Space Chaser
Raus aus dem Underground

Interview

SPACE CHASER sind Thrash-Fans mit Underground-Affinität schon lange ein Begriff. Mit ihrem neuen Album „Give Us Life“, geht die Berliner ein paar überraschende neue Wege, ohne ihren Stil radikal zu verändern. Laut Schlagzeuger Matthias Scheuerer will es die Band auch gar nicht anders. Im offenen Gespräch offenbart er, mit welch klarem Kopf SPACE CHASER dieser Tage agieren und warum es manchmal gut ist, einen ganzen Batzen Songs in die Tonne zu treten.

SPACE CHASER haben sich Zeit gelassen

Glückwunsch zum neuen Album! Die Scheibe ist echt fett geworden und meiner Meinung nach besser als „Dead Sun Rising“.

Vielen Dank. Wir sind froh, dass du das sagst. Man ist ja schon immer ziemlich nervös und aufgeregt was die Fans und die, die’s werden sollen, davon halten.

Der Vorgänger von „Give Us Life“ ist inzwischen knappe fünf Jahre alt, wobei ihr eure Fans mit der „Flight Of The Atlas“-Single und der Split mit DISTILLATOR bei Laune gehalten habt. Warum hats denn bis zu einem richtigen Album so lange gedauert?

Weil wir einfach stinkend faul sind. Nee im Ernst. Es war erstmal ziemlich zäh nach „Dead Sun Rising“, 2017 war dann auch echt unser allerschlimmstes Jahr, nur doofe Shows, wahnsinnig viel Geld verloren durch allerlei dämliche Unfälle und so weiter. Manche Bandmitglieder steckten privat ziemlich in der Klemme. Das kann schon an den Nerven zehren. Es gab Phasen, da war ich mir nicht sicher, ob wir das schaffen.

Dann war wieder alles etwas besser und die Sonne ging wieder auf. Wir haben drauf los geschrieben und irgendwann fiel uns auf: Das ist alles nicht besonders gut. Also haben wir irgendwann 2019 wieder von vorne begonnen mit dem Songwriting. Bis heute die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Deshalb klingt das alles so frisch und lebendig, weil wir’s nicht totgedacht haben.

Bloß keine Romantik

Im Gegensatz zu euren ersten beiden Platten fällt „Give Us Life“ spürbar härter aus. Was hat zu dieser leichten Neuorientierung bei euch geführt?

Nach unserem Dafürhalten ist das die logische Weiterentwicklung unseres Sounds. Wir haben uns überlegt, was wir eigentlich wollen, nachdem wir mit den ursprünglichen Demos so krass unhappy waren. Da kam dann raus, dass eigentlich alle härter und brutaler spielen wollen. Wobei natürlich erstmal nicht klar war, wie wir das anstellen sollten. Wir wollten ja definitiv unsere Thrash-Trademarks behalten. Und mit normal gestimmten Gitarren und richtigem Gesang ist das schon eine Herausforderung.

Also haben wir einfach mal gekuckt und wir haben bemerkt: Das läuft ja. Also haben wir dann mal ausprobiert, wie weit wir das treiben können. Wenn man sowas wie „Give Us Life“ oder „Dark Descent“ anhört, dann sind das ja schon sehr Death-metallische Songs. So von den Riffs her und auch von der düsteren Stimmung. Macht einfach richtig Lunte, so zu übertreiben.

Die SPACE CHASER-Trademarks habt ihr trotz allem erhalten. Könnt ihr euch vorstellen, in Zukunft auch mal total von eurem typischen Stil abzuweichen, wie es KREATOR zum Beispiel mit „Endorama“ gemacht haben?

Also ich kann mir ja viel vorstellen, aber dass wir einen auf Artsy-Fartsy machen nun wirklich nicht. Versteh mich nicht falsch, das ist kein Diss gegenüber Bands, die sich weiterentwickeln wollen oder einfach die Nase voll haben vom alten Trott. Aber für uns kann ich mir das – zumindest jetzt gerade – so richtig überhaupt nicht vorstellen. Wir werden uns auch nicht anbiedern oder mal irgendwas machen, weil wir dann denken, dass wir bei ner anderen Crowd besser ankommen. Oder gar ne Ballade schreiben. Wenn Metal Bands romantisch werden, kommt mir der Kaffee hoch, haha.

Also wir werden uns bestimmt weiterentwickeln und verändern, aber das wird authentisch bleiben und zu uns passen. Deshalb war uns das so wichtig, gerade jetzt, wo wir so einen fetten Deal an Land gezogen haben, nicht einen auf „Wir sind so krass erwachsen geworden“ zu machen, sondern alles ganz genau so durchzuziehen, wie wir vor zehn Jahren angefangen haben.

Zurück ins Leben

Neben der härteren Musik sind auch die Lyrics diesmal deutlich düsterer. Was hat dazu geführt, dass ihr euch auf dystopische Zukunftsvisionen als loses Oberthema gestürzt habt?

Auch das ist einfach nur unser Weg, den wir auf „Dead Sun Rising“ eingeschlagen haben, konsequent weiterverfolgt. Solche Texte hatten wir da auch schon. Nur ist Siggi halt auch ein noch besserer Texter geworden und hat sich da eben einfach noch mehr in diese Richtung mitnehmen lassen. Er ist halt, wie wir alle, ein riesen Sci-Fi-Fan und das sind einfach immer diese dystopischen Stories. Und es passt perfekt zu uns.

Der Albumtitel ist auf verschiedene Weisen interpretierbar. Was bedeutet er für euch?

Gut, dass du das fragst. Als es darum ging, einen Albumtitel zu finden, war das ein ziemlicher Kampf. Wir konnten uns ewig nicht einigen und dann irgendwann war klar, dass das Album nur „Give Us Life“ heißen kann. Ein sehr kraftvoller und ungewöhnlich positiv klingender Titel wie ich finde. Zum einen passt es einfach zu der Story, die das geniale Coverartwork von Mario Lopez erzählt. Eine super hochentwickelte Zivilisation, die es geschafft hat, Energie aus dem gesamten Sonnensystem zu harvesten und technische Errungenschaften ungeahnter Dimension an den Start gebracht hat. Aber sie sind trotzdem lange ausgestorben. Also das biologische Leben.

Die Stadt, die man sieht, ist einfach super ancient, aber die Technik funktioniert immer noch. Und statt dem biologischen Leben streifen nur mehr diese künstlichen Intelligenzen als Cyborgs über diesen sehr lebensfeindlichen Planeten. Und aus deren Sicht sind sie natürlich das Leben, haha. Und ja für uns heißt das Ganze auch, wir wollen unser Leben zurück! Lasst uns endlich wieder die stinkigen Kellerlöcher aufmischen!

Für das Album habt ihr von This Charming Man Records zu Metal Blade gewechselt. Wie kam es dazu?

Unsere Freundin Kristin, die jetzt unsere Bookerin ist, hat erzählt sie „kennt da jemanden bei Metal Blade“ und wir so: „Geil! Frag mal, ob sie uns haben wollen!“ Natürlich nur im Scherz. Aber es stellte sich raus, der kannte uns, war schon auf mehreren unserer Shows und fand uns gut. Also schnell im Mai letzten Jahres ein Vier-Song-Demo aufgenommen, dahin geschickt und Bäm! Das unglaubliche ist passiert. Fast forward, jetzt kommt unser Album da raus. Irre. Wir können das immer noch nicht so recht glauben.

„Give Us Life“ erscheint in diversen Varianten. Unter anderem gibt es auch eine fette Deluxe Box mit allerlei Goodies. War das eine Idee von Metal Blade oder hattet ihr selbst einfach Bock auf sowas? Und wie seid ihr an die Konzipierung des Boxsets herangegangen?

Metal Blade ist einfach immer noch von Fans gemacht. Die haben Bock. Nahezu für alles, was ich mir ausdenken konnte, wurde grünes Licht gegeben. Und die Box war eben auch so ne Idee. Aber die Umsetzung ist natürlich super schwierig für eine Band wie uns. Man muss zusehen, dass das nicht so absurd teuer wird, sonst kauft’s ja niemand. Wir wollten einfach eine wertige Box mit geilen Gimmicks raushauen.

Da ist schon mal das Problem: die Box selbst. Das ist so schwierig, da was zu finden. Erst dachte ich: nen Pizzakarton. Dann hat sich aber schnell rausgestellt, dass die viel zu windig sind. Ne richtige bedruckte Vinyl Box allerdings kostet so wahnsinnig viel Geld, dass das ganze locker zehn Euro teurer geworden wäre. Dann haben wir endlich Kartons gefunden und wir machen die Rückseite mit Siebdruck selbst und die Vorderseite besprayen wir mit handgemachten Sprühschablonen. Wie echte Punker. Und das nächste ist: Was packst’n da rein? Ganz oft finde ich den Kram mega uninteressant. Aber da war dasselbe Problem: Die Kirche muss im Dorf bleiben.

Wir haben monatelang Angebote eingeholt und alles nochmal und nochmal überarbeitet. Du ahnst nicht, wie happy ich bin, dass Metal Blade das alles mitgemacht haben. Ich meine, wir sind ja nicht CANNIBAL CORPSE und das ist schon ein krasses Risiko, was die da eingehen.

SPACE CHASER im Größenwahnsinn

Der Opener „Remnants Of Technology“ dient auch als erste Single. Dazu habt ihr kürzlich ein bockstarkes Musikvideo veröffentlicht, das schon mehr als Kurzfilm durchgeht. Welcher Größenwahnsinn hat euch denn da geritten?

Größenwahnsinn. Ja. Anders lässt sich das nicht beschreiben. Das ist alles ein wenig außer Kontrolle geraten, wa? Wir waren, was Videos angeht, ja eigentlich noch nie zimperlich, aber dieses Mal sind wir fast ein bisschen zu nah an die Sonne geflogen. Die Idee für das Ding liegt schon seit vielen Jahren in der Schublade, hatten aber nie die nötigen Ressourcen. Dann kam Corona.

Zum einen haben wir eine geile Förderung der Musikinitiative bekommen, zum andern hatte die gesamte Berliner Filmbranche keine Jobs mehr und unser Videomacher Lukas Fiederling von Peregrine Films hat alle mit der Idee angesteckt. Und jeder hat noch mehr Leute an Bord gebracht. Und es wurde größer und größer und verrückter und beknackter. Das war alles Lukas.

Irgendwann war alles so groß, dass wir uns nicht sicher waren, ob das machbar ist. Lukas hat zwei Monate nicht geschlafen, wir haben alle zehn Jahre weniger Lebenserwartung, aber das war’s wert. Sowas wird’s nie wieder geben, aber es ist so krass, das zu sehen und vor allem mitzubekommen, wie sehr die Leute das mögen.

Über das dritte Album heißt es oft, dass es über den weiteren Verlauf der Karriere einer Band entscheidet. Habt ihr während der Arbeit an der Platte so etwas im Hinterkopf gehabt? Auf mich wirkt es ein wenig so, als wolltet ihr endgültig den Schritt raus aus dem Underground machen.

Um ehrlich zu sein: Ja. Wir kennen diesen Spruch ja auch, so von wegen dritte Scheibe, make it or break it, aber wir wollen wirklich aus’m Underground raus und endlich wissen, ob wir auch in der Champions League mitspielen können. Bin gespannt.

Dieses Jahr steht das zehnjährige Jubiläum von SPACE CHASER an. Habt ihr etwas geplant, um das gebührend zu feiern?

Man kann ja schlecht was planen. Aber sobald es wieder geht, gibt’s ein Space Fest, das sich gewaschen hat. Wir werden so auf die Kacke hauen, dass allen hören und sehen vergeht.

13.07.2021

"Irgendeiner wartet immer."

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