspielt haben, ist es ihnen nun gelungen einen ordentlichen Coup zu landen: “Enlightened In Eternity” ist das bisher beste Album des Duos aus den USA. Stark verbesserter Sound, einprägsamere Songs und zudem ein lukrativer Europa-Deal mit Century Media dürften SPIRIT ADRIFT eigentlich alle Türen öffnen – wäre da nicht die verdammte Pandemie. Mainman und Multiinstrumentalist Nate Garrett nimmt es zwar verhältnismäßig locker, er offenbart im Interview allerdings seine ganz eigenen Pläne für die Zukunft.

Meinen Herzlichsten zum neuen Album “Enlightened In Eternity”, Nate. Ich halte es für euer bisher bestes Album.

Danke. Ich freue mich, das zu hören und stimme dir zu. Es ist mir das liebste von allem, was ich bisher gemacht habe.

Wie ist es euch mit der ganzen Corona-Situation in den letzten Monaten ergangen? Ich hoffe, es hat dich beziehungsweise SPIRIT ADRIFT nicht zu stark beeinträchtigt.

Persönlich geht es uns ganz okay. Meine Frau und ich sind am ersten März nach Texas umgezogen als alles gerade losging. Wir sind sehr abgeschieden draußen in den Wäldern. Wir haben gerade rechtzeitig die Stadt verlassen. Viele Touren wurden abgesagt oder verschoben, aber ich bin entschlossen, irgendwie weiterzumachen. Ich schreibe Musik und nehme Demos auf, kümmere mich um unseren Webshop, manage die Band, nehme an allen möglichen Musikprojekten nah und fern teil und versuche einfach die Einsamkeit unseres neuen Zuhauses zu genießen. Ich weiß, Marcus (SPIRIT-ADRIFT-Drummer – Anm.) geht es in Phoenix auch gut.

Was mich wirklich schon beim ersten Hören begeistert hat, ist die schlagkräftige, dicke und präzise Produktion. Euer letztes Album “Divided By Darkness” war schon ein guter Schritt in die Richtung, aber dieses Mal habt ihr wirklich alles plattgewalzt. Die Musik umschlingt einen regelrecht.

Danke! Wir hatten ein Mantra beim Aufnehmen, das “Classic sound – modern fidelity” lautete. Wir haben das definitiv erreicht. Wir haben viel Zeit damit verbracht, den Sound feinzutunen bis es sich nach klassischen Heavy-Metal-Songs mit zeitgenössischer Aufnahmequalität anhörte. Howie Weinberg hat das Album gemastert und er war schon an klassischen Hard-Rock- und Heavy-Metal-Scheiben von den Siebzigern bis heute beteiligt. Es ist wirklich erstaunlich, an welchen Alben er bereits beteiligt war.

(u. a. “Hysteria” von DEF LEPPARD, “Time Does Not Heal” von DARK ANGEL, KYUSS‘ “Blues For The Red Sun” oder “Rage For Order” von QUEENSRŸCHE, um nur ein paar Eckpunkte der wirklich beeindruckenden Vita Weinbergs zu nennen – d. Verf.)

Machst du außer den Drums eigentlich im Studio immer noch alles alleine? Strengt es dich an oder gefällt es dir tatsächlich?

Yeah, ich mache immer alles außer den Drums selbst (und ich habe früher sogar Drums gespielt, ha!). Ich mag es lieber so. Es ist viel Arbeit, aber ich habe damit inzwischen so viel Erfahrung, dass ich davon nicht erschlagen werde. Niemand versteht meine Songs so gut, wie ich es tue! Ich weiß, wie all die kleinen Teilen zusammengehören und interagieren. Also ist es auf alle Fälle die effizienteste Arbeitsweise. Mein liebster Part an den Aufnahmen ist, wenn es an den Bass geht, weil das nach den Drums und Gitarren passiert. Es ist dann das erste Mal, dass ich die gesamte „Band“ im Studio höre und es ist erhebend!

Die Arrangements sind diesmal auch viel detaillierter, vor allem die Gitarren sind großartig. Hast du eigentlich eine bestimmte Umgebung oder Methode, worin du dich am kreativsten oder wohlsten fühlst, um Songs zu schreiben?

Ich denke, auch die besten Songwriter würden dir sagen, dass sie nicht zu einhundert Prozent verstehen, was da eigentlich passiert. Ich auch. Das meiste Material des Albums überkam mich einfach, als ich nicht damit rechnete. Wenn ich zum Beispiel einfach eine Gitarre in die Hand nehme und ein Riff entsteht. Songs kommen in so verschiedenen Umständen daher, dass es unmöglich wäre, es auf eine bestimmte Situation herunterzubrechen. Wichtig ist nur, sie festzuhalten, wenn sie auftauchen.

Ist es dir überhaupt wichtig, als “Doom-Metal-Band” gelabelt zu werden? Die neuen Songs sind wieder mal mehr “straight forward” als auf “Divided By Darkness” (2019) – bei dem coolen Opener “Ride Into The Light” war ich positiv überrascht davon, wie nah er am klassischen Heavy Metal ist.

Es ist mir egal, wie uns die Leute bezeichnen. Wir sind SPIRIT ADRIFT. Es ist wahrscheinlich richtig, uns eine Metal-Band zu nennen, aber jede weitere Eingrenzung könnte von unseren Songs oder Riffs widerlegt werden. Ich persönlich versteh den Drang der Leute, alles mit einem Etikett zu versehen, eh nicht. Es gibt niemanden, der wie ich ist auf dieser Welt, also gibt es auch keine Musik auf dieser Welt, die so richtig wie die von SPIRIT ADRIFT klingt. Die Musik ist einfach SPIRIT ADRIFT.

Als ich “Astral Levitation” und später auch “Harmony Of The Spheres” gehört habe, musste ich sogar ein bisschen an alten deutschen Metal aus den Achtzigern denken. Kannst du damit was anfangen?

Wir haben bestimmt immer ein paar Einflüsse von SCORPIONS oder UFO (die sind übrigens trotz Michael Schenkers einstweiliger Beteiligung eine britische Band, lieber Nate – Anm.), weil das so klassische Gitarrenbands sind und wir auch eine Gitarrenband sind. Ich liebe sie beide und habe viel von ihnen gelernt. Irgendwann konnte ich mal das gesamte Solo von “Sails Of Charon” (SCORPIONS), aber ich bin bestimmt etwas aus der Übung. Ich liebe auch SODOM, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie einen direkten Einfluss auf das Album hatten.

Ich habe die Texte leider nicht vorliegen, aber beim Lesen der Songtitel habe ich mir die Frage gestellt, ob du dich als spirituelle Person bezeichnen würdest. Falls ja: Wie würdest du deine Spiritualität beschreiben?

Tut mir leid, dass du die Lyrics nicht hast; das Label hatte sie eigentlich mitliefern sollen! Meine Texte setzen sich – wie immer – mit einigen der größten Fragen der Menschheit auseinander. Nenn‘ es spirituell, philosophisch, existenziell oder wie immer du auch möchtest. Ich bevorzuge das Wort “psychedelisch”, was meines Erachtens nach meinen spirituellen Ansatz am besten umreißt. Wenn siehst, was die Wurzeln des Wortes untersuchst, bedeutet es im Grunde genommen, den menschlichen Geist, seine Seele oder seine Gedanken zu öffnen oder zu entschleiern. Für mich gibt es nichts wichtigeres. Ich versuche, bis an die Tiefe dessen, was all das hier bedeutet, zu gelangen.

Das Artwork wurde von Adam Burke gefertigt, der bereits für LUNAR SHADOW, SÓLSTAFIR und viele mehr tätig war.

Statt wie bei den letzten beiden Alben mit Joe Pentagno zu arbeiten, habt ihr dieses Mal ein Cover von Adam Burke gewählt. Er ist eigentlich die perfekte Partie, weil sein Ansatz eure Epik und Narrativität sehr gut unterstützt.

Yeah, es war Absicht, dass dieses Album sich ein ganzes Stück vom letzten unterscheiden würde, also hatte es Sinn, einen neuen Künstler hinzuzuziehen. Ich hatte das Artwork gedanklich vor mir, als ich den ersten Song “Ride Into The Light” geschrieben habe. Glücklicherweise konnte Adam die Vision perfekt einfangen. Er hat sogar unsere Hunde, die beide leider kurz vor den Aufnahmen verstorben sind, irgendwie mit unterbringen können.

Und offenbar habt ihr euch auch für ein neues Logo entschieden.

Aber nur für dieses Album. Das ganze Layout ist eine direkte Referenz an einen geliebten Rock ’n‘ Roller aus Detroit. (Viel Spaß beim Raten – Anm.)

Wie sehen eure Zukunftspläne aus? Touren sind gerade weitestgehend unmöglich, welche Optionen bieten sich euch also?

Ich habe jeden einzelnen Moment meines Lebens über fünf Jahre lang der Musik gewidmet. Ich habe sogar wichtige Dinge in meinem eigenen Leben schleifen lassen. Wenn also “Enlightened In Eternity” erscheint, werde ich mich für eine Weile etwas zurückziehen. Ich werde weiterhin neues Material schreiben und Demos aufnehmen. Ich habe übrigens schon wieder zwölf neue Songs als Demo aufgenommen. Aber bis es Zeit wird, Shows zu spielen oder ein neues Album zu machen, werde ich eine Weile in der Ländlichkeit von Texas verschwinden und einfach mein Leben leben. Sobald uns Touren wieder erlaubt sein werden, werden wir all unsere wundervollen Fans in Deutschland und der Welt wiedersehen!

Abschließend noch: Denkst du, dass – abgesehen von den dramatischen Auswirkungen, die wir und ganz besonders die, deren Einkommen seit Monaten in Gefahr oder vollkommen weggebrochen ist, jetzt gerade spüren – es irgendeine Möglichkeit gibt, dass die aktuelle Situation das Musikbusiness irgendwie verbessern könnte?

Die Musikindustrie in den Staaten kann eigentlich nicht mehr schlimmer werden, als sie es schon jahrelang war. Also ich denke schon, dass irgendeine Form von Katastrophe nötig war, um Veränderungen herbeizuführen. Wir werden sehen, was passiert.

Danke dir, Nate und alles Gute für die Zukunft.

 

Quelle: Nate Garrett
20.10.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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